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Über Helikoptergeld – oder wie begeistert man sein Volk

von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Jupp war nur noch ein Schatten seiner selbst, wie er so verloren und verzweifelt am Stammtisch in unserer Eckkneipe saß, obwohl um ihn herum die Natur zu einer gewaltigen Wiedergeburt angesetzt hatte. Konnte ich ihn bei unseren letzten monatlichen Treffen noch mit dem Fünkchen Hoffnung im Chaos des gegenwärtigen Lebens aufmuntern, so hatte ihm wohl der Ausgang der drei Landtagswahlen endgültig den Rest gegeben. Der lang erwartete Abgrund hatte sich vor ihm aufgetan, die Gesellschaft, ja sogar die Zivilisation war am Ende. Müde hob er sein Haupt von der Tischkante und starrte mich mit einem Blick des Horrors an.

Hast du das gehört, Ingo? Laut Ursula von der Leyen haben 80% der Wähler für Parteien gestimmt, die Merkels Flüchtlingskurs für richtig halten. Sag ihr doch mal, dass jetzt schon über hundert fremdenfeindliche AFD-Leute in acht Landtagen sitzen. Gerade sind die 61 dazugekommen.“

  • Ach, Jupp. Über 20% der Mitglieder sind schon wieder ausgetreten oder zum Ableger ALFA überge­wechselt. Wenn die merken, dass in der Politik auch Lösungen erarbeitet werden müssen, dezimieren sie sich schon selber. Denk doch nur an die Piratenpartei, die ist auch fulminant gestartet.

Ingo, bist du blind? Es gibt auch andere Beispiele: die Grünen. Kretschmann hat gerade die CDU überholt. In Baden-Württemberg! Da wurden schon die Babies mit dem richtigen Parteibuch geboren. 58 Jahre hatte die CDU regiert. Bis 2011. Jetzt sind sie weg vom Fenster.

  • Ja, ich erinnere mich. 2011 war Stuttgart 21 und Mappus hat mit seiner Rambo-Manier das Partei-Image nachhaltig zertrümmert. Ein schönes Beispiel für den Schwarzen Schwan von Nicholas Taleb. Ein einziges, unvorhergesehenes Ereignis kann schlagartig die Geschichte ändern: 9/11, Fukushima, Kölner Hauptbahnhof, Terroranschläge in Paris und Brüssel. Das macht das Leben doch spannend, oder Jupp?

Ingo, es macht das Leben unerträglich. Schau mal zu unseren Nachbarn: Frankreich – Marine Le Pen. Ungarn – Viktor Orbán. Polen! Türkei! Russland! Alles lupenreine Demokraten? Unsere Regierung ist total isoliert. Und erst unser großer Bruder: Donald Trump will die Uno ignorieren und faselt schon vom dritten Weltkrieg mit Russland. Warte ab: der wird der nächste US-Präsident.

  • Ach Jupp: wir haben Richard Nixon mit seinem Watergate, Ronald Reagan mit seinen Weltraum­waffen, George W. Bush mit seinen Kriegsgelüsten ertragen. Die Amerikaner brauchen bei ihren Präsidenten immer wieder mal eine extreme Abwechslung wie im Show-Business.

Mit dem Effekt, dass nach der Show immer ein Teil der Welt in Trümmern liegt oder einen Haufen Geld verloren hat. Apropos Geld. Hast du das gelesen? Die AFD fordert eine geordnete Auflösung der Eurozone. In Brüssel und Straßburg sitzen schon 90 euroskeptische Abgeordnete im EU-Parlament. Der Euro soll weg. Gut, dass ich noch einiges an D-Mark gebunkert habe. Jetzt wo sie das Bargeld auch noch abschaffen wollen. Für meine Ersparnisse soll ich bald Negativzinsen bezahlen. Kostenlose Girokonten wird es nicht mehr geben. Bald kontrollieren uns nur noch die Banken und Finanzämter. Wie soll ich dann noch meine rumänische Zugehfrau bezahlen? Ach Ingo, das ist alles eine Katastrophe. Wie konnte es nur soweit kommen?

