Nachrichten Dezember 2021

von Wolfgang Menke

Verordnung über IVD wird schrittweise eingeführt

Die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR), die am 26. Mai 2022 Geltung erlangt, kann nach Zustimmung durch das Europäische Parlament am 15.12. und den Rat am 20.12.2021 nun schrittweise eingeführt werden.

Durch die COVID-19-Pandemie hat sich die Umsetzung der Verordnung über In-vitro-Diagnostika aus dem Jahr 2017 mit strengeren Anforderungen und einer stärkeren Einbindung von Benannten Stellen verzögert. Um zu verhindern, dass die Versorgung mit wichtigen Produkten für das Gesundheitswesen durch diese Verzögerungen gestört wird, hat die Kommission im Oktober 2021 vorgeschlagen, die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVD) schrittweise einzuführen. Durch die Annahme dieses Vorschlags durch die gesetzgebenden Organe wird es zu keinen Versorgungsengpässen kommen.

Die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Stella Kyriakides begrüßte die Annahme: „Inmitten einer beispiellosen Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit können wir keine Lieferengpässe bei grundlegenden Medizinprodukten riskieren. Die Gesundheitssysteme und alltäglichen Gesundheitsdienste standen unter beispiellosem Druck. Gleichzeitig hat die Pandemie überdeutlich gezeigt, wie lebenswichtig zuverlässige Diagnosetests und ein belastbarer Rechtsrahmen für In-vitro-Diagnostika sind. Die Änderung der Verordnung über In-vitro-Diagnostika wird dafür sorgen, dass entscheidende Medizinprodukte wie etwa Corona- oder HIV-Tests weiter erhältlich und sicher bleiben“.

Die neuen Regelungen ändern die Stichtage, nicht aber die inhaltlichen Anforderungen  

Die Änderungsverordnung ändert keine der Anforderungen in der ursprünglichen Verordnung über In-Vitro-Diagnostika (IVD) aus dem Jahr 2017. Sie ändert lediglich den Stichtag, ab wann einige dieser Anforderungen für bestimmte Medizinprodukte gelten. Für Produkte mit höherem Risiko wie HIV- oder Hepatitis-Tests (IVD der Klasse D) gelten die neuen Anforderungen ab Mai 2025. Für die nächstniedrigere Risikoklasse (IVD der Klasse C) wie Influenza-Tests wird der Geltungsbeginn bis Mai 2026 verschoben. Für Diagnostika der unteren Risikoklassen (IVD der Klasse B und sterile IVD der Klasse A) wird die Geltung im Mai 2027 beginnen.

Auch Geltungsbeginn bestimmter Anforderungen an sog. „hausinterne Produkte“ ändert sich

Darüber hinaus verschiebt sich der Geltungsbeginn bestimmter Anforderungen an Produkte, die in ein und derselben Gesundheitseinrichtung hergestellt und verwendet werden (sogenannte „hausinterne Produkte“) um zwei Jahre bis Mai 2024. Können die Gesundheitseinrichtungen jedoch nachweisen, dass kein gleichwertiges Produkt auf dem Markt erhältlich ist, enden die Übergangsfristen erst im Mai 2028.

Hintergrund: Mit der ursprünglichen IVD-Verordnung aus dem Jahre 2017 wurden wesentliche Änderungen des Rechtsrahmens für In-vitro-Diagnostika wie HIV-Tests, Schwangerschaftstests oder SARS-CoV-2- Tests eingeführt. Die Konformitätsbewertungsstellen (die sogenannten „Benannten Stellen“) sollen eine wichtigere Rolle spielen: Als unabhängige Stellen sollen sie überwachen, ob die Produkte vor dem Inverkehrbringen auf dem EU-Markt die Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen. Generell wird die IVD-Verordnung, wie geplant, ab dem 26. Mai 2022 gelten. Es herrscht jedoch ein erheblicher Mangel an Kapazitäten bei den Benannten Stellen, was es den Herstellern unmöglich macht, die gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren rechtzeitig durchzuführen. Ohne gesetzgeberische Maßnahmen hätte die Versorgung mit verschiedenen wichtigen In-vitro-Diagnostika auf dem Markt stark gefährdet werden können, was sich auf die Diagnose und den Zugang der Patientinnen und Patienten zu einer geeigneten Gesundheitsversorgung auswirkt. Für Produkte mit CE-Kennzeichnung, die im Rahmen der IVD-Verordnung keine Mitwirkung der Benannten Stellen erfordern, oder für Produkte, die „neu“ sind, d. h. Produkte, für die weder eine Bescheinigung der Benannten Stellen noch eine Konformitätserklärung gemäß der geltenden Richtlinie 98/79/EG vorliegt, werden keine Änderungen vorgeschlagen. Für diese Produkte wird die IVD-Verordnung daher wie geplant ab dem 26. Mai 2022 gelten (Quellen: Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2021 und Text der Änderungsverordnung).

