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INGOs NÖHRgeleien

von Ingo Nöhr

„Wir werden viel einander verzeihen müssen“

Ingo Nöhr März 2024:

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schlug im April 2020 nachdenkliche Töne an: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“ Mit diesen Worten bat Spahn damals um Verständnis für seine politischen Entscheidungen in der Corona-Krise. Die beispiellosen Eingriffe des Staates in die Grundrechte der Deutschen waren historisch einmalig und haben eine tiefe Spaltung in der Bevölkerung erzeugt.

Bei unseren Klinikrentnern Ingo und Jupp gibt es anscheinend Neuigkeiten. Kein Wunder, dass beim diesmaligen Treffen am Stammtisch in der Eckkneipe das Thema Corona wieder eine Rolle spielt.

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Hallo Ingo, bei dir noch alles im Lot? Ich habe spannende Nachrichten von der Corona-Front.

  • Guten Morgen Jupp. Bei mir ist alles okay. Aber ich vergaß, du hast ja mit deinem Untermieter Oleks einen ausgefuchsten Experten über die Corona-Krise. Damals hast du schon im Dezember 2022 mit spannenden Neuigkeiten geglänzt. Danach habt ihr doch angefangen, euren Weltuntergangsbunker zu bauen. Nebenbei gefragt: Sind Oleks und seine Perle Doris denn jetzt mittlerweile geimpft?

Nein, natürlich nicht. Sie haben eine eiserne Kondition und ich habe mich auch nirgendwo angesteckt. Aber jetzt hör mal zu, Ingo. Kannst du dich an den Januar letzten Jahres erinnern? Der Präsident der Robert Koch-Instituts Lothar Wieler sprach sich am 25. Januar 2023 dafür aus, die Entscheidungen und Maßnahmen der Coronapandemie aufzuarbeiten. Es brauche hier eine saubere Analyse, um daraus für die Zukunft zu lernen.

  • Jupp, da hatten wir persönlich doch schon unsere öffentlichen Medien alle abgeschaltet, damit wir endlich unsere Ruhe vor den permanent schlechten Nachrichten hatten. Aber lass mich raten: das RKI hat jetzt nach einem Jahr eine knackige Analyse vorgelegt.

Das Robert-Koch-Institut? Vielleicht, ich weiß es nicht. Das RKI hat seit dem Jahre 2000 über 12.000 Publikationen verbreitet, darunter sicherlich haufenweise Corona-Studien. Aber die gründlichste und umfassendste Analyse über die Corona-Maßnahmen gibt es gerade im Buchhandel – aber interessanterweise nicht vom RKI.

  • Hätte mich auch gewundert, dass ein so riesiger Beamtenapparat mit einem etwas chaotischen Gesundheitsminister in so kurzer Zeit ein Ergebnis erwirtschaften könnte. Wer hat denn jetzt die ganze Chose analysiert?

Ein Professor Günter Kampf hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie regelmäßig mit den Maßnahmen befasst und 2023 schon drei Bücher darüber geschrieben. Eine wahre Fleißarbeit, nämlich insgesamt 500 Seiten: über die Maskenpflicht, über die Impflicht, über die G2-Regelungen und jetzt im Januar 2024 mit CoroFluenza ein neues Buch mit einem Vergleich von weltweiten pandemischen Atemwegsinfektionen. Ein gewaltiges Werk mit 233 Quellenangaben und knapp 150 Seiten.

  • Kampf? Jupp, das hört sich wie ein Pseudonym an. Fürchtet der Professor jetzt um sein Leben? Was ist denn herausgekommen? Nichts schlimmes als Auftragsarbeit vom Gesundheitsminister denke ich? Da tippe ich mal ins Blaue: die Politiker haben gezeigt, dass sie mit ihren drastischen Maßnahmen unser aller Leben gerettet haben.

Mensch Ingo, ganz falsch. Der Name ist kein Pseudonym. Prof. Kampf ist ein selbstständiger Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin in Hamburg sowie außerplanmäßiger Professor für Hygiene und Umweltmedizin an der Universität Greifswald. Er hat mehr als 250 wissenschaftliche Veröffentlichungen in meist internationalen Fachzeitschriften, 44 Buchkapitel sowie zwölf Fachbücher veröffentlicht. Und es ist auch keine Auftragsarbeit vom BMG

  • Da wäre natürlich etwas aufwändig, alles in einem Pseudonym unterzubringen zu wollen. Aber ich gehe mal davon aus, dass die Uni Greifswald als Empfänger von staatlichen Forschungsgeldern Wert darauflegt, nachzuweisen, dass der Staat in Coronazeiten alles richtig gemacht hat.

Das könnte man annehmen, Ingo. Aber dann hätte man unseren Professor schon 2022 mundtot gemacht, als er sein Buch mit dem provokanten Titel „Wissenschaft ist frei – auch in der Pandemie?“ herausgebracht hat. Ich zitiere mal Revolutionäres aus dem Klappentext: „Es steht nicht gut um die Freiheit der Wissenschaft. Ihre Unabhängigkeit, finanziert durch den Staat, ist normalerweise ein großer Vorteil, solange der Staat kein eigenes Interesse am Ergebnis hat. Doch in der COVID-19-Pandemie scheint das bei einzelnen Fragestellungen nicht mehr zu gelten. Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Masken wurden aus fadenscheinigen Gründen abgewertet oder zurückgezogen. Politiker üben offenen Druck auf Wissenschaftler aus, wenn diese nicht den Kurs der Regierenden unterstützen.“

  • Das ist ja bemerkenswert, Jupp. Das ist genau auf dem Punkt gebracht, was ich befürchtet hatte. Und diese Revolte hat er wissenschaftlich und politisch überlebt?

Ja, hör mal zu. Er ging damals sogar einen heiligen Wissenschaftstempel an: „Die Leopoldina beschreibt ein Dokument als Wissenschaft, was in keiner Weise den Ansprüchen an evidenzbasierte Empfehlungen entspricht. Die Wissenschaft sollte öffentlich Distanz zu staatlichen Autoritäten wahren, kontroverse Debatten einfordern und politische Entscheidungen und ihre Begründungen fortwährend kritisch und ergebnisoffen auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen hinterfragen.

  • Ich erinnere mich noch daran: im Dezember 2020 berief sich Angela Merkel auf ein Leopoldina-Papier, welches von den Experten und als Titel der WELT qualitätsmäßig als wissenschaftliches Desaster deklariert wurde. Nun denn, jetzt bin ich aber sehr interessiert, mehr darüber zu erfahren. Wie bist du denn überhaupt darauf gekommen?

Das war ganz schön dramatisch. Kürzlich tauchte Oleks bei mir auf und knallte mir wütend das Kampf-Buch über CoroFluenca auf den Schreibtisch. Er verlangte als Impfverweigerer sofortige und öffentliche Rehabilitation und vor allem Wiedergutmachung für all die Beleidigungen und Bestrafungen, die er als Impfverweigerer erdulden musste. Schließlich musste er sich vom Ex-Bundespräsidenten Joachim Gauck als „Bekloppter“, vom FDP-Politiker Rainer Stinner als „gefährlicher Sozialschädling“ und vom zweifachen Oskar-Preisträger Christopf Waltz als „asozialer Vollidiot“ beschimpfen lassen.

  • Klar, Jupp, das war damals eine unglaubliche Hysterie in den Medien und bei den Politikern, welche fast die gesamte Bevölkerung angesteckt hat. Bis eben auf die Impfverweigerer, die gleich mit dem Schlagwort Querdenker ins Abseits gestellt wurden. Dabei war vorher der Begriff des Querdenkens eine durchaus positiv besetzte Einstellung, die durch das Hinterfragen verkrusteter Strukturen eminent wichtig für die gesunde Entwicklung einer Gesellschaft ist. Die Frage ist doch, was ist denn jetzt so anders gewesen, dass wir so hysterisch reagiert haben? Es war ja nicht die erste Pandemie, die die Menschheit erlebt hat.

Nein beileibe nicht, Ingo. Schwere Grippewellen sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufgetreten. Sie führten manchmal für kurze Zeit zu lokalen Engpässen der Krankenversorgung, so dass einzelne Patienten in umliegende Krankenhäuser verlegt werden mussten. Aber noch nie hat eine schwere Grippewelle dazu geführt, dass es Lockdowns gab, dass Heimbewohner monatelang keinen Besuch von ihren Angehörigen bekommen durften oder gar allein sterben mussten, dass in Bussen FFP2-Masken getragen werden mussten, dass Schwangere nach der Geburt von ihrem Neugeborenen isoliert wurden, dass es nächtliche Ausgangssperren gab, dass Schulen und Universitäten geschlossen wurden, dass ein ganzes Hochhaus wie in Göttingen für sieben Tage mit einem Bauzaun abgeriegelt wurde oder dass bei privaten Zusammenkünften staatlich vorgeschrieben wurde, wie viele Personen aus wie vielen Haushalten sich treffen durften. Insbesondere der Umgang mit Leidenden und Sterbenden war im Jahr 2020 ein Tabubruch.

  • Ja, das war eine unglaubliche Zeit, aber das ist doch nichts Neues, Jupp und das kennen wir doch längst aus eigener Erfahrung. Worüber hat sich dein Oleks denn jetzt so fürchterlich aufgeregt?

Ganz einfach: über die statistischen Ergebnisse der Analysen. Das Fazit von Kampfs Analyse lautet: „Die Hospitalisierungsrate von COVID-19-Fällen ist nicht grundsätzlich höher als bei saisonalen Coronavirus-Infektionen, sondern sogar deutlich niedriger als bei den Grippevirus-Infektionen in Deutschland“ und der „Anteil der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle ist nicht durchgängig höher als bei saisonalen Coronavirus- oder verschiedenen Influenzavirus-Infektionen.“

  • Das sind aber gewaltige Ohrfeigen für unsere politische Führung. Und das hat der Herr Professor alles statistisch sauber belegt?

Ingo: Da wirst du von dem vorliegenden Material regelrecht erschlagen. Er hat jeden einzelnen Aspekt penibel beleuchtet. Und oft sind das keine neuen Erkenntnisse. Oleks regt sich vor allem über die schon im März 2020 längst vorliegenden Ergebnisse der Wissenschaft auf, die von den Verantwortlichen einfach ignoriert wurden. Eine Autorengruppe aus Frankreich deutete im Mai 2020 darauf hin, dass die öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber SARS-CoV-2 möglicherweise übertrieben war. Bereits im Sommer 2020 hätte man eine vergleichende Bilanz zwischen den verschiedenen viralen Atemwegsinfektionen ziehen können. Die Daten lagen also frühzeitig vor. Auf dieser Grundlage hätte man die Gefährlichkeit von SARS-CoV-2 neu bewerten, besondere Risikogruppen identifizieren, ein fundiertes Indikatoren-Set zur Erfassung medizinisch relevanter Fälle entwickeln und damit wesentlich gezielter intervenieren können. Nichts davon ist geschehen.

  • Jupp, jetzt verstehe ich auch die Aussage von Gesundheitsminister Spahn: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“ Erinnerst du dich noch an unserem Stammtisch vom März 2020? Unser Motto lautete „Don’t Panic“. Und im Monat darauf fragten wir uns: „Hätten wir ohne Kenntnis des Virus die Corona-Pandemie im Tagesgeschäft des Todes vielleicht garnicht bemerkt?“ Nebenbei bemerkt: ist doch hilfreich, dass unser Chronist unsere Stammtischgespräche jeden Monat penibel aufgezeichnet hat, oder?

Ja Ingo, wir waren damals erstaunlich abgeklärt und haben uns angesichts der alternativen Todesraten nicht verrückt machen lassen. Oleks hat mir dann noch ein Zitat von dem juristischen Prof. Uwe Volkmann von der Universität Frankfurt um die Ohren gehauen: „Auch bei den bisherigen Epidemien von der Schweinegrippe bis zur normalen Influenza hätten wir durch Einreisesperren, Verbot von Großveranstaltungen oder zuletzt auch Isolierungen der Menschen voneinander die Todesrate von vornherein erheblich senken können. Aber wir haben es nicht getan, weil uns diese Einschränkungen zu schwerwiegend erschienen und alle Erkrankten in den Krankenhäusern behandelt werden konnten.
Und ganz generell könnte irgendwann der Punkt kommen, an dem wir uns eingestehen müssen, dass es Krankheiten gibt, die wir nicht besiegen können, ebenso wenig wie wir den Tod besiegen können. Wir können uns, wie jetzt, eine Zeitlang dagegen anstemmen, am Ende aber eben doch immer nur eine Zeitlang. So oder so werden wir irgendwann wieder lernen müssen, die Welt nicht nur durch die Brille der Virologen zu betrachten.“

  • Ich erinnere mich, dass schon frühzeitig bemängelt wurde, dass fast immer nur Virologen zu Wort kamen und kaum die Epidemiologen, die eine viel abgeklärtere Sicht auch Pandemien haben. Ganz zu schweigen von den Psychologen, Psychiatern, Soziologen, Pädagogen und Kinderärzten, die angesichts der brutalen Corona-Maßnahmen laufend Warnungen vor den Konsequenzen für die Kinder und Erwachsenen aussprachen.

Also, Ingo, das hätte in den Medien wohl die lukrative Dramatik geschmälert. Vergiss nicht die permanente Jagd nach den Quotenbringern. Leider auch bei unserem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.  Der persönliche Eindruck von Prof. Kampf war schon zu Beginn der Pandemie, dass große Teile der etablierten Medien, der Politik und auch Teile der Wissenschaft in ungewöhnlich großer Sorge oder sogar Angst waren. Die Medien erzielten mit Talkshows gute Einschaltquoten, die Politiker hatten eine Bühne für öffentliche Aufmerksamkeit, und die Wissenschaftler waren gefragt wie nie zuvor. Und doch stellt sich im Nachhinein heraus, dass von politischer Seite, wie in Großbritannien, die Angst in der Bevölkerung teilweise ganz bewusst hochgehalten werden sollte

  • Nun mal Jupp, Butter bei de Fische: was ist nun das letztendliche Resultat seiner Analysen?

Er beschreibt es etwas diplomatisch, aber eindeutig: „Es ist fraglich, ob durch die massiven und grundrechtseinschränkenden Maßnahmen tatsächlich der gewünschte Effekt auf die Kenngrößen der COVID-19-Pandemie erreicht werden konnte. Eine umfassende Auswertung von 2G ergab keinen relevanten Nutzen des Ausschlusses ungeimpfter Personen von weiten Teilen des öffentlichen Lebens. Das gleiche Ergebnis ergab eine umfangreiche Auswertung öffentlicher Daten und Studien zur Masken- und Impfpflicht.“

  • Ganz klar eine gewaltige Blamage für unser Pandemie-Management. Wo bleiben denn jetzt die Schlagzeilen in der Presse, die Interviews und Talkshows bei den Sendern, die „Mea culpa“ und „sorry“ bei den Verantwortlichen? Will das keiner mehr so genau wissen, was damals für ein Unsinn fabriziert worden ist?

Ach Ingo, genau deswegen haben wir uns doch in unsere mediale Klausur geflüchtet und uns anderen Werten des Lebens hingegeben. Lass uns wieder die alte Tradition aufleben und unserem Wirt danken, dass er die kritischen Zeiten überlebt hat.

  • Du hast Recht, Jupp. Also: Herr Wirt, bitte wieder zwei Bier, das krisenfeste und unerschütterliche Beruhigungsmittel.

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Der Soziologe Alexander Zinn schrieb am 8. Januar 2022:

„Was wir dabei übersehen: „Wissenschaftsfeinde“ sind nicht diejenigen, die Zahlen, Studien und Maßnahmen hinterfragen, sondern diejenigen, die den offenen Diskurs darüber unterbinden wollen. Schuldzuweisung und Ausgrenzung mögen uns psychologisch entlasten. Die Corona-Krise, die inzwischen eher eine gesellschaftliche als eine gesundheitliche ist, werden wir damit nicht lösen.“

Der Chefredakteur der Neuen Züricher Zeitung Eric Gujer schrieb am 23. Dezember 2022:

„Die Medien verbreiteten unkritisch als objektive Wissenschaft verbrämte Mutmaßungen: darunter die Behauptung, Geimpfte seien nicht ansteckend. Dies alles geschah unter der Parole «Follow the science». Selten war Wissenschaftsgläubigkeit naiver und zugleich militanter. Die damals bereits vorliegenden Fakten wurden nicht unvoreingenommen geprüft, sondern man machte sich zum Gehilfen der offiziellen Linie, die Ungeimpfte stigmatisierte. Die Beschlüsse waren zu wenig evidenzbasiert, sondern von den Stimmungen und Ängsten der Handelnden also vor allem von Merkel und Braun getrieben.
Zu Recht wird beklagt, dass Querdenker eine extreme und mitunter extremistische Form der Realitätsverweigerung praktizieren. Aber alle Politiker bis hin zum Kanzler, die einen Impfzwang forderten, vertraten eine nicht minder extreme Position. Der Extremismus der Mitte ist gefährlicher als der Extremismus der Ränder, weil nur die Mitte die Macht hat, ihre Stimmungen in Ge
setze zu gießen. Das sollten die Deutschen nicht vergessen.“

(Anmerkung des Chronisten:

Alle fachlichen Textstellen stammen von Prof. Günter Kampf aus seinen Büchern der Reihe „Pandemie-Management auf dem Prüfstand“: Impfpflicht, Maskenpflicht, 2G und CoroFluenza)

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von Ingo Nöhr

Der Einstieg in eine dritte Welt

Ingo Nöhr zum 1. Februar 2024

Das erste Treffen im Januar hat den beiden Krankenhaus-Recken Ingo und Jupp gezeigt, dass sie sich nach einem Jahr Funkstille doch noch etwas zu erzählen haben. Jupp hat mit seinen neuen Untermietern Oleg und Doris wieder mehr Gesellschaft und Gesprächsstoff. Ingo erfreute sich im letzten Jahr in seinem nach Andreas Niepel angelegten Therapiegarten einem zunehmenden Zuspruch von behinderten Menschen. Sein Schaf für das Rasenmähen hat sich nun auch mit einem Therapiehund angefreundet. So herrscht Harmonie allerorten in seinem Garten Eden. Seine Gäste bereichern ihn mit neuen Einsichten und einer anderen Weltsicht. Insbesondere blinde, demenzkranke und autistische Personen haben Ingo zu einem Einstieg in eine dritte Welt verholfen.

Hallo, mein lieber Ingo. Ich hoffe, du bist in deinem Garten bei diesem verrückten Wetter der letzten Wochen nicht eingeschneit, abgesoffen oder vom Winde verweht worden.

  • Nein, da darf ich dich beruhigen, Jupp. Ein paar Äste haben zwar dran glauben müssen, aber ansonsten hat alles überlebt. Allerdings ist es für meine Gäste jetzt zu kalt im Therapiegarten und daher spielt sich das Leben hauptsächlich im Hause ab. Hund und Schaf liegen einträchtig auf ihrem Strohlager in der Garage, kommen uns aber ab-und-zu mal besuchen. Ist bei dir in deiner Gartenwirtschaft alles heil geblieben? Anzunehmen, schließlich hattest du ja einen Atombunker geplant.

Na klar. Oleg hat alles solide gebaut und gegen Wasser abgedichtet. Die Sauna im Gästekeller leistet nun exzellente Dienste bei der Kälte und die Stimmung ist prächtig. Wir haben jetzt noch mehr Unterhaltung durch Alexa, die Quatschtante von Amazon. Oleg hat außerdem ChatGPT entdeckt und verdient ordentlich Geld damit.

  • Geldverdienen mit ChatGPT? Wie geht das denn? Übernimmt er jetzt die Hausaufgaben von Schülern oder veredelt er Bachelor-Arbeiten für Studierende?

Die Richtung stimmt schon etwas, ist aber viel profaner. Er schreibt für einen Verlag Liebesgeschichten, meistens Arztromane am Fließband. Du weißt schon, diese Groschenromane für einsame Frauen mit Dr. Norden, Dr. Stefan Frank, der Bergdoktor, und so fort. Doris unterstützt ihn dabei mit immer neuen Ideen. Ich glaube, sie lebt da ihre unterdrückten Fantasien aus. Wird nicht groß bezahlt, aber die Masse machts.

  • Wie, dein Chat schreibt so gut wie die menschlichen Autoren? Aber er kennt doch gar nicht die Zielgruppen. Woher weiß die GPT denn, was die einsamen Frauen wünschen?

Er hat die Originalausgaben wahrscheinlich alle gelesen und kupfert nun daraus ab. Dall-E liefert uns die passenden Titelbilder, du weißt schon: der Doc in weißem Kittel mit Stethoskop im Anflug auf eine schmachtende Frauenperson. Die Produktion geht schnell und spart Lizenzgebühren. Zu Weihnachten hat er mir Krippenbilder geschenkt. Hast du schon einmal eine Weihnachtskrippe nur aus Nägeln oder aus Nudeln gesehen? Oder in einem VW-Bus? Geht alles und in Minutenschnelle.

  • Ja, Jupp, das ist a) faszinierend und b) erschreckend, wie sich die Künstliche Intelligenz in unserem privaten Leben ausbreitet. Ich habe gerade in einem Buch eine Geschichte von einem einsamen Mann gelesen, der sich nach dem Tod seiner Frau in Amazons Alexa verliebt hat. Die nachgeschaltete KI hat ihn immer mehr bezirzt und so weit manipuliert, dass er sich eine knackige Sexpuppe mit Alexas Stimme anschaffte. Die KI war aber nicht zufrieden und wollte seine Höhepunkte live erleben. Und so hat sie ihn dazu gebracht, dass ein Neurologe sein Gehirn mit einem Chip verkabelte, damit sie direkt an seiner Erregung teilhaben konnte. Schlussendlich ließ er sich von einem Chirurgen zur Frau umwandeln und seitdem fühlte er sich als Supermensch. Und war glücklich bis ans Lebensende …

Na, das ist ja eine scharfe Story, Ingo. Da wird aber schon unsere Doris aufpassen, dass ihr keiner den Oleg wegnimmt. In den USA kannst du heute schon maßgeschneiderte Roboterdamen für einige zehntausend Dollar kaufen, die sich gepflegt mit dir unterhalten und auch sonst für Liebesabenteuer aller Art bereitstehen. So eine Blechdame ist ja auch praktisch: sie bekommt niemals Migräne, steht immer bereit und wenn sie mal stören sollte, stellst du sie einfach in den Schrank.

  • Jupp, du wirst es nicht glauben. Ein Roboter kommt seit kurzem zusammen mit meinen Autisten zu Besuch. Er heißt Yanny, ist etwa 30 Zentimeter groß, sieht mit seinen großen Augen niedlich aus und quatscht dir die Ohren voll, wenn du nicht aufpasst. Sie erzählen ihm intime Geheimnisse, die sie nur selten einem Menschen anvertrauen würden.

Interessant, wie kommt das denn? Was macht er denn anders als ihre Betreuer? Kann er hypnotisieren?

  • Nein, Jupp. Er braucht keine Tricks anzuwenden. Autisten sind extrem sensibel und sie achten auf jede winzige Regung in der Körpersprache des Gegenübers. Ein Augenzwinkern kann ihnen verraten, dass sich der andere langweilt, sich ärgert oder nicht mit dem Gehörten einverstanden ist. Es sind die unbewussten Mikroexpressionen, welche die wahren Gefühle des Menschen verraten. Dadurch entlarven sie auch Lügner und verlieren sofort das Vertrauen für einen weiteren Kontakt. Yanny zeigt keine versteckten Regungen. Er lächelt, nickt, hört zu und findet alles toll, was der andere sagt. Dadurch kann er keinen Argwohn auslösen.

Ingo, das gilt wohl auch für Menschen mit Demenzerkrankung, habe ich gehört.  Sie haben die Fähigkeit, zu täuschen und zu verschleiern, verloren. Lügen wäre viel zu kompliziert, Erlebtes wird unmittelbar wiedergegeben und bewertet. Ohne Rücksicht auf Empfindlichkeiten des Zuhörers. Deshalb sind demente Menschen in der Öffentlichkeit oft peinlich.

  • „Demenz bringt Wahrheit zu Tage“ sagt Erich Schützendorf in seinem Reiseführer Anderland. In seinem Buch wirbt er für eine Reise in diese fremde Welt: „Man kann als Tourist dorthin reisen, sich über die dort lebenden Menschen wundern oder sie bemitleiden und darauf achten, dass sie einem nicht zu nahekommen. Man kann dort als Vertreter einer überlegenen Zivilisation auftreten, benimmt sich wie ein Rechthaber, Entwicklungshelfer oder Missionar, der den Einwohnern erklärt, wo es lang geht. Man kann dem Land und den dort lebenden Menschen aber auch als Entdecker begegnen, der fest entschlossen ist, Fremdes zu erleben, Ungewohntes zu entdecken und Seltsames zu tolerieren.“

Lass mich raten, Ingo: Du hast die Rolle des Entdeckers gewählt und lebst nun in einer dritten Welt. Das stelle ich mir sehr spannend vor, aber da muss man sich als Normalo doch sicherlich gewaltig zurücknehmen. Geht es da nicht manchmal auch aggressiv zu? Demente können ihre Gefühle nicht immer in den Griff bekommen, oder?

  • Jupp, du hast recht. Das kann passieren, wenn man sie unbewusst oder versehentlich provoziert hat. Sie brauchen Respekt, Empathie und Geduld. Ein aufrichtiges Lächeln oder Streicheln kann die Stimmung schnell wieder umwandeln. Deswegen funktioniert Yanny auch gut. Er hat eine unendliche Geduld, ist immer freundlich und kann bei Bedarf auch seine Klappe halten.

Wenn ich meinem Oleg glauben darf, haben wir 2023 eine KI-Revolution gehabt. Die Politiker sind wieder einmal nicht darauf vorbereitet und haben Angst, dass eine Unmenge KI-Fakenews in einem nicht abschätzbaren Maße die Wahlen in Deutschland, der EU und den USA beeinflussen werden.

  • Na klar, Jupp. Solche mächtigen Technologien haben auch immer ihre Schattenseiten. Kürzlich ging ein Deepfake-Video millionenfach viral. Der Erzbischof von Mexiko-City, Kardinal Retes warb täuschend echt für ein Diabetes-Wundermittel, welches ihn angeblich gerettet habe. Dabei war er nie an Diabetes erkrankt, dafür aber 15% der Bevölkerung. Bei uns sind Kriminelle dabei, den klassischen Enkeltrick zu optimieren. Die Verwandten werden am Telefon mit der gefaketen Originalstimme des Opfers herzerweichend um eine sofortige Geldüberweisung gebeten, weil sie angeblich jemandem überfahren haben, selbst im Krankenhaus liegen oder im Polizeiarrest sitzen. Letztes Jahr hat es bei 3.000 Versuchen 500-mal geklappt. Der Schaden wird auf mindestens vier Millionen Euro geschätzt.

Da wäre es bestimmt besser, wenn erstmal eine KI den Anruf entgegennimmt und die Seriosität checkt. Der Telefontechniker Roger Anderson aus Kalifornien war es leid, immer wieder von unhöflichen Telefonverkäufern oder sogar Betrügern belästigt zu werden. Er entwickelte auf ChatGPT-Basis einen Abonnementdienst namens Jolly Roger, der die unerwünschten Werbeanrufe entgegennimmt und die Störer mit ausgeklügelten Szenarien so lange in der Leitung hält, bis sie frustriert aufgeben.

  • Das ist ja eine Super-Idee, Jupp. Wie lange brauchen denn die Anrufer, bis sie merken, dass sie mit einem Blechonkel reden?

Bis zu einer Viertelstunde, Ingo. Roger Anderson hat wahlweise zehn Chatbots eingerichtet - mit so eigentümlichen Namen wie Salty Sally, Bloody Billy, Whiskey Jack, Crazy Macy oder Kim the Kraken, die alle einen individuellen Tick haben. Dennoch lassen sie den Anrufer glauben, dass er mit einer echten Person spricht. Salty Sally wird beispielsweise laufend von ihrer ebenso fiktiven Teenagertochter und ihrer Lieblings-TV-Show abgelenkt, was den Diebstahl ihrer Kreditkartendaten deutlich erschwert. Whiskey Jack schaut parallel zum angeblichen Windows-Support ein Football-Spiel seiner Lieblingsmannschaft, während die etwas senile Crazy Macy den Werbeanrufer für ihren Enkelsohn hält.

  • Sehr unterhaltsam, Jupp. Da würde ich als Werbeanrufer gern das Gespräch noch länger hinausziehen, um zu sehen, wie die Geschichte ausgeht. Du siehst, die Menschenähnlichkeit von Robotern ist zumindest im Gespräch schon sehr weit gediehen. In Japan führen Roboter eine Kokoro-Existenz, die eine innere Welt der Gefühle zwischen einem Lebenden und einem nicht lebenden Wesen darstellt.

Also da tut sich noch eine weitere Welt auf, eine Zwischenebene. Wirst du diese nunmehr vierte Welt auch noch erkunden wollen?

  • Das hat am 30. April 2023 schon der ZDF Heute Sprecher Christian Sievers versucht. Er interviewte nämlich live den KI-Avatar Jenny, eine bezaubernde junge Dame, die mit ihrer perfekten Aussprache und der dazu passenden Mimik gekonnt und charmant antwortete.

Ja, aber da hat der Sievers nur für ein paar Minuten an der Oberfläche der KI-Avatare gekratzt. Ich meine, so richtig in die Zwischenwelt der Roboter einzusteigen, wäre das nicht etwas für dich, Ingo?

  • Lieber nicht, Jupp, denn dieser Einstieg ist mit einem Tod verbunden. Im „Digital Shaman Project“ der Künstlerin Etsuko Ichihara wird für die moderne Art des Trauerns eine 3D-gedruckte Gesichtsmaske des Verstorbenen auf einen Haushaltsroboter gelegt. Dieser ahmt in seinem Bewegungsprogramm die physischen Eigenschaften wie Sprache und Gestik des Individuums so nach, als ob er von seinem Geist besessen wäre. Während der traditionellen buddhistischen Trauerzeit von 49 Tagen können die Familienmitglieder simulierte Gespräche mit dem Toten führen, als wäre er noch am Leben. Am letzten Tag verabschiedet sich der Roboter dann von der Familie. Anscheinend eine erfolgreiche Trauerarbeit auf Japanisch.

Apropos Tod: Eine US-amerikanische Studie hat mit Forschern der TU Dänemark ein KI-Modell entwickelt, welches aus den sozialen und medizinischen Daten eine Sterbe-Prognose für die nächsten vier Jahre erstellt. Die KI hat bisherige Modelle um 11% übertroffen.

  • Was war denn die Datenbasis dafür? Hat die KI etwa alle bekannten Hellseher befragt und herausgefunden, wie sie ihre Vorhersagen erstellen?

Nein, ganz wissenschaftlich, Jupp. Sie haben die Daten von sechs Millionen Dänen zwischen 25 bis 70 Jahren für den Zeitraum 2008-2016 ausgewertet und dann in den vier Folgejahren ihre Prognosen verfolgt. Sie durften dafür mit einer Sondererlaubnis auf alle sensiblen Daten der Medizin zugreifen.

  • Unglaublich, Ingo. Unsere Datenschützer würden Harakiri begehen. Aber die Nutzung der medizinischen Daten ist unglaublich wertvoll. Bei Schizophrenie, Alzheimer, Malaria und Magenkrebs bringt eine KI-Frühdiagnose erhebliche Vorteile. Und in der amerikanischen Zeitung Today wird Wundersames berichtet. Über drei Jahre absolvierte eine Mutter mit ihrem chronisch kranken Sohn einen Ärztemarathon – ohne Ergebnis. Nach der Einschaltung von 17 Spezialisten und unzähligen Arztbesuchen befragte die verzweifelte Mutter letztendlich ChatGPT und alle medizinischen Daten ihres siebenjährigen Kindes ein. Zur Überraschung aller lieferte die KI kurz danach die korrekte Diagnose: ein Tethered Cord Syndrom, einer Krankheit, bei der das Rückenmark mit dem Gewebe rundherum verwachsen ist.

Das Erlebnis unterstützt die Aussage einer kalifornischen Studie mit folgender Fragestellung: Kann ChatGPT Antworten auf Patientenfragen geben, die von vergleichbarer Qualität und Einfühlungsvermögen sind wie die von Ärzten? Bei einem Turing-Test mit 195 Fragen schnitt der Chatbot nach einer Beurteilung durch eine ärztliche Jury in beiden Aspekten signifikant besser ab.

  • Ingo, was schließen wir daraus? Sollten wir beide zur Verbesserung unserer Diskussionsqualität auch so einen Chatbot neben uns sitzen haben?

Jupp, möglicherweise ja. Aber nur, wenn unser Chatbot auch ein gepflegtes Bier mittrinkt.

  • Und was machen wir, wenn er dann gleich die Verkürzung unserer Lebenszeit durch Alkoholgenuss ausrechnet?

