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Der Digitale Fußball

von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

„Hast du das gesehen, Ingo? So eine Sauerei!“ Jupp redet sich gerade in Rage, seit er sein neues Heimkino in Betrieb genommen hat, genau passend zum DFB-Pokalfinale zwischen FC Bayern München und Borussia Dortmund. „Dieses Kopfballtor von Mats Hummels in der 64. Minute ... – Mensch, der Ball war doch ganz klar hinter der Torlinie. Nicht anerkannt, weil der Linienrichter und der Schiri beide blind sind. Und das bei einem Endspiel.“ 

Der Fußball- Weltverband Fifa hatte vor ein paar Wochen eine Rangliste der elf schlimmsten Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern veröffentlicht. Vier der elf Flops sind bei einer Endrunde passiert. Zudem wimmelte es in den letzten Jahren von Dutzenden von aufregenden Fehlurteilen in der Bundesliga. Der Philosoph Jean-Paul Sartre hat das eigentliche Grundproblem schon lange vorher erkannt: „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“

Mehrmals muss ich mir jetzt die entscheidende Szene in Zeitlupe und Zoom auf dem Superbildschirm von Jupp anschauen. „Klar, mit Torlinientechnik wäre diese Fehlentscheidung nicht passiert. Aber das ist ja der Bundesliga anscheinend zu teuer. Was sind schon die Kosten eines kleinen Chips im Fußball gegen eine Ablösesumme von 40 Millionen Euro für Javier Martinez.“

 „Vollkommen richtig, Ingo. Ich würde noch weitergehen. Minikameras kosten auch kaum etwas. Wenn schon Elektronik im Fußball, dann könnte man gleich ein paar  Kameras miteinbauen. Das gäbe doch saustarke Bilder – wie beim Formel-1 Rennen. Und zur Sicherheit sollte man den Torrahmen auch damit bestücken.“

„Jupp, du führst ja gerade den digitalen Fußball ein. Ich war letzte Woche auf einer Veranstaltung zum digitalen Krankenhaus. Die digitale Technologie ist nicht mehr aufzuhalten.“ warf ich kurz ein, in der Hoffnung, schnell das Thema wechseln zu können. Auch wenn der britische Zoologe Desmond Morris meint: „Das Fußballspiel ist rituelle Jagd, stilisierter Kampf und symbolisches Geschehen“, so kann ich dem Geschehen immer noch nicht viel abgewinnen.

Aber Jupp war nicht so einfach von seinem Lieblingssport abzubringen. „Ich würde dem Torwart auch eine Kopfkamera verpassen. Stell dir diesen Effekt vor, wie der Ball wie eine Kanonenkugel unerbittlich auf dich zurast – in Großaufnahme. Und dann eine fulminante Parade – der Zuschauer zittert mit eigenen Augen mit: fängt er den Ball oder kommt er zu spät? Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball, hat Uwe Seeler schon damals erkannt. Ach, noch bessere Idee: Warum nicht allen Spielern gleich eine Kamera verpassen?“

„Aber Jupp, die würde doch den ersten Kopfball nicht überleben. Ich plädiere lieber für eine spezielle Brille, die Google Glass, natürlich in einer robusten Ausführung. Da hast du Bildschirm, Kamera und Computerzugang in einem Gerät. Überleg‘ doch mal, was das für Möglichkeiten eröffnet. Der Trainer kann mit den Augen eines jeden Spielers den Verlauf verfolgen und jederzeit live Anweisungen übermitteln. Auf dem Rechner im Hintergrund läuft ein Fußball-Management-System, ich nenne es mal FUMS, das eine Datenbank mit detaillierten Analysen der Stärken und Schwächen aller Gegenspieler enthält.“

 „Gute Idee. Bei einem Elfmeter würde mir mein FUMS anhand von Statistiken raten können, in welche Ecke ich am besten zielen sollte. Aber halt mal: der Torwart hat ja sein eigenes FUMS, der wüßte dann, wie oft ich in die linke Ecke geschossen habe und könnte sich seinerseits darauf einstellen. Andererseits weiß aber der Torwart auch, dass ich über ihn Bescheid weiß, und wohl in seine schwache Ecke schießen werde. Ähh, weiter gedacht, bedeutet das, dass auch ich weiß, dass der Torwart weiß, dass ich weiß, … jetzt wird es kompliziert.“

Ich muss gerade an Paul Breitner denken, der mal folgenden Kommentar abgab: „Da kam dann das Elfmeterschießen. Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief's ganz flüssig.“

„Jupp, ich stelle mir eher vor, dass die Software ständig die Flugbahnen des Balls analysiert und dem jeweiligen Spieler sofort signalisiert, ob es sich lohnt, dem Ball vor dem Aus oder dem Gegner noch nachzulaufen oder ob er lieber seine Kräfte schonen soll. Bei steilen Pässen könnte das Programm auch den präzisen Aufschlagspunkt berechnen und in die Google-Brille einspiegeln, damit der Spieler rechtzeitig zur Stelle ist. Anhand von Sensoren im Fußballschuh wäre es auch möglich, die Wirkung des Abstoßes oder eine Foulberührung anzusagen.“

„Apropos Sensoren, Ingo. Was hältst du davon, wenn wir jeden Spieler mit medizinischen Sensoren bestücken würden? Der Trainer bekommt eine permanente Rückmeldung über die Leistungsfähigkeit seiner Mannschaft, könnte dadurch punktgenau auswechseln und vielleicht zur Motivation kleine Elektroschocks verabreichen. Ach, und mit einem Schmerzsensor würden die Zuschauer auch ein echtes Foul von einem gut gespielten Theater unterscheiden können.“

„Jupp, nun mal langsam – Elektroschocks! Du bist ja schon beim Doping angelangt. Da ist man nicht mehr weit davon entfernt, die Leistung anstelle von Anabolika auch durch hydraulisch verstärkte Muskelprothesen zu steigern. So wie beim Iron Man im Film The Avengers. Letztendlich werden wir dann beim Roboterfußball landen.“

Der Fußballtrainer Helmut Schulte wäre somit endlich zufriedengestellt: „Das größte Problem beim Fußball sind die Spieler. Wenn wir die abschaffen könnten, wäre alles gut.“ Doch anscheinend habe ich die Zeichen der Zeit mal wieder verschlafen, wie Jupp mir gleich verdeutlicht:

„Gibt es doch schon längst, Ingo. Beim RoboCup werden seit 2004 Roboter als Spieler eingesetzt. Anfang April fanden die 13. German Open mit 56 Teams aus 16 Ländern in Magdeburg statt; die Bremer Uni hat die Leipziger Robotertruppe mit 4:1 besiegt. Im November 2014 geht es dann nach Peking zum 19. RoboWorld Cup. Bis 2050 wollen die Roboter dann gegen eine menschliche Mannschaft siegen.“

Schöne Aussichten. Ich glaube, ich werde künftig mein Interesse wohl besser auf die Meisterschaften des Beach-Volleyballs verlagern. Das bietet mehr für’s Auge. Und außerdem dürften dort Roboter mit Sand im Getriebe keine Konkurrenz darstellen.

Die Frauen haben sich entwickelt in den letzten Jahren. Sie stehen nicht mehr zufrieden am Herd, waschen Wäsche und passen aufs Kind auf. Männer müssen das akzeptieren. (Lothar Matthäus)

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