VERORDNUNG (EU) 2021/… DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom …

zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/746

hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte In-vitro-Diagnostika

und des späteren Geltungsbeginns der Bedingungen für hausinterne Produkte

 

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/PE-79-2021-INIT/de/pdf

 

VERORDNUNG (EU) 2021/… DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom …

zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/746

hinsichtlich der Übergangsbestimmungen für bestimmte In-vitro-Diagnostika

und des späteren Geltungsbeginns der Bedingungen für hausinterne Produkte

(Auszug, Quelle: EU, PE-CONS 79/21, 2021/0232 (COD), DE, Seiten 9 bis 14)

Artikel 1

Die Verordnung (EU) 2017/746 wird wie folgt geändert:

1. Artikel 110 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

i) In Unterabsatz 1 wird das Datum „27. Mai 2024“ durch das Datum „27. Mai 2025“ ersetzt.

ii) In Unterabsatz 2 wird das Datum „27. Mai 2024“ durch das Datum „27. Mai 2025“ ersetzt.

 b) Die Absätze 3 und 4 erhalten folgende Fassung:

„(3) Abweichend von Artikel 5 dieser Verordnung dürfen die in den Unterabsätzen 2 und 3 dieses Absatzes genannten Produkte bis zu den in den genannten Unterabsätzen genannten Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn diese Produkte ab dem Datum des Geltungsbeginns dieser Verordnung weiterhin der Richtlinie 98/79/EG entsprechen und keine wesentlichen Veränderungen der Auslegung und Zweckbestimmung dieser Produkte vorliegen.

Produkte, für die gemäß der Richtlinie 98/79/EG eine aufgrund von Absatz 2 gültige Bescheinigung ausgestellt wurde, dürfen bis zum 26. Mai 2025 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden.

Produkte, für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der Richtlinie 98/79/EG nicht die Mitwirkung einer benannten Stelle erforderte, für die vor dem 26. Mai 2022 eine Konformitätserklärung gemäß der genannten Richtlinie ausgestellt wurde und für die das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der vorliegenden Verordnung die Mitwirkung einer benannten Stelle erfordert, dürfen bis zu folgenden Zeitpunkten in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden:

a) 26. Mai 2025 für Produkte der Klasse D;

b) 26. Mai 2026 für Produkte der Klasse C;

c) 26. Mai 2027 für Produkte der Klasse B;

d) 26. Mai 2027 für Produkte der Klasse A, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden.

Abweichend von Unterabsatz 1 gelten die Anforderungen dieser Verordnung an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die Marktüberwachung, die Vigilanz, die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten für Produkte gemäß den Unterabsätzen 2 und 3 anstelle der entsprechenden Anforderungen der Richtlinie 98/79/EG.

Unbeschadet des Kapitels IV und des Absatzes 1 bleibt die Benannte Stelle, die die Bescheinigung gemäß Unterabsatz 2 ausgestellt hat, für die angemessene Überwachung aller geltenden Anforderungen an die von ihr zertifizierten Produkte verantwortlich.

(4) Produkte, die vor dem 26. Mai 2022 gemäß der Richtlinie 98/79/EG rechtmäßig in Verkehr gebracht wurden, können bis zum 26. Mai 2025 weiterhin auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden.