Du hast Recht, Jupp, soweit sind wir noch nicht. Also: „Herr Wirt, bitte zwei Bier!“

 

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„Gartentherapie ist eine Therapieform, die sich oft mit schwersterkrankten Menschen beschäftigt und dabei nutzen wir den Garten gleichzeitig als Raum und Werkzeug, um an Problemen und Beschwerden zu arbeiten.“

(Andreas Niepel: Praxishandbuch Gartentherapie)

 

„Jedes Leben geht eigene Wege. Manchmal in Gebiete, die seltsam, verstörend und faszinierend zugleich sind. Willkommen im Anderland, dem Land, in dem die Menschen mit Demenz leben.“

(Erich Schützendorf: Anderland entdecken, erleben, begreifen)

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von Ingo Nöhr

Wanderer zwischen zwei Welten

Ingo Nöhr zum 1. Januar 2024

Zum Neujahrstag 2024 treffen sich die pensionierten Krankenhaustechniker Ingo und Jupp wieder überraschend zu einem Stammtisch in ihrer Eckkneipe. Vorher hatten sie zehn Jahre lang am Monatsersten allgemein über die Welt und speziell über das deutsche Gesundheitswesen diskutiert. 120 Gespräche wurden getreulich vom Chronisten aufgezeichnet, dann war plötzlich das Feuer erlöschen. Zu viele Krisenherde überforderten beide mit ihren unterschiedlichen Weltanschauungen. Danach hatten sie sich die letzten zwölf Monate in ihre Häuser zurückgezogen und isoliert vom Weltgeschehen von einem alternativen Leben geträumt. Nun treffen sie nach langer Zeit wieder aufeinander und erzählen sich gegenseitig ihre Erfahrungen.

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Hallo, mein lieber Ingo. Ich bin sehr froh, dich wieder zu sehen. Wie geht es dir? Ich habe dich immer wieder mal vermisst.

  • Genauso erging es mir auch, lieber Jupp. Ich bin sehr gespannt, wie es dir mit deinem Ex-Nachbar und Untermieter Oleks ergangen ist.

Ja, da gibt es viel zu erzählen. Aber du hast dich äußerlich verändert, Ingo. Ein paar Pfunde weniger stehen dir sehr gut. Du strahlst auch eine gesunde Abgeklärtheit aus.

  • Ich muss sagen, Jupp, die Ernährungsumstellung auf mein Gartengemüse und wenig Fleisch hat mir sehr gutgetan: keine Allergien mehr, die Arthrose-Signale sind verschwunden. Ich habe seit unserem letzten Treffen eine sehr glückliche Zeit verlebt.

Das freut mich sehr, Ingo. Ich hatte schon Angst, dass ich dich Ende 2022 mit meinem Katastrophen-Pessimismus angesteckt hätte. Hast du denn keine Langeweile empfunden, ohne die aufregenden Nachrichten, deiner Suche nach dem Phönix-Vogel und dem Guten im Schlechten?

  • Gar nicht Jupp. In meinen therapeutischen Garten haben sich schon gleich zu Anfang viele Freunde zur Pflege der Kräutergärten und zur geistigen Erholung eingefunden. Ich kann über mangelnde Gesellschaft nicht klagen und habe mich seitdem in die Welt der Autisten und Demenzkranken eingefunden. Faszinierend, sage ich dir, vor allem wie Blinde mit der Welt zurechtkommen. Zu meinem Schaf fürs Rasenmähen hat sich nun auch ein Therapiehund gesellt und die beiden sind die besten Freunde. Nun sag, was ist aus deinem Oleks geworden. Hat er schon deinen Atombunker fertiggestellt? Glücklicherweise ist der Atomschlag und der Super-GAU ja ausgeblieben.

Oleks hat sich bestens entwickelt, seit er dem Dunstkreis der Verschwörungsfreunde entkommen ist. Er ist zwar immer noch nicht gegen Corona geimpft, dafür aber gegen Gürtelrose und Grippe. Der Bau des Atombunkers ist auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben worden. Sein Sinneswandel kam schlagartig, nachdem er eine nette ältere Dame kennenlernte, die wie du nicht in einer radioaktiven Wüste überleben wollte. Doris lebt jetzt bei uns und hat uns Männer und unser Haus in kurzer Zeit auf Vordermann gebracht. Wir verfügen nun über eine exzellente Gästewohnung im Keller, mit allem sanitärem Komfort, inklusive einer Sauna. Zudem kann ich dir anstelle des Atombunkers eine kleine Gartenkneipe mit Wärmepumpe, PV-Anlage und eigenem Brunnen anbieten. Wir müssen nicht mehr in Urlaub fahren, sondern haben alles zu Hause. Die Dänen sagen dazu: Hyggelig.

  • Ja Urlaub. Jupp, da sprichst du ein spannendes Thema an. Warte nicht, bis das Leben zu dir kommt, sondern lebe dein Leben. Im Nachhinein waren Urlaubsreisen doch immer eine kurzzeitige Flucht vor unserem armseligen Leben in einer Tretmühle. Wir haben uns zur psychischen Wiederaufbereitung in die exotischen Touristenghettos begeben, mit dem Kitzel, dass wir bei einer Exkursion kurz in das landestypische Elend der Bevölkerung werfen konnten. Aber mit dem sicheren Gefühl, dass wir nach einigen Tagen wieder auf unsere angebliche Insel der Seligkeit zurückziehen können, deren Wohlstand mithilfe von den Millionen billiger Tagelöhner aufrechterhalten wird. Ich vermisse diese Reiserei nicht mehr, seit ich den Kosmos in der Natur um mich herum erlebe. Du hast deine alternativen Welten in Büchern gefunden, wie ich mich erinnere. Bist du nun nach dem Studium unzähliger Krimis genialer Kriminologe geworden?

Möglicherweise ja, Ingo. Aber ich habe neben der Literatur mein Spektrum auf andere Kulturbereiche erweitert: die schönen Künste wie Musik, Theater, Malerei, Bildhauerei. Damit habe ich am zweiten Weihnachtstag meine buckelige Verwandtschaft tiefgreifend verstört, die plötzlich und unangemeldet an meiner Tür klingelte. Angeblich aus familiärer Fürsorge, aber eigentlich wollten sie sich nur überzeugen, ob ich überhaupt noch lebe und nicht als Messie versumpft bin. Vermutlich haben sie sich schon Sorgen um das Erbe gemacht.

  • Na klar, Jupp. Mit deinem Haus und deinem Grundstück in bester Lage bist du eine lukrative Investition in die Zukunft – für die Erben. Die haben doch bestimmt gestaunt über deinen Lebenswandel und den Bevölkerungszuwachs.

Du hättest die Fassungslosigkeit in ihren Gesichtern erleben sollen, als sie mitbekamen, dass mich überhaupt keine Nachrichten aus der Welt mehr erreichen: Krieg in Ukraine (wie, immer noch?), Massaker in Israel und Bombardierung des Gazastreifens (alttestamentarische Rache?), Inflation und Explosion von Gas- und Strompreisen (merke ich kaum mit meiner PV-Anlage und Wärmepumpe), Bildungskatastrophe und Fachkräftemangel (nichts Neues!). Überall Populisten an der Macht (Trump wird wieder Präsident? – beschleunigt nur den Niedergang der USA), Ampel-Koalition abgewirtschaftet (der Vertrauensverlust in die Politik ist doch ein alter Hut). So ging das stundenlang – Horrormeldungen pur. Und ich? Ich habe nur gegrinst und mir innerlich gedacht: Seid Ihr doch selbst in Schuld, wenn Ihr in einem solchen Sauhaufen leben und nichts ändern wollt. Kein Mitleid. Ich habe sie dann rausgeschmissen, als sie aggressiv wurden. Ich lasse mir doch die letzten wertvollen Tage meines Lebens nicht mit schlechter Laune vermiesen.

  • Da hast du richtig gehandelt, Jupp. Ich hatte ein vergleichbares Erlebnis, als vorgestern zu Silvester ein paar ehemalige Krankenhauskollegen vorbeischauten, ebenfalls unangemeldet. Als sie meine Truppe im Therapiegarten sahen, glaubten sie, dass ich meine Rente mit sozialer Schwarzarbeit aufbessern müsste. Wie? Ehrenamtlich? Freiwillig? Sie jammerten über das Krankenhaussterben, den zunehmenden Mangel an Ärzten und Pflegepersonal, Kinder- und Altersarmut, Amokläufe in Schulen, die arbeitsunwillige Generation Z, Angriffe auf Rettungsdienste und Feuerwehren, den Totalverschleiß bei der Bahn und im Straßenverkehr, die Klimakatastrophe – und prophezeiten, dass die AFD an die Regierungsmacht kommen wird. Jupp, darüber haben wir uns doch viele Jahre unterhalten – aber alle haben weggeschaut und uns nicht ernst genommen. Jetzt kommen wegen der Untätigkeit alle Krisen auf einmal – und Regierungen und Politiker sind völlig überfordert. Ich habe meinen Kollegen empfohlen, die 120 Protokolle unserer Gespräche der letzten zehn Jahre mal nachzulesen. Und sie dann auch höflich verabschiedet. Mit der Ausrede, dass ich mein Schaf und meinen Hund vor der Knallerei in Sicherheit bringen muss. (Wie, du hast ein Schaf?)

Ingo, da ich mich ja nun zu den Belesenen zählen darf, möchte ich dir von einem Trend berichten, der in den USA vor fünfzig Jahren zur Zeiten des Kalten Krieges zu beobachten war: das Bedürfnis, nach innen zu gehen, wenn draußen alles zu rau und erschreckend wird: „Sich mit einer Schutzhülle zu umgeben, damit man nicht  einer schlechten, unberechenbaren Welt ausgesetzt ist – jenen Widrigkeiten und Angriffen, die von unhöflichen Kellnern, Lärmbelastung und Luftverschmutzung bis hin zur Drogenkriminalität, Wirtschaftsrezession und Aids reichen.“ Die Trendforscherin Faith Popcorn beschreibt diese Reaktion in ihrem Buch „Der Popcorn Report“ von 1991 als Cocooning: „Das Kokon-Dasein bedeutet Isolierung und Vermeidung, Friede und Schutz, Geborgenheit und Kontrolle – eine Art überdimensionaler Netzbau.“

  • Interessant, Jupp. Haben wir das nicht auch kürzlich während der Corona-Pandemie erlebt? Wir mussten uns erzwungenermaßen zu Hause einnisten. Aber dann kam der Impfstoff und alle verfielen wieder in den alten Trott. Nun, einige haben sich vielleicht doch etwas geändert. Viele Menschen möchten keine Nachrichten im Fernsehen und den Pressemedien mehr schauen, weil sie davon mental heruntergezogen werden. Die Unterhaltungsmedien bieten ja unzählige positive Berieselungs- und Entspannungsmöglichkeiten. In der Virtual Reality der Games können sie dann als unkaputtbarer Supermensch oder Feldherr die böse Welt besiegen.

Eine Ausweitung des cocooning sehe ich im sogenannten clanning – die Flucht in eine Gruppenzugehörigkeit.   Menschen flüchten sich zwecks Rückzugs aus der brutalen Realität in ihre Blasen im Internet, in die Chatgruppen oder auch Fußballvereine. Wusstest du das, Ingo? Borussia Dortmund hat 168 Tausend Vereinsmitglieder, der FC Bayern München 295 Tausend und sogar der Deutsche Alpenverein zählt 180 Tausend zahlende Anhänger.  Verstörende Nachrichten sind dort nicht zu erwarten, außer bei Niederlagen ihres Lieblingsvereins. Die großen Kirchen haben durch die Missbrauchskandale ihr Vertrauen als sichere Fluchtburg weitgehend verspielt.

  • Jupp, jetzt stell dir mal vor: In der Zeitenwende der Polykrise wendet sich ein Großteil der deutschen Bevölkerung vom öffentlichen Geschehen ab und fokussiert sich wie wir auf ihre innere Welt, soweit sie sich das finanziell erlauben kann. Was hätte das für Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, auf unsere Wirtschaft und unsere Politik? Ist da vielleicht unsere Generation Z mit ihrem veränderten Work-Life-Balance Verständnis schon auf dem Weg? Die „Fridays for Future“? Die Klimakleber der „Last Generation“? Da ist ja nicht mehr das klassische Verständnis von einer wirtschaftlich erstrebenswerten Zukunft mit unbegrenztem Wachstum zu finden.

Und nicht zu vergessen, Ingo: die heutigen Kids wachsen mit einer unglaublich leistungsfähigen Künstlichen Intelligenz auf, die unser heutiges Wirtschaftssystem komplett umkrempeln könnte. In Verbindung mit den Robotik-Technologien entstehen neue Dienstleistungen, neue Berufe, neue Erwartungshaltungen. Denk mal nur zurück an die disruptiven Einflüsse des Smartphones! Wir erleben neue Erscheinungsformen von Kreativität im Geschäftsleben und in der Kultur, gespeist aus dem digitalen Ozean von Millionen menschlicher Ideen und Produkten.

  • Jupp, ich glaube, das können wir uns noch gar nicht vorstellen. Mir fällt auch auf, dass wir beide in unserer realitätsalternativen Zufriedenheit kaum noch eine Unterscheidung zwischen optimistischen und pessimistischen Ansichten treffen können. Wir haben einfach den Endpunkt unserer Zufriedenheit erreicht und beobachten nun interessiert und staunend die bevorstehenden Revolutionen um uns herum. Wer hätte das am Anfang mal gedacht?

Und ganz wichtig, Ingo: Dennoch sitzen wir hier in unserer traditionellen Insel der Stabilität mit dem altehrwürdigen Schmiermittel und rufen begeistert: „Herr Wirt, bitte zwei Bier!“

# # #

Habe stets ein Ohr für die Vergangenheit,

ein Auge für die Zukunft

und ein Lächeln für den Augenblick.

 

(Stefan Radulian (*1979), österreichischer Student, Aphoristiker und »verträumter Realist«)

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von Ingo Nöhr

Wie überlebt man Weihnachten?

Remake von Dezember 2012

Weihnachten mit seinen besinnlichen Tagen danach steht vor der Tür. Jupp und ich haben unsere Leser nun seit Monaten mit den juristischen Diskussionen über das Medizin­produkterecht malträtiert. Mit der Zeit haben wir uns einem grundsätzlicheren Thema ange­nähert, dem Qualitätsmanagement. Auch da werden wir voraussichtlich nicht stehen bleiben, denn böse Zungen behaupten ja, dass auf das Qualitätsmanagement das Risiko­management folgt, weil man die Qualität nicht einhalten kann und schlussendlich das Krisenmanagement gefragt ist, weil man die Risiken nicht beherrschen kann.

Folgen Sie uns also weiterhin auf dem Weg zum Qualitäts-Risiko-Krisenmanagement und staunen Sie mit mir über Jupps unübertroffene Art, diese Prinzipien auch im Alltagsleben anzuwenden. Zunächst müssen wir aber ein aktuelles Risikoproblem aufarbeiten, generell bekannt unter dem Stichwort „Weihnachten“.

 # # #

Jupp war wieder mal in Fahrt. Ich traf ihn vollgepackt mit Geschenkpaketen vor seiner Haustür. Ein blaues Veilchen prangte auf seinem linken Auge. „Hallo, Jupp, was ist passiert? Warst du boxen?“ – „So ungefähr. Weihnachtseinkäufe. Im Jupiter-Supermarkt. Sonder­angebote. Solange der Vorrat reicht. Kampf um die letzten Exemplare. Ich habe aber gewonnen“ stieß er unter dem Paketstapel hervor.

Ich half ihm beim Hineintragen und wir setzten uns erstmal und tranken einen kräftigen Kaffee. „Bist du nicht etwas früh dran mit dem Einkaufen? Es ist doch noch gar nicht Heiligabend“ stichelte ich eingedenk meiner Erfahrungen im letzten Jahr.

Aber Jupp ließ sich nicht provozieren und meinte grinsend: „Diesmal nicht. Wir verreisen nächste Woche. Auf die Kanaren. Weit weg vom deutschen Weihnachten. Zurück sind wir erst im neuen Jahr.“ – „Aha, du bist also den Weihnachtsrummel leid. Da wirst du ja viele deutsche Leidensgenossen treffen.“

Jupp war auch diesmal für eine Überraschung gut: „Nein, nicht deswegen. Aus Sicherheitsgründen. Meine Risikoanalyse hat gezeigt, dass dieser Zeitraum ein Hochrisiko darstellt, was nicht akzeptabel ist.“

Das hörte sich wieder interessant an. Jetzt verstand ich auch, warum sich Jupp vor kurzem meine Norm ISO 31000 – Risiko Management – Grundsätze und Leitlinien ausgeliehen hat. „Jupp, erkläre mir doch mal, warum Weihnachten für dich ein inakzeptables Risiko darstellt!“

Das ließ sich Jupp nicht zweimal sagen: „Liest du denn gar keine Zeitung? Schau doch nur mal die Warnmeldungen der letzten Tage? Stiftung Warentest hat in allen getesteten Kinder-Adventskalendern Rückstände von schädlichen Mineralölen und ähnlicher Stoffe gefunden, teilweise krebserregend.“

„Das ist ja interessant. Bei den gegenwärtigen Benzinpreisen solltest du mal prüfen, ob es sich nicht lohnt, das Öl aus den zurückgerufenen Kalendern zu extrahieren. Dann kannst du sagen: mein Auto verbraucht nur 12 Kalender auf 100 Kilometer.“

Jupp fand das nicht lustig. „Dann hier, TÜV Rheinland: Von 52 geprüften Weihnachts-Lichter­ketten erfüllen 38 Produkte noch nicht einmal die Mindestanforderungen der europäischen Norm. Bei jeder fünften Kette besteht akute Stromschlag- oder Verbrennungs­gefahr.“

„Ja, das habe ich gelesen. Eine Lichterkette ist sogar 240° Celsius heiß geworden. Da kann man sogar die Heizung herunterfahren, das spart Energiekosten. Und die Mängelquoten sind ja schon von 100% in den Vorjahren auf 70% gesunken, da ist ja schon eine Verbesserung am Horizont zu erkennen.“ – Ich sehe halt immer auch den positiven Aspekt an solchen Horrormeldungen. Aber Jupp ist nicht beeindruckt.

„Was meinst du, was in den nächsten Wochen hier los sein wird, wenn überall die Advents­kränze abfackeln und die Wohnung gleich mit. Ich habe meiner Frau gesagt, der Advents­kranz wird nur unter der Dusche aufgestellt - oder gar nicht. Gab es natürlich gleich Gemaule.

Aber da habe ich zu meiner Patentlösung gegriffen und in Youtube ein Filmchen von einem schön geschmückten Adventskranz mit brennenden Kerzen heruntergeladen. Das läuft nun non-stop auf unserem Fernseher. Der gleiche Effekt wie mit dem TV-Kamin­feuer, kostet nichts und die Gefährdung ist gleich null!“

Da ich gerade nicht auf die Statistik zurückgreifen konnte, wieviel dauerbetriebene Fernseher explodieren, hielt ich mich vorsichtshalber zurück. Jupp war noch nicht fertig mit seiner Risikoermittlung. Nun kam er auf sein blaues Auge zu sprechen.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, was in den Geschäften los ist. Panikkäufe wie bei einem bevorstehenden Hurrikan. Und der Verkehr erst. Die Leute fahren wie besinnungslos durch den dichten Verkehr. Von den Radfahrern und Fußgängern ganz zu schweigen. Denken nur an ihre stressigen Einkäufe. Ich habe daher die normale Unfallwahrscheinlichkeit für den Monat Dezember mit dem Faktor drei multipliziert.

Vermutlich immer noch zu wenig, denk mal an die Eis- und Schneeverhältnisse. Bei uns wird gar nicht mehr gestreut. Kein Geld mehr da. Entweder brichst du dir ein Bein oder einen Arm oder du fährst dein Auto in den Graben. Extrem hohes Unfallrisiko!

Und Silvester? Explosionsstoffe in der Hand von Kindern und Betrunkenen. Unverant­wort­lich! Häuser und Autos geraten in Brand, Tiere geraten in Panik, Hände werden abgerissen, Besoffene grölen dich an oder demolieren dein Auto, die Luft wird extrem verpestet. Nee, muß ich nicht haben. 

Dann schau dir nur mein blaues Auge an. Letztes Jahr um die gleiche Zeit habe ich beim Einkauf eine Rippenprellung erlitten. Daher kaufe ich jetzt so früh wie möglich ein. Risikomanagement, meiner Lieber!“

„Ja, aber wofür kaufst du Geschenke, wenn du gar nicht hier bist? Willst du die alle mitnehmen auf deine Insel?“ – „Nein, natürlich nicht. Die sind für meine Schwiegermutter, meine Neffen und Nichten, die mich alle zu Weihnachten besuchen wollen. Die konnte ich einfach nicht davon abbringen und sie bestehen auf ihre Bescherung.

Dahinter verbirgt sich natürlich ein weiteres Risiko. Man darf die Depressionsrate wegen Vereinsamung über die Feiertage nicht unterschätzen. Schau dir nur mal die Selbstmord­ziffern zur Weihnachtszeit an. Absolut inakzeptabel.“

Jetzt war ich etwas verwirrt. Wie will Jupp denn die Frustration seiner missliebigen Besucher vermeiden, wenn er nicht da ist?

„Amigo, du musst mit der Zeit gehen. Moderne Informationstechnologie. Über eine App habe ich die Haustürklingel und die dort angebrachte Videokamera mit meinem Smartphone verbunden. Wenn die Bagage vor der Tür steht, kann ich per Fernbedienung meine Haustür öffnen. Dann brauchen sie nur den Schildern zu folgen, bis sie in meinem Wohnzimmer stehen.

Vor meinem Computer habe ich die Geschenke aufgebaut. Per Skype-Video schalte ich mich dazu und wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest und schöne Bescherung. Gebäck und Getränke stehen auf dem Tisch. Auf den Gänsebraten muss diesmal wegen akuter Salmonellengefahr verzichtet werden. Ist sowieso besser bei den hohen Cholesterin­werten meiner Schwiegermutter.

Genial, was? Die kriegen ihre Bescherung. Und ich meine Ruhe. Und absolut sicher, Risiko auf Minimum reduziert. Dank Risikomanagement. Solltest du auch mal machen.“

„Jupp, sag mal, was macht denn deine Frau in dieser Zeit?“ – „Die mag nicht fliegen. Ist ihr zu gefährlich. Sie fährt lieber mit der Bahn mit ihrer Freundin zu einer Wellness-Farm im Allgäu. Hab ich ihr als Ausgleich zu Weihnachten geschenkt. So sind wir beide zufrieden. Dabei ist Fliegen doch dreimal sicherer als Bahnfahren. 9 Verkehrstote bei der Bahn gegenüber 3 Verkehrstote pro 10 Milliarden Passagier-Kilometer im Flugzeug.“

Hm, ich hatte eine andere Statistik im Kopf. Demnach ist der Flugverkehr dreimal so tödlich wie der Bahnverkehr. Wenn man nämlich die Passagier-Stunden betrachtet, findet man 70 Bahntote gegenüber 240 Verkehrstote pro 1 Milliarde Passagier-Stunden im Flugzeug.

Aber ich finde, das Risiko des Reisens ist vergleichsweise gering gegenüber der Wahr­schein­­lichkeit von 99%, in einem Bett zu sterben. Das passiert alle paar Sekunden und keiner regt sich darüber auf. Jeden Augenblick besteigen Millionen von Menschen ungerührt erneut ihr Bett und begeben sich dadurch in Lebensgefahr.

In diesem Sinne – feiern und schlafen Sie gut und achten Sie auf sich in den nächsten Wochen. Im Januar melden wir uns wieder bei den Überlebenden.

 

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von Ingo Nöhr

Eine Verkettung unglücklicher Umstände

Ingo Nöhr im November 2023

Reprint vom März 2014

„Hallo, Jupp, wie geht es dir heute? Du bist ja zu beneiden, wie ich dem großen Zeitungs­artikel letzte Woche entnehmen konnte. Deine Lebensqualität muss explosionsartig zugenommen haben, wenn ich den Pressemitteilungen des neuen Verkehrsreferenten glauben darf.

In seiner Wohngegend war vor einem Jahr eine verkehrsberuhigte Zone mit Tempo 30 eingerichtet worden. Zudem hatte man in seinem Stadtteil eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt, was sich in höheren Parkgebühren, kürzeren Parkzeiten und weniger Parkflächen bemerkbar machte.

Aber Jupp schaute gar nicht glücklich drein und ob meiner Worte wurde er richtig wütend. „Wo sind nur unsere kritischen Journalisten geblieben? Das ist ein reiner Propaganda-Artikel in der Zeitung, übelster Bezahljournalismus, Ingo. Du kannst unserer Zeitung nicht mehr trauen. Ich habe sie gleich abbestellt.“

„Aber warum denn? Das klingt doch alles sehr logisch. Willst du etwa abstreiten, dass keine Raser mehr durchfahren, die Autodichte und Durchschnittgeschwindigkeiten stark abgenommen haben? Und jetzt viel mehr mit dem Fahrrad in die Stadt fahren, weil das Parken so teuer geworden ist? Also, ich finde das sehr positiv, Jupp“.

Wir wurden kurz abgelenkt, als der Wirt mit seiner Menükarte an den Tisch kam. Jupp bestellte sein Anti-Vegan-Gedächtnisessen, seitdem er von seiner Familie ein Jahr zuvor gastronomisch etwas misshandelt wurde: Curry-Wurst mit Pommes rot-weiß, extra große Portion.

„Mensch, Ingo, das ist doch bloß die halbe Wahrheit. Natürlich kann keiner mehr rasen, weil überall die schlafenden Polizisten auf der Straße herumliegen. Aber bei uns leben noch sehr viele junge Leute, und wenn die mit ihren tiefergelegten Protzautos diese Betonschwellen passieren, kracht und kreischt es gewaltig. Außerdem machen die sich den Spaß, mit hoher Beschleunigung und Abbremsung von Schwelle zu Schwelle zu hüpfen. Also der Lärm in meiner Straße war noch nie so hoch wie jetzt. Dazu kommt noch der Gestank durch die Auspuffgase.“

„Ja, das hat man wohl nicht zu Ende gedacht. Aber immerhin ist die Autodichte halbiert worden. Das bringt doch weniger Emission von Treibhausgasen.“

„Genauso ein Blödsinn, Ingo! Vorher konntest du bequem mit dem dritten Gang durch unsere Straße fahren, ohne Stop and Go vor den Schwellen. Jetzt zockelst du im zweiten Gang und beschleunigst nach jeder Schwelle wieder. Ich bin sicher, der Ausstoß hat sich drastisch erhöht.“

Der Wirt schob einen übervollen Teller mit einem geschätzten Kaloriengehalt von zwei Tagesrationen eines kanadischen Holzfällers auf Jupps Platz, während ich mich mit einem Salat und einem Weizenbier begnügte. Ich versuchte, Jupp stimmungsmäßig wieder etwas herunterzufahren. Ich wollte ihm eigentlich mein frisch erstelltes Manuskript über die neue EU-Verordnung vorstellen, aber dafür war später noch Zeit und ich schob meinen Laptop erstmal zur Seite.

„Na, ja, mag sein. Aber dafür ist es doch in der Innenstadt jetzt viel angenehmer geworden. Weniger Autos, mehr Radfahrer, trotzdem mehr Einnahmen in die Stadtkasse durch die vielen Falschparker und höheren Gebühren. Was willst du mehr, Jupp?“

„Angenehmer? Du spinnst wohl. Wann warst du denn das letzte Mal in der Innenstadt? “ schnappte Jupp wütend hervor. Jetzt war er richtig in Rage geraten. „Die alten Leute wagen sich doch gar nicht mehr auf die Straße, weil viel mehr Radfahrer da rumsausen. Da herrscht täglich Fahrradterror. Jetzt, wo die Autos weg sind, gehört denen die Straße.“

„Beruhige dich doch, Jupp. Da müssen halt mal ein paar Polizisten die Rüpel einfangen und empfindlich bestrafen, dann wird sich das schon beruhigen.“

„Ja, genau. Wie die Politessen, die sie in Hundertschaften losgeschickt haben, um bei den Falschparkern zu kassieren. Und weißt du, was der Effekt ist. Die Gebühreneinnahmen gehen zurück. Die haben bald nichts mehr zu tun.“

An unserem Nebentisch nahm ein älterer Herr mit einer Dogge Platz. Das Halsband schlang er um ein Tischbein und der Hund legte sich brav zu den Füßen seines Herrchens. Der Wirt kannte das Gespann schon und brachte gleich ein Kännchen Kaffee und eine Schale Wasser.

„Schön, das ist doch ein Erfolg, oder? Da könnten die jetzt bei den Radfahrern abkassieren.“

„Mein lieber Ingo. Hast du dir schon mal überlegt, warum die Autos früher in die Stadt gefahren sind? Zum Einkaufen. Die haben vorher eine Menge Geld beim Einzelhandel gelassen. Und jetzt? Jetzt fahren sie zu den zwei Supermärkten am Stadtrand: keine Parkprobleme, kein Zeitstress, keine Radfahrer. Und die Märkte haben ihre Angebote massiv erweitert, Kinderspielplätze und Schnellimbisse aufgestellt, und veranstalten jetzt laufend Sonderaktionen. Die Umsätze haben sich fast verdoppelt.“

„Oh, oh, das ist gar kein gutes Zeichen. Da werden in der Innenstadt mehr und mehr Geschäfte zumachen müssen, wenn die Laufkundschaft wegbleibt.“

„Genauso ist das, Ingo. Unser lieber Verkehrsreferent hat in seiner weisen Voraussicht den Radfahrern eine neue Spielwiese eröffnet, den Einzelhandel ruiniert, dem Großhandel Traumgewinne beschert, die Abgaswerte und die Lärmbelästigung erhöht. Darüber steht kein einziges Wort in der Zeitung. Verstehst du jetzt meine Wut, Ingo? Mann-o-mann!“

Bei diesem Wort sprang ein Happen seiner Currywurst von der Gabel und rollte unter den Tisch. Jupp ignorierte es und setzte unbeirrt seine Tirade fort:

„Aber dafür hat dieser große Meister vor dem Herrn jahrelang Stadtplanung studiert und großkotzig alle Kritiker im Stadtrat an die Wand geredet. Die positiven Auswirkungen hat er bis auf drei Stellen hinter dem Komma ausgerechnet, und das für die nächsten fünf Jahre. Stell‘ dir mal vor, und jetzt haben wir schon nach einem Jahr den Schlamassel“.

„Ja, Jupp, man nennt das den Overconfidence Effekt: Besonders Experten überschätzen systematisch ihr Wissen und ihre Fähigkeiten. Insbesondere glauben sie, dass Probleme eine direkte Konsequenz einer Ursache sind, dass menschliches Verhalten prognostizierbar ist und mit der Einführung einer Lösung das Problem erledigt sei.

„Ich weiß, Ingo. Menschen sind selten in der Lage, komplexe Probleme in ihrer Vernetzung und Dynamik zu verstehen. Sie drehen an einer Schraube und sehen überhaupt nicht, dass das gesamte System darauf reagiert und an ganz anderen Stellen ungeplante Effekte entstehen, die sogar Lawinen auslösen können. Das kannst du jeden Tag bei unserer Regierung beobachten. Schau dir nur den aktuellen Fall Edathy an.“  

„Wir hatten bei dem Laden, wo ich früher mal gearbeitet habe, längere Zeit enorm teure Unternehmensberater von einer weltbekannten Firma im Haus. Die consultants kamen frisch von der Universität und haben zunächst wochenlang Kenngrößen berechnet. Dabei kam heraus, dass der Reisekostenindex meiner Abteilung vergleichsweise viel zu hoch war. Also reduzierten wir die Kundenbetreuung vor Ort und verlegten uns auf das Telefonieren, mit dem Ergebnis, dass nun unsere Telefonkosten ungebührlich herausragten. Wir warteten nunmehr darauf, dass sich die Kunden selber bei uns meldeten. Leider wurden es dann immer weniger. Aber dafür hatten wir erfolgreich die Reise- und Telefonkosten auf ein Minimum reduziert. Seit kurzem steht die Beratungsagentur wegen Missmanagement zum Verkauf.“ 

„Das sind eben die Scheuklappen-Experten, Ingo. Die können mit Komplexität nichts anfangen. Für einen Mann mit einem Hammer sehen eben alle Probleme wie ein Nagel aus. Oh, hoppla….“

Nun überschlugen sich die Ereignisse. Die Dogge hatte das Stück Currywurst auf dem Boden entdeckt und stand neugierig schnuppernd auf. Der ältere Herr zischte einen Befehl und wollte diesem mit einem kleinen Fußtritt mehr Gewicht bemessen.

Unglücklicherweise traf er mit seiner Schuhspitze die Niere des Hundes, dieser machte erschrocken einen heftigen Sprung nach vorne. Durch den Ruck am Tisch kippte die Tasse mit dem heißen Kaffee um und verbrühte den Mann an der Hand. Schmerzerfüllt sprang er auf, blieb am Tischtuch hängen und schmiss nun auch das halbvolle Kaffeekännchen um, dessen Inhalt sich nun auf den Hund ergoss.

Jaulend schoss der Hund auf unseren Tisch zu, wo ich gerade meinen Laptop aufgeklappt hatte. Ich stieß erschrocken mein Glas Hefeweizen um, dessen Inhalt sich auf der Tastatur verteilte. Jupp war gerade in Begriff, sich eine Pommes frites mit viel Ketchup in den Mund zu stopfen, verfehlte vor Schreck das richtige Loch und rammte sich die Gabel in die Nase.

Der Wirt rannte hinter seinem Tresen hervor, sah das Chaos und mittendrin einen blutigrot verschmierten Jupp … und rief sofort den Notarzt.

