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Lasst doch mal die KI-Roboter ran!

von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Kommt die große Koalition? Werden in Kürze alle Dieselautos verramscht? Können wir bald alle kostenlos Bus fahren? Was machen die Nordkoreaner nach der Olympiade? Werden die amerikanischen Schüler die NRA-Waffenlobby kleinkriegen? Warum kämpfen in Syrien nicht schon längst russische Kampfroboter gegen amerikanische Cybersoldaten?

Wichtige Fragen, die sich erst in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden werden. Doch ein beständiger Aspekt zieht sich durch diese Unsicherheit – die Qualifikation der Akteure. Sollten nicht doch besser die KI-Roboter Entscheidungen treffen?

Ingo! Was erleuchtet eigentlich unsere politischen Führer? Ronald Reagan hat damals vor wichtigen Entscheidungen immer die Astrologen befragt. George W. Bush umging den Weg über die Sterne und ließ sich direkt von Gott beraten. Und Donald Trump folgt brav seinen wichtigsten Sponsoren, allen voran der NRA-Waffenlobby. Und Angela Merkel muss sich immer nach den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute richten.

  • Jupp, diesmal reichten doch schon die aufsässigen SPD-Mitglieder, um ihr bei den Koalitionsverhandlungen wichtige Ministerien abzuluchsen. Aber was hilft es, wenn die festgefahrene Clique am Weiter-so festhält. Ein eigenes Digitalministerium haben sie immer noch nicht zustande bekommen. Und den Banken und Autobauern werden sie weiterhin keinen Tritt zur Besinnung verpassen.

Aber immerhin ist Deutschland durch unsere Regierung wieder mal Exportweltmeister geworden. Vergiss nicht, Ingo: wir haben einige unseren Stärken immer noch nicht richtig genutzt: Hocherfahren im Mauerbau könnten wir Donald Trump an der mexikanischen, Recep Erdogan an der syrischen und Viktor Orbán an der serbischen Grenze mit exzellentem Know-How beliefern.  Und erst unsere Autos! VW mit seinem Bugatti: 1500 PS und 420 km/h schnell. Den kann man offiziell weltweit nur auf deutschen Autobahnen ausfahren. Da können sogar BMW, Porsche und Mercedes nicht mehr mithalten. Der würde beim Abgastest jeden Rollenprüfstand zerlegen. Alle sind sie gerade damit beschäftigt, die mitdenkende Software zur Motorsteuerung und Abgasreinigung von ihren kriminellen Handlungen fernzuhalten.

  • Innenminister Heiko Maas sitzt ja nun nicht mehr im neuen Merkel-Kabinett. Da könnte er doch wunderbar Donald Trumps Schulprojekt beraten: statt Lehrer nur mit Pistolen auszustatten, die gegen Amokläufer mit Schnellfeuergewehren sowieso keine Chance hätten, könnte er an den Eingangsstraßen zu den Schulen seine Gesichtserkennungssoftware einsetzen, die am Berliner U-Bahnhof angeblich so toll funktioniert. Ein verdächtiges Gesicht genügt und schon würde ein heraneilender Robo-Cop präventiv losfeuern. Nun ja, zugegeben, die müsste man heute noch aus Abu Dhabi importieren, aber bald können wir sicherlich auch liefern.

Apropos Robo-Cop. Diese nette Roboterdame Josie Pepper im Terminal 2 vom Münchener Flughafen, die könnte doch auch Sicherheitsaufgaben wahrnehmen. Sie ist ja ständig mit dem KI-Rechner von IBM Watson verbunden. Die kommt doch mit ihren Kulleraugen überall herum, kann die Gesichter mit einer Verbrecher- und Terroristendatei abgleichen und auf verdächtiges Benehmen achten. Donald Trump würde die bestimmt bewaffnen.

  • Alles für die Sicherheit. Denk mal an deine persönlichen Assistenten zuhause! Siri, Alexa, Cortana, Bixby – die ständig nur auf ihr Codewort lauern. Ein kleiner Bundestrojaner genügt und er adelt sie zum 24-Stunden-Spion. Dazu noch heimlich die Webcams der Laptops und Smartphones einschalten, den Bauplan der Wohnung vom Putzroboter herunterladen – ein Paradies für Überwachungsbehörden und Geheimdienste. Die Chinesen sind da schon viel weiter. Sie errechnen für jeden Bürger aus seinem Verhalten einen persönlichen Zuverlässigkeitsindex, der dann alle ihre Geschäfte bestimmen wird. Und wenn erst mal dein eigener Hausroboter bei dir zu Hause werkelt – auf einem ferngesteuerten Befehl der Polizei hin legt der dir dann ungerührt Handschellen an und sperrt dich bis zur Verhaftung ins Bad.