  • Jupp, ich sehe da eine logische Entwicklung. Viele Jahre lang haben wir alle von Qualitätsmanage­ment geredet. Dann haben wir gemerkt: Oh, das kann aber teuer werden. Also nehmen wir mal kleinere Risiken in Kauf, damit es billiger wird. Leider haben da ein paar kriminelle Menschen beim Risikomanagement betrogen und uns weltweite Finanzkrisen beschert. Unsere Krisenmanager waren aber nur auf Schönwetterlagen eingestellt und schnell am Ende ihrer Weisheit angelangt. Die Staats- und Währungskrisen sowie die neue Völkerwanderung führten zwangsweise zum aktuellen Katastrophenmanagement. Die alten Regeln gelten nicht mehr, denn die Weltlage ist sehr stürmisch und unberechenbar geworden.

Ingo, somit stimmst du mir also zu, dass wir uns direkt am Abgrund befinden. Die Gewinner sind mal wieder die Superreichen, die sich in der Endzeitstimmung noch schnell die Taschen vollstopfen, um in ihren Luxusoasen ungestört den Lebensabend genießen zu können. Was wollen die denn mit ihrem Geld noch anfangen, wenn die Welt den Bach runtergeht. Die können sich doch nur noch einbunkern, um nicht eines Tages von der wütenden Meute massakriert zu werden.

  • Jupp, die Reichen und deren Finanzpolitiker sind ja nicht dumm. Natürlich wissen sie, dass ihnen eine wütende Meute gefährlich werden kann. Deswegen wollen sie die Massen wieder zufriedenstellen. Aber sie müssen ihnen den Weg in den Schwarzmarkt und in die Schwarzarbeit verbauen. Deswegen soll das Bargeld abgeschafft werden. Alles läuft dann nur noch über die Banken, bestens kontrollier­bar und steuerbar. Über die Zinsen kann man die Geldströme regulieren, siehe Negativzins. Gespartes Geld verliert jetzt an Wert. Bald wird es ein Haltbarkeitsdatum bekommen, damit man es ganz schnell ausgibt.

Und damit glaubst du, werden die Leute zufrieden sein? Arbeit lohnt sich doch garnicht mehr. Sparen auch nicht. Geld zum Ausgeben haben wir nicht viel. Von den Zentralbanken kommen nur noch Horrormeldungen. Die Finanzpolitiker sind jetzt am Ende ihrer Weisheit.

  • Jupp, das stimmt nicht ganz. Du hast Recht, die Menschen sind unzufrieden. Die üblichen Werkzeuge greifen nicht mehr. Das neue Stichwort lautet: Service Exzellence. Ist gerade mit der DIN CEN/TS 16880 frisch genormt worden: Schaffung von herausragenden Kundenerlebnissen durch Service Excellence. Zufriedenstellen reicht nicht mehr. Jetzt heißt es: Wie begeistere ich meine Kunden? Man muss schon etwas Außergewöhnliches als Preis bieten. Die IS-Fanatiker sind da gerade sehr erfolgreich mit der Aussicht auf 72 Jungfrauen im Paradies. Und die Finanzpolitiker liebäugeln auch mit einer tollen Idee.

Ingo, was erzählst du mir da? Finanzpolitik und Begeisterung schließen sich gegenseitig aus. Und wie willst du Service Exzellence und Bankwesen überhaupt zusammenbringen? Ich zähle mich zu den einfachen Arbeitern und da beobachte ich seit Jahrzehnten nur einen kontinuierlichen Service-Abbau.

  • Ach Jupp, da habe ich aber gute Nachrichten für dich: Helikoptergeld. Milton Friedman, immerhin Nobelpreisträger, hat mal vor Jahrzehnten, als aufwendige Konjunkturprogramme wirkungslos verpufften, laut gedacht: Stellen wir uns vor, dass eines Tages ein Hubschrauber über diese Gemeinde fliegt und Geldscheine über 1000 Dollar vom Himmel regnen lässt... Die glücklichen Finder würden das Geld gleich ausgeben. Preise und Löhne würden wieder ansteigen, die Inflation löst die Deflation ab und die Konjunktur brummt wieder. Ben Bernanke von der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve hat die Idee des „Helikopter-Geldes“ in einer Rede aufgegriffen. Seitdem trägt er den Spitznamen „Helicopter-Ben“.