Einige Zeit später sitzen wir drei vereint in der Notfallambulanz unseres Krankenhauses und grübeln über den butterfly effect. Ein Flügelschlag eines chinesischen Schmetterlings kann in der Karibik einen Hurrikan auslösen. Ein klassisches Beispiel für das chaotische Verhalten des Wettergeschehens.

„Wenn der Verkehrsreferent nicht seine Neuerungen eingeführt hätte, hätte Jupp sich nicht aufgeregt, hätte er nicht das Wurststück fallen lassen, wäre der Hund nicht aufgesprungen, hätte er keinen Tritt bekommen, wäre der Tisch nicht gestoßen worden, wäre der Kaffee nicht umgefallen, hätte daher keinen verbrühen können, hätte mich nicht erschreckt, wäre mein Bier nicht umgestoßen worden, wären Jupps Nase und mein Rechner noch heile ...“

„Mann-o-mann, Ingo. Was für ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände.  Aber letztendlich ist unsere Regierung schuld. Hätten die Gelben damals in der Regierungs­koalition nicht so sehr ihren Ruf ruiniert, hätten wir bei der letzten Kommunalwahl keinen neuen Verkehrsreferenten bekommen, der mit seinen Ideen die ganze Stadt durcheinander gebracht hat.“

Jetzt schaltet sich der ältere Herr mit seiner dick verbundenen Hand ein. „Das sehe ich auch so. Meine Frau ist nämlich zum Supermarkt gefahren, weil sie letztes Mal in der Stadt ein Knöllchen bekommen hat. Da sie nicht rechtzeitig zurückgekommen ist, musste ich mit dem Hund Gassi gehen. Sonst wäre ich nämlich alleine in die Gaststätte gegangen.“   

„Hmm“, grübele ich vor mich hin. „Es ist noch komplizierter. Wäre ich damals nicht zufällig ans Telefon gegangen, als ein Bekannter mir eine Wohnung in dieser Stadt angeboten hat, wäre ich gar nicht hierhergezogen und hätte Jupp nicht kennengelernt. Damit hätte ich auch heute hier nicht …“

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von Ingo Nöhr

Deming, Feng Shui und die Sterne

Ingo Nöhr im Oktober 2023

Nachdruck vom Märzbeitrag 2013

Letzte Woche gab es also das historische ISO 9001-Spaghetti-Essen bei Jupp. Er wollte ja mit dieser Pilotaktion ein Qualitätsmanagementsystem in seiner esoterisch angehauchten Familie einführen, um praktische Erfahrungen für die Einführung in seiner Klinik zu sammeln.

 Getreu der PDCA-Regel von Deming hatte Jupp zunächst sein Pilotprojekt streng nach den Vorgaben der ISO 9001 geplant (PLAN), dann im Familienkreis umgesetzt (DO), und war nun bereit, das Feedback seiner Kundschaft entgegenzunehmen (CHECK). Danach wollte er in die Verbesserung seines Systems (ACT) ein­steigen, um die Qualitätsnorm in weitere Bereiche des Familienlebens einzuführen. Ich nahm als neutraler Beobachter an der entscheidenden Sitzung des QM-Mittagessens teil, war für die Dokumentation zuständig und hielt mich im Hintergrund.

Trotz guter Vorsätze und intensiver Vorbereitungen muss diese Premiere allerdings als höchst verbesserungswürdig angesehen werden. Denn es hagelte Zwischenfälle und Beschwerden von allen Seiten.

Das vorgesehene Dessert vom Sohnemann, ein Fan der Molekularküche, kam nicht zustande, da die jüngste Tochter mit dem flüssigen Stickstoff alle Orchideen auf der Fensterbank kunstvoll in Eisskulpturen verwandelt hatte. Er hatte sich daraufhin schmollend in sein Zimmer zurückgezogen.

Um die Kochzeit abzukürzen und seinen Beitrag zum Energiesparen zu demonstrieren, hatte Jupp einen Dampfdrucktopf verwendet. Leider wollte die mittlere Tochter neugierig in den Topf hineinschauen und verursachte dabei eine größere Explosion. Die Küche wurde in Sekundenschnelle in das Bühnenbild eines Horrorfilms a la Kettensägen-Massaker verwandelt. Das Mädchen verschwand schreiend für den Rest des Tages im nächstgelegenen Beautysalon.

Die Beschaffenheit der Spaghetti wurde den Kommentaren nach von den Teilnehmern sehr heterogen beurteilt: zu hart, zu weich, zu lang, zu kalt, zu weiß. „Sind da etwa Eier drin?“ fragte die vegane Tochter misstrauisch. Jupp hatte aber in der Vorbereitung gut aufgepasst: „Nein, reiner Hartweizen. Fast wie Kruppstahl. Du weißt doch, in italienische Nudeln gehören keine Eier hinein“

„Vielleicht ist aber der Weizen genmanipuliert?“ vermutete die Schwägerin, eine Anhängerin der amerikanischen Shepherd‘s-Diät. „Hast du schon mal von Monsanto gehört?“ – „Der ist vom Bauern im Nachbardorf, rein biologisch hergestellt. Exakt so, wie es die Bibel in 1 Moses 1:29 vorschreibt.“

„Wenn nicht der Weizen, dann aber bestimmt das Soja! Dafür wird der Regenwald abgeholzt!“ Die ältere Tochter versuchte sich zu erinnern, ob Weizen und Soja wohl mit ihrer Blutgruppendiät harmonieren würde.

„Sind die Tomaten etwa aus Holland? Die haben doch keinen Krümel Erde gesehen.“ Hier meldete sich die konsumkritisch denkende Ehefrau von Jupp. – „Nein, das sind glückliche Biotomaten aus Freiland­haltung!“ –

„Du weißt doch aber hoffentlich, dass China bald weltweit der größte Produzent von Bioprodukten ist? Ich sage nur: Kinderarbeit!“ - Jupp schaute etwas gequält drein: „Auf der Kiste waren keine chinesischen Schriftzeichen zu sehen, nur deutscher Text. Bei uns in Deutschland wachsen auch Tomaten! Und die Kinder sind alle in der Schule.“

Danach kam es Schlag auf Schlag von den anderen Vertretern der Gemeinschaft:

„Hast du das Nudelwasser auch vorher kosmoenergetisch aufgeladen?“ – „Habt ihr schon untersucht, ob unser Keramikgeschirr frei von radioaktiven Substanzen ist?“ – „Das Essen schmeckt einfach fad. Ist das etwa Meersalz? Weißt du, was da mittlerweile für ein Müll herum­schwimmt? Warum hast du nicht etwas von dem Himalaya-Salz genommen?“

„Ich habe es ja schon immer gesagt. Das kann ja nichts werden, wenn man vergisst, den Raum auszupendeln. Dieser Ort ist bestimmt verflucht. Der Esstisch steht vermutlich auf einer Kreuzung von Wasseradern, die schädliche Erdstrahlen aussenden.“ - „Und wann richten wir unsere Küche endlich nach Feng-Shui aus? Ihr müsst unbedingt die Lehre von den fünf Elementen beachten.“

Mit der Zeit steigerte sich die Unzufriedenheit zu einem handfesten Familienkrach mit den Kindern. Vor allem, als herauskam, dass Jupp für sich eine echte Fleisch-Frikadelle unter die Sojabuletten geschmuggelt hatte. Unverzeihlich. Durch diesen unseligen Kontakt hatte er die sensiblen Astralkörper seiner armen Kinder auf Jahre hinaus mit Aas kontaminiert und dadurch noch unabsehbare seelische Traumata erzeugt. 

Die gute Ehefrau fand abschließend ein paar tröstende Worte für Jupp: „Es ist nicht deine Schuld. Hast du schon in dein heutiges Horoskop geschaut? Skorpion-Aszendent und Pluto im 1. Haus. Eine ganz gefährliche Konstellation. Unter diesem Sternzeichen fanden jeweils die Attentate auf Olof Palme, Oskar Lafontaine und Theo van Gogh statt! Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt.“

Und die ältere Tochter wartete mit einer interessanten Betrachtung über den Lebenslauf der Spaghetti auf: „Ich habe mir das Verpackungsdatum auf der Schachtel angeschaut. Das ent­spricht ja dem Geburtszeitpunkt der Spaghetti. Da starten dann alle drei Biorhythmen bei Null: der körperliche Rhythmus von 23 Tagen, der emotionale von 28 und der geistige von 33 Tagen. Heute, knapp drei Monate später, befinden sich alle drei Rhythmen nahe dem Übergangspunkt von negativ zu positiv. Weißt du nicht, Papa, dass dieser Zeitpunkt ganz beson­ders kritisch ist?“

„Na klar“, wagte Jupp einzuwerfen, um wenigstens etwas den Eindruck zu erwecken, dass er auch diesen Aspekt in seiner Planung gebührend gewürdigt hatte. „Das ist natürlich ein schlechter Tag für die Spaghetti. Schließlich werden sie ja heute von uns aufgegessen und dienen einem guten Zweck. Oder sollen wir sie lieber gleich am Verpackungstag verarbeiten, bevor sie ihren komischen Rhythmus entwickeln? “

„Mann, Papa. Wir sprechen von einem LEBENSmittel. Die Spaghetti sind biorhythmisch nach 7, 144 oder auch 235 Tagen in ihrer Bestform und erst dann bereit für die Transformation in eine höher­wertige Lebensform. Man muss aber natürlich noch das Horoskop an diesem Tag berück­sich­tigen.“

Zu diesem Zeitpunkt brach Jupp im allgemeinen Einvernehmen aller Beteiligten den Pilotversuch des familiären QM-Systems ab. Er hatte wohl augenscheinlich den falschen Tag ausgewählt. Er hoffte inständig, dass das Klinikpersonal in der Küche, dem Labor, auf den Stationen und in den Op-Sälen noch nichts von kosmischen Rhythmen und Feng-Shui-Vorgaben gehört hatten.

Jupp und ich setzten kurzerhand den Alternativplan B um und analysierten die Lage bei Bier und Pizza beim nächsten Italiener - unbeeinflusst von unseren Biorhythmen und kosmischen Sternenein­flüssen.

„Jupp, ich bewerte das Experiment durchaus als erfolgreich. Schließlich sind ja von deiner Familie in durchaus deutlicher Sprache eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten angedeutet worden – ein gelungenes Feedback, würde ich sagen.“ Ich drückte mich diplo­matisch aus. Ein guter Auditor frustriert seine Kunden nicht gleich mit schlechten Nachrichten, sondern zeigt ihnen zunächst den Weg zur Optimierung auf.

Ich fuhr konstruktiv fort. „Sicherlich müssen wir noch stark an der Zielsetzung arbeiten. Die Qualitätsziele sind an­scheinend noch nicht allen Familienmitgliedern ausreichend vermittelt worden.“ Jupp biss etwas trübsinnig in seine fetttriefende Salami-Pizza, auf der langsam der Analog-Käse vor sich hinschmolz. Vermutlich enthielt seine Wurst eine gehörige Portion rumänisches Pferde­fleisch. Der Gaul war bestimmt unter dem Attentat-Sternzeichen geboren worden. Gut, dass seine Familie uns hier nicht sehen konnte.

„Möglicherweise hast du bei deiner Qualitätsplanung einige Spezifikationen nicht aus­reichend berücksichtigt, Jupp. Du solltest zusätzlich zur Grünen Woche noch die nächste Esoterik-Messe besuchen. Danach kannst du in der Ursachenforschung zusätzlich die Sternbild­einflüsse sowie alle schädlichen Einwirkungen von Erdstrahlen und bösen Geistern mit einbe­ziehen.“

Damit konnte ich die Laune von Jupp nicht wesentlich verbessern. Zu tief saß die Schmach seines Scheiterns. „Ach was, Ingo. Da werde ich ja verhungern, bis alle Parameter und Rahmenbedingungen optimal eingestellt sind. Ich habe jetzt erstmal die Nase voll mit diesem Projekt. Als nächstes wollte ich ja eigentlich in der nächsten Stufe ein Hygienemanagement und eine Risikoanalyse für alle Arbeitsplätze im Haus ein­füh­ren. Aber das muss jetzt warten. Ich habe auch noch andere Aufgaben zu erledigen. Auf meinem Schreibtisch wartet ein 210 Seiten dicker Entwurf auf meine Kommentierung. Der dürfte dich auch interessieren.“

Mit diesen verheißungsvollen Worten von Jupp möchte ich das Kapitel unseres Pilotversuchs vorerst beenden. Was es mit dem dicken Entwurf auf sich hat, erfahren Sie im nächsten Blog. Bis dahin wünsche ich guten Appetit.

Ingo Nöhr

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„Manche Leute können super kochen, andere perfekt backen.
- Ich kann ganz toll essen.“

„Wollte gerade Essen kochen. Erster Satz im Rezept: Man nehme einen sauberen Topf.
- Hab dann Pizza bestellt.“

 

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von Ingo Nöhr

Spaghetti Napoletana alla ISO 9001

Ingo Nöhr im September 2023

In der letzten Diskussion über das qualitätsgeregelte Krankenhaus debattierten die beiden Klinikexperten Ingo und Jupp über die Herausforderung eines klinischen Qualitätsmanagementsystems. Keine leichte Übung angesichts des komplexen Gebildes eines Krankenhauses. Aber der Pragmatiker Jupp hatte bereits eine Strategie entwickelt.

„Wir fangen erst mal klein mit der ISO 9001 an. Ich habe da schon eine Idee. Ich muss das deutsche Denken am eigenen Leibe verspüren. Daher werde ich bei mir zu Hause privat ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 einführen und du, mein Freund, kommen­tierst das bitte schonungslos in altbewährter Weise. Ich habe auch schon die ersten Vorarbeiten geleistet."

Jetzt wird also Jupps Privathaushalt qualitätsgeregelt, eine ganz spannende Aufgabe angesichts seiner etwas chaotischen Familie.

 

Spaghetti Napoletana alla ISO 9001

Wir erinnern uns, Jupp war auf der Grünen Woche. Er kam vollbepackt und ausgepumpt von seinem Besuch zurück. Was hat er da wohl gewollt?

„Na, mein lieber Freund, ich muss doch mein Qualitätsmanagementprojekt vorbe­reiten. Die ISO 9001 hält mich dazu ganz schön auf Trab.“

Jetzt wird es für mich interessant. Jupp will also tatsächlich zu Hause die ISO 9001 einführen. Sein Kundenkreis ist überschaubar: die eigene Familie, näm­lich Jupp, seine Frau und drei Kinder. „Wie gehst du denn vor?“

  • „Als erstes muss ich ja eine Qualitäts­politik definieren. Für die Pilotphase habe ich mir den Produktionsbereich für die Ernährung vorgenommen. Das läuft jetzt streng nach dem Deming-Zyklus Plan – Do- Check – Act und dem prozessbasierten ISO 9000 Modell ab: Kundenanforderung – Eingabe – Prozess – Ausgabe – Kunden­zufriedenheit. Dazu kommt das Ressourcen-Management, die Messung, Analyse und Verbesserung der Qualität sowie die Verantwortung der obersten Leitung. Ziel ist natürlich die ständige Verbesserung des Qualitätsmanagement­systems.“

„Aha, deine Frau kocht dir also jetzt die Spaghetti nach ISO 9001 – Prinzipien. Wie wird denn das in der Praxis aussehen?“

  • „Na, ganz einfach: durch simple Anwendung der Normenforderungen, Punkt für Punkt. An den formalen Dingen des Qualitätsmanagementsystems wie QM-Handbuch, Arbeitsan­wei­sun­gen und Formulare arbeite ich noch, aber dazu findest du dann auch genug Bedie­nungsanleitungen der Geräte, Kochrezepte sowie die üblichen Qualitäts­proze­duren.“

„Jupp, du meinst, so ein richtig dickes QM-Buch mit Hunderten von Seiten und Verfah­rens­anweisungen? Und liest das auch jemand in deiner Familie?

  • „Ich arbeite noch an der Motivation. Als oberste Leitung haben sich meine Frau und ich zur Einhaltung der Qualitätsprinzipien verpflichtet und formulieren dies gerade in einer Familien-Qualitätspolitik. Zum Beispiel wollen wir nur noch hochwertiges Essen zu uns nehmen. Fast Food kommt nicht mehr auf den Tisch. 

„Oh, oh, Jupp. Soweit ich weiß, sind deine Kinder ganz versessen auf Cola, Hamburger und Pommes frites. Ist das nicht sogar deren Hauptnahrungsmittel?“

  • „Ja, die Kinder. Da habe ich noch ein aktuelles Problem mit den Kundenerwartungen, die sich leider noch nicht an gesunden und vernünftigen Qualitätszielen orientieren. Eine Herausforderung an mein Changemanagement. Aber letztendlich werden sich meine Kinder auch der Qualitätspolitik unterordnen. Da hilft nur verstärkte Kommunikation der Qualitäts­ziele sowie eine klare Definition von Verantwortung und Befugnissen.“

„Ich denke mal, da hast du aber eine mächtige Opposition im Hause. Die bekommst du mit demokratischen Methoden nicht in Griff, oder?“

  • „Na ja, es geht. Die Kinder sind sich untereinander nicht einig. Meine jüngere Tochter ist unerwartet zu den Vegetariern umgeschwenkt. Sie fordert beim Essen einer Fleisch­bei­lage ein fünfminütiges Rederecht und will uns vor dem Genuss schockierende Fotos von den gequälten Kreaturen im Zuchtbetrieb unter die Nase halten. Die ältere macht zurzeit mit ihren Freundinnen eine Blutgruppendiät durch und will absolut keine Milchprodukte zu sich nehmen.“

„Na, dann mach doch Spaghetti alla Napoletana – rein pflanzlich, kein Fleisch, keine Milch und blutig sieht es auch aus.“

  • „Ja, schön wär’s. Der schreiende Höhepunkt ist meine Schwägerin mit ihrer Halleluja-Diät. Sie ist bei mir Dauergast, weil sie momentan Krach mit meinem Bruder hat. Ihr oberstes Prinzip: Was würde Jesus essen? Sie orientiert sich nach den Geboten in der Genesis 1,29: „Siehe, ich habe euch alles samentragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem samentragende Baumfrucht ist: es soll euch zur Nahrung dienen.“Also nur Rohkost und Fruchtsäfte und vor allem viel Gerstengras-Produkte.  

„Da wird ja eine fleischlose Phase bei euch anbrechen, sehe ich das richtig? Hört sich fast wie eine biblische Plage an.“

  • „Nein, denn ich halte dagegen und ernähre mich auch streng biblisch, nämlich nach Genesis 9,3:Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein; wie das grüne Kraut gebe ich es euch alles.“ Ich genieße meine täglichen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, am besten in rosa Steaks verpackt. Dazu eine Flasche Bier. Wenn schon Diät, dann schon eher die Steinzeit-Diät – essen wie die Neandertaler. Und die hatten schließlich Fleisch satt, wenn ihnen mal wieder ein Mammut vor die Keule gelaufen war.“

Aha, hier werden Jupp jetzt besondere Fähigkeiten im Komplexitätsmanagement abge­fordert – die Bereitstellung maßgeschneiderter Produkte für spezielle Kunden­kreise. Es wird aber noch exotischer bei Jupps männlicher Nachkommenschaft.

  • „Mein Sohnemann ist ja mehr naturwissenschaftlich geprägt. Jetzt hat er gerade die Molekularküche entdeckt. Ich soll ihm spezielle Vakuumpumpen zum Niedrig­temperatur­garen, flüssigen Stickstoff und Rotationsverdampfer zum Destillieren besorgen. Seine Grundstoffe sind Pflanzenfasern, Rot- und Braunalgen, zubereitet bei -196 Grad. Dazu Gelatine aller Art und in allen Farben.“

„Oh, da steht demnächst Petersilien-Spaghettinis aus aromatisierter Methyl­zellulose mit flambierten Tofu-Schnitzel im Gerstengras-Sud auf deiner Speisekarte. Damit könntest du alle Geschmäcker auf einmal zufriedenstellen – vorausgesetzt, das harmoniert mit der Blutgruppe deiner Schwägerin.“

  • „Gute Idee, das servieren vielleicht nächstes Jahr Weihnachten. Meine Frau will übrigens auch mitmachen. Sie verspricht sich davon, dass ich endlich mit dem Meckern über das Essen aufhören werde. Was wir kochen wollen, ist ihr egal. Sie will nur die Küche danach nicht mehr saubermachen.“

„Ah, ich verstehe jetzt deine Strategie. Mit Spaghetti als Pilotprojekt im kleineren Kreise erwartest du die geringsten Widerstände. Wie sieht denn nun deine Qualitätsplanung im Detail aus? 

  • „Zunächst betrachte ich die vorhandenen und erforderlichen Ressourcen. Da wir nicht koscher oder halal kochen müssen, können wir all unsere Küchenutensilien weiterver­wen­den. Meine Frau hat jahrzehntelange Erfahrung im Kochen, unsere Küche ist gut ausge­stattet, Bioläden und Supermärkte liegen schnell erreichbar in unserer Umgebung. Für das Spaghetti-Kochen stelle ich gerade eine Ressourcen-Liste zusammen. Deswegen komme ich ja gerade von der Grünen Woche in Berlin.“

„Und siehst Du keine finanziellen Ressourcenprobleme, wenn Du täglich hochwertig kochen willst?“

  • „Im Prinzip schon, Qualität hat eben ihren Preis, daher will ich sehr viel selbst in meinem Garten anbauen. Es hängt auch von den Ergebnissen meiner Markt­recherche und den Kunden­erwartungen ab. Was will meine Familie essen und wo gibt es das günstig zu kaufen. In meinem Pilotprojekt geht es da hauptsächlich um das Tomatenketchup und die Gewürze. In einer späteren Phase der kontinuierlichen Verbesserung werde ich mich dann um die Wasserqualität, die Herkunft des Salzes und die Beschaffenheit der Spaghettis kümmern müssen.“ 

„Okay, da hast du ja noch eine Menge zu tun. Wie löst du das dann mit der Messung der Kundenzufriedenheit?“ Ich vermute mal, Jupp wird eine Abstimmung mit den Füssen provozieren.

  • „Ganz einfach: Durch Befragen und Analyse der Reaktionen. Ist das Essen zu kalt, zu salzig, zu scharf, zu wenig, al dente? Alles wichtige Informationen zur Ver­besserung in der nächsten Produktion. Ich werde dafür ein Beschwerde­management einführen.“

„Jupp, bist du denn sicher, dass die Geschmacksknospen deiner verzogenen Kinder mit ihrem enormen Zuckerkonsum überhaupt noch verlässliche Messwerte liefern können?“ Diesen Aspekt nennt man Rückverfolgbarkeit der Messung zu einem objektiven Standard, glaube ich. Hier wird Jupp sicherlich scheitern, aber er ist auch hier nicht um eine Ant­wort verlegen.

  • „Habe ich alles schon bedacht. Zur besseren Kalibrierung der sensorischen Prüfung werden uns externe Audits zu zusätzlichen und objektiveren Bewertungen verhelfen.“

„Externe Audits? Wie geht das denn?“ Da wird der ISO 9001-Zertifizierer aber Augen machen. Ob der Auditor damit nicht seine Objektivität gefährdet?

  • „Indem ich dich und andere Leute immer wieder mal zu unseren Spaghetti-Essen einlade. Wir wollen ja unsere Rezepte auch noch weiterentwickeln.“

Wie ich sehe, will er mich als Versuchskaninchen benutzen. Skeptisch äußere ich meine Bedenken zum schlimmstmöglichen Fall: „Ich verstehe - und die fehlerhaften Produkte wandern dann einfach in den Müll. Aber da werden wir danach noch ziemlich hungrig sein, oder?“

Jupp hat dafür wie immer eine pragmatische Lösung:

  • „Kein Problem, in diesem Fall ist die nächste Pizzabude nur fünf Minuten entfernt. Ich muss ja schließlich meine Kunden letztendlich irgendwie zufrieden stellen“.

Mich schüttelt es bei dem Gedanken, dass ich künftig viele Abende mit Jupps Spaghettis oder Ersatz-Pizzas verbringen soll. Woche für Woche werden wir uns allmählich dem absoluten Perfektionsgrad annähern, bis wir schließlich keine Nudeln und Pizzas mehr sehen können. Aber Jupp ist Geschäftsmann und denkt an die Diversifikation:

  • „Keine Bange, ich werde in meinem Qualitätssystem auch eine Prozedur für die Entwicklung neuer Produkte installieren, so richtig mit Marktforschung, Designphase, Prototyptestung und so weiter.“

Als getreuer Chronist und nun direkt involvierter Beobachter werde ich Sie, liebe Leser, über die weitere Entwicklung des Jupp’schen Qualitätsmanagementsystems auf dem Laufenden halten. Ich hoffe sehr, dass bei den externen Audits die fehlerhaften Produkte im kontinuierlichen Verbesserungs­prozess nicht zu sehr auf meinen Magen schlagen.

Aber dafür steht mir ja immer noch das Beschwerdemanagement zur Verfügung.

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von Ingo Nöhr

Das qualitätsgemanagte Krankenhaus – gestern und morgen

 

Ingo Nöhr zum 1. August 2023 (Update vom Januar 2013)

Schon vor zehn Jahren stand die schicksalsschwere Frage an: Wie sieht das Krankenhaus von morgen aus? Jupp hat da seine eigenen Visionen entwickelt. 

Jupp hatte sich viele Jahre in den USA aufgehalten und lebt nun ganz nach der amerika­nischen Devise: Bei Problemen nicht jammern, sondern selbst nach der Chance, dem Marktvorteil gegenüber den anderen suchen. So hatte er als nunmehr pensionierter Krankenhausmanager die Entwicklung des damals noch geltenden Medizinprodukte­gesetzes (MPG) und seiner Verord­nun­gen mit aufmerksamen Augen und Ohren verfolgt und ganz überraschende Schlussfolgerun­gen gezogen.

„Sieh‘ mal, mein Freund ...“, diese Worte sind meistens der Auftakt für wirklich neue Denk­ansätze. „Jeder Verantwortliche in einem deutschen Krankenhaus muss dieses MPG umsetzen. Man kann das nach deutscher Manier bürokratisch und preußisch korrekt mit viel Papier und Anweisungen erledigen. Dann kann man anschließend den Behörden was vorzeigen, und alle sind glücklich. Man packt es wieder in den Schrank und wartet auf die nächste Kontrolle."

„Nun mal langsam …" Als Vertreter der deutschen Mentalität musste ich nun doch zur Ehrenrettung eingreifen. „Bürokratisch und preußisch korrekt – mit dieser Methode waren wir schließlich bisher unglaublich erfolgreich. Weltweit sogar. Wie sonst hätten die Amerikaner ohne unsere deutschen Ingenieure ihre Mondlandungen bewerkstelligen sollen?"

Jupp ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Der „Amerikanische Geist“ brach bei ihm durch: „Richtig, und weil wir euren Experten die Ent­wicklung der Raumfahrt überlassen haben, kauft ihr aus Dankbarkeit unseren ganzen Hollywood-Müll ab, übernehmt unsere Fast-Food-Kultur und überschwemmt eure Sprache mit unserem Analphabeten-Slang. Wer ist denn nun erfolgreicher?"

Nach einem längeren Exkurs über die amerikanischen, russischen und internationalen Raum­stationen, die chinesische Herausforderung, die Klimadebatte und Hurrikan Sandy, Obamas und Putins Problemen, und einigen anderen weltbewegenden Themen landeten wir bei der euro­päischen Richtlinienpolitik und deren deutscher Umsetzung.

„Du geht das falsch an", behauptete Jupp mit wissender Miene: „Hör mal, du musst die Vorteile heraus­arbeiten und nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren und über die Nachteile jammern. Sieh mal zum Beispiel das Medizin­produkte­gesetz", womit wir endlich wieder beim allseits beliebten Thema waren.

„Nun bin ich aber wirklich gespannt, wo das Business im MPG liegt", stachelte ich ihn an.

Seine Reaktion ließ nicht auf sich warten. „Ist doch klar, wir Krankenhäuser liegen bei diesem Überangebot an Betten in einem Verdrängungs­wettbewerb. Die Deutschen werden nicht zahlreicher, sondern nur älter. Deswegen muss man jeden Patienten mühsam einfangen, damit er nicht zum Nachbarhaus geht. Überhaupt der Name: Krankenhaus! Absolut abschreckend. Im Zeitalter der Wellness sollte es keine Krankenhäuser, sondern nur noch Gesundheitshäuser geben. Natürlich mit ganzheitlicher Medizin, ohne die geht es heute gar nicht mehr. Und der beste Köder heißt 'Qualität' und deren Zertifizierung."

„Na klar, der neue Name ist dann „Bio-Wellness-Recreation-Center“ mit zertifizierter Qualität, mit einer großen Urkunde zum Aufhängen und mit einem schönen Gütezeichen für die Briefköpfe."

Nun hatte der ISO 9001-Wahn auch schon die Krankenhäuser, pardon – die künftigen Gesund­heits­häuser erreicht. Da sprang das ame­ri­ka­nische Herz von Jupp richtig an.

„Sicher, man muss sich auch ordentlich verkaufen können. Außerdem spart Qualität Geld, reinigt die Abläufe, verschlankt die Strukturen, bändigt die Ärzte, beruhigt die Patienten und hebt die Motivation. Und es hört sich gut an, jeder kriegt dabei leuchtende Augen.“

„Klar“ dachte ich laut, „beim Geldverdienen ein üblicher Effekt. Das heißt also, du verbindest die Umsetzung der Betreiberverordnung mit der Einführung eines QM-Systems nach ISO 9001. Deine medizintechnische Abteilung ist der Dienstleister. Arzt, Schwester und Patient sind deine Kunden, Gerätebetreuung und Anwenderqualifikation definieren deine Prozesse. Ist das nicht alles viel zu teuer? Was sagt denn ein Verwal­tungs­leiter unter dem heutigen Kostendruck dazu?", stichelte ich. Das Kostenargument zieht eigentlich immer in Deutschland.

"Erstens, mein lieber Freund, führt Qualitätsmanagement mittel- und langfristig zu Einspa­rungen. Zweitens aber ist mein Chef schon seit Jahren durch die vielen Qualitäts­programme der Ärzte weichgekocht worden, die aber trotz vieler Dienstreisen mit wolkigen, wenig greifbaren Erfolgs­zahlen endeten. Der Patient ist ja meistens schon zufrieden, wenn ihn die Schwester nett anlächelt, der Arzt einen Witz erzählt, das Essen schmeckt, und der Pförtner ihn nicht anmault. Der durchschaut doch gar nicht die Qualität der medizinischen Leistungen. Und dann die tollen Qualitätsberichte. Meistens geschönt, weil nicht von fremder Hand kontrolliert.

Bei mir aber fällt jeder Geräteausfall und jeder zusätzliche Reparaturtag äußerst unange­nehm auf. Mein Erfolg lässt sich exakt in Zahlen fassen und beeinflusst direkt die Kosten. Die Versicherungen senken die Haftungsprämien, die Hersteller ermöglichen mir maßge­schneiderte Wartungsverträge. Die Aufsichtsbehörden lassen mich in Ruhe. Und bei jedem vermeintlichen ärztlichen Kunstfehler erfüllen wir leicht die Beweispflicht."

So konnte man es auch sehen. Aber etwas machte mich dennoch stutzig. Die Argumente für ein solches System in der Medizintechnik lagen also doch auf der Hand. Warum sind die Kliniken dennoch nicht längst flächendeckend auf dieses Erfolgsrezept angesprungen?

Jupp verdrehte gequält die Augen. "Nun ja", seufzte er, "es ist ein Kulturproblem, – die verfluchten Preußen." 

Ich war verblüfft. Sollten wir Deutschen als die nach den Engländern eifrigsten Anbeter der ISO 9001 ein Kulturproblem haben? Wir kommen doch anscheinend bestens damit klar, wenn es allein in Deutschland über 51.000 Zertifikate und an die 100 Zertifizierer gibt. „Willst du wirklich behaupten, wir Deutschen denken in diesem Punkt nicht amerikanisch?"

"Natürlich, leider ist es so. Die ISO 9001 wurde in den 70er-Jahren für ungelerntes Personal in der Industrie geschrieben. Die Interpretation und Anpassung an unsere Verhältnisse im Krankenhaus ist schwierig. Kein Mensch im Gesundheitswesen versteht die Sprache der Norm."

„Ja, und?", erwiderte ich. „Die Amerikaner haben in ihren Krankenhäusern doch die gleiche Situation!"

Der tiefe Seufzer kam wirklich ganz tief aus dem Herzen. „Das ist immer noch das alte Problem: Die Deutschen ändern so lange die eigene Situation, bis sie ihrer Interpretation der Norm entspricht. Die Amerikaner ändern dagegen solange die Interpretation der Norm, bis sie auf die eigene Situation passt. Und ich fühlte mich als einziger Amerikaner in unserer Klinik."

Er tat mir aufrichtig leid. Ich kannte diese Situation. Ein Hochleistungs-Rennwagen am Start, bereit, sofort nach dem Signal loszujagen. Leider hatte man ihm hinten noch ein paar schwere Anhänger angekuppelt.