Produkte, die ab dem 26. Mai 2022 gemäß Absatz 3 rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, dürfen bis zu folgenden Zeitpunkten weiterhin auf dem Markt bereitgestellt oder in Betrieb genommen werden:

a) 26. Mai 2026 für Produkte gemäß Absatz 3 Unterabsatz 2 oder Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstabe a;

b) 26. Mai 2027 für Produkte gemäß Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstabe b;

c) 26. Mai 2028 für Produkte gemäß Absatz 3 Unterabsatz 3 Buchstaben c und d.“

2. In Artikel 112 Absatz 2 wird das Datum „27. Mai 2025“ durch das Datum „26. Mai 2028“
ersetzt.

3. In Artikel 113 Absatz 3 werden die folgenden Buchstaben angefügt:
„i) Artikel 5 Absatz 5 Buchstaben b und c und e bis i findet ab dem 26. Mai 2024 Anwendung.

j) Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe d findet ab dem 26. Mai 2028 Anwendung.“

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu ...

Im Namen des Europäischen Parlaments   

Der Präsident

Im Namen des Rates

Der Präsident                                              

Weiterlesen …

von Rudi Wuttke

Mehr Vorkommnis-Meldungen zu medizinischen Strahlenanwendungen

Um das hohe Niveau des Strahlenschutzes bei Strahlenanwendungen in der Medizin zu gewährleisten und kontinuierlich zu verbessern, werden unbeabsichtigte oder unfallbedingte Vorkommnisse in der Medizin erfasst und ausgewertet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat dafür 2019 ein webbasiertes System eingerichtet. Jetzt ist der zweite Jahresbericht für 2020 erschienen.

Werden bei Vorkommnissen bestimmte Meldekriterien erfüllt, etwa wenn Hautschäden auftreten, es zu einer Dosisüberschreitung kommt oder Patienten verwechselt werden, dann handelt es sich im Sinne des Strahlenschutzrechts um ein bedeutsames Vorkommnis in der Medizin und ist meldepflichtig. Solche Vorkommnisse werden von den Strahlenschutzverantwortlichen von Krankenhäusern, Praxen oder medizinischen Versorgungszentren an die zuständige Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes gemeldet. Diese Behörden bewerten die gemeldeten Vorkommnisse, ordnen gegebenenfalls Maßnahmen an und geben die bewerteten Meldungen elektronisch und pseudonymisiert an das Bundesamt für Strahlenschutz weiter.

Auch bei Strahlenanwendungen aus Fehlern lernen

Zur bundeseinheitlichen Erfassung und Auswertung von bedeutsamen Vorkommnissen hat das BfS ein webbasiertes IT-System "BeVoMed" (Bedeutsame Vorkommnisse in der Medizin) eingerichtet. Zuständige Behörden können dafür einen Zugang beim BfS beantragen. Antworten auf häufige Fragen, etwa zur Anwendung der Meldekriterien in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), finden sich auf der BfS Homepage in einer FAQ-Liste. Das Bundesamt für Strahlenschutz appelliert in diesem Zusammenhang an die Strahlenschutzverantwortlichen aus dem ambulanten wie dem stationären Sektor, eine entsprechende Fehlerkultur in ihren Einrichtungen zu fördern und bedeutsame Vorkommnisse stets unverzüglich an die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde zu melden.

Das BfS arbeitet die Meldungen wissenschaftlich mit dem Ziel auf, vergleichbare Vorkommnisse zukünftig in anderen Einrichtungen möglichst zu vermeiden. Die Ergebnisse und daraus abgeleitete Empfehlungen für den Strahlenschutz werden regelmäßig in Jahresberichten veröffentlicht, deren zweiter gerade für 2021 erschienen ist.

