Experten begrüßen bundesweites Implantateregister

von Rudi Wuttke

Anhörung des Gesundheitsausschusses am 24. Juni 2019

Gesundheitsexperten haben im Rahmen der Anhörung die geplante Einrichtung eines bundesweiten Implantateregisters begrüßt, um nach Skandalen mit minderwertigen Medizinprodukten mehr Sicherheit für Patienten zu gewährleisten.

Die Fachleute wandten sich in der Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Leitung von Erwin Rüddel (CDU/CSU) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/10523) am 24. Juni 2019 sowie in schriftlichen Stellungnahmen aber gegen einen umständlichen und womöglich nicht sinnvollen Datenfluss und vermehrte Bürokratie. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, wer die Kosten für das Register letztlich tragen sollte.

Schäden durch unkritische Anwendung

Nach Auffassung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat die Vergangenheit gezeigt, dass vermeintlich innovative Implantate zu früh in die Versorgung gelangt seien und ihre unkritische Anwendung viele Patienten geschädigt habe. Dieses Problem könne auch ein Register nicht lösen, das dazu dienen müsse, betroffene Patienten frühzeitig zu kontaktieren. Offen sei vor allem die Frage der Qualität der Produkte, weniger die der operierenden Ärzte.

Der GKV-Spitzenverband kritisierte ferner, dass der Betrieb des Implantateregisters faktisch von den Krankenversicherungen finanziert werden solle. Damit würden alle Versicherten für die Lösung eines Problems zur Kasse gebeten, das von einzelnen Unternehmen verursacht werde. Die Krankenkassen erführen zudem nicht, welches Produkt implantiert worden sei und könnten ihre Versicherten im Schadenfall nicht unterstützen. Zudem werde auf die bei den Kassen verfügbaren Abrechnungsdaten verzichtet. Stattdessen würden vom Register nur Daten der implantierenden Einrichtungen ausgewertet, die über Vorerkrankungen oder Voroperationen der Patienten nichts wüssten. Der Verband warnte vor einem fehleranfälligen und komplizierten Kommunikationsweg.

„Verfügbare Krankenkassen-Daten nutzen“

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) plädierte dafür, die bei den Krankenkassen verfügbaren Daten zu nutzen. Für eine hohe Datenqualität sei es sinnvoll, soweit wie möglich auf die Daten zu früheren Eingriffen oder Prozeduren und Diagnosen zuzugreifen, statt auf subjektive Selbstauskünfte der Patienten zu setzen.

Angesichts der neuen Informations- und Meldepflichten müssten den Kliniken außerdem standardisierte Übertragungsverfahren zur Verfügung gestellt werden, damit der bürokratische Aufwand gering gehalten werden könne. Die DKG schlug eine Testphase vor, um organisatorische und technische Probleme noch korrigieren zu können.

Balance zwischen Datenschutz und Registerzielen

Der Datenfluss und die Datenformate bestimmen nach einer Erklärung der Bundesärztekammer (BÄK) die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten. Es müsse eine angemessene Balance zwischen dem Datenschutz und den Zielstellungen des Registers erreicht werden. Ärzte wie auch Kliniken lehnen den Wegfall des Vergütungsanspruchs bei Verwendung eines vom Hersteller in der Produktdatenbank nicht registrierten Implantats ab. Die Verantwortung für die Registrierung liege beim Hersteller und nicht bei den Gesundheitseinrichtungen, erklärten mehrere Experten in der Anhörung.

Nach Ansicht des Medizintechnologieverbandes BVMed zeigen Erfahrungen aus bereits bestehenden Registern, dass bei Auffälligkeiten das Implantateversagen selbst die geringste Ursache darstellt. Auch die Operationsergebnisse müssten ausgewertet werden. Der Verband forderte zudem einen Zeitplan für alle betroffenen Implantattypen, damit sich die Hersteller darauf einstellen könnten, ab wann diese im Register berücksichtigt würden.