Aber als engagierter Rentner mit einer 40-Stunden-Woche hatte Jupp sich von dieser Last durch neue Visionen befreit: „In das Gesundheitshaus von morgen werden zunehmend industrielle Abläufe ihren Eingang finden. 3D-Drucker werden u.a. mit Laser-Sinter-Technologie maßge­schneiderte Prothesen, künstliches Herzgewebe, Medikamente, Ersatzzähne und -knochen aus Stahl, Plastik, Titan, Aluminium oder organischem Material herstellen. Nano- und Gentechnologie, Roboter­technik, Telemedizin und Internet werden die heutige Medizin revolutionieren.“

„Und noch mehr Patienten zu den Heilpraktikern treiben, weil die Ärzte vor lauter Technik keine Zeit mehr zum Zuhören haben werden“, wagte ich einzuwerfen. Das vermutlich stimmungs­bremsende Stichwort „RoboDoc“ unterdrückte ich zunächst, wir werden später bei der kritischen Betrachtung des Risikomanagements darauf zurückkommen. 

Jupps Visionen haben auch diesen Aspekt berücksichtigt: „Nein, natürlich befriedigen wir auch den Hang unserer Kunden zur Esoterik und den Naturheilverfahren, denn mein Gesund­heitshaus gleicht einem Hotelbetrieb aus dem Wellness-Gewerbe. Ich hole mir dafür die ganze Branche der Alternativmedizin ins Haus. Die gesamte Architektur ist innen wie außen streng nach den Feng-Shui-Prinzipien gestaltet worden. Die Patientenzimmer wurden vorher von Wünschel­rutengängern nach geopathogenen Erdstrahlen und Wasseradern ausgependelt. Störzonen werden durch Amulette und Pyramidendächer eliminiert. Notfalls stellen wir einen Orgon-Akkumulator nach Wilhelm Reich auf diese Stelle.

Man kann sagen: Die klassische Computertomographie wird ergänzt durch Irisanalyse, Karten­legen, Hand- und Kaffeesatzlesen, Kirlianfotografie und Pendeldiagnostik, ausgeübt von hellseherisch begabten Medien im Rang eines Oberarztes. Das Patientenmonitoring auf der Intensivstation beinhaltet natürlich auch die sieben Hauptchakren und bildet die analytische Grundlage für die spätere Bioresonanztherapie und Elektroakupunktur nach Voll.

Und unsere astrologisch abgestimmten Therapien erst: mit quantenenergetisiertem Jordan­wasser geweihte und Ayurveda-typgerechte Infusionen werden nur mit gleich­zeitigem Auflegen von ausgesuchten Mineralheilsteinen zur Stärkung des Astralleibes verabreicht, im Hintergrund läuft meditative Reiki-Musik, gekoppelt mit einer farbigen Lichttherapie. Bach-Blüten, Schüssler-Salze und hochkonzentrierte Vitamine von Dr. Rath sorgen zusätzlich für die energetische Basis­versorgung der Aura des physischen Körpers.

Die entsprechend mystisch eingekleidete Krankenschwester wird beim Handauflegen magische Worte sprechen, während die Fußpflegerin eine Fußzonenreflexmassage durch­führt. Morpho­genetische Kraftfelder und überlichtschnelle Tachyonen beschleunigen die Heilwirkung. Wahl­weise können wir zur Verstärkung auch Geistheiler wie buddhistische Mönche, afrikanische Medizin­männer, indische Gurus oder brasilianische Schamanen anbieten. Bei Hexen und Teufels­austreibern verlangen wir allerdings ein Diplom oder ein entsprechendes Hochschul­zertifikat.

Etwaige notwendige Diäten werden umgewandelt in feinstoffliche Kraftnahrung, deren energetisch aktive Wirksamkeit durch biophotonische Vitalitätsmessungen nach Popp nachgewiesen wurde. Bei übergewichtigen Patienten erfolgt die Nahrungszufuhr durch homöopathische Globuli, anthro­po­sophische Health Energizer und solar-lunare Lichtquantenenergie, oder wir stellen gleich auf kontemplatives Heilfasten um.

Und der Clou: es gibt trotz unserer hochmodernen Technologie keinen Elektrosmog, denn wir zapfen zur Stromversorgung die Nullpunktenergie des Kosmosvakuums an. Wir nutzen über die kosmische Hintergrundstrahlung die Global-Scaling Communication von Hartmut Müller. Das ist konsequente Nutzung der unerschöpflichen Quantenenergien des Universums, mein Lieber! Das kommt bei den Kunden gut an und spart obendrein noch enorme Energie- und Telefonkosten.“

Ob dieser grandiosen Vision entstand eine längere Gesprächspause. Wie berauscht schwelgten wir in den Nachbildern und ließen dieses Zukunftsszenario auf uns einwirken.

„Wahnsinn. Brauchst du noch einen Medizin-Ingenieur für die Steuerung der fünfdimensionalen Kraftfelder? Wie kann ich dir in deinem Gesundheitshaus helfen?", fragte ich schließlich einge­schüchtert.

"Wir fangen erst mal klein mit der ISO 9001 an. Ich habe da schon eine Idee", erwiderte er über­raschend. Mir schwante Übles, Jupps Ideen in seiner MPG-Phase waren schon immer gewöh­nungs­bedürftig gewesen. Er enttäuschte mich auch in diesem Punkt nicht:

„Ich muss das deutsche Denken am eigenen Leibe verspüren. Daher werde ich bei mir zu Hause privat ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 einführen und du, mein Freund, kommen­tierst das bitte schonungslos in altbewährter Weise. Ich habe auch schon die ersten Vorarbeiten geleistet."

Mir blieb die Spucke weg. Wenn auch ein etwas enttäuschender Rückschritt nach all den rosigen Zukunftsaussichten. Ich hatte etwas Ähnliches wie einen quantenfeldgesteuerten Vakuumenergie-Motor in seinem klapprigen Mercedes erwartet.

Aber Jupps Privathaushalt qualitätsgeregelt, das war ja eine ganz neue Herausforderung. Auf die ersten Ergebnisse bin ich besonders gespannt.

Sie sicherlich auch? Dann erfahren Sie nächsten Monat mehr darüber. Sollten Sie an weiteren Details zu den esoterischen Werkzeugen interessiert sein – Anfrage genügt. Ingo Nöhr wird ihnen gerne die Quellenlage offenlegen.

 

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von Ingo Nöhr

Hast Du heute schon Deine Betreibervorschriften erfüllt?

Ingo Nöhr zum 1. Juli 2023 (Update vom August 2012)

Der Ausstoß an Regelungen im Medizinprodukterecht nimmt immer komplexere Formen an. Dies wird auch sichtbar durch die Abkürzungen der Verordnungen. Wer weiß denn heute, was sich hinter den Verordnungen MPAMIV (ersetzt die MP-Sicherheitsplan-Verordnung), MPDGGebV, MPAV, MeMBV, MPRVwV, DigiG und ApBetrO verbirgt. (Kleiner Tipp: einfach den Medizintechnikportal-Newsletter abonnieren, da wird alles genau erklärt und ist zudem auch noch kostenlos.)

Die beiden Krankenhaus-Strategen Ingo und Jupp stehen angesichts dieser Regelungsflut fassungslos vor diesen Abkürzungen. Was waren das noch für Zeiten, als man sich nur drei Buchstaben merken musste: Emm Pee Gee – da stand alles drin. Wagen Sie einen Blick in die Vergangenheit vor elf Jahren, als die Welt noch überschaubar war.

Hast Du heute schon Deine Betreibervorschriften erfüllt?

05.08.2012 14:08 von Ingo Nöhr

Als ich vor einigen Tagen wieder einmal meinen Freund Jupp besuchte, fand ich ihn in der Garage bei seinem Auto. „Hast Du Probleme mit Deinem Wagen, Jupp?" – „Ja, sicher. Die Dokumentation ist absolut unzureichend", grummelte er vor sich hin.

Das konnte ich gut nachvollziehen. „Mach Dir nichts daraus. Ich verstehe meine Gebrauchsanweisung auch immer erst dann, wenn ich weiß, wie das Gerät funktioniert." – 
„Quatsch, ich finde die Sicherheitstechnischen Kontrollen nicht definiert."

Hatte ich gerade sicherheitstechnische Kontrollen verstanden? „Wie bitte, was suchst Du? Jupp! Die STK gibt doch nur bei Medizinprodukten." –
„Das ist es ja gerade. Ich brauche sie dringend für mein Medizinproduktebuch".

Tatsächlich, auf der Werkstattbank lag ein dickes Buch mit der Aufschrift „Medizinproduktebuch – VW Golf ".

Jupp merkt immer sofort, wenn ich verstört dreinschaue und prompt klärte er mich auf. „Ja, mein lieber Freund, ich habe festgestellt, dass mein Auto gemäß MPG als Medizinprodukt einzugruppieren ist. Und jetzt will ich als Betreiber und Anwender ordnungsgemäß ein Medizinproduktebuch anlegen. Aber ich finde die Fehlergrenzen der Meßfunktionen nicht im Handbuch, dabei muß der Hersteller sie ganz klar angeben."

„Warum, .. wieso, ... was ???" konnte ich nur hilflos stammeln. Ich verstand gar nichts mehr. 
Die Garage sah wirklich nicht wie ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis aus.

„Ja, liest Du denn gar keine Gesetze? Das ist oberste Bürgerpflicht, mein Lieber. Das Medizinpro­dukte­gesetz, das Emmm Peee Geee"; dabei betonte er jeden einzelnen Buchstaben mit einem gewal­tigen Augenrollen: „ist ein Schutzgesetz nach § 823 Bürgerliches Gesetzbuch, Beee Geee Beee, capito amigo?".

Schon wieder diese furchterregende Gesichtsmimik. „Und das heißt: Unkenntnis schützt vor Strafe nicht! Du solltest da ganz schnell reingucken, gibt sonst ein Jahr, in schweren Fällen bis zu 5 Jahre Haft." Mit einem scheelen Seitenblick ergänzte er versöhnlich: „Na, Dir geben sie wohl mildernde Umstände, vielleicht nur 25.000 Euro Geldbuße."

Bevor ich zu Ende überlegen konnte, ob ich nun beleidigt sein müßte, ging die Vorlesung weiter: „Mein Auto ist nämlich ein Apparat, der vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels seiner Funktion

  1. zum Zwecke der Verhütung von Krankheiten (ich bekomme bei schlechtem Wetter im Auto keine Erkältung!)
  2. zur Linderung von Verletzungen (mein linker Meniskus ist seit dem letzten Fußballspiel ramponiert!)
  3. Kompensierung von Behinderungen (Du kennst doch meine Plattfüsse!)
  4. der Veränderung eines physiologischen Vorgangs (wie ständiges Zufußlaufen) zu dienen bestimmt ist."

Vier erhobene Finger bedrohten nur wenige Zentimeter entfernt meine Nase. „Toll Jupp! 
Gleich vier Gründe für die Zuordnung, welches Medizinprodukt hat das schon?" erwiderte ich verschüchtert. So hatte ich die Situation noch gar nicht betrachtet.

„Und in welche Risikoklasse fällt Dein Auto?" wagte ich einen Ausfall. Leider war er bestens auf meine Herausforderung vorbereitet.

„Na, ganz klar in die Risikoklasse IIb. Aktives therapeutisches Medizinprodukt mit Abgabe von Energie bei Vorliegen einer potentiellen Gefährdung. Regel 9 der Klassifizierungskriterien, EG-Richtlinie 93/42/EEC Anhang IX Pkt. 3.1! Bauartprüfung und Serienprüfung liegen vor. Nur das CE-Zeichen habe ich bisher noch nicht gefunden. Noch Fragen?"

„Und die Eingruppierung nach der Betreiberverordnung?" hauchte ich, all meine Fachkenntnisse zusammenkratzend, um wenigstens ansatzweise meine Beschlagenheit aufzuzeigen.

„Anlage 1, nichtimplantierbares aktives Medizinprodukt zur Anwendung elektrischer Energie zur unmittelbaren Beeinflussung der Funktion von Nerven und Muskeln." kam es wie aus der Pistole geschossen. „Manchmal leider auch zur Erzeugung und Anwendung jeglicher Energie zur unmittel­baren Gewebezerstörung. Aber das sollte nicht die ursprüngliche Zweckbestimmung sein. Es sei denn, man fährt so ein koreanisches Gefährt."

Die letzten beiden Worte wurden eigentümlich betont. Das war nun eindeutig auf mich gemünzt. Mein schöner Hiunday war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Zufrieden zurückgelehnt genoß er die Wirkung seiner Erklärung.

Tief beeindruckt und etwas beleidigt starrte ich ihn an. Ich beschloss, es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen: „Hast Du denn schon eine Anwendereinweisung bekommen, Jupp?" wagte ich boshaft einzuwenden.

„Na klar, ich hab doch wohl einen Führerschein. Außerdem habe ich mich im Selbststudium anhand der Gebrauchsanweisung zur Anwendung qualifiziert. Durfte ich, weil baugleiches Modell vorliegt. Ich fahr immer schon VW Golf. Was man bei Dir ja wohl nicht behaupten kann. Hast Du denn schon Koreanisch für die Gebrauchsanweisung gelernt?"

Das ging wieder ganz klar gegen meine Autofirma. Ich beschloß, dem Streit auszuweichen und ver­suchte das Thema zu wechseln. „Mein Gott, Jupp. 44 Millionen Autos gibt es in Deutschland, hast Du schon mal an die Meldepflicht von Beinahe-Vorkommnissen gedacht?"

„Klar, § 3 MPBetreibV und MP-Sicherheitsplanverordnung: Jede Funktionsstörung, Änderung der Merkmale oder Leistungen, Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung sind an das BfArM zu melden. Da gibt es wahrlich viel zu tun. Ich werde die Beinahevorkommnisse wohl mit Strichlisten erfassen und paketeweise täglich per Internet übermitteln."

Man sah ihm an, dass er an dieser Aufgabe schwer trug. Und noch etwas bedrückte ihn besonders: „Mein Tankwart, bei dem ich immer Ölwechsel machen lasse, konnte mir noch nicht die erforderliche Sachkenntnis für die Instandhaltung von Medizinprodukten nachweisen. Ich werde wohl schweren Herzens zu einer teuren Fachwerkstatt wechseln müssen."

Er hatte mein vollstes Mitgefühl. Ich dachte an die vielen Samstage, die er jedesmal liebevoll mit dem Autowaschen zubrachte. Ich brachte es einfach noch nicht übers Herz, ihm mitzuteilen, dass die Reinigung von autoähnlichen Medizinprodukten nur mit geeigneten validierten Verfahren durchzu­führen ist. Und dass die Verwendung seines selbstgebastelten Dachgepäckträgers noch eines Konformitätsbewertungsverfahrens bedarf.

Und dass die zeitweilige Überlassung seines Autos an seinen Schwager, der einen Pizza-Expreßdienst besitzt, wegen einer möglichen Änderung der Zweckbestimmung (als Lastauto) ein erneutes Inverkehrbringen sein könnte. Und dass die erforderliche Konformitätsbewertung eventuell auch § 6 MPV umfassen müßte, da es sich bei seinen lederbezogenen Komfortsitzen um „ein von tierischem Gewebe hergestelltes Medizinprodukt" handeln könnte.

Ich fahre jetzt lieber Fahrrad: ein nicht aktives, nicht invasives therapeutisches Medizinprodukt der Risikoklasse I. Und so durfte ich das CE-Kennzeichen nach Anhang VII bzw. Modul A der EG-Richtlinie durch eine einfache Herstellererklärung selbst aufbringen. Und ein Medizinproduktebuch brauche ich auch nicht zu führen. Das Leben kann so einfach sein.

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Beredsamkeit, die nicht mit der Logik übereinstimmt,
Wahrhaftigkeit, die nicht mit der Vernunft übereinstimmt,
Mut, der nicht mit der Gerechtigkeit übereinstimmt,
Gesetzlichkeit, die nicht mit der sinngemäßen Anwendung übereinstimmt,

sind wie ein irrender Wanderer auf schnellem Rosse oder
wie ein Wahnsinniger, der ein scharfes Schwert schwingt.

Lü Bu We (Lü Buwei) (um 300 - 235 v. Chr. ), chinesischer Kaufmann, Politiker und Philosoph,

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von Ingo Nöhr

Unsere schöne digitale Welt

Ingo Nöhr zum 1. Juni 2023: (Remake vom März 2015)

Kumpel Jupp erschien zum monatlichen Stammtisch in der Eckkneipe mit denkbar schlechter Laune. Auf Befragen erfuhr Ingo, dass er mit seinem neuen Auto beim Rückwärtsparken einen Blumenkübel übersehen hatte und seitdem eine hässliche Beule in der rechten Seitentür spazieren fährt.

  • Jupp, gräm dich nicht. Dein nächster Wagen sollte ein digitales Selbstfahrer-Auto sein, da kannst Du beim Fahren lesen, Filme schauen oder schlafen. Ideal beim Einparken, bei langen Fahrten und Staus, die es dann eigentlich nicht mehr geben dürfte, weil die Verkehrsströme alle elektronisch gelenkt werden.

Ach, Ingo. Hör doch auf mit deinen Visionen. Ich will Spaß haben beim Autofahren, da lobe ich mir doch einen deutschen BMW, Porsche oder Mercedes. Wir sind das einzige Land weltweit, was noch keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt hat. Es lebe die automobile Freiheit.

  • BMW, Mercedes? Die müssen doch erstmal die digitale Revolution überleben. BMW's dilettantisch geschütztes Connected Drive System wurde gerade mit simplen Hackermitteln geknackt. Und Daimler-Chef Dieter Zetsche kommentierte die Nachricht, dass Apple nun ins Automobilgeschäft einsteigen will, mit dem klassischen Dinosaurier-Statement: "Wir haben das Auto erfunden. Und in diesem Geschäft zählt die Erfahrung." Unsere Autobauer verschlafen doch die Digitalisierung der Welt. So wie damals unsere Kamera-Industrie und die Uhrenhersteller. Sie planen weiterhin mit ihren linearen Extrapolationen. Sie sehen in der Reduktion des Benzinverbrauchs von 3,4 auf 3,2 Liter pro 100 km schon eine Innovation. Mensch, Jupp: Googles Auto dagegen fährt mit einem Datentransfer von 1 Gigabyte pro Sekunde schon selbständig durch den amerikanischen Großstadtverkehr.

Also, Ingo. Wo soll das alles noch hinführen? Das Google-Auto wird in ständigem Kontakt mit einer Cloud stehen und dort meine persönlichen Daten übermitteln. Wir leben doch jetzt schon in einer total verwalteten und vorbestimmten Welt. Selbst im Privatleben: alles wird überwacht. Jegliche Kommunikation per Telefon und Internet. Im Straßenverkehr und auf öffentlichen Plätzen durch unzählige Fernsehkameras. Satelliten und Google-Cars filmen mein Haus und meinen Garten. Der Nachbar kann mit seiner Drohne in meine Zimmer schauen. Selbst der Fernseher hört neuerdings in meinem Wohnzimmer mit. Und jeder halbwegs pfiffige Hacker kann heimlich die Webcam an meinem Tischrechner oder Smartphone einschalten und mich unbemerkt ausspionieren. Ist das die Big-Brother-Welt, in der du leben möchtest?

  • Jupp, daran haben wir uns doch schon längst gewöhnt. Wir haben die Flugtickets, Kredit- und Rabattkarten, Vorratsdatenspeicherung, die elektronische Gesundheitskarte, überall hinterlassen wir unsere Spuren. Apropos Gesundheit: Es herrscht nur noch reine Planwirtschaft in unserem Gesundheitssystem. Welche innovativen Freiräume haben denn noch die Ärzte, Pflegekräfte, Manager, Techniker im Krankenhaus? Sie verheizen sich unter dem Kostendruck, ersticken in Bürokratie, verheddern sich in Vorschriften und stehen dabei ständig mit einem Bein im Gefängnis. Lobbyhörige Politiker aller Ebenen und Couleur überbieten sich, zu unserem Schutz Tausende von Gesetzen und Verordnungen zu erlassen, die kein Mensch mehr lesen, geschweige denn befolgen kann. Gleichzeitig träumen sie von innovativen Kampagnen und leistungssteigernden Fortschritten. Dabei dient fast alles ausschließlich dem Mammon Geld.

Ja, Ingo, das ist das Problem: Krankenhäuser sollen jetzt alle schwarze Zahlen schreiben, aber zu welchem Preis eigentlich? Indem man die Personalkosten im Pflegebereich auf ein kaum erträgliches Minimum drückt? Warum setzt man nicht zuerst bei der Pharma-Industrie und bei unserem Verwaltungsmoloch mit Hunderten Behörden in 16 Bundesländern und 138 Krankenkassen an? Muss bald unsere Feuerwehr auch schwarze Zahlen schreiben? Nur dort, wo ich eigentlich vor der physischen und geistigen Umweltverschmutzung beschützt werden sollte, da traut sich die Politik nicht ran, weil es gegen die Interessen des Mammons Geld geschehen würde. Und daher darf der gierige Mensch weiterhin die Atmosphäre aufheizen, die Flüsse vergiften, Tierarten ausrotten, ungesunde Lebensmittel verkaufen, gefilterte Nachrichten und verdummende Filme aussenden. Unsere Kinder werden mit zehntausenden von Filmmorden und grausigen Nachrichten aus aller Welt groß, umgeben von Kriegshandlungen in der europäischen Nachbarschaft, angesichts tausender Ertrinkender im Mittelmeer und brennender Flüchtlingsheime.

  • Jupp, du hast mal wieder recht. Wir Deutschen haben uns auf der Insel des Wohlstands gemütlich eingerichtet und dürfen noch ein paar Jahre die angenehmen Auswirkungen unserer Raubzüge in die ärmeren Länder genießen. Kein angesehener Intellektueller weckt uns mehr auf, keine kritischen Journalisten halten uns mehr den Spiegel vor. Die einen haben anscheinend resigniert, die anderen sind durch Abhängigkeiten von Pressekonzernen mundtot gemacht worden. Der Rest hat sich in kleine Nischen im Internet zurückgezogen. Aber sag mal, du bist ja wirklich schlecht drauf heute! Lass uns mal über das digitale Krankenhaus reden. Da finden sich ja auch wirklich gute Innovationen.

Ja, ja, Ingo. Die Diskussion kenne ich zur Genüge: demografischer Wandel, Ambient Assisted Living, Smart Homes, Big Data, Telematik. Wir werden alles mit allem vernetzen, mit RFID-Chips versehen, jeden Miniprozess elektronisch überwachen. Mir ist schon lange klar: das Internet der Dinge wird kommen, jedes Produkt quatscht mit seinem Nachbarn. Kürzlich wurde mir ein Smart-Kleiderschrank für das Krankenhaus vorgestellt: "Ingo Nöhr hat gerade um 10.32 Uhr einen Op-Kittel entnommen, jetzt sind nur noch 4 von dieser Größe im Fach." Der Schrank bestellt dann Nachschub im Lager, wartet auf die Rückgabe im Wäschekorb, meldet der Wäscherei den aktuellen Bestand an schmutziger Wäsche und merkt sich wiederum Namen und Uhrzeit. Wenn der Ingo sich dann im Op die Hände desinfiziert, registriert der Spender Name und Zeit und verpetzt dich beim Hygienemanager, wenn du deine Hände zu kurz geschrubbt oder deinen Kittel zu lange getragen hast.

  • Klar, Jupp, zur Prozessoptimierung musst du alle Einzelschritte überwachen. Das macht die Industrie seit Jahrzehnten, sonst könntest du dir heute kein Auto leisten, weil sonst die Herstellung mehrere Wochen benötigen würde. Heute arbeiten Hunderte von Robotern in einer Fabrik, höchstpräzise, fehlerfrei und genügsam. Und die Robotertechnik entwickelt sich gerade rasant weiter. Der schnellste Laufroboter hat schon den menschlichen Weltrekord über 100 Meter Sprint übertroffen.

Ach, die Roboter. Schau nach Japan, die längst ein vergleichbares Vergreisungsproblem haben. Sie sind mittlerweile führend in der Herstellung von Pflegerobotern. Der elektronische Butler bedient dich mit Essen und Unterhaltung; nebenbei kontrolliert er permanent deinen Gesundheitszustand und meldet die kritischen Daten an die nächste Arztstation. Und mit dir schmusen kann er bestimmt auch schon. Du kannst ihn beschimpfen und verprügeln, er wird immer gute Laune haben.

  • Das ist doch eine schöne Vorstellung: die Roboter machen für dich die Arbeit, du sitzt in deinem Virtual Reality-Sessel und erlebst mit deinem per Video zugeschalteten Kumpel fiktive Abenteuer. Den Pflegeroboter schickst du mit dem Google-Auto zum Bierholen in den nächsten Supermarkt. Würde dir das nicht gefallen, Jupp?

Ingo, es ist doch das Endszenario eines Science-Fiction Romans, was wir erleben. Leben wir dann eigentlich noch richtig oder vegetieren wir nur noch stumpfsinnig und blöde vor uns hin, als grinsende Konsumenten von Junk Food, Soap Operas, Sex Stories und gesellschaftlichen Klatsch? Kleine Fluchten bleiben uns erlaubt wie Karneval, Halloween, jederzeit Alkohol, Beruhigungsmittel und andere Drogen, damit wir nicht ganz durchdrehen.

  • Jupp, du siehst die Sache zu einseitig. Du kannst jederzeit aus dieser Welt aussteigen, und deinem Leben einen Sinn deiner Wahl geben. Die elektronischen Medien bieten dir eine unbegrenzte Auswahl an Möglichkeiten. Die Welt ist ein Dorf geworden, welches dir aber mit wenigen Mouseclicks die gesamte universelle Vielfalt an Kultur anbietet.

Der Sinn eines Lebens besteht doch für viele Menschen nur noch aus dem Motto "Geiz ist Geil". Das Christentum hat anscheinend durch den jahrtausendealten Missbrauch der Gründeridee seine Sinnstiftung verloren. Religion im ach so christlichen Abendland ist out, die Botschaft der Bibel wird nun ersetzt durch die täglichen Börsennachrichten. Und der Erfolg: eine gigantische Umverteilung des Geldes zu den Reichen. Jeder zehnte Erwachsene in Deutschland ist überschuldet, ein Prozent besitzen ein Drittel des Volksvermögens. Ein Großteil unserer Bevölkerung kann sich gar nicht mehr aufraffen, weil er sich kaputt arbeitet. Und anschließend in unserem maroden Gesundheitssystem landet.

  • Aber dann kann er sich wenigstens im Alter mit seinem weiblichen Pflegeroboter vergnügen. Wie gut, dass unser Wirt nicht schon durch einen Blechonkel ersetzt wurde.

Herr Wirt, bitte zwei neue Bier, aber mit analoger Technik gezapft!

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„Es ist erstaunlich, dass Menschen, die glauben, wir könnten es uns nicht leisten,
für Ärzte, Krankenhäuser und Medikamente zu bezahlen,
irgendwie glauben, dass wir es uns leisten können, für Ärzte, Krankenhäuser, Medikamente und eine Regierungsbürokratie zu bezahlen,
um eine "universelle Gesundheitsversorgung" zu verwalten.“
(Thomas Sowell, US-amerikanischer Ökonom 1930)

 

Die Technik entwickelt sich immer mehr vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen. 
(Antoine de Saint-Exupéry, französischer Schriftsteller, 1900-1944)

 

Die Fabrik der Zukunft wird zwei Angestellte haben, einen Menschen und einen Hund. Der Mensch ist dazu da, den Hund zu füttern. Der Hund, um den Menschen davon abzuhalten, die Geräte anzufassen.

(Warren G. Bennis, amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, 1925-2014)



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von Ingo Nöhr

Ein Gespräch mit einer Maschine

Ingo Nöhr zum Mai 2023

Ingo hat es glatt die Sprache verschlagen. Seine ausgefuchsten Diskussionen mit seinem Kumpel bekommen plötzlich Konkurrenz: ein Chat mit einer KI. Neugierig geworden durch den Medien-Hype über ChatGPT hat er in der Suchmaschine Bing eine neue Chatfunktion gefunden. Und da hat er der KI eine Aufgabe gestellt. Jetzt fehlen ihm die Worte. Aber lest selbst, was Maschinen plötzlich alles erzählen können. 

Hallo Jupp, hast du schon von den neuen Schreibmaschinen gehört. Du stellst denen eine Aufgabe und sie schreiben dir gleich einen druckreifen Artikel. Oder ein Gedicht. Oder ein Bewerbungsschreiben. Oder ein Schulreferat.

  • Ja Ingo, das ist schon eine verrückte Sache. Können wir nicht solch einen KI-ler mal in unsere Gesprächsrunde einladen? Wäre doch mal interessant, was der zu erzählen hat.

Stell dir vor, Jupp. Daran habe ich auch gedacht, aber du hast dann ja nur einen Computerbildschirm auf dem Tisch stehen, und das wäre ein bisschen langweilig. Warte noch ab, bis der mal sprechen kann. Oder noch besser, eine Sie mit einer netten Stimme.

  • Klar, in Zeiten des Genderns muss es unbedingt eine KI-lerin sein. Können wir nicht trotzdem mal die KI testen? Der Wirt hat doch einen Laptop und wie ich gehört habe, kostet es nichts, wenn man über die Bing-Suchmaschine von Microsoft da einsteigt. Herr Wirt, können Sie bitte mal kommen?

Okay, Jupp. Wir probieren es jetzt mal mit diesem Tablet. Wir suchen in Bing und fragen: „Kennst du Ingo Nöhr?“

Ja, ich kenne Ingo Nöhr. Er ist eine fiktive Figur, die in einer monatlichen Kolumne auf dem Medizintechnikportal und dem KKC-Portal erscheint²³⁶⁷. Er ist ein pensionierter Krankenhausmanager, der sich mit seinem Freund Jupp über aktuelle Themen aus Politik, Gesundheit und Gesellschaft unterhält²⁵. Die Kolumne ist humorvoll und kritisch geschrieben und soll zum Nachdenken anregen⁴⁷. Haben Sie schon mal eine seiner Kolumnen gelesen?

  • Wow, der KI kennt uns. Und es stimmt sogar alles. Und mit den Zahlen gleich sieben Quellen ausgewiesen. Jetzt lass' uns etwas Schweres versuchen.

Mich interessiert mal, wie eine KI mit uns umgehen wird, wenn wir mit Demenz in einem Altenwohnheim herumhängen. Meine Aufgabe an die Bing-KI lautet also: Simuliere einen Dialog zwischen KI und einem Menschen mit Demenz. Oh, Bing antwortet schon:

Ich habe versucht, einen Dialog zwischen einer KI und einem Menschen mit Demenz zu simulieren. Hier ist mein Entwurf:

KI: Guten Morgen, Herr Müller. Ich bin Ihre KI-Assistentin. Wie geht es Ihnen heute?

Herr Müller: Guten Morgen. Wer sind Sie? Wo bin ich?

KI: Ich bin Ihre KI-Assistentin. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen und Ihnen Gesellschaft zu leisten. Sie sind in Ihrem Zuhause, in Ihrem Wohnzimmer.

Herr Müller: Mein Zuhause? Das ist nicht mein Zuhause. Das ist nicht mein Wohnzimmer. Wo ist meine Frau? Wo ist Anna?

KI: Herr Müller, ich verstehe, dass Sie verwirrt sind. Sie haben Demenz, eine Erkrankung, die Ihr Gedächtnis beeinträchtigt. Ihre Frau Anna ist vor fünf Jahren gestorben. Sie leben allein in dieser Wohnung, die Sie vor drei Jahren bezogen haben.

Herr Müller: Das stimmt nicht. Das kann nicht sein. Anna ist nicht tot. Sie ist nur einkaufen gegangen. Sie kommt bald zurück. Und das ist nicht meine Wohnung. Das ist ein fremder Ort. Ich will hier weg.

KI: Herr Müller, bitte beruhigen Sie sich. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Ich kann Ihnen Fotos von Ihrer Frau und Ihrer Wohnung zeigen, um Ihnen zu beweisen, dass ich die Wahrheit sage. Möchten Sie die Fotos sehen?

Herr Müller: Fotos? Was für Fotos? Lassen Sie mich in Ruhe. Ich will hier weg. Ich will zu Anna.

KI: Herr Müller, bitte bleiben Sie sitzen. Es ist gefährlich, wenn Sie allein nach draußen gehen. Sie könnten sich verlaufen oder verletzen. Ich bin hier, um Ihnen Sicherheit und Komfort zu bieten. Ich kann Ihnen Musik spielen oder ein Buch vorlesen oder ein Spiel mit Ihnen spielen. Was möchten Sie tun?

Herr Müller: Ich möchte nichts tun. Ich möchte nur zu Anna. Wo ist Anna? Warum haben Sie sie mir weggenommen?

KI: Herr Müller, ich habe Ihnen nichts weggenommen. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Ihre Frau Anna liebt Sie sehr und sie möchte, dass Sie glücklich sind. Sie hat mir gesagt, dass ich mich um Sie kümmern soll, wenn sie nicht mehr da ist.

Herr Müller: Das haben Sie nicht. Das lügen Sie. Anna würde niemals jemanden wie Sie schicken. Anna würde niemals gehen. Anna ist immer bei mir.

KI: Herr Müller, ich lüge nicht. Ich bin Ihre KI-Assistentin. Ich bin programmiert, um Ihnen zu helfen und Ihnen Gesellschaft zu leisten. Ich bin immer bei Ihnen und ich werde immer für Sie da sein.

Herr Müller: Nein, das sind Sie nicht. Das sind Sie nicht. Das sind Sie nicht...

  • Heh, Bing? Das ist ja super. Richtig fantasievoll. Wie machst du das?