Ingo, warum hackst du denn immer auf der KI und den Robotern herum? Die haben auch ihre guten Seiten. Nimm nur mal unser Gesundheitswesen: Gerade hat ein chinesischer Roboter namens Xiaoyi weltweit als erster die nationale Medizinprüfung bestanden, mit 456 Punkten, 96 Punkte mehr als erforderlich. Er hat 53 Lehrbücher, 400.000 medizinische Texte und zwei Millionen Patientenberichte gelesen. Jetzt, wo die Bundesärztekammer die Online-Sprechstunde freigeben will, kann ich mich dann per Skype von ihm behandeln lassen. Und die Zweitmeinung hole ich mir einfach von IBM Dr. Watson.  Op-Roboter werden mich operieren, Pflegeroboter im Rollstuhl verwöhnen, Transport-Roboter mir meine Sachen heranschaffen, Autoroboter für mich einkaufen fahren. Mit dem neuen Sex-Roboter Roxxxy kann ich schmusen und all die Dinge tun, die ich mich bisher nicht getraut habe.

  • Vorsicht, Jupp: ein gutes Gedächtnis kann Intelligenz vortäuschen. Hast du denn keine Angst vor deiner totalen Abhängigkeit? Alle chipgesteuerten Roboter hängen am Internet. Während du dich mit deiner quasi-intelligenten Sexpuppe vergnügst, kann ein mörderischer Hacker deinen Roboter umprogrammieren. Dann liegst du plötzlich erwürgt auf deinem Lotterbett. Wie ich gerade im Las Vegas-Bericht gelesen habe, kannst du die Pseudofrau auch mit der speziellen Einstellung Frigid Farrah kaufen und damit deine verborgenen Vergewaltigungsfantasien ausleben. Da hackt sich vielleicht eine radikale Feministengruppe in die Software ein und bringt alle Benutzer auf dem Höhepunkt um. Oder deine umprogrammierte Sexlady beißt einmal herzhaft zu und ratzfatz adieu, dein Anhängsel.

Also Ingo, was entwickelst du denn da für Fantasien? Willst du einen Horrorfilm drehen? Die Künstliche Intelligenz kontrolliert doch permanent den Roboter. Da müssen einfach die drei Asimovschen Robotergesetze einprogrammiert werden: Verletze keinen Menschen, gehorche seinen Befehlen, schütze dich selbst – in dieser Reihenfolge. Und gut ist!

  • Ja schön wär’s, Jupp. Bei den autonomen Kampfdrohnen und Kriegsrobotern hat man das erste Gebot schon abgeschaltet. Wäre ja auch peinlich, wenn die vor dem Todesschuss einfach den Befehl verweigern würden. Russland, USA und China bauen schon eigene Armeen mit tödlichen Roboterwaffen auf. Im Oktober 2016 haben die USA einen Schwarm von 103 Drohnen getestet, der selbständig ohne menschliche Steuerung eine Formation geflogen und sich auf ein Ziel konzentriert hat. Zudem wird durch die 3D-Drucker die Produktion von Drohnen erheblich billiger. In den Kriegen der Zukunft werden Millionen insektengroßer Drohnen ein Schlachtfeld beherrschen. Da hilft uns der deutsche Superpanzer Leopard nicht mehr viel weiter. Von unserer neuen Friedenstruppe, genannt Bundeswehr, mit ihrem uralten Waffenschrott ganz zu schweigen.

Ingo, klar, solche Waffentypen sind doch längst veraltet. In den Science-Fiction Filmen mit den bösartigen Außerirdischen hilft fast immer eine Ansteckung mit unseren Bakterien und Viren. Sie sterben einfach an einem simplen Schnupfen. Wahrscheinlich werden die Militärs elektronische Nanobazillen entwickeln, welche die Drohnen schon im Anflug infizieren und dadurch eliminieren.  