Also, Ingo. Du willst also aus dem Hubschrauber Geld rauswerfen. Kannst du mir schon Ort und Zeitpunkt nennen? Und du glaubst, dass ich da jetzt hinrenne? Nee. Den Gefallen werde ich nicht tun. Ich falle doch nicht auf deinen Aprilscherz herein. Da musst du dir schon etwas Plausibleres ausdenken.

  • Jupp, es ist kein Aprilscherz. Glaube mir, diese Idee wird gerade ernsthaft in EU-Kreisen diskutiert. EZB-Chef Mario Draghi hatte 2012 große Worte gewählt, als er mit seinem Latein am Ende war: Er werde alles Notwendige tun – whatever it takes – um seine Ziele zu erreichen. Auf der letzten Pressekonferenz wurde er gefragt, was er denn vom Helikoptergeld halte. Es sei "ein interessantes Konzept", antwortete der Notenbanker und versetzte die Branche damit in helle Aufregung. Das Konzept läßt sich leicht umsetzen: Die Notenbank druckt das Geld in großen Mengen und schenkt es dem Staat. Der gibt es an seine Bürger weiter, aber ohne Gegenleistung. Die geben es gleich aus, weil sie keine Zinsen dafür erhalten und schon ist die Konjunkturspritze bei den richtigen Akteuren angekommen. Da kommt doch echte Begeisterung auf, oder?

Stimmt, Ingo. Wie bei der Abwrackprämie für alte Autos. Damals wurden zwei Millionen Autos verschrottet, oder heimlich nach Afrika verschoben. Und in Frankreich erhält man heute 10.000 Euro geschenkt, wenn man seinen alten Diesel gegen ein Elektroauto eintauscht. Hier in Deutschland sollen wir für einen solchen Kauf nur die Hälfte erhalten. Gewinner werden bestimmt wieder die ausländischen Autohersteller sein. Aber die Idee könnte funktionieren. Stell dir mal vor, was eine Geldspritze für unser Gesundheitswesen bedeuten würde: die Auflösung des gesamten Investitionsstaus der Krankenhäuser durch frisch gedrucktes Geld. Eine schlagartige Abschaffung der gewaltigen Geldverschwendung durch die unwirtschaftlichen Instandhaltungen. Das wäre doch eine tolle Sache.

  • Solange man an die Macht und den Wert des Geldes glaubt, Jupp. Schließlich ist eine Banknote nur ein gedruckter Schuldschein auf buntem Papier. Früher konnte man diesen Schein in England noch gegen ein Pfund Sterlingsilber eintauschen. Heute kann der Besitzer mit einer Pfundnote gerade mal drei Gramm Silber kaufen. Soviel nur zur Wertbeständigkeit von Banknoten. Der Investitionsstau bei den Kliniken liegt bei 12 Milliarden Euro. Das ist etwa die Größenordnung der aktuellen Kosten vom Bahnhof Stuttgart 21 und neuen Flughafen Berlin zusammengenommen.

Ingo, eine alte Weisheit von meinem Opa: „Denke immer daran: Geld ist nicht alles. Aber denke auch daran, zunächst viel davon zu verdienen, ehe du so einen Blödsinn denkst.“ Da der Wert des Bargeldes in meinem Geldbeutel weiter schrumpft, lass uns jetzt eine gesunde Investition in Naturalien tätigen: "Mit des Bieres Hochgenuss, wächst des Bauches Radius."

  • Richtig gedacht, Jupp. Zwei Bier bitte, Herr Wirt! Und aufgemerkt: wir zahlen noch bar!

Eine Regierung muss sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, dass jeder einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen. Aber es ist nicht gerecht, dass er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Staate teilen muss.

(Friedrich II., auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt. 1712- 1786)

 

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