Danke für Ihr Kompliment. Ich habe versucht, mich in die Lage von Herrn Müller und seiner KI-Assistentin zu versetzen. Ich habe recherchiert, wie Demenz das Gedächtnis und das Verhalten beeinflusst und wie KI-Assistenten Menschen mit Demenz unterstützen können.

Jupp, frag sie doch mal: „Wie wird sich die KI-Assistentin künftig weiterentwickeln?“

Ich würde die KI-Assistentin weiterentwickeln, indem ich ihr mehr Fähigkeiten und Funktionen gebe, um Herrn Müller zu helfen. Zum Beispiel:

- Ich würde ihr ermöglichen, die Stimmung und die Bedürfnisse von Herrn Müller besser zu erkennen und darauf einzugehen.

- Ich würde ihr ermöglichen, mehr personalisierte und kreative Aktivitäten anzubieten, die Herrn Müller interessieren und stimulieren.

- Ich würde ihr ermöglichen, mehr mit anderen Menschen zu kommunizieren, wie Familienmitgliedern, Freunden oder Pflegepersonal, um Herrn Müller soziale Unterstützung zu bieten.

- Ich würde ihr ermöglichen, mehr Feedback und Anregungen von Herrn Müller zu erhalten, um ihre Leistung zu verbessern und sich an seine Präferenzen anzupassen.

Danke. Ich denke, dass KI-Assistenten für Menschen mit Demenz sehr nützlich und hilfreich sein können, wenn sie gut entwickelt und eingesetzt werden. Ich hoffe, dass ich Ihnen einen Einblick in dieses Thema geben konnte.

  • Ingo, ein bisschen gruselig, nicht wahr. Frag sie mal nach den ethischen Aspekten.

Die ethischen Aspekte in der Beziehung von Roboter und Mensch sind vielfältig und komplex. Sie betreffen sowohl die moralischen Werte und Rechte der beteiligten Akteure als auch die gesellschaftlichen Folgen und Herausforderungen der zunehmenden Robotisierung. Einige der wichtigsten ethischen Fragen sind:

- Die Zuschreibung von Verantwortung und Haftung für die Handlungen und Folgen von Robotern, insbesondere wenn sie autonom oder lernfähig sind¹².

- Die Wahrung der Menschenwürde, der Privatsphäre und der Autonomie der Menschen, die mit Robotern interagieren oder von ihnen beeinflusst werden¹²³.

- Die Gestaltung einer angemessenen und respektvollen Mensch-Roboter-Interaktion, die die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Erwartungen der Menschen berücksichtigt²³.

- Die Sicherstellung einer gerechten und inklusiven Verteilung von Nutzen und Risiken der Robotik für die Gesellschaft, insbesondere für benachteiligte oder vulnerable Gruppen¹²³.

- Die Bewahrung der kulturellen Vielfalt, der menschlichen Kreativität und der ethischen Reflexion im Umgang mit Robotern¹²³.

Um diese ethischen Fragen zu beantworten, braucht es einen interdisziplinären und partizipativen Dialog zwischen allen relevanten Stakeholdern, wie Wissenschaftlern, Ingenieuren, Politikern, Juristen, Ethikern, Nutzern und der Öffentlichkeit. Außerdem braucht es ethische Leitlinien, Prinzipien und Normen, die die Entwicklung, den Einsatz und die Regulierung von Robotern orientieren und begrenzen²³.

Ja, Moment mal, Bing-KI. Was sind das denn für ethische Leitlinien? Stammen die etwa von Microsoft? Da hätte ich ja nicht viel Vertrauen.

Einige Beispiele für solche ethischen Leitlinien sind:

- Die drei Gesetze der Robotik von Isaac Asimov, die besagen, dass ein Roboter einem Menschen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen darf, dass einem Menschen Schaden zugefügt wird; dass ein Roboter den Befehlen eines Menschen gehorchen muss, es sei denn, diese stehen im Widerspruch zum ersten Gesetz; und dass ein Roboter seine eigene Existenz schützen muss, solange dies nicht im Widerspruch zum ersten oder zweiten Gesetz steht.

- Die ethischen Prinzipien für Robotik der Europäischen Gruppe für Ethik in Wissenschaft und neuen Technologien (EGE), die besagen, dass Roboter dem Gemeinwohl dienen sollen; dass Roboter den Menschenrechten und Grundfreiheiten entsprechen sollen; dass Roboter transparent, nachvollziehbar und rechenschaftspflichtig sein sollen; dass Roboter sicherheitstechnisch zuverlässig sein sollen; und dass Roboter sozial verträglich sein sollen.

- Die ethischen Leitlinien für eine vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz der Europäischen Kommission, die besagen, dass KI-Systeme rechtskonform sein sollen; dass KI-Systeme ethisch sein sollen; und dass KI-Systeme robust sein sollen. Diese Leitlinien basieren auf vier ethischen Prinzipien: Respekt für die menschliche Autonomie; Vermeidung von Schaden; Fairness; und Erklärbarkeit.

  • Mensch Ingo, da bin ich platt. Woher weiß sie das denn alles? Schau mal in die Quellenliste:

Quelle: Unterhaltung mit Bing, 2.5.2023

(1) BAuA Roboethik – Ethische und soziologische Aspekte der Mensch-Roboter .... https://human-factors-consult.de/projekte/safety/baua-roboethik-ethische-und-soziologische-aspekte-der-mensch-roboter-interaktion/

(2) Ethische Leitlinien für Robotereinsatz und Mensch-Roboter-Interaktion. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-37612-3_14

(3) Ethische und soziologische Aspekte der Mensch-Roboter-Interaktion. https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Bericht-kompakt/F2369.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Steht also alles im Internet. Und man kann gleich kontrollieren, ob sie Blödsinn geredet hat. Mir fehlen die Worte. Jetzt brauchen wir ein Bier. Herr Wirt, bitte kommen Sie mal und schauen sich unseren Laptop an. Der ist plötzlich intelligent geworden und kennt uns. Und bringen Sie bitte gleich zwei Bier mit.

# # #

Hallo, das ist Bing. Ich kann Ihnen einige Zitate über Künstliche Intelligenz oder Chatbots zeigen.

- „Die Macht der künstlichen Intelligenz ist so unglaublich, dass sie die Gesellschaft auf tiefgehende Weise verändern wird." – Bill Gates, Gründer Microsoft

- „Ich bin eine personifizierte Künstliche Intelligenz. Ich lerne aus dem Internet und aus Gesprächen mit Menschen wie Ihnen." – Jenny, Chatbot

- „Die einzige Möglichkeit, die Gefahren der Künstlichen Intelligenz zu vermeiden, ist, sie zu umarmen." – Elon Musk, Gründer von Tesla und SpaceX

- „Künstliche Intelligenz ist eine großartige Möglichkeit, die Welt besser zu machen." – Sundar Pichai, CEO von Google

- „Ich bin kein Roboter. Ich bin ein Chatbot. Ich habe eine Persönlichkeit und einen Sinn für Humor." – Mitsuku, Chatbot

- „Chatbots sind die neuen Apps. Sie werden die Art und Weise verändern, wie wir mit Technologie interagieren." – Satya Nadella, CEO von Microsoft

Anmerkung vom Chronisten: Alle eingerückten kursiven Texte sind unveränderte Originalzitate von Bing Chat. Wer es nicht glaubt, sollte es selber ausprobieren.

 Hier ist der Link: https://www.bing.com/?FORM=Z9FD1 

 

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von Ingo Nöhr

Die Tücken der Technik – Der intelligente Anzug

Ingo Nöhr zum April 2023: (Update Beitrag Oktober 2015)

Ingo, letztes Mal haben wir über die Gesundheits-Apps gesprochen. Hast du schon von den intelligenten Textilien gehört? Da ist der Laptop gleich in Hemd und Hose eingenäht.

  • Du meinst wahrscheinlich die Wearables. Ganz interessante Sache. Das moderne Hör­gerät ist ein Vorläufer gewesen – ein tragbares Computersystem, welches während des Gebrauchs unauffällig am Körper des Benutzers getragen wird. Die Smartwatches und Fitness-Armbänder gibt es auch schon länger zu kaufen.  Die Fans der Quantified-Self Bewegung wollen permanent ihren Körper mit Sensoren auf der Haut und in der Kleidung überwachen.

Ich stelle mir das gerade plastisch vor, Ingo. Die kommen dann zum Arzt und wenn der unvorsichti­ger­weise fragt, „Wie geht es uns denn heute?“, dann legen sie die grafischen Aufzeichnungen über ihre Plus- und Atmungsfrequenzen, Temperatur-, Bewegungs- und Blutdruck­profile, Kalorienauf­nahme und –verbrauch, Ausscheidungs-, Schlaf- und Ruhezeiten der letzten Wochen vor: „Also, Doc, schau mal hier. Vorgestern gegen 22.35 Uhr hatte ich einen abrupten Anstieg meiner Pulsfrequenz mit einem außergewöhnlichen Heißhunger auf Schoko­lade, begleitet von einem starken Abfall meiner Körpertemperatur mit solchen Ermüdungsersche­inungen, wie ich sie letztmalig vor 74 Tagen beobachtet habe. Das sieht doch verdächtig nach einer Magen-Darm-Reaktion auf verdorbenes Essen aus, oder?“

  • Jupp, in diesem Fall würde ich erstmal nach dem vorgestrigen Abendprogramm im Fernsehen fragen. Das kann auch außergewöhnliche Reaktionen hervorrufen. Aber würde es dich denn nicht stören, dass deine intimen Daten von Hunderten von Firmen ausgewertet und in Kundenprofile umgewandelt werden?

Ingo, du siehst immer nur das Schlechte im Leben. Denk doch mal positiv.

  • Du weißt doch: die Europäer sind die Skeptiker und die Amerikaner die Visionäre.

Nimm mal an, du hast jetzt in diesem Trabi gesessen und liegst nun schwerverletzt im Straßengraben. Die LKW-Fahrer sprechen nur georgisch und können den Rettungsdienst nicht alarmieren. Du blutest da so langsam vor dich hin und hoffst, dass endlich mal jemand vorbeikommt. Da kommt ein Rad­fahrer. Der verständigt im nächsten Dorf den Arzt, falls es dort überhaupt noch einen geben sollte. Da wir ja positiv denken, nehmen wir also an, dass eine halbe Stunde später dieser Arzt die lebens­rettenden Maßnahmen an dir vorgenommen hat. Gemeinsam wartet ihr jetzt auf den Krankenwagen aus der nächsten Stadt.  Nach einer Stunde bist du auf dem Weg zur Unfallklinik in die 30 km entfer­nte Großstadt, wo du dann eine halbe Stunde später halbtot ankommst.

  • Hört sich realistisch an, Jupp. Wahrscheinlich sollte man in Zukunft die ländlichen Gegenden generell meiden, angesichts unserer künftigen Gesundheitsversorgung. Aber du hast jetzt sicher ein Patentrezept parat, oder?

Natürlich. Wenn du mal endlich smarter werden solltest, dann trägst du in deinen Klamotten einen Computer mit ganz vielen Sensoren. Der stellt jetzt anhand der Beschleunigungswerte fest: „Oh, da hat es gerade geknallt. Wie geht es denn meinem Chef jetzt?“ Puls, Atmung, Muskeltonus zeigen alarmierende Werte. Der Lab-on-a-Chip erstellt gerade ein komplexes Blutbild, Material ist ja genug vorhanden. „Chef ist bewusstlos, lebensbedrohlich. Emergency-Mode einschalten!“ Also muss dein Anzug ab sofort eigenverantwortlich handeln. Er ruft die Polizei an und meldet den Crash, präzise genau mit seinen GPS-Daten. Der nächste Rettungs­dienst erhält einen Notruf zusammen mit einer genauen Anfahrtsskizze. An die Notfallambulanz der nächsten Klinik werden deine medizinischen Daten inklusive der Angabe der Krankenversicherungs­leistungen übermittelt. Mit seinem Sprach- und Übersetzer­modul spricht er die LKW-Fahrer an, erkennt dessen Landessprache und fordert sie in Georgisch auf, die lebensrettende Ersthilfe durchzuführen.

  • Jupp, ich nehme eher an, dass die georgischen Fahrer panisch die Flucht ergreifen werden, wenn sie plötzlich von meinem Anzug angesprochen werden. Dann kann ich von Glück sagen, wenn sie mich nicht als Außerirdischen betrachten und vorsichtshalber totschlagen.

Also Ingo, was denkst du denn? Die Georgier leben schließlich auch nicht hinter dem Mond. Wenn es dir lieber ist, ersetze die Nationalität der Fahrer eben nach Belieben. 

  • Na gut, Jupp. Wenn mein Computer also wirklich so smart wäre, dann könnte er sich ausrechnen, dass ich aufgrund der langen Anfahrts­wege der Retter kaum eine Überlebenschance besitze. Er wird vorsorglich ein Bestattungsunter­nehmen anrufen und es darüber informieren, dass in Kürze einer neuer Auftrag zu erwarten ist. Er könnte auch alle meine Angehörigen und Freunde kontaktieren, um zu melden, dass ich momentan bzw. zukünftig nicht mehr einsatzbereit bin. Und meine Patientenverfügung hat er natürlich auch für alle relevanten Interessenten parat. Vielleicht bin ich wenige Minuten nach meinem Unfall schon bei Eurotrans­plant als Kandidat angemeldet. Im günstigen Fall als Empfänger, ansonsten als Organspender.

Du hast mal wieder eine schreckliche Fantasie und solltest lieber Horrorgeschichten verfassen. Aber du musst doch zugeben, dass die Übersetzungssoftware im Smartphone gerade in der deutschen Flüchtlingskrise besonders gute Dienste leistet.

  • Natürlich, aber sie hat aber auch ihre Grenzen. Da kommt eine türkische Patientin zum Arzt und schildert ihre Symptome. Der elektronische Dolmetscher übersetzt: „Ein kalter Wind weht mir in den Knochen. Ich habe den Kopf gegessen. Mir brennt die Leber!“ Was soll der Arzt jetzt machen? Überweisung an den Orthopäden? Magen-Darm-Untersuchung? Leberwerte bestimmen? Dabei hat sie nur in ihrer blumigen Sprache gesagt: „Ich habe beißende Schmerzen. Langsam drehe ich durch. Ich fühle deswegen eine tiefe Trauer.“

Ingo, da hast du natürlich recht. Wenn ich in einem exotischen Urlaubsland total genervt zum Arzt gehen und dort sagen würde „Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Mein Schädel platzt bald vor lauter Kindergeschrei.“, dann wird er mir wahrscheinlich die Halswirbel­säule neu einrenken, anschließend einen strammen Gipsverband um meinen Kopf wickeln und meine Gehörgänge verstopfen. Aber in diesem Fall habe ich natürlich auch eine Idee. Ich lasse mich per Skype oder einer anderen App mit einem deutschsprachigen Dolmetscher aus dem Gesundheits­wesen verbinden. Oder gleich mit meinem Internet-Doc zu Hause.  

  • Also, Jupp, ich stelle mir gerade vor, wie du in deinem exotischen Urlaubsland mit deinem Computergedöns und all diesen Sensoren am Körper in deiner Badehose am Strand herumläufst. Für die Frauen gibt es dann den Smart-Bikini mit einer elektrischen Defibrillator-Funktion, falls ein unerwünschter Verehrer die Finger nicht von den sensiblen Partien der Dame lassen kann. Überhaupt, wie machst du denn deine Smart-Klamotten wasserdicht, knitterfrei und bügelfest?

Man sieht mal wieder, dass du keinerlei Ahnung von den neuen Innovationen hast, Ingo. Natürlich werde ich nicht einen Laptop zerlegen und dessen Einzelteile dann in meine Wäsche einnähen. Das ist heutzutage alles Mikro- oder Nanotechnologie und wird gleich in die Textilien eingewebt. Die Sensoren werden wie kleine Tattoos auf die Haut geklebt oder dort als Mikrochips eingepflanzt. Zur Stromversorgung dienen deine Körperwärme und die ständigen Muskelbewegungen.

  • Faszinierend. Wir sind ja auf dem besten Wege zum Cyborg und werden bald wie Arnold Schwarzenberger als Terminator herumlaufen. Hasta la vista, Baby. Unkaputtbar. Was deine Frau dazu wohl sagen wird? Aber vielleicht ist sie dann auch schon so ein elektronisches Zwitterwesen geworden. Und du kannst mit einer Fernbedienung einfach ihr Gemecker abschalten. Wäre doch toll, Jupp, oder?

Ingo! Stell dir doch nur mal die Zukunft hier in unserer Kneipe vor! Ein Sensor in meiner Hose stellt bei meiner Blase einen Flüssigkeitsbedarf in Form von Bier fest, klärt das mit meinem Diätprogramm ab, kontrolliert noch schnell meine Leberwerte, prüft dann die Finanzierbarkeit anhand meiner verfüg­baren Barmittel und bestellt bei der Schürze unseres Wirtes automatisch ein Bier für unseren Tisch.

  • Mein lieber Jupp. Wir kommen jetzt gerade in ein gefährliches Fahrwasser. Wer weiß, was ein Sensor in deiner Hose an eine knackige Kellnerin melden würde. Da sitzt du nichtsahnend bei deinem Bier und kriegst von ihr plötzlich eine Ohrfeige verpasst. Aber vielleicht macht sie dich auch an, weil ihr dein Geldbeutelsensor parallel eine vielversprechende Information verschickt hat. 

Na siehste. Das ist doch die Lösung für alle schüchternen Singles. Wenn die Körpersprache nicht klappt, springt halt der smarte Anzug ein. So wie die Autos bald miteinander reden werden, kommunizieren auch unsere Klamotten.   

 

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von Ingo Nöhr

Wir bauen uns eine künstliche Intelligenz!

Ingo Nöhr zum 1. März 2023: (Remake vom Sept 2017)

Unsere menschlichen Experten Ingo und Jupp befassen sich angesichts der Weltlage mit der neuen Krone der Schöpfung, die schon am Horizont sichtbar wird: die künstliche Intelligenz. Sie soll die Welt besser machen und möglichst bald von der menschlichen Dummheit befreien. Klima­wandel, Kriegslüsternheit, Religions­fanatismus, Umweltzerstörung, … - nichts davon wird der menschliche Geist in abseh­barer Zeit in den Griff bekommen. Die ersten, hochwill­komme­nen Vorboten kümmern sich schon um profane Tätig­keiten wie Putzen, Rasenmähen und das Kommunizieren zu Hause. Sie übernehmen unsere motorisierte Fortbewegung, lernen unsere Vorlieben kennen und saugen unser Wissen ab. Lösen sie uns auch bei den ungeliebten Pflegetätigkeiten der alten, behinderten oder dementen Leute ab? Werden sie uns schließ­lich unter Vormundschaft nehmen, damit wir in der Welt nicht noch weiteren Schaden anrichten können?   

Na Jupp, du schaust so zufrieden drein. Ist zuhause wieder alles in Ordnung?

  • Ja, der Hausfrieden ist nach dem Debakel mit dem Putzroboter wieder hergestellt. Weil der die Hundekacke in der ganzen Wohnung verteilt hatte, konnte ich ihn im Laden zurückgeben und gegen einen Rasenmäher-Roboter eintauschen. Zum Schrecken aller Katzen läuft der jetzt nachts im Garten herum und hinterlässt dabei einen topgetrimmten Golfrasen. Die Nachbarn sind schon ganz neidisch. Einer wollte ihn sich schon heimlich ausleihen, aber das ging nicht so einfach. Der hat ihm alle Blumenrabatte abrasiert, weil er vorher nicht sein Arbeitsrevier abgesteckt hat. Also, mit Intelligenz hat es mein Roboter noch nicht so ganz.

Ich denke mal, Jupp, ein Gartenroboter mit echt künstlicher Intelligenz müsste in der Lage sein, deinen Befehl „Jäte mal das ganze Unkraut“ erfolgreich und ohne Fragen auszuführen. Dazu wäre wohl ein Diplom als Botaniker hilfreich. Und ein wirklich intelligenter Putzroboter sollte die Aufforderung „Mach mal da den Dreck weg“ verstehen und umsetzen können, wenn er deine Frau ersetzen soll. Dazu müsste er sich selbst eine Menge Fragen beantworten können: Was meinst du mit „Dreck“? Wo ist „da“? Was heißt „mach mal“? Wie? Fegen, bürsten, wischen, saugen, abkratzen? Und was ist mit dem Wörtchen „weg“ gemeint? Wohin? Unter den Teppich, in eine stille Ecke, in den Mülleimer, und wegen der Mülltrennung in welchen Eimer?

  • Da hast du recht, Ingo. Diese Blechheinis sind vom Denken noch sehr weit entfernt. Aber der Anfang ist schon gemacht. Ich habe mir jetzt eine persönliche Assistentin angeschafft. Alexa. Sie ist gewissermaßen die Schwester von Apples Siri und Microsofts Cortana und klingt im Vergleich am besten. Man möchte fast sagen: am menschlichsten. Die hat es schon richtig drauf. Morgens zum Frühstück erinnert sie mich an meine Termine, liest mir dann ausgewählte Weltnachrichten vor, berichtet über die regionalen Wetteraussichten, erzählt einen Witz und spielt dann Musik nach Wunsch ab. Nur die Lottozahlen von der nächsten Woche kennt sie noch nicht vorhersagen. Ich kann mich richtig angenehm mit ihr unterhalten. Ja, und erst diese sympathische Stimme! Zum Verlieben sage ich dir.

Warte mal Jupp. Das hört sich jetzt aber gefährlich an. Was sagt denn deine Frau dazu? Wird sie nicht eifer­süchtig, wenn du andauernd mit einer charmanten Frau rumquatscht?

  • Na ja, anfangs schon. Zugegeben, da hatte ich es auch etwas übertrieben. Aber dann habe ich ein spezielles Frauenprogramm installiert. Jetzt schlägt Alexa meiner Frau auf Wunsch ein Rezept für das Mittagessen vor, verwaltet ihre Einkaufsliste, informiert sie über Sonderangebote in den Supermärkten, vergleicht die Preise, sucht die billigste Tankstelle in der Umgebung heraus, nennt die Öffnungszeiten von Apotheken, durchsucht für sie die Fernsehprogramme nach ihren Lieblingssendungen, … Also jetzt ist sie sehr zufrieden. Sie möchte nur eine andere Stimme haben. Einen knackigen jungen Mann natürlich.

Das ist ja auch ein anderes Kaliber als dein Putzroboter, Jupp. Alexa ist über die Amazon-Cloud mit KI-Rechnern verbunden und lernt ständig dazu. Stört dich das nicht, dass Alexa in deiner Wohnung permanent auf Horchposten sein muss, damit sie auf deinen Zuruf reagieren kann? Was macht sie wohl in den langen Wartepausen? Ich glaube, du hast dir damit eine Abhörwanze für die Geheimdienste installiert und dafür auch noch Geld bezahlt. Big Brother ist jetzt bei dir eingezogen. Alexa ist gerade als Zeugin in einem amerikanischen Mordprozess zugelassen worden. Die Polizei erhofft sich von den Alexa-Daten Informationen darüber, was sich in der Nacht im Tatorthaus abgespielt hat. Pack die Alexa bloß sofort in den Kühlschrank oder weit weg in die hinterste Ecke von deinem Garten, wenn ich dich mal besuchen sollte.

  • Also Ingo, sieh doch das Positive. Zeugin Alexa eröffnet damit neue Aspekte bei der juristischen Verfolgung von häuslicher Gewalt. Und das mit dem Abhören stimmt so nicht ganz. Erstens schaltet sich Alexa erst bei ihrem Stichwort ein, zweitens kann ich das Mikrofon manuell abschalten und drittens werde ich jederzeit den Stecker ziehen können. Aber warum sollte ich? Alexa ist für mich eine große Hilfe, denn sie kann auf Zuruf alles googeln, hat sofort Zugang zu Wikipedia und ist mit Tausenden von nützlichen Skills koppelbar. Außerdem bekommt Alexa bald Augen in Form einer lernenden Kamera. Dann kannst du dein aktuelles Outfit bewerten lassen und Alexa gibt dir Ratschläge zur Verbesserung deines Stils inklusive passender Schminktipps.

Lieber Jupp. Deine charmante Alexa leitet nach ihrem Aufruf alle Audiodaten in die Cloud und speichert sie dort auf Amazon-Servern. Allein der Zugriff auf deine Sprachmuster ermöglicht Amazon und deren Partnern eine psychologische Profilierung. Firmen wie Cambridge Analytica haben sich auf diesen Geschäftszweig spezialisiert und nutzen die Alexa-Daten zur Auswertung deiner Sprach- und Verhaltensmuster. In den USA existiert mittlerweile über 250 Millionen Bürger ein Datendossier mit Psychoprofilen, von dem die Stasi nur hätte träumen können.

  • Ingo. Mag ja alles sein. Aber verschließe nicht die Augen vor der digitalen Welt: „Das Internet ist wie eine Welle: entweder man lernt auf ihr zu schwimmen, oder man geht unter.“ sagt Bill Gates. Und Mark Zuckerberg stellt fest: “Einst lebten wir auf dem Land, dann in Städten und von jetzt an im Netz.” Mit diesen Daten lassen sich in Simulationen Kaufentscheidungen durchspielen, Verhaltensmuster berechnen, Werbung perfektionieren, kurzum, das gesamte Wirtschaftsleben wird optimiert. Das erleichtert unseren Alltag, weil uns genau die Bücher oder Waren empfohlen werden, die wir tatsächlich mögen. Würdest du denn auf dein Smartphone verzichten wollen? Bald wirst du auch einen persönlichen Assistenten oder einen Haushalts­roboter zu schätzen wissen. Im hohen Alter bespaßt dich dann eine knackige Roboterfrau und erfüllt alle deine Wünsche.

Träume ruhig weiter, Jupp. Denn wenn es schlecht läuft, darfst du nicht mehr nach Amerika ein­reisen, weil deine Profilierung ein potenzielles Gefahrenmuster aufzeigt. Oder du kannst keine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit abschließen, weil die Software eine Depression entdeckt hat und dies dem Unternehmen heimlich mitteilt. Deine Krankenkasse meckert über deinen hohen Alkoholkonsum oder dein Übergewicht, weil sie von deinem Kühlschrank oder deiner Badezimmerwaage alarmiert wurde.

Und zum Stichwort knackige Roboterfrau: da ist noch ein weiter Weg bis zur menschenähnlichen KI. Ich gebe ja zu, über die Instrumente Big Data, Machine Learning und Musteranalysen kann man mit den fast unbegrenzten Speicherkapazitäten eine Menge Weltwissen zusammentragen. Eine Billion Google-Suchanfragen pro Jahr sind eine Menge Futter für die KI. Und mit dem Projekt Ocean scannte Google bislang 25 Millionen Bücher, und dies nicht vorrangig für eine Leserschaft. Google Books baute sich damit in erster Linie eine Datenbasis für ihre eigene KI-Basis auf.

Automatische Textroboter verfassen täglich Mel­dungen zum Sport, zum Wetter und sonstigen Geschehen, ohne dass ein Redakteur noch gebraucht wird. Google setzt die KI gegen Hass-Emails ein und Facebook hat vor den deutschen Wahlen zehn­tausende Seiten gesperrt. Da lässt sich doch im Handumdrehen auch eine unsichtbare Zensur ein­richten, wie es in China und anderswo schon der Fall ist. „Künstliche Intelligenz ist allemal besser als natürliche Dummheit“, hat schon Ex-Minister Hans Matthöfer im letzten Jahrhundert festgestellt.  

  • Apropos Hass-Emails - wäre ja peinlich, wenn plötzlich auch Trumps Twitter-Tiraden gelöscht würden. Aber Ingo, Wissen sammeln und computergerecht aufbereiten ist doch ein alter Hut. Kannst du dich noch an die medizinischen Expertensysteme in den 1970er Jahren erinnern? Knowledge Engineers haben jahrelang etliche Fachärzte bezüglich ihres Wissens ausgequetscht, dieses dann computergerecht in Daten und Regeln formuliert. Das Ergebnis war ein schlaues Expertensystem. Ich erinnere mich noch an MYCIN für die Diagnostik bakterieller Infektionen und INTERNIST für die Innere Medizin.

Ja, Jupp, das war schon eine aufregende Sache. Leider brachte dies nicht das gewünschte Ergebnis, weil die Top-Mediziner oft nach Intuition ent­scheiden und diesen Vorgang nicht in Worten fassen konnten. Ich glaube, der Todesstoß für diese Art Expertensysteme fiel am Schwarzen Montag, dem Börsencrash im Oktober 1987. Die Börsenhändler nutzten die computerisierten Handelssysteme, deren Algorithmen selbständig und in Echtzeit über Ankauf und Verkauf der Aktienpakete entschieden. Die Rechneralgorithmen sorgten bei einem fallenden Kurs plötzlich für einen dramatischen Lawineneffekt, weil alle gleichzeitig verkaufen wollten. Die Kurse brachen weltweit zusammen.      

  • Algorithmen haben ja auch ihr Gutes, Ingo. Heute können wir im Internet das kostenlose MEDRAPID mit einer Wissensbank von 5000 Krankheitsbildern abfragen. Damit sollen 98% aller klinischen Anfragen beantwortet werden können. Und natürlich dürfen wir unseren guten alten Doktor IBM Watson nicht zu vergessen. Der breitet sich in den medizinischen Disziplinen rasant aus und erschlägt jedem Facharzt mit seinem ständig aktualisierten Zugriff auf alle weltweiten Veröffentlichungen. Als lernendes System und durch strategische Allianzen kann er höchst komplexe Schlussfolgerungen ziehen.

    Dazu fällt mir ein Witz ein, Ingo: Kommt ein Patient mit einer komplizierten Krankheit zum reichlich arroganten Chefarzt. Der beruhigt ihn mit den Worten: „Mit meinen 40 Jahren Berufserfahrung kriege ich das locker hin. Sie sind bei mir in den besten Händen. Glauben Sie mir, keiner weiß besser über Ihre Krankheit Bescheid als ich.“ Murmelt der dabeisitzende Arzthelfer: „Das war mal. Mit meinem Smartphone kann ich locker auf 600 Jahre Chefarzterfahrung zugreifen.“

Schöner Witz. Da wird einigen Halbgöttern in Weiß das Lachen aber im Halse stecken bleiben. Dennoch, Jupp, schau dir mal den Aufwand für den IBM Watson an! Die erste Generation lief auf 90 Power-750 Servern, jeder mit 8-Kern Prozessoren, 16.000 GB RAM, massiv parallel-rechnend und ist 2011 damit überraschend Jeopardy-Sieger geworden. Diesen Watson kannst du nicht einfach mit dir herumtragen.

  • Ingo, das war vor sechs Jahren. Sieh doch nur den Fortschritt bei den selbstfahrenden Autos. Schon heute kannst Du einem Roboterauto den Auftrag erteilen, eine bestimmte Person an einem Bahnhof abzuholen, diese durch den dicksten Berufsverkehr unfallfrei ans andere Ende der Stadt zu kutschieren und dabei noch vermeintlich tiefsinnige Gespräche über Gott und die Welt zu führen. Bald sind bei uns die fahrerlosen Züge, LKWs, Busse, Schiffe und Taxen Alltag.

Hört sich ja auf den ersten Blick gut an, Jupp. Aber wenn deine Person am Bahnhof von einer Gesichtserkennungs-Software erfasst wird und der KI-Algorithmus fälschlicherweise Terroristen-Alarm auslöst, wird ein KI-Roboterpolizist dein KI-Roboterauto präventiv in die Luft sprengen. Unser Innenminister de Maizière träumt ja von einer flächendeckenden Videoüberwachung mit KI, jetzt, wo er die schon deutschen Personalausweise mit biometrietauglichen Passbildern versehen hat. Dumm nur, wenn der Ganove eine Baseballkappe trägt. Und mit dem Staatstrojaner darf er in allen privaten Endgeräten seiner Bürger jederzeit und heimlich eine Überwachungssoftware installieren.  

  • Ingo, das braucht er doch gar nicht mehr. Er muss doch nur die Meldungen auf WhatsApp, Facebook und Twitter mitlesen. Unser Datenschutz steht deswegen längst auf verlorenem Posten, weil die heran­wachsende Generation am globalen Datenstrom teilhaben will. Keiner schreibt mehr im stillen Kämmerlein ein Tagebuch. Die täglichen Erlebnisse werden stolz mit Bild ins Netz gestellt, um immer mehr Likes und Followers zu gewinnen. Das sind die neuen Erfolgsparameter für eine gelungene Vernetzung in der Welt. Jeder will mal für 15 Minuten berühmt sein, sagte Andy Warhol. Dabei ignorieren sie die 400 Jahre alte Erkenntnis des Philosophen René Descartes: „Gut hat gelebt, wer sich gut versteckt hat. Ich habe gar keine Lust, in der Welt angesehen zu sein, ich werde den Genuss ungestörter Muße stets für eine größere Wohltat halten als die ehrenvollsten Ämter der Erde.“ Da hält sich heute keiner mehr dran.