Beurteilung von Risiken nach einer Amputation

Die BAG Selbsthilfe befürwortete die verbindliche Ausgestaltung des Registers, um ausreichend Belege für Nutzen und Schaden der Implantate zu gewinnen. Diese Aussagekraft sei nötig, um etwa Risiken bei Brustimplantaten nach einer Brustamputation (Mastektomie) besser beurteilen zu können. Bei einer freiwilligen Teilnahme wären die Ergebnisse nicht hinreichend aussagekräftig. Mit der Integration der schon bestehenden Register würden rund 63 Prozent aller Hüft- und Knie-Endoprothesen in Deutschland erfasst. Auch mehrere andere Sachverständige plädierten in der Anhörung nachdrücklich für die geplante verpflichtende Teilnahme und gegen eine Freiwilligkeit, um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen.

Mit der Einrichtung eines zentralen Implantateregisters soll die Sicherheit für Patienten verbessert werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass in dem Register künftig beispielsweise Angaben zur Haltbarkeit und Qualität des implantierten Hilfsmittels gespeichert werden. So soll bei Komplikationen oder Rückrufen schneller reagiert und gewarnt werden können.

Meldung an das Register wird Pflicht

Künftig ist für Gesundheitseinrichtungen, Krankenversicherungen und Patienten die Meldung an das Register verpflichtend. Die Hersteller müssen ihre Produkte in der Datenbank registrieren. Bei Meldeverstößen der implantierenden Einrichtung oder bei der Verwendung von nicht in der Produktdatenbank registrierten Implantaten ist ein Vergütungsausschluss vorgesehen. Im Gegenzug wird der zusätzliche Aufwand für die Gesundheitseinrichtungen erstattet.

Neu sind auch umfangreiche Vorgaben an die Transparenz, wie etwa jährliche Berichte durch die Registerstelle und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In dem Entwurf werden zudem die Rahmenbedingungen für die Datenübernahme geregelt. Der Beginn der konkreten Meldepflicht für die einzelnen Implantattypen soll separat in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Voraussichtlich werden Hüftgelenksprothesen sowie Knie-Endoprothesen und Brustimplantate ab Mitte 2021 erfasst.

Datenübermittlung durch Telematikinfrastruktur

Zur Übermittlung der Datensätze soll die Telematikinfrastruktur genutzt werden. Das Robert Koch-Institut (RKI) wird damit beauftragt, eine unabhängige Vertrauensstelle einzurichten, die alle personenbezogenen Daten pseudonymisiert. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) übernimmt als Registerstelle die Datensammlung. Der Bund soll die Anschubfinanzierung leisten, für den laufenden Betrieb sind Gebühren (Entgelte) geplant.

Die AfD-Fraktion hat eine freiwillige Teilnahme der Patienten am geplanten Implantateregister gefordert. In ihrem Antrag (19/10630) heißt es, die Patienten sollten die Vor- und Nachteile der Teilnahme selbst abwägen dürfen und auch selbst entscheiden können, ob sie ihre Daten zur Verfügung stellen. Mehrere der geladenen Sachverständigen sprachen sich gegen eine freiwillige Teilnahme aus. Um mit hinreichend vollständigen und verwertbaren Daten eine hohe wissenschaftliche Aussagekraft des Registers zu erreichen, ist eine möglichst umfassende Einbeziehung aller entsprechenden Patienten notwendig.

Der Gesetzentwurf enthält auch eine Reform des Verfahrens zur Methodenbewertung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit dem Ziel, schneller zu Entscheidungen zu kommen. So sollen die Aufsichtsrechte des Bundesgesundheitsministeriums ausgeweitet werden. Verschiedene Experten äußerten sich in der Anhörung dazu sehr kritisch und werteten dies als problematische Einschränkung der Kompetenzen der Selbstverwaltung, die womöglich rechtlich nicht zu halten sei (Quelle: pk/24.06.2019 des Bundestages u.a.).

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