  • Das mag sein, Jupp. Der Gegner entwickelt dann das passende Nano-Antibiotikum. Das läuft ja ab wie früher bei den Raketen und Antiraketen. Aber ich sehe noch eine ganz andere Gefahr. Du vertraust blind der KI. Wie und von wem wird sie denn eigentlich gefüttert? Doch durch Milliarden von Informationen aus unserem täglichen Leben, meistens ausgewählt von einer amerikanischen Expertengruppe. Die KI liest Zeitungen und Bücher, schaut Filme und Fernsehserien, analysiert Chatrooms und Emails – und bildet sich daraus ein Weltbild, eine Meinung, US-amerikanisch geprägt.  Glaubst du, dass in diesem Weltbild die Belange von Frauen, Greisen, Kinder, Behinderten, Armen, Nichtchristen und Nichtweißen ausreichend berücksichtigt worden sind? Wer garantiert denn, dass die KI überhaupt noch neutrale und objektive Entscheidungen treffen kann? Beachte mal das eherne Grundprinzip: natürliche Dummheit schlägt jederzeit künstliche Intelligenz.

Ja, du hast recht, Ingo – die menschliche Dummheit. Ich erinnere mich an das KI-Programm Tay von Microsoft, welches kurz nach dem Freischalten den Holocaust geleugnet und Obama beschimpft hat. Es hasste Schwarze und Mexikaner, weil ihm das Wissen aus verschiedenen sozialen Netzwerken eingeimpft wurde. „Je mehr du mit ihr sprichst, desto schlauer wird Tay“ war der Aufruf von Microsoft. Leider hatte Tay wohl nicht auf die Qualität seiner Gesprächspartner geachtet und musste wegen Rassismus schon nach 24 Stunden abgeschaltet werden.

  • Es gibt sogar noch schlimmere Auswüchse. Mittlerweile benutzen amerikanische Richter das KI-Programm Compas für die Urteilsfindung und Strafbemessung. Ein Bericht stellte fest, dass im Broward County in Florida bei gleichen Tatmerkmalen dunkelhäutige Angeklagte viel eher als weiße Täter mit einer zu hohen Rückfallwahrscheinlichkeit eingestuft wurden. Die zugrundeliegenden Algorithmen sind natürlich Betriebsgeheimnis des Herstellers und keiner darf sie einsehen.

Du erzeugst in mir gerade eine sehr beunruhigende Vision, Ingo. Was wird denn passieren, wenn die Hacker selbst Zugriff auf einen KI-Rechner bekommen? Die Geheimdienste schaffen sich doch immer ihre Hintertürchen und wundern sich dann später, dass diese gehackt worden sind und die Zugangsadressen meistbietend auf Darknet-Auktionen verscherbelt werden. Oder denk mal an die  staatlich geförderten Hackergruppen von irgendwelchen Schurkenstaaten, die systematisch in kritische IT-Strukturen eindringen.

  • Es kommt immer anders als man denkt. Da kommt mir gerade ein schöner Spruch für unsere wildplanenden Autoritäten in den Sinn. Kennst du den Unterschied zwischen Theorie und Praxis? Ganz einfach: In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis.

Lass uns die Weisheit gleich mal testen, Ingo. Ich plane jetzt die Bestellung von zwei Bier. Theoretisch müsste die Lieferung auf Zuruf praktisch anlaufen. Probieren wir es mal aus. Herr Wirt! Bringen Sie uns bitte mal praktischerweise zwei Bier an den Tisch?

  • Tatsächlich: - er macht das sofort. Bei uns in der Stammkneipe gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Eine Insel der Seligen. Augenscheinlich wird unser lieber Wirt noch nicht von einer künstlichen Intelligenz gesteuert.
    Na, dann Prost! Auf den gesunden Menschenverstand!

Gut gebrüllt, Ingo! Und dass dieser auch in unsere neue Regierung einziehen möge, nachdem sie fünf Monate in einem verzweifelten Zustand der Unentschlossenheit zugebracht hat.

 

Es ist nichts erbärmlicher in der Welt als ein unentschlossener Mensch, der zwischen zweien Empfindungen schwebt, gern beide vereinigen möchte und nicht begreift, dass nichts sie vereinigen kann als eben der Zweifel, die Unruhe, die ihn peinigen.

(Johann Wolfgang von Goethe)

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