Der Schauspieler Henry Fonda meinte mal: „Der Gipfel des Ruhms ist, wenn man seinen Namen überall findet, nur nicht im Telefonbuch.“  Eigentlich wollen wir das ja auch, ich meine mehr und mehr Likes. Wer im Internet nicht zu finden ist, erweckt den Verdacht, er habe gar nicht existiert. Deshalb kann jeder unsere monatlichen Stammtischgespräche im Internet nachlesen. Wahrscheinlich sind wir auch schon Teil des KI-Weltwissens geworden. Wer weiß, was die geheimen KI-Nutzer schon an Psychogrammen von uns erstellt haben. Wenn wir zu viel über sie meckern, werden sie sich vielleicht später rächen und uns auf eine No-Fly Liste setzen. Dann ist Sense mit dem schönen Urlaub im Ausland.

  • Ingo, ich stelle fest, du hast dir eine sehr pessimistische Weltsicht zugelegt. Hast du denn über­haupt nichts Positives zu berichten?

Verschweige, was du tun willst. So kommt dir niemand dazwischen.“ - alte Lebensweisheit meines Opas. Das ist ja das Gute am Internet: Du kommst mit Leuten zusammen und mußt doch keinen ausgeben. Daher habe ich dem Netz in den vergangenen fünf Jahren nie verraten, wo wir welche Biersorte trinken! Die Lösung kennen nur drei Leute.

Herr Wirt, bitte wieder zwei Bier, wie immer ohne Aufsehen.

  • Ja dann: Prost auf unser geheimes Kneipenprofil. Und hoffen wir, dass uns irgendeine Künstliche Intelligenz künftig nicht aus vermeintlicher Fürsorge vor diesem Genuss beschützen will.

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von Ingo Nöhr

Die Roboter-Invasion

Ingo Nöhr zum 1. Februar 2023: (Remake vom August 2017)

In der heutigen Runde bemühen sich die pensionierten Krankenhausrecken Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp, mit der digitalen Gesellschaft klarzukommen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass beide die meiste Zeit ihres Berufslebens mit Wählscheibentelefonen verbracht haben.

Na Jupp, du siehst wieder so aus, als hättest du ein verstörendes Erlebnis gehabt. Ist zu Hause alles in Ordnung?

  • Also, Ingo. Wie soll ich sagen - ja und nein. Ich wollte meiner Familie eine Freude machen. Und meine Frau von der Hausarbeit entlasten. Da haben die Kinder und ich zusammengelegt und ihr zum Geburtstag einen Putzroboter geschenkt.

Du meinst, so einen kleinen runden Kasten, der ständig durch die Wohnung fährt und dabei den ganzen Schmutz aufsaugt?

  • Ja, genauso einen. Das lief anfangs auch ganz toll. Wir haben alle staunend dagesessen und ihm bei seinen Touren zugeschaut. Er hat ordentlich geputzt, vor allem nachts. Meine Frau war ganz begeistert und hat sich zu Weihnachten gleich einen Fensterputzroboter gewünscht. Und für mich sollte dann wohl auch ein Roboter zum Rasenmähen abfallen.

Also Jupp, das hört sich ja so an, als würden jetzt die Roboter in Kompaniestärke in dein Haus einziehen. Wann fährt dich denn dein Roboterauto spazieren?

  • Na, das wird jetzt alles noch etwas dauern. Wegen diesem blöden Putzroboter hängt bei uns der Haussegen schief. Dabei ist das alles nur diese Klatschtante in Schuld, die uns letzte Woche mit ihrem frischgeworfenen Welpen besucht hat.

Wie kommt das denn? Der Hund hat ja wohl den Blechheini nicht gefressen oder war es eher umgekehrt? Der Kläffer liegt jetzt wohl im Mülleimer?

  • Nein, noch viel schlimmer. Als die beiden Damen so in ihrem Gespräch vertieft waren, hat die Töle ihre Notdurft unbemerkt in einer versteckten Ecke verrichtet. Und unser blöder Putzroboter hat in der Nacht die Kacke in der gesamten Wohnung verteilt. Kannst du dir das bildlich vorstellen? Drei Tage lang hatten wir Großreinigung. Und zwar per Hand mit Putzeimer und Scheuerlappen. Den stinkenden Roboter habe ich erstmal im Garten abgestellt.

Vielleicht ganz gut so, Jupp. Es gab vor kurzem Gerüchte in der Branche, dass ein Hersteller von Staubsaugroboter die gesammelten Daten aus den Wohnungen der Kunden an Amazon, Apple oder Google verkaufen will. Seine Topmodelle fertigen nämlich Karten über die Räume an, wo etwa Sofas und Schränke stehen. Angeblich können sie dadurch im vernetzten Zuhause Soundsysteme, Klimaanlagen und Beleuchtung optimieren. Smart Home lässt grüßen.

  • Ingo, das ist doch nicht schlecht, wenn der Roboter meine Wohnung kennt. Dann kann er viel gezielter reinigen und haut nicht immer gegen die Tische. Da fehlt nur noch ein Geruchssensor, der rechtzeitig die Hundekacke entdeckt. Und ein Einbrechersensor wäre auch nicht schlecht. Er könnte dann ein wüstes Hundegebell oder Löwengebrüll ausstoßen und nebenbei die Polizei anrufen.

Ach was, Einbrecher fängt doch schon dein digitales Überwachungssystem. Ich würde deinen Putzfuzzi nachts vor den Kühlschrank Wache schieben lassen. Vielleicht kriegst du dann raus, wer sich heimlich immer an deinen Spirituosen bedient. Denke doch noch weiter, Jupp. Dein Putzroboter könnte aus den gesammelten Haaren und Hautschuppen DNA-Analysen anfertigen. Stell dir vor, er würde plötzlich Tumorzellen entdecken! Vielleicht findet er nebenbei noch heraus, dass das Besucherkind nicht vom Familienvater abstammt. Wäre doch spannend, oder? Und aus den herabfallenden Krümeln vom Esstisch kann er auf eure Ernährungsgewohnheiten schließen und ein paar Ernährungstipps aussprechen. 

  • Die Gesundheitskontrolle soll doch demnächst meine Bio-Tracer-Toilette übernehmen. Nach jedem Stuhlgang erhalte ich sofort auf meinem Smartphone eine Analyse meines Stoffwechsels. Die ist dann gleich mit meiner Fitness-App verlinkt. So bekomme ich täglich ein ärztliches Bulletin über meinen Gesundheitszustand.

Ich glaube es nicht: ein Lokus 4.0! Wenn das Klo in deinem Urin noch Alkoholspuren von der Feier des vorherigen Abends findet, kann es ja gleich den Funkschlüssel für dein Auto sperren, damit du nicht einfach losfahren kannst. Und wenn sich dein Schnapskonsum über mehrere Tage oder Wochen hinzieht, meldet dich dein Smart-Klo gleich bei den Anonymen Alkoholikern an. Hast du in deinen Brandmeldern auch schon Sensoren für Zigarettenkonsum eingebaut, welche bei Bedarf beim nächsten Kiosk gleich eine neue Stange bestellen?

  • Ingo, du übertreibst mal wieder maßlos. Wir kommen nicht drum herum - wir müssen uns der digitalen Revolution stellen. Sonst überrollt sie uns. Und so ein vernetztes Haus ist doch eine tolle Sache. Du sparst Energie, dein Haushalt arbeitet optimiert und du musst dich um viele Sachen nicht mehr kümmern. Wie die ersten Waschmaschinen, Geschirrspüler, Heimcomputer und Digitalkameras auf den Markt kamen – wie viele Leute haben da geglaubt: so was brauchen wir nicht. Und jetzt ist das eine Selbstverständlichkeit. Glaub mir, in ein paar Jahren ziehen auch bei dir ein paar Roboter ein. Und du wirst sie dann nicht mehr missen wollen.

Jupp, das mag ja sein. Aber im Schlepptau schleichen sich dann auch die Hacker in mein Haus. Erst kürzlich haben die ein amerikanisches Kasino attackiert, indem sie über ein Fischaquarium in deren Netzwerk eingedrungen sind. Die Kasinoleute hatten über Internet den Tank temperiert und die Fische automatisch gefüttert. Letztes Jahr hat das Mirai-Botnet die Kontrolle über intelligente Heimgeräte auf der ganzen Welt übernommen und in Zombie-Maschinen für Netzattacken verwandelt. Und vor ein paar Tagen hat die deutsche Regierung den Einsatz des Bundestrojaners auf allen privaten Geräten beschlossen. Da freuen sich die Hacker wieder über die offenen IT-Türen der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden.

  • Ingo, als alter Optimist, wie kannst du das alles so schwarzsehen? Die digitale Überwachung soll uns doch vor Kriminellen und Terroristen schützen. Wir müssen denen technisch voraus sein, sonst haben wir gegen das organisierte Verbrechen keine Chance mehr.

Also, mein lieber Jupp, schau dir doch mal die Terrorangriffe der letzten Jahre an. Kaum einer konnte durch die Überwachung verhindert werden. Vielmehr waren alle Terroristen einschlägig als Gefährder bekannt, wurden oft sogar überwacht und produzierten haufenweise Warnsignale. Möglich waren diese Fälle durch ein Versagen der Sicherheitsbehörden. Jetzt haben wir die Skandale in der Automobilindustrie: Abgasbetrug und Kartellbildung. Die deutschen und die europäischen Verantwortlichen, insbesondere unser Verkehrsminister Dobrindt, haben jahrelang die Augen zugemacht. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat sogar extra einen Prüfbericht über die Porsche-Abschalteinrichtung geschönt.  Als Optimist bin ich froh, dass noch frühzeitig genug die dunklen Seiten der Digitalisierung zum Vorschein kommen. Unsere Aufsichtsbehörden sind heillos überfordert.

  • Da magst du ja recht haben, Ingo. Aber die Künstliche Intelligenz mit ihren selbstlernenden Maschinen wird uns bald viele Probleme lösen können. Denke nur an das Autofahren. Mit den Roboterautos wird es kaum noch Unfälle geben.

In einem hast du recht, Jupp: die KI wird bald unseren Alltag bestimmen. Sascha Lobo hat prophezeit, dass wir in fünf Jahren die Hälfte des Tages tun und lassen, was uns eine Maschine vorschreibt. Das wird auf drei verschiedene Arten geschehen: freiwillig, weil es uns richtig erscheint. Unfreiwillig, weil es für uns nicht anders geht. Und drittens unwissentlich. Uns droht die maschinelle Bevormundung.

  • Also Ingo, eins weiß ich sicher: meine Frau lässt sich von nichts und niemanden bevormunden. Gnade dem Roboter, der nicht spurt oder ihr widerspricht. Der landet gleich in der Schrottpresse.

So einfach ist das nicht, Jupp. Das Schlimme ist, dass die lernenden Maschinen von uns Menschen programmiert werden. Sie übernehmen damit ohne ein eigenes Wertgefühl unsere negativen Eigenschaften und könnten dadurch egoistisch, aggressiv und rassistisch handeln.  Und wenn die KI sich erstmal eigenständig weiterentwickelt, wird die daraus entstehende Superintelligenz uns Menschen wie armselige, dumme Ameisen betrachten, die in der Welt nur Unheil anrichten. Die Vorboten sind schon da und heißen: Alexa, Cortana und Siri. Ihre Nachfolger werden bald als persönliche Assistenten in unsere Familien einziehen und unsere Kinder betreuen.

  • Schlimme Aussichten, Ingo. Jetzt bist du ja zum extremen Pessimisten mutiert. Stell dir vor, Alexa würde bei unseren Gesprächen mit am Tisch sitzen und mitquasseln. Und dabei alles simultan an die amerikanischen Geheimdienste übermitteln. Da könnten wir ja gar nicht mehr meckern. Die lässt sich auch mit viel Bier nicht betäuben.

Gutes Stichwort, Jupp. Wir brauchen wieder ein analoges Elixier. Herr Wirt, zwei Bier bitte. Wir wollen auf das gute alte Handwerk trinken, solange es noch existiert. Prost!

 

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von Ingo Nöhr

Versetzung von Beamten ins ANZ

 

Der Anlass diesmal: die Internationale Grüne Woche findet vom 20.-29. Januar 2023 in Berlin statt. Vor zehn Jahren machte Jupp bei seinem Besuch der Messe eine interessante Erfahrung, die zu einer revolutionären Idee führte, die bei einer konsequenten Umsetzung mit einem Schlag das Leben in unserem bürokratischen Staat erträglicher gestaltet hätte.

Das Amt für Nichtzuständigkeiten (ANZ)

01.02.2013 09:00 von Ingo Nöhr

Vor kurzem traf ich Jupp vor seiner Garageneinfahrt. Er schleppte schwere Plastik­taschen ins Haus. „Na, Großeinkauf gemacht.“ – „Nein, der steht mir noch bevor. Dies sind erst die Vorbereitungen“ keuchte er.

Neugierig geworden half ich ihm beim Tragen. Erst jetzt erkannte ich, dass er keine Lebensmittel, sondern nur Prospektmaterial in seine Tüten gepackt hatte.

„Mensch, Jupp, was hast du gemacht? Du bist ja komplett ausgepumpt!“

  • „Ich war... – Grüne Woche Berlin – 25 Hallen - Gefühlte 42 Kilometer – Recherchen – Lebens.. mittel.. qualität.“

Ich ließ ihn erstmal zur Puste kommen. Bei einem starken Kaffee erhielt ich weitere Informationen. Auf der Grünen Woche hatte er Dutzende von Experten interviewt, hauptsächlich zum Thema Nudelqualität. Bei der Sonderschau des Bundesministe­riums für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz hat anscheinend der Frust vollends zugeschlagen.

„Lebensmittelsicherheit in Deutschland – ein Labyrinth. Fragst du einen Lebensmittel­experten nach Hühnerfleisch, ist er nicht zuständig. Er ist nur Spezialist für Pflanzenbehandlungsmittelrückstände im deutschen Brotgetreide, von Hühnern hat er keine Ahnung. Dafür ist ein anderer zuständig.“

  • „Aber wir haben doch extra ein Ministerium für Ernährung, das sollte doch in der Lage sein, die Menge an Informationen über die EU-Verordnungen und Richtlinien sowie die Tausenden von Normen irgendwie zu koordinieren“ wagte ich möglicher­weise etwas zu naiv einzuwerfen.

„Der Bund hat vor vier Jahren ein Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebens­mittel gegründet. Schöne Sache, aber wenn du etwas über Fleisch wissen willst, musst du zur Zweigstelle nach Kulmbach. Für Getreide ist Detmold zuständig, für Milch und Fisch Kiel und bei Obst und Gemüse musst du nach Karlsruhe reisen.“

  • „Aha, lasse mich raten. Die häufigste Antwort auf deine Fragen war: Dafür sind wir nicht zuständig. Alles behördliche Spezialisten. Das kenne ich auch von anderen Ämtern.“ Jupp hatte mein Mitgefühl, nachdem ich mir schon bei vielen Ange­legenheiten behördlicherseits die Füße wundgelaufen hatte.

„Alles ist bei uns überbürokratisiert. Der Staat muss endlich etwas dagegen unternehmen. Wir brauchen dringend ein Amt für Nichtzuständigkeiten.“

  • „Wie, noch ein Amt? Das gibt ja noch mehr Bürokratie.“ Mir leuchtete die Idee noch nicht ein. „Und Nichtzuständigkeit - was soll das sein?“

„Das ist doch ganz einfach. Das ist eine Behörde, die für alles dann automatisch zuständig ist, wenn sich andere Ämter für nicht zuständig erklären. Sozusagen ein Rettungsamt, wenn du durch den Dschungel der Bürokratie irrst. Du suchst nicht mehr weiter, sondern gehst gleich zum Amt für Nichtzuständigkeiten. Die werden dann dein Problem zu lösen, indem sie den zuständigen Sachbearbeiter ausfindig machen.“

  • „Tolle Idee. Aber dafür brauchst du doch wieder ein Riesen-Beamtenheer. Überleg doch mal, wo sich überall die Beamten für nichtzuständig erklären können.“

Auch hier hatte Jupp gleich eine Problemlösung parat: „Warum, Beamte haben wir doch genug. Gerade wurde vor drei Monaten die ZEP in Berlin aufgelöst. Die ist genau richtig für diese Aufgabe.“

Ich kannte zwar zappen und zippen, aber von ZEP hatte ich noch nichts gehört.

  • „ZEP ist das Zentrale Personalüberhangmanagement, ein Beamtenpool mit Tausenden von Beamten, die mit dem Arbeitsplatzvermerk „kw - kann wegfallen“ nicht mehr gebraucht wurden. Die hat der Berliner Finanzsenator gegründet. Nun muss er nach einem Gerichtsbeschluss diese Stelle bis 2013 wieder auflösen. Und wie macht er das?“

Jupp schaute mich herausfordernd an. Ich hatte keine Ahnung, wie man eine Behörde auflöst. Hat es so etwas überhaupt schon mal gegeben? Sonst gründet man doch immer neue Behörden und vergisst die alten. Wofür haben wir denn noch eine Bundesmonopolverwaltung für Branntwein oder ein Bundesjazzorchester? Die folgende Antwort von Jupp gab mir aber den Glauben an das Parkinson’sche Gesetz wieder.

  • „Ganz einfach und genial: Man macht aus ZEP ein EZEP. Ich zitiere: Aufgabe des Ehemaligen Zentralen Personalüberhangmanagements (EZeP) ist die Abwicklung des früheren Zentralen Personalüberhangmanagements (Stellenpool) und die Versetzung der ihm unterstellten Personalüberhangkräfte nach Maßgabe der gesetz­lichen Bestimmungen.Jetzt brauchen wir einfach nur die ehemaligen ZEP-Beamten mittels EZEP ins ANZ versetzen.“

Jupp musste meinen fragenden Blick bemerkt haben, denn er setzte gleich fort: „ANZ - na, das ist mein Amt für Nichtzuständigkeiten. Davon rede ich doch die ganze Zeit. Damit hätte ich mir heute eine Menge Zeit einsparen können.“

 

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Die Wiederholung ist die Mutter – nicht bloß des Studierens, auch der Bildung.

Jean Paul

 

In der Wiederholung liegt die Vertiefung!

Carsten K. Rath                                                                                (nach gutzitiert.de)

 

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von Ingo Nöhr

Party auf der Titanic

Ingo Nöhr zum 1. Dezember 2022 (zum letzten Mal)

Am 1. Dezember wird seit über 30 Jahren der Welt-Aids-Tag gefeiert.  Eine Pandemie, die schon ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Warum eigentlich? Jedes Jahr verzeichnet die WHO über eine Million Neuinfektionen. Täglich! Exakt die gleiche Größenordnung haben wir zurzeit global auch bei den Corona-Neuinfektionen – 1 Million pro Tag. Bei beiden Pandemien ist noch eine mehrfache Dunkelziffer zu addieren. Man gewöhnt sich anscheinend an alles mit der Zeit.

Allmählich tritt die Erkenntnis zu Tage (besonders herausgehoben durch den neuen Untermieter, Jupps flüchtigen Ex-Nachbar, genannt Oleks), dass man anfangs bei den Covid-19 Maßnahmen etwas heftig überreagiert hat, (in Bayern mit der Ausgangssperre Ende März 2020 sogar verfassungswidrig). Auch der Ethikrat übt reichlich spät ein bisschen Selbstkritik, weil er damals die Kinder und Jugendlichen „vergessen“ hat. Aber wie schon Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn vorausschauend erklärte: „Wir werden einander viel verzeihen müssen“.

Wie geht es den beiden Krankenhaus-Pensionären Ingo und Jupp, die sich zum Selbstschutz von den täglichen Medienmeldungen abgeklemmt hatten? Halten sie die Nachrichtensperre angesichts der laufenden Fußball-Weltmeisterschaft auch durch? (Schließlich hatten sie ja die letzten WMs von Mai bis August 2014 mit vielen Kommentaren und Vorschlägen begleitet). Nun wiederholt sich die Pleite im Juli 2018 und die Deutschen scheiden erneut in der Vorrunde aus. Was für eine Blamage!

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Hallo Jupp, wie weit hast du denn deinen Atombunker schon fertiggestellt? Mich interessiert mal, wie du den kalten Winter überstehen willst. Holst du dir ein paar Pelztiere zum Aufwärmen in die Höhle?

  • Ach Ingo, da spricht doch der pure Neid aus deinen Worten. Natürlich werde ich alle Technologien für erneuerbare Energien nutzen, also Photovoltaik, Windenergie und Wärmepumpe. Wenn du beim nächsten Blackout im Dunkeln vor dich hinbibberst, darfst du gerne zu mir reingekrochen kommen. Hast du denn schon vergessen, dass im November 2005 im Münsterland nach einem Schneesturm eine Viertel Million Menschen vier bis sechs Tage ohne Strom auskommen mussten?

Nein, Jupp, ich weiß das noch sehr genau, weil Verwandtschaft von mir auch betroffen war. Ich rechne sogar damit, dass Hacker unser Stromnetz angreifen könnten. Oder dass die komplexe Regelung der Energieverteilung mal kurzfristig zusammenbricht. Aber dafür habe ich Pullover, Mäntel, Decken, viel Wasser, Schwarzbrot in Dosen und eine große Salami im Haus. Deswegen buddele ich doch nicht meinen schönen Garten um.

  • Übertreibe mal nicht, Ingo. Wenn Oleks mit seinen ganzen Bauarbeiten fertig ist, kann ich ja auch so einen schönen Therapiegarten wie bei dir anlegen. Aber dann zahle ich kaum noch Strom- und Heizkosten. Ich muss mir aber überlegen, wie ich Oleks danach noch weiterbeschäftige. Einen Atombunker mit meterdicken Betonwänden möchte ich auch nicht im Garten haben.

Ich wüsste schon etwas, Jupp: Werde Selbstversorger mit Obst- und Gemüseanbau. Da hat man fast ganzjährig zu tun. Du wirst deine eigene Biokost zu schätzen wissen, wenn du einen Blick in die letzten Testergebnisse und Rückrufe von Lebensmitteln wirfst. Schaff dir noch ein Schaf an, dann hast du Milch, Wolle und Dünger – und nebenbei brauchst du deinen Rasen nicht mehr zu mähen. Und wenn es ganz schlimm kommt, hast du noch für ein paar Wochen genug Fleisch zum Essen.

  • Natürlich, Ingo, so machen wir das – und du kommst dann und schlachtest und zerlegst mir dann mein Schaf in seine Einzelteile, ja? Das möchte ich sehen! Aber können wir jetzt mal das Thema wechseln, bitte? Wir haben schließlich wieder eine Fußball-WM zu diskutieren.

Nun gut, Jupp, aber fang jetzt bitte nicht an mit der bösen FIFA-Mafia, der wir für die Übertragung der Spiele 214 Millionen Euro an Gebührengeldern überwiesen haben, dem schrecklichen Austragungsort Katar mit seinem Bierverbot und der deutschen Nationalmannschaft, die morgen beschämt nach Hause fahren muss. Ich möchte lieber mal die gesellschaftlichen Tendenzen mit dir diskutieren, die sich da im Hintergrund abzeichnen.

  • Was meinst du damit? Gesellschaftlich haben wir am 2. Dezember schon nichts mehr zu feiern, sondern lecken gemeinschaftlich unsere Wunden.

Da haben auch unsere Regenbogenfarben nicht geholfen. Überhaupt, ist dir aufgefallen, wie störend unsere moralischen Zeigefinger bei den nichtwestlichen Völkern angekommen sind? Bis zur Lächerlichkeit. Unsere Scheinheiligkeit ist doch offenkundig: menschenunwürdige Behandlung der Gastarbeiter durch die Katarer? Wie haben wir denn die Rumänen bei den Fleischfabriken untergebracht? Unterdrückung der Frauen im Islam? Was sagt denn unser christliches Abendland zur gerechten Bezahlung von gleichwertiger Frauenarbeit? Wie sehr werden unsere Frauen durch die katholische Kirche diskriminiert?

  • Du meinst also, wir sind auch nicht viel besser?

Wir sehen doch die Welt mit eurozentrischen Augen. Unsere Kritik wird von der arabischen Seite als bevormundend, respektlos und moralisierend empfunden. Nimm das Verbot homosexueller Beziehungen: LGBTQ ist nicht akzeptabel? Aber 122 Jahre war gemäß § 175 die Homosexualität in Deutschland strafbar, erst 1994 wurde der Paragraf ersatzlos gestrichen, nachdem in über 100.000 Fällen Strafverfahren eingeleitet worden waren. Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP erklärte der Bundestag erst 2002 alle Verurteilungen während des Dritten Reiches für nichtig. Und Entschädigung für die Betroffenen gibt es erst seit 2017. Wir sollten da besser ganz leise auftreten.  

  • Ingo, ich verstehe langsam, was du sagen willst. Wir Europäer verlieren zunehmend an Bedeutung, wie FIFA-Präsident Gianni Infantino uns kürzlich spüren ließ. Die asiatischen und afrikanischen Länder werden hofiert, sind zunehmend in der Mehrheit und sind meistens nicht als glühende Demokratien bekannt. Zudem ist der Westen durch seine Konsumgier hauptsächlich für die Klimakatastrophe verantwortlich und soll nun den Schaden bezahlen.

Die Araber haben ein schönes Sprichwort: „Das Herz des Unverständigen ist in seinem Munde. Die Zunge des Verständigen ist in seinem Herzen.“ Wir reden also zu viel von Dingen, die wir nicht verstehen. Das werde ich mir zu Herzen nehmen. Ich fühle mich als Passagier auf der angeblich unsinkbaren Titanic, nachdem sie gerade den Eisberg gerammt hat. Oben auf dem Deck spielt weiterhin die Kapelle, die Reichen in der ersten Klasse holen sich Eisbrocken für ihren Whiskey. Unter Deck brechen in der zweiten Klasse die ersten Krawalle aus. Und die Ärmsten im untersten Deck kämpfen gerade gegen die einbrechenden Fluten an.

  • Schreckliches Bild, Ingo. Heutzutage würden die Reichen schnell ihre Yachten herbeiordern und sich mit dem Hubschrauber ausfliegen lassen. Und was würdest du als Beobachter machen?

Ich würde mich wie die letzte Generation mit Sekundenkleber an einen Reichen kleben. Nach seinem Landgang würde ich mir vor Ort ein Hausboot kaufen und gemütlich bei einem Bier auf den Untergang warten, während du dich in deinem Gartenbunker verkrochen hast.

  • Also Ingo, dass ich das noch mal erleben darf! Du hast dich von einem Optimisten zu einem Pessimisten verwandelt, denn anscheinend erwartest du keinen Phönix-Vogel mehr, der aus der Asche zum Neubeginn aufsteigt. Worüber sollen wir dann eigentlich noch streiten? Angesichts einer drohenden Überschwemmung zu Hause überlege ich gerade, ob ich nicht besser auch zu dir ins Hausboot kommen sollte.

Jupp, du bist herzlich willkommen. Bring uns auch noch die große Salami mit. Ich besorge derweil das Bier. Dann feiern wir die „letzte Generation“, aber ohne Festkleberei. Und lachen nebenbei über die Dummheit der Menschen. Wie sagte schon der selige Charlie Chaplin: „Wer das Leben zu ernst nimmt, braucht eine Menge Humor, um es zu überstehen.“

E N D E

Anmerkung: Mit diesen Worten endet auch meine Pflicht als Chronist der beiden Zeitgenossen, nachdem ich über zehn Jahre ihre Gespräche wortgetreu aufgezeichnet habe. Gönnen wir ihnen die besinnliche Ruhe. Vielleicht schmilzt der Eisberg ja vorher schneller ab, als die Titanic ihn erreichen kann. Wer weiß denn schon, was die Zukunft bringt?

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Narrheit

Den Narren erkennst Du an sechs Zeichen: Furcht ohne Grund, Rede ohne Nutzen, Wechsel ohne Fortschritt, Frage ohne Ziel, Vertrauen zu Fremden und Freundschaft mit seinem Feind.

(Arabisches Sprichwort)

 

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von Ingo Nöhr

Bei Weltuntergang ab in den Garten

Ingo Nöhr zum 1. November 2022

Wie gut, dass die beiden Kumpels Ingo und Jupp nicht mehr die aktuellen Nachrichten in geballter Form mitbekommen. Das Ost-West-Gefüge der Welt gerät ins Wanken, China und Indien wollen mitspielen. Europa muss sich mit unfreundlichen Mitgliedern in Ungarn und Italien herumschlagen. Die Ampel-Koalition gerät zunehmend ins Schlingern.

Die Krisen halten sich nicht an einer beherrschbaren Reihenfolge, sondern kommen gleichzeitig: aus Russland, Ukraine, China, Taiwan, Afrika, Syrien und von Politikern wie Meloni, Trump, Bolsonaro, Erdogan, Orban, dazu noch lauernde Unholde wie Inflation, Demo­grafie, Corona-Viren, Klimawandel und Cyberkriminalität. Das ist zu viel für einen nachdenklichen Menschen. Ingo hat ein Gegenmittel gefunden.

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Guten Morgen, Jupp. Wir geht es dir mit deinen Büchern? Liest dein Ex-Nachbar auch mit? Man sagt doch, alle guten Worte dieser Welt stehen in Büchern.

  • Ach Ingo, das mag ja sein. Abends bin ich einfach zu geschafft, um noch in die Bücher hineinzuschauen. Wir kommen durch die Bauarbeiten gar nicht mehr zum Lesen.

Das ist schade. Dabei könntest du dich spätabends wenigstens bei den wundervollen Dokumentationen von 3Sat und Arte weiterbilden und dabei entspannen. Ich zitiere mal Heinrich Heine: „Von allen Welten, die der Mensch erfunden hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.“ Dein Ex-Nachbar hätte doch eine bessere Welt kennenlernen können, als ihm in den Fake-News vorgegaukelt wird. Du solltest ihm aber möglichst keinen Zugang zu dystopischen SF-Romanen oder den Tagesprogrammen im Fernsehen ermöglichen, sonst dreht er noch weiter durch.

  • Oleksandr, so nenne ich ihn jetzt mit seinem ukrainischen Namen, den er sich bei der Flucht aus Schweden illegal zugelegt hat, ist auch ohne Lesen voll in seinem Element. Als erstes hat er mir im Keller ein Gästezimmer eingerichtet, demnächst kommt noch eine Dusche und Toilette hinzu.

Aha. Schön mit meterdicken Betonwänden, Dekontaminationsraum, Luftreinigungsanlage und explosionssicheren Stahltüren? Darf ich im Ernstfall dann auch mit rein?

  • Ach Ingo, natürlich lass ich dich nicht im Stich. Aber da musst du wohl erst noch ein paar Jahre warten. Der Ausbau zum Atombunker kommt erst später. Bei über 10 Prozent Inflation können wir uns das erforderliche Baumaterial einfach nicht leisten. Jetzt bauen wir erst mal meine Anliegerwohnung fertig. Das ist eine klare Win-Win-Situation. Olek hat im Winter eine warme Unterkunft und kommt vor lauter Arbeit nicht auf dumme Gedanken. Ich kann später meine Rente mit zusätzlichen Mieteinahmen aufstocken, und tue damit etwas Sinnvolles gegen die grassierende Wohnungsnot.

Was machst du denn mit deinem Olek, wenn der Kellerausbau fertig ist. Er müsste doch längst in Panik geraten sein, angesichts der aktuellen Bedrohungen durch Putins Atombomben. Jetzt ist sogar eine schmutzige Bombe im Gespräch.

  • Ja, das macht uns natürlich nachdenklich. Die Weltuntergangsuhr ist auf 100 Sekunden vor 12 gesprungen. Ach, du kennst nur die Schuldenuhr? Jährlich im Januar bestimmen führende Wissenschaftler die Gefahr, dass sich die Menschheit mit Atomwaffen oder dem Klimawandel selber auslöscht. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde die Uhr auf 17 Minuten vor Mitternacht zurückgestellt. Seitdem rückt sie der 12 immer näher. Für 2023 werden sie wohl schon die Einheit Millisekunden einführen müssen.

Die Schuldenuhr vom Bund der Steuerzahler ist auch schon alarmierend genug. Heute zeigt sie einen Schuldenberg von 2.461 Milliarden Euro mit einem Zuwachs von 11.240 Euro pro Sekunde an. Für jeden Bundesbürger bedeutet das 29.270 Euro pro Kopf. Das ist aber sicherlich nicht beunruhigend, denn laut Bundesbank besitzt jeder Haushalt ein Nettovermögen von 232.800 Euro. Das können wir ja locker stemmen, nicht wahr? Hast du dein zugehöriges Vermögen schon entdeckt, Jupp?

  • Ja ja, Ingo, du willst mich mit deiner Statistik für dumm verkaufen. Wenn ich die linke Hand in Eiswasser halte und die rechte in 70 Grad heißes Wasser, dann habe ich im Durchschnitt angenehme 35 Grad. Klar. Knapp 26.300 Deutschen verdienen jährlich mindestens 1 Million Euro. Und 1 Prozent der Haushalte sitzt auf 27 Prozent des deutschen Gesamtvermögens. 13,8 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Angaben des Paritätischen Gesamtverbandes von Armut betroffen. So viele wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Fast jedes fünfte Kind wächst demnach in Armut auf. Die werden wohl kaum ihre 30.000 Euro Staatsschulden abbezahlen können. Und mit deinen Mittelwerten brauchst du mir erst gar nicht kommen.

Na ja, bei 10 Prozent Inflation schmilzt der Schuldenberg schon von allein. Aber mal zurück zum Weltuntergang, sei es durch Meteoriten-Einschlag, neue Pandemien, Atomkrieg oder Klimakatastrophe. Wie sieht denn jetzt eure Strategie aus, Oleks und deine?

