Mehr Vorkommnis-Meldungen zu medizinischen Strahlenanwendungen

von Rudi Wuttke

Jahresbericht 2020 des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) erschienen

Um das hohe Niveau des Strahlenschutzes bei Strahlenanwendungen in der Medizin zu gewährleisten und kontinuierlich zu verbessern, werden unbeabsichtigte oder unfallbedingte Vorkommnisse in der Medizin erfasst und ausgewertet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat dafür 2019 ein webbasiertes System eingerichtet. Jetzt ist der zweite Jahresbericht für 2020 erschienen.

Werden bei Vorkommnissen bestimmte Meldekriterien erfüllt, etwa wenn Hautschäden auftreten, es zu einer Dosisüberschreitung kommt oder Patienten verwechselt werden, dann handelt es sich im Sinne des Strahlenschutzrechts um ein bedeutsames Vorkommnis in der Medizin und ist meldepflichtig. Solche Vorkommnisse werden von den Strahlenschutzverantwortlichen von Krankenhäusern, Praxen oder medizinischen Versorgungszentren an die zuständige Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes gemeldet. Diese Behörden bewerten die gemeldeten Vorkommnisse, ordnen gegebenenfalls Maßnahmen an und geben die bewerteten Meldungen elektronisch und pseudonymisiert an das Bundesamt für Strahlenschutz weiter.

Auch bei Strahlenanwendungen aus Fehlern lernen

Zur bundeseinheitlichen Erfassung und Auswertung von bedeutsamen Vorkommnissen hat das BfS ein webbasiertes IT-System "BeVoMed" (Bedeutsame Vorkommnisse in der Medizin) eingerichtet. Zuständige Behörden können dafür einen Zugang beim BfS beantragen. Antworten auf häufige Fragen, etwa zur Anwendung der Meldekriterien in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), finden sich auf der BfS Homepage in einer FAQ-Liste. Das Bundesamt für Strahlenschutz appelliert in diesem Zusammenhang an die Strahlenschutzverantwortlichen aus dem ambulanten wie dem stationären Sektor, eine entsprechende Fehlerkultur in ihren Einrichtungen zu fördern und bedeutsame Vorkommnisse stets unverzüglich an die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde zu melden.

Das BfS arbeitet die Meldungen wissenschaftlich mit dem Ziel auf, vergleichbare Vorkommnisse zukünftig in anderen Einrichtungen möglichst zu vermeiden. Die Ergebnisse und daraus abgeleitete Empfehlungen für den Strahlenschutz werden regelmäßig in Jahresberichten veröffentlicht, deren zweiter gerade für 2021 erschienen ist.

Auswertung der 2020 gemeldeten bedeutsamen Vorkommnisse

Für 2020 lagen 102 abgeschlossene Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse vor, 40 Prozent mehr als 2019. Diese Abschlussmeldungen verteilten sich folgendermaßen auf die medizinischen Fachgebiete (in Klammern jeweils die Anzahl der Vorkommnisse in 2019):

  • Röntgendiagnostik (einschließlich Röntgendurchleuchtung): 35 (8)
  • Interventionen (zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken): 13 (1)
  • Strahlentherapie: 47 (53)
  • Nuklearmedizin (Diagnostik und Therapie): 7 (11)

Wie schon zuvor entfielen die meisten Meldungen auf die Strahlentherapie. Dabei handelte es sich insbesondere um 19 Fälle von Personenverwechslung und 14 Fälle von Bestrahlungsplanverwechslung. Aufschlussreiche Beispielfälle u.a. von Planverwechslung, Radiopharmakon-Verwechslung, Kontamination und CT-Dosisüberschreitungen werden in Kapitel 3 ausführlich beschrieben, Kapitel 4 enthält eine systematische Auswertung (Quellen: Jahresbericht 2020 und Pressematerial des BfS).   

Fazit und Ausblick:

Erfahrungen aus anderen Ländern und anderen Bereichen haben gezeigt, dass es ein schwieriges und langwieriges Unterfangen ist, akzeptierte und funktionierende Melde- und Informationssysteme für die Patientensicherheit aufzubauen und zu etablieren. Während in der Strahlentherapie bereits seit Jahren flächendeckend eine Meldekultur existiert, entwickelt sich eine solche in der Röntgendiagnostik erst. Für diese Einschätzung des Bundesamtes spricht der starke Anstieg der Vorkommnismeldungen in diesem Fachgebiet auf 35 im Jahr 2020 gegenüber noch 8 im Vorjahr.   

Dennoch scheint die Gesamtzahl an Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse noch deutlich zu niedrig zu sein in Anbetracht der hohen Zahl von Anwendungen in Deutschland, nach Angaben des BfS ca. 13 Millionen CT-Untersuchungen und ca. 2 Millionen nuklearmedizinische Untersuchungen pro Jahr (Seite 16 des Berichts): „Basierend auf den Ergebnissen eines vom BfS konzipierten und betreuten Forschungsvorhabens kann die Anzahl der bedeutsamen Vorkommnisse allein bei der CT und Durchleuchtung im Krankenhaussektor grob auf mehr als 1.000 Vorkommnisse pro Jahr abgeschätzt werden“.

Im Sinne der Patientensicherheit ist aus Sicht des Bundesamtes sowohl eine ausreichende Personalausstattung zu gewährleisten als auch die Funktionsfähigkeit adäquater Sicherheitsvorkehrungen. Grundsätzlich sollten nach Auffassung des BfS zur Vermeidung von bedeutsamen Vorkommnissen, wo irgend möglich, Maßnahmen der Verhältnisprävention gegenüber solchen der Verhaltensprävention bevorzugt werden: Demnach sind technische Hilfsmittel wie eine Patientenidentifikation durch Gesichtserkennung oder Dosismanagementsysteme gegenüber organisatorischen Vorgaben in Form von Arbeitsanweisungen zu favorisieren.

Die Definition von strahlenschutzrelevanten Vorkommnissen geht über die Meldepflichten nach Arzneimittel- und Medizinprodukterecht hinaus. Strahlenschutzrechtliche Meldungen ersetzen jedoch nicht die notwendigen Meldungen nach diesen Rechtsbereichen, z. B. bei technisch bedingten Vorkommnissen, etwa wegen eines Gerätedefekts oder mangelhafter Ergonomie. Nur so kann nach Auffassung des BfS eine Verbesserung auf technischer Seite durch die Hersteller angestoßen werden (Quelle: Jahresbericht 2020).

Literatur:

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

Jahresbericht 2020

Melde- und Informationssystem für bedeutsame Vorkommnisse bei Strahlenanwendungen am Menschen

Bericht der zentralen Stelle gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 6 StrlSchV 

BfS-35/21

MB 1 | Ermittlung und Bewertung der Strahlenexposition von Patienten in Diagnostik und Therapie 

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-2021111930029

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