Auswertung der 2020 gemeldeten bedeutsamen Vorkommnisse

Für 2020 lagen 102 abgeschlossene Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse vor, 40 Prozent mehr als 2019. Diese Abschlussmeldungen verteilten sich folgendermaßen auf die medizinischen Fachgebiete (in Klammern jeweils die Anzahl der Vorkommnisse in 2019):

  • Röntgendiagnostik (einschließlich Röntgendurchleuchtung): 35 (8)
  • Interventionen (zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken): 13 (1)
  • Strahlentherapie: 47 (53)
  • Nuklearmedizin (Diagnostik und Therapie): 7 (11)

Wie schon zuvor entfielen die meisten Meldungen auf die Strahlentherapie. Dabei handelte es sich insbesondere um 19 Fälle von Personenverwechslung und 14 Fälle von Bestrahlungsplanverwechslung. Aufschlussreiche Beispielfälle u.a. von Planverwechslung, Radiopharmakon-Verwechslung, Kontamination und CT-Dosisüberschreitungen werden in Kapitel 3 ausführlich beschrieben, Kapitel 4 enthält eine systematische Auswertung (Quellen: Jahresbericht 2020 und Pressematerial des BfS).   

Fazit und Ausblick:

Erfahrungen aus anderen Ländern und anderen Bereichen haben gezeigt, dass es ein schwieriges und langwieriges Unterfangen ist, akzeptierte und funktionierende Melde- und Informationssysteme für die Patientensicherheit aufzubauen und zu etablieren. Während in der Strahlentherapie bereits seit Jahren flächendeckend eine Meldekultur existiert, entwickelt sich eine solche in der Röntgendiagnostik erst. Für diese Einschätzung des Bundesamtes spricht der starke Anstieg der Vorkommnismeldungen in diesem Fachgebiet auf 35 im Jahr 2020 gegenüber noch 8 im Vorjahr.   

Dennoch scheint die Gesamtzahl an Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse noch deutlich zu niedrig zu sein in Anbetracht der hohen Zahl von Anwendungen in Deutschland, nach Angaben des BfS ca. 13 Millionen CT-Untersuchungen und ca. 2 Millionen nuklearmedizinische Untersuchungen pro Jahr (Seite 16 des Berichts): „Basierend auf den Ergebnissen eines vom BfS konzipierten und betreuten Forschungsvorhabens kann die Anzahl der bedeutsamen Vorkommnisse allein bei der CT und Durchleuchtung im Krankenhaussektor grob auf mehr als 1.000 Vorkommnisse pro Jahr abgeschätzt werden“.

Im Sinne der Patientensicherheit ist aus Sicht des Bundesamtes sowohl eine ausreichende Personalausstattung zu gewährleisten als auch die Funktionsfähigkeit adäquater Sicherheitsvorkehrungen. Grundsätzlich sollten nach Auffassung des BfS zur Vermeidung von bedeutsamen Vorkommnissen, wo irgend möglich, Maßnahmen der Verhältnisprävention gegenüber solchen der Verhaltensprävention bevorzugt werden: Demnach sind technische Hilfsmittel wie eine Patientenidentifikation durch Gesichtserkennung oder Dosismanagementsysteme gegenüber organisatorischen Vorgaben in Form von Arbeitsanweisungen zu favorisieren.

Die Definition von strahlenschutzrelevanten Vorkommnissen geht über die Meldepflichten nach Arzneimittel- und Medizinprodukterecht hinaus. Strahlenschutzrechtliche Meldungen ersetzen jedoch nicht die notwendigen Meldungen nach diesen Rechtsbereichen, z. B. bei technisch bedingten Vorkommnissen, etwa wegen eines Gerätedefekts oder mangelhafter Ergonomie. Nur so kann nach Auffassung des BfS eine Verbesserung auf technischer Seite durch die Hersteller angestoßen werden (Quelle: Jahresbericht 2020).

Literatur:

Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

Jahresbericht 2020

Melde- und Informationssystem für bedeutsame Vorkommnisse bei Strahlenanwendungen am Menschen

Bericht der zentralen Stelle gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 6 StrlSchV 

BfS-35/21

MB 1 | Ermittlung und Bewertung der Strahlenexposition von Patienten in Diagnostik und Therapie 

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-2021111930029

Weiterlesen …