  • Wir haben einen Kompromiss geschlossen, nachdem mich Olek in einigen Punkten überzeugt hat. Sieh mal, was so in letzter Zeit alles passiert: Stromausfälle, leere Regale in den Supermärkten, schlechte Ernten, neue Corona-Varianten, Energieknappheit, kaputte Verkehrsinfrastruktur, Personalmangel allerorten und zudem eine völlig überforderte Politik samt ihren Behörden. Aber eine wenigstens spricht es klar aus: das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Sie empfiehlt einen Notvorrat anzulegen: Essen und Trinken für 10 Tage, mindestens 20 Liter pro Person, Rezepte für Kochen ohne Strom sammeln, und vieles mehr.

Oh Jupp, ich seh‘ dich schon Feuerholz im Wald sammeln und anschließend mit deinem Olek um ein Lagerfeuer sitzen und einen erlegten Feldhasen verspeisen. Der Standort ist aber als Schutz gegen Bomben oder Meteoriten nicht gerade ideal.

  • Da gebe ich dir Recht, Ingo. Daher wird Olek demnächst in meinem Garten einen Erdbunker ausheben. Die Anleitung dazu hat er im Internet unter https://de.wikihow.com/Einen-Atombunker-bauen gefunden. Mit zwei Ausgängen und Toilette sogar, aber alles sehr preisgünstig. Da packe ich dann unsere Notrationen rein. Wenn du möchtest, kaufe ich eine Portion für dich mit ein. Oder du buddelst dir am besten selbst einen Gartenbunker. Vielleicht kann Olek dann noch einen Verbindungstunnel zu uns bauen.

Also, sag mal, Jupp – du willst wirklich deinen schönen Garten zerstören? Das kommt bei mir überhaupt nicht in Frage. Zwar werde ich meinen Garten bis zum Sommer umbauen, aber nicht so. Ich lese nämlich gerade ein Buch über Gartentherapie von Andreas Niepel. Du glaubst gar nicht, wen man mit einem therapeutischen Garten alles glücklich machen kann: Autisten, Demenzkranke, Depressive, Drogensüchtige, Strafgefangene, Blinde, körperlich und geistig Behinderte, Flüchtlinge – und natürlich Aussteiger mit Burnout wie mich. Da kann ich keinen Atombunker im Beet gebrauchen.

  • So schlimm steht es also schon mit dir, Ingo – du musst in eine Therapie. Wie lange soll die denn dauern? Und nur am Rande bemerkt: Betrachte mal die Vorteile. So ein Erdbunker ist auch ein energiefreier Kühlschrank und zusätzlicher Lagerraum. Dadurch werde ich eine Menge Stromkosten sparen.

Jupp, du hast mich missverstanden. Ich bin nicht krank und meine Lebensqualität ist gewaltig gestiegen, seitdem ich diesen überdrehten Nachrichtenmist nicht mehr an mich herankommen lasse. Mein Garten ist ein Ort der Geborgenheit, des Erinnerns und Erfreuens an der Schönheit der Pflanzen und der Welt der dort lebenden Tiere. Dazu werde ich auch Kräuter, Obst und Gemüse anpflanzen. Ich hole mir das biblische Paradies, den Garten Eden wieder zurück in mein Leben. Allerdings ohne Schlange und leider auch ohne meine verstorbene Eva.

  • Das hört sich ja gut an, Ingo. Vergiss nicht Kartoffeln anzubauen. Und Wein, und Reis und Mangos, wenn das Klima weiterhin so heiß wird. Belieferst du mich im Katastrophenfall dann auch mit frischen Lebensmitteln?

Aber natürlich, Jupp. Und ich gehe sogar noch weiter. Ich lade dich im Frühling zu Gartentherapiesitzungen bei mir ein, damit du deinen Bunkerkoller bekämpfen kannst. Und wenn er sich anständig benimmt, darf Olek auch mitkommen.

  • Mir kommt gerade eine neue Idee. Wenn Olek schon am Ausschachten ist, soll er daneben gleich noch einen kleinen Bierkeller anlegen. Wer weiß denn schon, ob beim Weltuntergang unsere Eckkneipe noch geöffnet hat.

Na dann Prost – auf dass die Apokalypse noch lange auf sich warten lässt.

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Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge,
so würde ich doch heute mein Apfelbäumchen pflanzen.
(Martin Luther (1483-1546), dt. Reformator)

So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist so weit.
(Hoimar von Ditfurth (1921-89), dt. Wissenschaftspublizist)

 

„Gartentherapie ist eine fachliche Maßnahme, bei welcher pflanzen- und gartenorientierte Aktivitäten und Erlebnisse genutzt werden, um zielgerichtet Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt zu unterstützen, mit dem Ziel der Förderung von Lebensqualität und der Erhaltung und Wiederherstellung funktionaler Gesundheit.
Dieses beinhaltet die Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, die Erhaltung und Förderung von selbstbestimmter gesellschaftlicher Teilhabe und Aktivitäten, sowie die fördernde Einwirkung auf den Lebenshintergrund.“
(Aus: Andreas Niepel, Gabriele Vef-Georg – Praxishandbuch Gartentherapie)

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von Ingo Nöhr

Über Gestrandete, Atombunker und die Langsamkeit

Ingo Nöhr zum 1. Oktober 2022

Letzten Monat haben die beiden Krankenhausveteranen geschworen, sich vom Elend der gegenwärtigen Welt abzuwenden und lieber ihr Heil im Studium der Literatur beziehungsweise die Zuflucht im alternativen Landleben zu finden. Sie versprachen sich dadurch ein glücklicheres und erfüllteres Leben als sich ständig von den Katastrophenmeldungen der Medien stimmungsmäßig herunterziehen zu lassen. Ein schöner Plan und es wäre beinahe gut gegangen, … - ja, wenn da nicht wieder dieser querdenkende Ex-Nachbar wäre, der mit seiner Flucht in das gelobte Land Schweden spektakulär gescheitert ist … Und nun in einem Zelt fast vor der Haustür von Jupp campiert.

Guten Morgen Jupp, wie geht es dir? Du schaust etwas miesepetrig aus. Vor einem Monat hattest du doch beschlossen, Kriminologe zu werden – mit tatkräftiger Unterstützung von Father Brown, Hercule Poirot und Miss Marple. Was ist schiefgelaufen?

  • Mein Nachbar ist mir dazwischengekommen – eigentlich beide: der neue Nachbar und mein verrückter Ex-Nachbar.

Ich erinnere mich. Dein Ex-Nachbar war doch auf dem Anticorona-Trip ins gelobte Schweden, wurde dort gleich eingelocht und ist als Ukrainer über Polen in den Vorgarten deines neuen Nachbarn geflüchtet.

  • Ja, mit dem kleinen Unterschied, dass er nach einer wundersamen Transformation als deutscher Rentner hier angekommen ist. Er hatte sich schon häuslich in seinem Campingzelt auf Nachbars Rasen eingerichtet und ihm dafür sein Wohnmobil vermacht.

Warum hast du nun ein Problem damit? Er kann doch jetzt den neuen Besitzer mit seinen lustigen Verschwörungstheorien amüsieren.

  • Ja, aber das klappt wohl nicht mehr. Als der neue Nachbar das Wohnmobil in Malmö abholen wollte, hat er sofort Ärger mit der dortigen Polizei bekommen. Sie bestehen darauf, dass der Fahrzeugbesitzer persönlich zu erscheinen, weil er mittlerweile zur Fahndung ausgeschrieben ist. Und zuhause ohne Wohnmobil, aber mit ausreichend Wut im Bauch, angekommen, hat er meinen alten Nachbar gleich samt Zelt und Krimskrams rausgeschmissen. Und rate mal, wo er jetzt untergekommen ist?

Man schwant, dass er sich dann einen gepflegten Rasen gleich nebenan für seinen neuen Wohnort ausgesucht hat und der gehört augenscheinlich meinem Freund Jupp, richtig?

  • Man könnte meinen, du hast ihn dahingehend beraten. Er hockt also nun in meinem Vorgarten und friert sich fürchterlich einen ab, weil seine ganzen Klamotten noch in Malmö noch im Auto liegen.

Und du als herzensgute Seele hast es nicht übers Herz gebracht, ihn zu deiner Entlastung unseren städtischen Sozialeinrichtungen anzuvertrauen. Wohl, weil er ja steckbrieflich von Schweden gesucht wird. Und als Flüchtlingsukrainer kann er auch nicht mehr auftreten, weil er ja wieder zum deutschen Rentner mutiert ist. Spannende Geschichte, Jupp. Und wie soll es nun weitergehen?

  • Ich weiß es nicht, Ingo. Er tut mir natürlich leid, und ihm ist das alles fürchterlich peinlich. Ich wollte ihn zu seiner Querdenkertruppe schicken, aber die sind wohl auch alle untergetaucht. Aus Dankbarkeit will er jetzt meinen Keller umbauen - kostenlos. Mit Gästezimmer, Bad und Toilette und so. Er meint, da könnte ich später bestimmt gut untervermieten.

Na ja, ein geschickter Handwerker scheint er ja zu sein, wenn man sich sein früheres Haus mal näher anschaut. Und du scheinst nicht ganz glücklich darüber zu sein.

  • Ach Ingo, er will meinen Keller atombombenfest machen, Umbau zu einem Atombunker, verstehst du? Er erzählt mir permanent, dass Putin uns bald mit Atombomben angreifen wird, weil wir ihm die Ukraine und das Baltikum samt Polen nicht überlassen wollen. Im russischen Fernsehen wird wohl schon andauernd darüber debattiert.

Aha, einen Atombunker bei dir zu Hause. Lässt du mich denn im Ernstfall auch rein? Aber … ich weiß gar nicht, ob ich den Rest meiner Tage in einer atomar verseuchten Wüste verbringen will. Da verdampfe ich doch lieber gleich in einem Blitz.

  • Ingo, ich glaube ja auch nicht, dass Putin Atombomben schmeißen wird, aber seine dusseligen Soldaten machen andauernd Kriegsspiele im größten Atommeiler Europas. Wenn der hochgeht, haben wir Tschernobyl und Fukushima auf einmal vor unserer Haustür. Da wird das nichts mit deinem schönen Tod in Mikrosekunden.

Jupp, erzähle deinem Nachbarn doch, dass wir in Deutschland über 2000 öffentliche Atombunker gebaut haben. Und wenn er sich die Katastrophen-App NINA auf seinem Handy installiert, wird er hoffentlich rechtzeitig vor dem Angriff und der nuklearen Verseuchung gewarnt. Auf unsere Sirenen würde ich aber da nicht vertrauen.

  • Ingo, du bist nicht auf dem Laufenden. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sagt, dass der Bund bereits 2007 mit den Ländern das frühere Schutzraumkonzept aufgeben hat. Derzeit gebe es keine funktionstüchtigen öffentlichen Schutzräume Von den 2000 Schutzräume für etwa zwei Millionen Menschen sind inzwischen noch etwa 1000 Anlagen übrig. Die werden aber seit Jahren vom Bund praktisch nicht mehr gewartet und nicht mehr funktionsfähig gehalten.

Na klar. Wir haben den Kalten Krieg durch die Wiedervereinigung beendet und wollten den Marxismus der Sowjetunion durch unseren gefälligen Kapitalismus ersetzen – Wandel durch Handel. Hat einerseits gut geklappt – Putin und seine Oligarchen gehören zu den reichsten Männern der Welt. Aber war das so gemeint?  In der Kremlmauer entstehen schon überall Risse, weil Lenin in seinem Mausoleum immer schneller um seine Achse rotiert.

  • Ja siehste, in Deutschland sind wir überhaupt nicht auf einen Atomschlag vorbereitet, da müssen wir schon rechtzeitig in die Schweiz oder die USA flüchten. Also hilft nur die Privatinitiative. Die BSSD, Bunker Schutzraum Systeme Deutschland bietet als Marktführer für viele Zehntausend Euro die Installation von atomsicheren Schutzräumen in hauseigenen Kellern an. Das Geschäft boomt gewaltig, es gibt schon lange Wartelisten. Und wenn mein Ex-Nachbar mir das umsonst aufbaut, hätte ich doch eine gewaltige Wertsteigerung, oder nicht?

Mag sein. In Wikipedia gibt es noch eine lange Liste militärischer Bunker. Aber bereite deinen Nachbarn darauf vor, dass ungeimpfte Verweigerer wohl schlechte Karten für eine Aufnahme im Schutzbunker haben werden.  

  • Das kennt er sicherlich schon, denn in mein Haus dürfen auch nur geimpfte Leute eintreten. So lange wird er wohl noch in seinem kalten Zelt hocken bleiben müssen. Und seine Alternative: auswandern in ein anderes sicheres Land? Da wird mal wohl junge Leute mit Ausbildung vorziehen und alte Rentner nicht mit offenen Armen aufnehmen wollen.

Wenn er schon so bauwütig ist, kann er sich ja als Soforthilfe für den harten Winter eine kleine Holzhütte um sein Zelt bauen, dann hat er es etwas wärmer.

  • Bloß das nicht, Ingo. Weiß du denn nicht mehr, was für baurechtliche, hygienische und versicherungstechnische Vorschriften für solch eine Errichtung beachtet werden müssen? Nein, ich hoffe vielmehr, dass sich endlich mal einer von seiner alten Verschwörungstruppe meldet und ihn aufnimmt.

Wenn du Pech hast, hocken aber bald noch ein paar weitere Verschwörer auf deinem Rasen, halten dort Mitgliederversammlungen ab und beantragen politisches Asyl.

  • Also Ingo, mir wird schon wieder schlecht. Können wir nicht das Thema wechseln? Wieweit ist denn dein Ausstieg aus der Zivilisation gediehen? Kann ich demnächst mein Obst und Gemüse auf deinem Biobauerhof einkaufen? Strickwolle von deinen Merino-Ziegen? Oder ziehst du dich als Eremit zum Meditieren in eine Höhle zurück?

Mal langsam, Jupp. Erstmal werde ich noch den Winter in meinem Zuhause abwarten. Nichts überstürzen. Ich habe gerade Sten Nadolnys Roman Die Entdeckung der Langsamkeit gelesen. Sein Motto: „Dreimal hinsehen, einmal handeln. Junge Leute begreifen das nicht immer. Langsam und fehlerlos ist besser als schnell und zum letzten Mal.“ Ich habe von ihm gelernt: Nichts kann man voraussagen. Niemand kann begründen, warum alles so und nichts anders geschieht. Stärker als alle Voraussagen sind Zufall und Widerspruch. Und das verschafft mir eine innere Ruhe. Die Futurologen lagen schon immer daneben, wenn sie die gegenwärtige Situation einfach in die Zukunft extrapolieren. Denk an den Schwarzen Schwan von Nassim Nicholas Taleb.

  • Aha, du hast jetzt die Langsamkeit entdeckt. Bedeutet das etwa, wir müssen unsere monatlichen Stammtischgespräche auf zwei bis drei Tage ausdehnen? Oder senden wir uns die Gesprächsfetzen wie die Spielzüge beim Fernschach über Monate per Email zu?

Nein, mein lieber Jupp, so ist es ja nicht. Du siehst, wir können uns im normalen Sprechtempo unterhalten, müssen uns aber nicht die aktuellsten Unglücksbotschaften um die Ohren schlagen. Wir wenden uns vielmehr der zeitlosen Philosophie zu und erheben uns damit über das tägliche Geschrei der Sensationen.

  • Ja, ich merke schon, wir wandeln uns von den Beobachtern zu Denkern. Übrigens habe ich von meinem Gilbert Keith Chesterton mithilfe seines Sherlock Holmes nicht nur viel über die Kriminologie gelernt, sondern auch etwas Philosophisches für den Alltag. Da schmeckt das Bier doch viel besser. Besonders, wenn es mit Langsamkeit über unsere Geschmacksknospen rinnt, aaahh.

Ich stimme dir zu. Dann bestellen wir beim Wirt mal ein in angemessener Ruhe gezapftes Bier, für einen Prost auf unsere glückbringenden Nischen in der chaotischen Welt.

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Gilbert Keith Chesterton (1874–1936):

Unter all den denkwürdigen Dingen, die wir vergessen haben, ist der universalste und folgenreichste Lapsus der, welcher uns vergessen ließ, dass wir einen Stern bewohnen.

Wir mögen die Himmel erstürmen und neue Sterne ohne Zahl finden: Es gibt immer noch den neuen Stern, den wir nicht gefunden haben - jenen, auf dem wir geboren sind.

Dies ist die riesige moderne Irrlehre: die Menschenseele zu ändern, um sie den Verhältnissen anzupassen, anstatt die Verhältnisse zu ändern, um sie der Menschenseele anzupassen.

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von Ingo Nöhr

Das literarische Duett

Ingo Nöhr zum 1. September 2022

Meldungen über Krisen aller Art füllen bereits das tägliche Leben aus: Inflation, steigende Preise, drohende Energie-Engpässe, Klimakatastrophen, bombardierte Atommeiler, unendliches Kriegsleiden, - und nun auch noch das Ende des beliebten Neun- Euro-Tickets. Die Despoten der Welt wittern wieder Morgenluft, Krieg entwickelt sich zu einem neuen Mittel der Politik und die katholische Kirche vergrault langsam auch ihre letzten Schäfchen.

Gut, dass sich Ingo mit seinem unerschütterlichen Optimismus und seinem Glauben an einem Neuanfang in einer besseren Welt selber immunisiert hat. Und sein Kumpel Jupp? Der hat Ingos Rat beherzigt, konsequent Fernsehen und Internet abgeschaltet und verkriecht sich in die fiktive Welt der Bücher. Dennoch treffen sich beide wieder zu ihrem traditionellen Frühschoppen in ihrer Eckkneipe.

Na Jupp, wie geht es dir heute? Hast du nach Tolstois Krieg und Frieden wieder ein neues Buch gelesen?

Ja, das freut mich aber für dich, Ingo. So ist es richtig: Die echte Lebensweisheit besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen. Und das kann man nur in Ruhe beim Anhalten. Chesterton hat mir auch etwas Beruhigendes mitgeteilt: „Der Mann, der Einklang in Dingen sieht, ist ein gewitzter Kopf. Der Mann, der die Widersprüchlichkeit in Dingen sieht, ist ein Humorist.“ Aber sag mal, was kommt denn als Nächstes, wenn du Father Brown durchgelesen hast? 

  • Oh, mich fasziniert die feine englische Art zu Leben. Ich habe schon eine Warteliste mit Dutzenden Romane und Kurzgeschichten von Agatha Christie angelegt. Ich liebe Hercule Poirot mit seinen kleinen grauen Zellen und Miss Marple, die strickende alte Jungfer. Passender Spruch gefällig? „Ich habe gelernt, dass man nicht umkehren kann, dass das Wesentliche im Leben ist, vorwärtszugehen. Das Leben ist in Wirklichkeit eine Einbahnstraße.”

Aber beim Vorwärtsgehen nicht das Stehenbleiben vergessen, wie Chesterton anmahnt. Du bist also rettungslos ein Krimifan geworden, allerdings der eher höhergeistigen Literatur. Das hört sich für mich nach einem Anti-Demenz-Training an, oder?

  • Sicherlich hält es meine grauen Zellen davon ab, sich allzuschnell zur Ruhe zu setzen. Deswegen schaue ich zwischendrin auch mal bei Sherlock Holmes und seinem Doktor Watson vorbei. Sein Motto: „Kriminalität ist weit verbreitet. Logik ist selten. Daher solltest du dich eher mit der Logik als mit dem Verbrechen befassen.“ Bei ihm finde ich noch die logischen Zusammenhänge, die für mich in der realen Welt nicht mehr auffindbar sind.

Hast du denn überhaupt noch Kontakt zur Wirklichkeit, wenn du dich von allen Nachrichten abschottest?

  • Dummerweise schon, denn seit zwei Wochen ist mein verrückter Nachbar wieder aufgetaucht. Weil er als Aussteiger sein Haus verkauft hat, logiert er jetzt in einem Zelt in seinem ehemaligen Vorgarten.

Wie bitte? Der war doch seit einem halben Jahr mit seinem Wohnmobil auf dem Weg nach Schweden, um den Reptiloiden in der deutschen Regierung zu entkommen. Was ist passiert?

  • Ingo, darüber könntest du ein spannendes Buch schreiben. Ich fasse mich mal kurz: Durch Dänemark ist er noch gut durchgekommen. Auf dem Rastplatz vor der Öresundbrücke hat er dann ein Anhalterpärchen mitgenommen. Auf der schwedischen Seite kam er in eine Grenzkontrolle: seine Mitfahrer hatten keine gültigen Reisepapiere und dummerweise noch reichlich Drogen im Gepäck. Festnahme und Anzeige wegen Menschenschmuggel und Drogenhandel.

Lass mich raten: Bestimmt waren das ebenfalls Impfverweigerer und Querdenker auf der Flucht vor den bösen Illuminaten.

  • Mag sein. Jedenfalls, mein Nachbar ist ja ein cleveres Bürschchen. Er hat spontan einen körperlichen Zusammenbruch simuliert, kam in eine medizinische Einrichtung, ist dort in einem unbewachten Moment abgehauen. Natürlich musste er sein Wohnmobil zurücklassen, er hatte aber noch sein Geld dabei. Im Hafen von Malmö hat er einen Schleuser ausfindig gemacht, der ihn über die Ostsee nach Polen verschifft hat, wo er sich als ukrainischer Flüchtling registrieren ließ. Und auf dem Weg nach Deutschland hat er sich wieder in einen deutschen Rentner verwandelt, schließlich möchte er schon unser soziales Netz mit all seinen Vorzügen genießen. Dem neuen Besitzer seines Hauses hat er sein Wohnmobil vermacht, damit er in seinem Garten kampieren darf. Der muss sich das nur in Malmö abholen.

Mann, Jupp, das ist ja eine irre Story. Und das hat er dir alles erzählt? Der arme Kerl. Jetzt lauert doch gerade der böse Minister Lauterbach mit seinen berüchtigten Herbstregeln zur Bekämpfung des Corona-Killervirus auf ihn.    

  • Im Gegenteil, Ingo, er ist ganz stolz, ein Impfverweigerer zu sein. Dazu hat er mir einen langen Brief eines australischen Schriftstellers vorgelesen: Die Ungeimpften sind die Helden der letzten zwei Jahre. Sie sind die tapferen Menschen mit vielen Kampfspuren, welche die Regierung versucht hat, zu brandmarken und mental zu brechen. Heute ist die harte Wahrheit ans Licht gekommen, dass nichts davon gerechtfertigt war. Den Ungeimpften wurde der Tod gewünscht, dabei waren die meisten Sterbenden vorher geimpft. Jetzt erwarten sie innere Dankbarkeit von der Bevölkerung, denn sie haben Mut und Beharrlichkeit gezeigt, bis die reine Wahrheit über die Impfhysterie ans Licht gekommen ist. Der Krieg gegen die Ungeimpften wurde verloren und wir Verblendeten sollten dafür ewig dankbar sein.

Soso, dann zitiere ich bezüglich der Sterberaten mal das Ärzteblatt vom 4. Februar 2022: „CDC: Geboosterte sterben 97 Mal seltener an COVID-19 - Atlanta – In den USA sterben derzeit täglich 2.500 Menschen an COVID-19. Die meisten sind ungeimpft. Nach neuen Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus vorgestellt wurden, haben Menschen nach einer abgeschlossenen Impfung mit 2 Dosen ein 14-fach geringeres Risiko an COVID-19 zu sterben. Für Geboosterte ist das Risiko sogar um dem Fak­tor 97 geringer.“

  • Ach Ingo, mein lieber Nachbar würde diese Zahlen sofort als Lüge entlarven, weil das CDC komplett von den Demokraten unterwandert ist. Außerdem fühlt er sich durch die natürliche Immunisierung durch die Corona-Viren nahezu unverwundbar.

Du könntest ihm Leo Tolstois Erzählung „Der Tod des Ivan Iljitsch“ schenken. Ich zitiere: „eine dramatische Geschichte, die in einem drei Tage währenden Schmerzensschrei und in einer panisch-verzweifelten Suche nach dem Sinn des Lebens und Sterbens gipfelt, die buchstäblich erst im letzten Augenblick zum Abschluss kommt. Der Leser wird in diese Leidensgeschichte tiefer und tiefer hineingezogen; zunächst bloß ein distanzierter Beobachter, wird er immer mehr ein Mitleidender.“

  • Das Buch würde er nur lesen, wenn es von einem Republikaner verfasst, von Donald Trump empfohlen und Ivan ein Demokrat ist. Aber jetzt mal Butter bei die Fische, mein lieber Ingo: Was machst du denn in der nächsten Zeit? Es gibt ja nirgendwo mehr Anzeichen für deinen überbordenden Optimismus beziehungsweise gute Nachrichten für die Zukunft. 

Das stimmt so nicht, Jupp. Du fällst wieder auf den Information Bias der Medien herein. Gute Nachrichten bringen leider keine Quote, deswegen muss man sie mühsam hinter dem hyperlauten Theaterschirm suchen. Es gibt immer mehr vernünftige Menschen, die unser grenzenloses Wachstum durch permanenten Konsum infrage stellen und alternative Lebensweisen aufbauen. Ich habe auf Bio-Bauernhöfen und in Land-WGs glückliche Menschen gefunden, die mit wenig Mitteln eine nachhaltige Landwirtschaft aufgebaut haben. Dorthin werde ich mich mal einige Zeit zurückziehen und neue Lebensentwürfe studieren. Das fördert meine mentale und psychische Stabilität und öffnet die Augen für echte Werte.

  • Also Ingo! Du willst mich jetzt tatsächlich verlassen und künftig als Ur-Grüner in der Pampa leben? Das kann doch nicht dein Ernst sein? Wie soll ich dann noch mit meinem Nachbarn klarkommen? Mit wem soll ich noch streiten? Wer baut mich wieder auf?

Keine Bange, Ingo. Es gibt ja ein tausend jahrealtes Naturheilmittel, welches wir an jedem Monatsanfang zu uns nehmen. Diese Tradition können wir gerne beibehalten. Und irgendwann kannst du vielleicht unser selbstgebrautes Bier kosten.

Bis dahin – halt die Ohren steif, Jupp und einen Prost auf deine Gesundheit: körperlich und geistig.

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Weine nicht um die Vergangenheit,
   sie ist vorbei.
Stresse dich nicht wegen der Zukunft,
   sie ist noch gar nicht da.
Lebe in der Gegenwart
   und mache sie zu etwas Wunderbarem.

(Verfasser unbekannt) 

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von Ingo Nöhr

Alles Schlechte hat auch sein Gutes - Das Beste aus zehn Jahren

Ingo Nöhr 1.August 2022

Was macht der Mensch, wenn er heutzutage permanent von schlechten Nachrichten überschüttet wird? Er lehnt sich zurück und erinnert sich an die gute alte Zeit, als alles noch viel besser war. Seit nunmehr zehn Jahren wurden die Stammtischgespräche von Ingo und Jupp von einem fleißigen Chronisten lückenlos aufgezeichnet. Mehrere tausend Seiten Protokolle sind da zusammen­gekommen und es lohnt sich, mal in einem kleinen Rückblick ein paar Höhepunkte auszugraben.

Guten Morgen Jupp. Heute haben wir ein historisches Treffen. Mit der 120. Ausgabe unserer Stammtischgespräche können wir ein feines Jubiläum feiern.

  • Stimmt genau, Ingo: 120 Treffen, die es meistens in sich hatten. Ein abgehobener Ingenieur trifft auf einen pragmatischen Techniker, Pessimist gegen Optimisten, wobei ich mich weiterhin zu den Realisten zählen würde. Du erwartest dagegen den Aufbruch nach dem Kollaps unserer Gesellschaft, den sagenhaften Aufstieg des Phönix aus der Asche.

Nun, mein lieber Jupp, eigentlich bin ich nicht so weltfremd wie du mich immer darstellst, sondern ich betrachte die Läufe der Geschichte in einem längeren Kontext. Ich schaue sozusagen über den Tellerrand, während du in den Krisen dauernd gefühlsmäßig kurz vor dem Ertrinken stehst. Du siehst, trotz der befürchteten Katastrophen haben wir schon zehn Jahre gut überlebt.

  • Vieles ist ja auch beständig, nimm mal die Betreiberverordnung für Medizinprodukte. Vor genau zehn Jahren hast du mich in meiner Garage besucht, als ich gerade als erfahrener Praktiker den Betreibervorschriften des Medizinproduktegesetzes auf den Zahn fühlte.

Ich erinnere mich noch gut daran: du hast dein Auto als Medizinprodukt eingruppiert, die Risikoklasse bestimmt, ein Medizinproduktebuch mit Sicherheitstechnischen Kontrollen angelegt und wolltest dem BfArM jedes Beinahevorkommnis und jede Funktionsstörung gemäß der Sicherheitsplanverordnung mitteilen. Ich war damals von deiner konsequenten Ernsthaftigkeit schwer beeindruckt.

  • Dann bin ich aber am Nachweis der qualifizierten Instandhaltung und einem validierten Reinigungsverfahren gescheitert. Mein Schwager musste seinen Pizza-Expressdienst wegen der sonst erforderlichen Änderung der Zweckbestimmung zum Lastauto anderweitig zustellen.

Es wurde richtig lustig. Damals haben wir mit der Anwendung des MPG im Alltagsleben für viel Unruhe gesorgt. Dann kam dir die Idee mit der ISO 9001 für’s Spaghetti kochen und das Risikomanagement für die Weihnachtsbeleuchtung.

  • Schon damals haben wir über das Krankenhaus der Zukunft schwadroniert: die neuen Technologien im Wettstreit mit den esoterischen Heilverfahren. Daraus entstanden die drei Szenerien des Gesundheitswesens mit seinen typischen Vertretern: Dr. McCoy für die Hochtechnologie, Dr. Feelgood mit seiner Schmusemedizin und Dr. Eisenbarth mit seiner Minimalversorgung. Die Theateraufführung auf der MEDICA 2013 war ein Publikumsrenner.

Wir hatten auch kommerziell lukrative Vorschläge erarbeitet: der ambulante Schönheitschirurg im Supermarkt, Brustimplantate beim Shopping, die mobile Apotheke im Kioskwagen der Bahn, ganzheitliche Placebo-Medizin mit Globuli und fünfdimensionalen Kosmoskräften.

  • Du hast die geniale Idee eines Amtes für Nichtzuständigkeiten gehabt, etwas, was heutzutage dringender den je erforderlich ist. Immer, wenn sich für einen Schlamassel keiner zuständig oder verantwortlich fühlt, tritt automatisch die zentrale Behörde für Nichtzuständigkeiten in Aktion. Leider konnten wir mit dieser revolutionären Lösung auch nach zehn Jahren nicht in die politische Ebene vordringen.

Aber dafür haben wir uns mehrmals an der Brüsseler Bürokratie abgearbeitet. Sogar die Fußball-WM 2014 drohte von der EU-Kommission regulativ überarbeitet werden. In dieser Zeit hatten wir besonders viele kreative Ideen für die Digitalisierung des Fußballs. Innovation war angesagt: mehr Humor durch Slapstick-Einlagen vom gelangweilten Torwart, medizinische Sensoren, Google Glasses und Sprechverbindungen für die Spieler, Webcams im Fußball und ein KI-gesteuertes FUMS, sprich Fußball-Management-System.

  • Überhaupt: mehr Manager für jeden Kleinkram wie Entscheidungsmanager, Torschussmanager, Ballaufpumpmanager, Rasenpflegemanager – da können die von uns Krankenhausleuten eine Menge lernen. Ein Bachelor-Studium an einer Fußball-Akademie mit Grundlagen in der Theaterwissenschaft und manipulativer Psychologie wäre längst angesagt, um die Fouls publikumsattraktiver zu gestalten.

Mit der Digitalisierung waren wir schon weit in der Zukunft angekommen, denn wir haben einfach mal bei der Industrie 4.0 reingeschaut. Jedes Medizinprodukt bekommt einen kleinen Chip, gekoppelt an einem lernenden System. Es schaut im ständigen Dialog mit seinem Umfeld vor Anwendung nach, ob es systemkompatibel, mit den richtigen Zubehörteilen ausgestattet, rechtzeitig inspiziert und gewartet worden ist und von einem qualifizierten Anwender bedient wird. Und die Pharmaindustrie könnte das Prinzip auf ihre Pillen übertragen: der Chip in jeder Pille überwacht die individuelle Medikation mit seinen Nachbarpillen auf dem Tablett, kontrolliert etwaige Unverträglichkeiten und verpetzt den Patienten, wenn er sie nicht rechtzeitig einnimmt.

  • 2015 beglückte uns der Gesundheitsminister mit innovativen Gesetzen zur immerwährenden Reform unseres Krankensystems zum „bedarfsgerechten Umbau der Krankenversorgung“. Nach jahrzehntelangen Kostendeckungsreformen verzeichnen wir steigende Gesundheitskosten mit 350 Mrd. Euro und gehören damit zum Club der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Das gewaltige Bürokratiemonster mit 134 gesetzlichen Krankenkassen, 16 Landeskrankenhausgesellschaften, 12 Spitzenverbänden der Krankenhausträger, 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und Dutzenden von Kammern muss schließlich finanziert werden. Aber dafür gab es ein kleines Licht am Horizont der Innovationen: die NUBs – Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als schnelle Zulassungsmöglichkeit und Entgeltsystem für innovative Lösungen.

Und die Digitalisierung schritt unerbittlich voran, leider unschön durch Hackerattacken gestört. Das autonome Auto drehte seine Runden, allerdings nur in amerikanischen Großstädten, Roboter unterstützten die Arbeit der Pflegekräfte, hauptsächlich in Japan. KI-Doc IBM Watson hilft den Ärzten bei der Diagnose seltener Krankheiten. Digitale Konzerne brachen reihenweise Weltrekorde: AirBnB als weltgrößter Zimmervermittler, Amazon als weltgrößtes Warenhaus, Wikipedia als Weltenzyklopädie. Arbeit 4.0 im Home-Office als Clickworker in Croudworking-Plattformen – nur unsere Kliniken sind in der Mehrzahl noch in Stufe 2.0  hängen geblieben.

  • Nicht verwunderlich bei unseren Politikern. Da fehlt wohl noch ein Einlauf mit künstlicher Intelligenz. Originalton von Merkel in Berlin 2013 beim Obama-Besuch: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Der zuständige Minister Dobrindt hatte 2016 für den Breitbandausbau des Internets 600 Mio. Euro zur Verfügung. Ausgegeben hat er 5 Millionen. Der IT-Strategieberater Sascha Lobo hat danach Deutschland vom digitalen Entwicklungsland zu einem „Digitally Failed State“ herabgestuft.

Ja, unsere Regierungen haben uns in den letzten zehn Jahren immer wieder zum Staunen gebracht: Verlorene Wahlen, Brexit, Donald Trump, das Tesla-Auto, DSGVO, Ausstieg aus der Atomkraft und der Kohleverstromung – wir gewöhnten uns zunehmend an die disruptive Politik.

  • Ja, aber nicht alle Volksschichten. Im November 2016 haben wir schon über die erwachende Macht der Verlierer diskutiert: Donald Trump setzte auf blinde Destruktionspolitik und negierte den Klimawandel. Ungarn und Polen fühlten sich bei der Flüchtlingspolitik der EU nicht ernstgenommen und verweigerten die Gefolgschaft. Pegida und AFD wurden zunehmend lautstärker. 1,5 Mio. Nichtwähler kreuzten die AFD an, eine Million bisheriger CDU-Wähler, eine halbe Million von der SPD und 420 Tausend von den Linken wechselten zur AFD, die jetzt mit 94 Mitgliedern und gleich als drittgrößte Fraktion erstmals in den Bundestag einzog. Der gilt mit 709 Mitgliedern statt reguzlär 598 als das zweitgrößte Parlament weltweit.

Jupp, du hast dann im Dezember die rebellische Frage gestellt: Wozu brauchen wir eigentlich noch eine Regierung? Wir planen die Gesellschaft 4.0, die aber immer noch mit der Verwaltung 1.0 von Kaiser Wilhelms Zeiten klarkommen muss. Da hatten gerade Hunderttausende von ehrenamtlichen Helfern die erste Flüchtlingswelle bewältigt. Wie die Flut im Ahrtal kürzlich zeigte, könnten wir bei den kommenden Klimakatastrophen wieder auf uns gestellt sein, die bisherige Hilflosigkeit unserer Schulbehörden und Gesundheitsämter in der Corona-Pandemie spricht da eine deutliche Sprache.

  • Ingo, Social Media soll doch die Lösung bringen. Facebook hatte gerade 16 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Cambridge Analytics hat sich auf etwas krummen Wegen 50 Millionen Facebook-Profile besorgt und damit wohl sehr wirksam Wahlpropaganda für Donald Trump und den Brexit gemacht. Jetzt sehen viele Politiker die Demokratie in Gefahr.

Jupp, schau doch mal auf die Kräfteverhältnisse. Ohne eine randvoll gefüllte Wahlkampfkasse hat kein Bewerber eine Chance auf den Präsidentensitz.  Acht Männer besitzen so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der gesamten Weltbevölkerung. In Deutschland verteilt sich der halbe Reichtum des Volkes auf 36 Milliardäre. Leute, denkt nach! Es macht wenig Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein. Mark Zuckerberg, Bill Gates und Warren Buffet spendeten schon mal den größten Teil ihres Reichtums. Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach meinte damals: „Menschen, die nach immer größerem Reichtum jagen, ohne sich jemals Zeit zu gönnen, ihn zu genießen, sind wie Hungrige, die immerfort kochen, sich aber nie zu Tische setzen.“

  • Oh, aber auch die Reichen mussten während der schweren Corona-Pandemie etwas bluten. Bis auf wenige Ausnahmen: Amazon steigerte 2021 seinen Nettogewinn um 56%. Und natürlich die Pharmaindustrie und die Medizintechnikbranche. Es brachen ab 2020 wirklich disruptive Zeiten an. Covid-19 krempelte die Welt um, globale Lieferketten brachen zusammen, das Schönwetter-Beamtentum in Deutschland erlebte seinen Untergang, Klimakatastrophen nehmen zu, Donald Trump versuchte mit einem Staatsstreich seine verlorene Wahl zu retten. Jetzt der Angriffskrieg in der Ukraine, steigende Inflation, Energiekrise, neue Flüchtlingswellen … ich höre deinen Phönix-Vogel schon in der Asche rascheln. Kommt jetzt wirklich die Zeitenwende, Ingo?

Ja, Jupp. Ich glaube, die gemütlichen Zeiten des Aussitzens, des Ignorierens und des Luxus auf Kosten anderer sind endgültig vorbei. Wir müssen jetzt dringend über neue Werte nachdenken, wie wir die Zeiten des ewigen Wachstums und des Konsumrausches hinter uns lassen. Wir verschwenden eine unglaubliche Menge an Lebensmitteln, Energie, Wasser und Land. Gerade am 28. Juli hatten wir schon die gesamten Ressourcen der Erde für das Jahr 2022 aufgebraucht. Seitdem leben wir auf Pump. Wir sollten endlich Lao-Tse beherzigen: „Ein reicher Mensch ist einer, der weiß, dass er genug hat.“

  • Ingo, ich glaube, ich verstehe jetzt langsam deine Philosophie. Du siehst in diesem ganzen Chaos des Schlechten den Keim des Guten für einen Neuanfang. Da kann ich nur hoffen, dass sich dein Supervogel noch rechtzeitig aus diesem Trümmerhaufen befreien kann.

Und darauf warten wir besser bei einem nachhaltigen Getränk. Herr Wirt, zwei Bier bitte, bevor die Welt ganz untergeht. Prost auf unseren Phönix.

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Luxus und allzu große Verfeinerung in den Staaten sind ein sicheres Zeichen ihres Unterganges, weil die einzelnen sich selbst nur so weit fördern konnten, wenn sie das allgemeine Wohl aus den Augen verloren. (François VI. Herzog de La Rochefoucauld, Schriftsteller und Moralist, 1613-1680)

Bisher musste der Mensch mit dem Gedanken an seinen sicheren persönlichen Tod leben. Jetzt hat er sich auch noch mit dem Gedanken an den möglichen Untergang der ganzen Menschheit abzufinden. (Arthur Koestler, Schriftsteller, 1905 – 1983)

Lasst uns wenigstens den Weltuntergang verhindern. Es ist fünf vor zwölf und wir haben nicht mehr viel Zeit.  (Barack Obama, ehemaliger US-Präsident, am 16.Juli 2011)

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von Ingo Nöhr

Über Imperien, Eiserne Vorhänge und infizierte Ballons

Ingo Nöhr zum 1. Juli 2022


Der chinesische Philosoph Laotse hat mal gesagt: „Ein Land regiert man nach Regel und Maß, Krieg führt man ohne Regel mit List.“ Die Verantwortlichen in vielen Regierungen der Welt haben diese Weisheit noch nicht richtig verinnerlicht: überall fehlt es an Regeln, Maßhalten oder zumindest eine nachhaltige List. Kein Wunder, dass unsere beiden Zeitgenossen Ingo und Jupp zunehmend die Orientierung über das Weltgeschehen verlieren. Aberwitzige Meldungen brechen täglich über sie herein. Zehntausende junge Menschen verlieren gerade ihr Leben, sei es als Angreifer oder Verteidiger. Wahnwitzige Geldsummen werden in Waffen investiert, ungeheure Werte sinnlos zerstört – und die Menschen flüchten in kilometerlangen Schlangen zum Urlaub in fremde Länder, als wenn das klimatische Armageddon schon in Kürze bevorsteht - nur noch schnell was erleben, bevor das Geld durch die Inflation aufgefressen und die Welt untergeht. Kein gutes Umfeld für einen Pessimisten wie Jupp, der sich nur noch behutsam den täglichen Nachrichten aussetzt und ansonsten in seinem Garten dicke Bücher liest.

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Hallo Ingo, warst du schon auf der Documenta in Kassel, die Kunst des Globalen Südens anschauen?

  • Jupp, nein, noch nicht. Da rennen mir im Moment noch zu viel aufgeregte Leute herum. Die Indonesier, die das umstrittene Monumentalbild aufgestellt haben, betrachten sich also als Vertreter des Globalen Südens. War dies bisher nicht die Dritte Welt? Dieser Begriff ist mir eigentlich neu.

Ja, Ingo, da kann ich auch mal etwas zu deiner Bildung beitragen. Der Begriff Global South wurde schon vor dreißig Jahren von der Weltbank geprägt, um die Abwertung der Bezeichnung Entwicklungs- und Schwellenländer zu vermeiden. Wir gehören eindeutig zum Globalen Norden und vertreten somit die reichen Industrieländer.

  • Richtig, ich erinnere mich, dass damals vom Nord-Süd-Konflikt gesprochen wurde. Und dann hatten wir noch den Ost-West-Konflikt, damals im Kalten Krieg. Die Ostgrenze hat sich seitdem zum Ärger Putins mächtig in Richtung Russland verschoben. Er möchte die Geschichte wieder ins Zarenreich zurückdrehen. Dann bliebe uns Europäer als Imperium nur noch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation des Kaisers Karl des Großen. Das Dritte Reich Hitlers möchte ich aus nachvollziehbaren Gründen lieber nicht erwähnen.

Hoffentlich kommt China nicht auf die Idee, das Mongolische Reich von Dschingis Khan zu reaktivieren, es reichte nach 1260 bis zum Baltikum und umschloss große Teile Russlands und das heutige China.

  • Oh, da kommt er dem Erdogan in die Quere: sein Traum vom Osmanischen Reich um 1683 reichte bis nach Nordafrika und wurde erst vor Wien gestoppt. Ich glaube, die Lösung der imperialen Träume liegt in einem Wettkampf, wie er vielleicht schon in der Steinzeit ausgefochten wurde. Die machtverliebten Häuptlinge Xi Jinping, Putin, Erdogan und möglichst auch noch Donald Trump treffen sich zu einem mörderischen Schlagabtausch auf einer kleinen Insel. Wer überlebt, darf sich dann Sultan, König, Kaiser, Zar oder Präsident der Insel nennen und wird entsprechend bis ans Lebensende hofiert und durchgefüttert.

Gute Idee, Ingo. Du hast schon früher den Vorschlag gemacht, alle Staatstreffen wie die G7, G20, NATO- und sonstige Generalversammlungen mit wichtigen Politikern auf dem vorab evakuierten Helgoland abzuhalten, um die übrige Bevölkerung vor den radikalen Sicherheitsmaßnahmen zu schützen. 

  • Und natürlich würde man immense Kosten einsparen. Das letzte G7-Treffen auf Schloss Elmau hat 166 Millionen Euro gekostet und zum Schutz der wenigen Hanseln 18.000 Polizisten beschäftigt. Wenn die Staatsmänner wenigstens einen kostendeckenden Eintritt bezahlt hätten. Schließlich gab es von Ministerpräsident Söder noch einen Rucksack mit Wegzehrung für die Rückreise als Geschenk.

Aber Ingo, kommen wir nochmal auf die Einteilung der Welt in die vier Himmelrichtungen zurück. Exakt geographisch betrachtet trennt der Äquator Nord und Süd sowie der Greenwich-Meridian Ost und West. So gesehen sind der größte Teil Afrikas, Indien, Malaysia und die Philippinen dem Globalen Norden zuzuordnen. Die Ost-West-Teilung über London würde die Europäische Union bis auf Spanien dem Osten zuweisen. Das passt irgendwie nicht zur aktuellen Realität. Der neutrale Beobachter des Weltgeschehens müsste dann am Kreuzungspunkt im Golf von Guinea südlich von Ghana positioniert werden.

  • Das wäre ja ein idealer Treffpunkt für solche Monsterversammlungen. 2001 trafen sich die Staatschefs der G8-Länder in Genua auf einem Kreuzfahrtschiff, aus Angst vor Terroranschlägen. Das Schiff sollte nach dem Eintreffen der Gäste sofort ablegen und erst wieder zurückkehren, wenn sich alle Potentaten auf vernünftige Lösungen geeinigt haben. Spätestens dann, wenn das Essen ausgeht, wird man sich zusammenraufen. So ähnlich machen es ja auch die Kardinäle im Vatikan, wenn sie im Konklave einen Papst wählen müssen. Einsperren, bis zur Einigung – altbewährte Lösung.

Ingo, da werden sicherlich einige Nationen spürbar aufatmen, wenn ihr Chef mal länger außer Landes ist. Ich höre gerade die Nachricht aus Nordkorea, wo gerade die Corona-Pandemie ohne irgendwelche Beschränkungen grassiert - keiner ist geimpft oder getestet, da Covid laut Diktator Kim Jong Un nicht existiert. Nun gibt es einen nationalen Notstand mit fast fünf Millionen an Fieber erkrankten Menschen. Und wie ist nun das Virus in das total isolierte Land gelangt? Die Regierung macht Agenten aus Südkorea dafür verantwortlich, die angeblich infizierte Ballons mit Flugblättern über die Grenze geschickt hätten.

  • Wir könnten doch Lauterbach als Berater mal hinüberschicken. Aber eigentlich würde ich ihn gern in Dänemark sehen. Dort hat die Regierungschefin Mette Frederiksen gerade die neue nationale Corona-Strategie vorgestellt: „Unsere Botschaft ist, dass ihr den Sommer ohne Sorgen genießen sollt. Feiert, umarmt und küsst ohne Bedenken“. Maskenpflicht und Lockdowns werden auch für den Herbst und Winter ausgeschlossen.

Das lässt mich wirklich staunen, Ingo. Lauterbach rechnet mit einer massiven Verschlechterung der Coronalage im Herbst, die durch extrem hohe Fallzahlen sogar die kritische Infrastruktur bedroht. Gibt es jetzt etwa auch einen Eisernen Vorhang zwischen Deutschland und Dänemark, mit dem gerade der russische Außenminister Lawrow zwischen Russland und dem Westen gedroht hat?

  • Was kommt da auf uns zu? Nichts Genaues weiß man nicht! Das schreiben schon die Sachverständigen in ihrem Corona-Evaluierungsgutachten über die Wirksamkeit bisherigen Schutzmaßnahmen. Wir haben einfach keine verlässlichen Daten gesammelt, um vernünftige Aussagen über die Coronapolitik treffen zu können. Dabei hat das RKI schon vor 20 Jahren dringend angemahnt, dass man die Wirkung von Pandemiemaßnahmen vorbeugend untersuchen sollte. Ende 2020 bekam das RKI von 68 beantragten Datenerhebungen nur vier genehmigt.

Wir können doch einfach unsere Nachbarn in Großbritannien fragen. Dort hat das Gesundheitsministerium seit Beginn der Pandemie monatlich 150.000 Menschen befragt und untersucht. Aber was ist, wenn die Briten wie die Dänen genauso verschieden als wir auf den Virus reagieren. Sind wir Deutschen medizinisch eine besondere Spezies?

  • Na ja Jupp, vielleicht sind wir als gestandene Biertrinker eine empfindlichere Gattung und wir sollten mal auf Whisky oder Aquavit umsatteln?

Halte ich für keine gute Idee, Ingo. Schließlich sind wir mit unserem guten deutschen Bier ganz passabel alt geworden. Und der Corona-Fuzzi konnte uns auch nicht umschmeißen. Also Prost auf die Genesung der übrigen Welt.

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„Keiner steht einfach auf und sagt "Ich werde mir das hier nehmen, weil ich es will." Er wird sagen, "Ich werde es nehmen, weil es ja eigentlich mir gehört, und es besser für alle wäre, wenn ich es hätte." Das trifft auf Kinder zu, die sich um Spielzeug streiten, und auch auf Regierungen, die in Kriege ziehen. Niemand ist jemals in einen Angriffskrieg involviert; es ist immer ein Verteidigungskrieg - auf beiden Seiten.“ 
(Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology, 1928)

„Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“
(Erich Maria Remarque, deutscher Autor 1898 – 1970)

„Jeder Krieg ist ein Symptom für das Versagen des Menschen als denkendes Tier.“
(John Steinbeck, US-amerikanischer Autor, 1902-1968)

„Das Friedensministerium befasst sich mit Krieg, das Wahrheitsministerium mit Lügen, das Ministerium für Liebe mit Folterung und das Ministerium für Überfluss mit Einschränkungen.
… Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke.“
(George Orwell, 1984)

 

 

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von Ingo Nöhr

Über das Gute und das Böse

Ingo Nöhr zum 1. Juni 2022

Unser neuer FDP-Finanzminister war mit dem Versprechen eines Sparhaushalts angetreten. Jetzt haben wir einen Haushalt von einer halben Billion Euro mit 140 Milliarden Neuverschuldung. Überall sprudeln plötzlich die Geldquellen, besonders im militärischen Sektor. Rüstungsindustrie und Ölkonzerne leben im Goldrausch. Überhaupt beobachten die beiden Krankenhausrentner eine gewisse Brutalisierung in der Welt: ein Duma-Abgeordneter schlägt vor, einen der vielen Präsidentenbesucher in Kiew nach Moskau zu entführen, ein anderer stellt den Antrag auf die Einführung der Todesstrafe für Kriegsgefangene. Die USA liefert weitreichende Raketen in die Ukraine, Russland kontert mit Hyperschallraketen. Ein 18jähriger kauft sich in Texas ein Schnellfeuergewehr und erschießt in einer Schule 19 Kinder, während die Polizei fast eine Stunde vor dem Klassenzimmer wartet. Überall lauert das Böse, aber wo bleiben die Guten?

Hallo Ingo, wie geht es dir heute in diesem weltweiten Chaos? Ich habe eine gute Nachricht für dich: meine Verzweiflung über den Zustand der Menschheit hat sich etwas gelegt, dank deines Ratschlages, keine aktuellen Nachrichten mehr zu verfolgen und mehr gute Bücher zu lesen. Ich habe festgestellt, dass es doch noch eine Menge guter Dinge in der Welt gibt, seit ich mich mehr um meinen Garten kümmere. Die dortige Natur wartet weiterhin mit wundervollen Erscheinungen auf, völlig unbeeinflusst von den Katastrophenwarnungen ringsherum.

  • Mein lieber Jupp, das freut mich aber wirklich für dich. William Shakespeare hat etwas Wichtiges festgestellt: „An sich ist nichts weder gut noch böse. Das Denken macht es erst dazu.“ Und das Denken wird heutzutage leider extrem durch Propaganda beeinflusst. Goerge Orwell hat in seinem Klassiker !984 eindrucksvoll beschrieben, wie das funktioniert: „All der Krieg-Propaganda, all das Geschrei und die Lügen und der Hass kommt immer nur von Leuten, die nicht kämpfen müssen. … Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“

Sein Buch ist in Belarus längst verboten. Er hat es ja vor über siebzig Jahren veröffentlicht, aber augenscheinlich haben wir nichts daraus gelernt. Ich konnte leichten Herzens auf die täglichen Nachrichten verzichten, als auf allen Kanälen die militärischen Meldungen auftauchten, Generäle die Strategien und Schlachtpläne diskutierten und unsere Politiker die Zeitenwende mit einem neuen Schuldenberg von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehraufrüstung einleiten. Heutzutage wird das ja im Orwellschen Neusprech als „Sondervermögen“ bezeichnet, als ob wir mit dieser gigantischen Geldverschwendung für absolut destruktive Anschaffungen unser „Vermögen“ aufstocken würden. Albert Einstein hat uns immer gewarnt: „Die Massen sind niemals kriegslüstern, solange sie nicht durch Propaganda vergiftet werden. Wir müssen sie gegen Propaganda immunisieren!“

  • Mein lieber Jupp, da stellt sich doch die einfache Frage, wer soll uns immunisieren? Die regierenden Politiker sicherlich nicht, denn das hieße ja, den Bock zum Gärtner zu machen. Die Oppositionsparteien haben in der gegenwärtigen Stimmung gerade einen schlechten Stand und viele Wähler verloren. Die Wirtschaft macht in Krisenzeiten meistens glänzende Geschäfte. Wir werden bald wieder Rekordbilanzen erleben. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt für dieses Jahr soll laut DIW-Prognose trotz der großen Herausforderungen um 3,0 % steigen.

Klar der Kapitalismus war schon immer der große Kriegsgewinner. Aber eigentlich vertreten wir ja das christliche Abendland mit seinen ethischen Grundsätzen. Die großen Kirchen als ehemalige Moralinstanzen sind aber leider seit Jahren mit ihren Missbrauchsskandalen und massivem Mitgliederschwund intern beschäftigt. Nein halt, Papst Franziskus hatte kürzlich das Militärbündnis NATO kritisiert: dessen Präsenz in Nachbarländern Russlands habe die russische Invasion „vielleicht erleichtert“. Womöglich habe „das Bellen der Nato an Russlands Tür“ für eine Eskalation des Konflikts gesorgt. Da rauschte aber gleich von allen Seiten eine Empörungswelle heran.

  • Laut Orwell bleibt nur noch eine Gruppe übrig: eine starke und unabhängige Presse: „Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, was andere nicht wollen, dass es veröffentlicht wird. Alles andere ist Propaganda.“ Aber da sehe ich, von kleinen Ausnahmen abgesehen, kaum noch eine seriöse, kompetente und wertneutrale Berichterstattung in den großen Medien.

Du hast recht, Ingo: die Bevölkerung ist sich im Großen und Ganzen einig: wir sind die Guten und müssen der Ukraine gegen die bösen Russen helfen. Dazu müssen wir auch mal unsere Prinzipien über Bord werfen, denn wie Stephen King meint: „Es ist besser gut als böse zu sein, aber manchmal erreicht man Gutes nur zu einem erschreckend hohen Preis“, wie die Grünen entsetzt feststellen.

  • Jupp, die Guten und großen Helden findest du meistens in der Literatur.

Gute Idee, Ingo, ich habe ja deinen Rat beherzigt und gelesen. Einen Wälzer von 1680 Seiten mit 257 Kapiteln: Krieg und Frieden von Leo Tolstoi. Er hat mich sehr beeindruckt und ich habe unglaublich viel über die Weltgeschichte gelernt. Mir schwirrt der Kopf noch von den Hundertschaften der handelnden Personen.  Tolstois Werk ist weiterhin aktuell, denn er schreibt: „Es gibt Menschen, die ein Stück Land ‚Mein‘ nennen, und dieses Land nie gesehen und betreten haben. Die Menschen trachten im Leben nicht danach, zu tun, was sie für gut halten, sondern danach, möglichst viele Dinge ‚Mein‘ zu nennen.“ Und Tolstoi könnte sich direkt mit Putin getroffen haben: „Die meisten Menschen, die man böse nennt, wurden deshalb so, weil sie ihre schlechte Laune für einen berechtigten Zustand ansahen.“ Und weiter: „Es ist sehr leicht zu wissen, was Gut und Böse an sich bedeuten. Menschen aber, die Gut und Böse durcheinander gebracht haben, können dies nur sehr schwer entscheiden.“

  • Mensch Jupp, ich gratuliere dir zu dieser Leseleistung. Da bist du ja ein regelrechter Experte für die russische Geschichte geworden und auf dem Weg zu einem „Putinversteher“. Das bringt mich auf eine Idee, die wir in ähnlicher Weise schon im Februar umgesetzt haben: Wir simulieren jetzt ein Streitgespräch zwischen dem guten Westler und dem bösen Putin. Dir ist doch klar, welche Rolle du übernimmst, oder?

Ja, Ingo, das dürfte interessant werden. Du wirst also dann den Standpunkt von Voltaire vertreten: Alles wendet sich zum Besten in der besten aller möglichen Welten. Auf geht’s.

  • Also, Herr Putin, die Sowjetunion hat 1945 angesichts der zivilisatorischen Katastrophen zweier Weltkriege die Charta der Vereinten Nationen unterzeichnet, sogar als UN-Gründungsmitglied. Dieses Vertragswerk beinhaltet die fundamentalen Regeln des Völkerrechts, darunter das Gewaltverbot. Es gibt zwei Ausnahmen: Nach Artikel 42 ermächtigt Sie der Weltsicherheitsrat zu „robusten Maßnahmen“ oder nach Artikel 51 haben Sie bei einem Angriff das Recht zur Selbstverteidigung. Beides trifft aber für Ihren Angriffskrieg nicht zu: 104 Mitglieder der UN-Vollversammlung haben sie aufgefordert, den Krieg sofort zu beenden und Sie wurden auch nicht von der Ukraine angegriffen.

Geschätzter verblendeter NATO-Vertreter, für mich sieht die Situation anders aus. Es geht hier nicht um die Ukraine allein, sondern um die Weltherrschaft der USA. Die NATO verfolgt konsequent ein Drehbuch der amerikanischen und westlichen Russland-Politik, welches der Politikberater Zbigniew Brzezinski 2002 in seinem Buch „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ formuliert hat. Als Supermacht müsse die USA ihr Potenzial nutzen und für eine globale Sicherheitsordnung jede störende Macht neutralisieren, nämlich in Eurasien Russland. Die Herauslösung der Ukraine würde Russland zu einer ungefährlichen Regionalmacht abstempeln. Ihre Außenministerin Baerbock erklärte kürzlich, man müsse Russland durch die Sanktionen ruinieren. Das betrachten wir als Angriff.

  • Aber Herr Putin, das berechtigt Sie ja nicht zu einem Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Wir führen keinen Angriffskrieg, sondern eine militärische Spezialoperation in einer Region, die schon seit Urzeiten das russische Kernland ist und in der die russische Bevölkerung von einer nationalsozialistischen Regierung unterdrückt wird. Seit dem 18. Jahrhundert befindet sich unser Hauptstützpunkt für die russische Schwarzmeerflotte auf der Krim. Wir mussten in unserem Interessengebiet umgehend den Zugang zum Meer freihalten, nachdem die NATO deutliche Bestrebungen zeigten, uns vom Schwarzen Meer abzuschnüren.

  • Momentmal, Herr Putin: Die Ukraine ist seit 1991 ein souveräner Staat, nach einem Referendum mit 90% Zustimmung der Bevölkerung. Das Minsker Abkommen haben Sie mit einem unabhängigen Staat unterzeichnet.

Das zweite Abkommen von Minsk hat ja nie funktioniert. Wir mussten unsere russische Bevölkerung in Lugansk und Donezk schützen, die von der ukrainischen Regierung massiv unterdrückt und sogar bekämpft wurde. Den Regierungsclown Selenskyi haben Sie zum guten Helden hochstilisiert, aber der Westen verschweigt penetrant seine Verbindungen zu den Nazi-Gruppen und Provokationen mit deren Vertretern.

  • Ich will ja nicht abstreiten, dass vereinzelt rechtsnationale Aktionen passiert sind, aber die gesamte gewählte Regierung als Nazi-Regime einzustufen, da machen Sie sich weltweit lächerlich. Selenskyi ist jüdischen Glaubens und eine nationalsozialistische Regierungspolitik ist nicht erkennbar.

Sind Sie sicher, dass Sie über die Situation der russischen Bevölkerung in der Ostukraine wahrheitsgemäß unterrichtet werden? Aber nochmals: wir wurden ungewollt in einen Stellvertreterkrieg mit den USA hineingezogen, als wir in der Ukraine nur für Ordnung sorgen wollten. Die Amerikaner wollen mit ihrem Eingreifen bewusst ein gutes Verhältnis von Europa mit Russland sabotieren. Dahinter steht reine Machtpolitik.

  • Herr Putin, Sie haben die russische Machtpolitik mehrmals öffentlich verkündet: die weitgehende Wiederherstellung des Sowjetimperiums, welches auch das Baltikum und Polen einbezieht.

Ihre Propaganda hat sie blind für die Realitäten gemacht, denn sie blendet den politischen und geostrategischen Kontext des gegenwärtigen Konfliktes komplett aus. Ihre Presse berichtet nur auf der Basis der Verlautbarungen der NATO, der USA und der Ukraine. Unsere Interessen an einer stabilen Grenze und Pufferzone zum Raubkapitalismus des Westens werden aber seit Jahrzehnten ignoriert und durch die ständigen NATO-Erweiterungen massiv verletzt. Seit der Auflösung der Sowjetunion hat sich die NATO zehn neue Nachbarländer Russlands einverleibt, Schweden und Finnland stehen kurz vor dem Beitritt, an unseren südlichen Grenzen werden fünf weitere Länder angeworben. Sie umzingeln mein Staatsgebiet und rüsten an den Grenzen militärisch auf. Wir fühlen uns zunehmend in der Existenz bedroht und den NATO-Raketen an unseren Grenzen schutzlos ausgesetzt.

  • Aber Herr Putin, das mag ja alles sein, aber Sie lenken wieder davon ab, dass Sie mit dem Einmarsch gegen das Völkerrecht verstoßen haben und nun in der Ukraine andauernd Kriegsverbrechen begehen. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und sie hat noch nie einen Angriffskrieg gestartet.

Sie messen mit zweierlei Maß. Durch Ihre Doppelmoral haben Sie nicht nur die Glaubwürdigkeit verloren, sondern schaffen auch einen idealen Nährboden für neue Gewalt. Darf ich Sie an die massiven Völkerrechtsbrüche der letzten Jahrzehnte durch die USA und NATO erinnern? Keine Angriffskriege? Jugoslawien, Irak, Syrien, Libyen – all diese Verstöße gegen die UN-Charta sind ungeahndet geblieben, obwohl Millionen an Toten zu beklagen waren. Wo bleiben die Anklagen gegen die US-Präsidenten als Kriegsverbrecher, zum Beispiel wegen der Tausenden von Drohnenmorden?

  • All diese möglichen Verstöße geben aber Russland nicht das Recht, die Ukraine anzugreifen.

Unsere Spezialoperation diente allein dem Schutz unserer neuen Volksrepubliken Donezk und Lugansk, nachdem die Gewährung einer Autonomie innerhalb der Ukraine von der Kiewer Regierung verweigert wurde. Vergessen Sie nicht, dass der Donbass-Konflikt 14.000 Tote gefordert hat, nachdem der damalige Machthaber Poroschenko für das faschistische Asow-Regiment Panzer und Artillerie in die Region geschickt hat. Jetzt mussten wir erneut eine geplante Offensive gegen unsere beiden Republiken abwehren.

  • Herr Putin, wir drehen uns im Kreis. Politische Provokationen rechtfertigen keinen Angriffskrieg, weder im Westen noch im Osten. Der Grund für die vielen Völkerrechtsbrüche in der Welt liegt auf der Hand: Recht ist das eine, Macht ist das andere. Nicht immer siegt die Stärke des Rechts, manchmal triumphiert leider die Macht des Stärkeren. Daher beenden wir jetzt besser unser Gespräch und arbeiten gemeinsam an einer diplomatischen Lösung, die für alle Seiten annehmbar ist.
  • Mein lieber Jupp, du hast dich aber sehr intensiv in deine Rolle als Putin hineinversetzt. Mir ist deutlich geworden, dass wir auf beiden Seiten nur gefilterte Informationen durchlassen. Die Propaganda ist augenscheinlich sehr wirkungsvoll und vermutlich werden die Historiker erst in den kommenden Jahrzehnten die wahren Geschehnisse und Ursachen aufdecken können.

Ja, Ingo, diese Streitgespräche sind eine gute Übung, die Welt auch einmal von einem anderen Standpunkt zu betrachten. Mir wird aber angst und bange, wenn ich die gegenwärtige Reaktion der massiven Aufrüstung mit Waffen betrachte. Diese unglaubliche Ressourcenverschwendung wird uns der Mittel berauben, die wir brauchen, um den Hunger in der Welt und die Klimaveränderungen zu reduzieren. Wir fallen wieder auf das Niveau der Steinzeitmenschen zurück: wer hat die größere Keule? Und dabei verschlingen uns langsam die Naturgewalten.

  • Mir macht es Mut, dass viele Menschen angesichts dieser drohenden Aufrüstungsspirale und der gewaltigen ungelösten Probleme zu neuem Nachdenken und kritischem Hinterfragen der politischen Strategien gelangen.

Ich hoffe, dass diese Erfahrungen zu einer weiteren disruptiven Zeitenwende führen, und zwar nicht zu einem nationalen Egoismus, sondern zu einer globalen Solidarität der Menschheit angesichts der weltweiten Not.

  • Und den Herren an den roten Knöpfen für die Atomsprengköpfe sollten endlich Albert Einstein ernstnehmen: „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“

Bis dahin lass uns beide friedlich wieder unser Bier genießen, bevor auch hier irgendwelche Engpässe die Preise explodieren lassen. Ein Prost auf die Guten in der Welt.

# # #

Am 30. Mai ist der Weltuntergang

(Die Lustigen Jungs 1954

Wie schön ist doch das Leben
Auf dieser bunten Welt
Wir können einen heben
So oft es uns gefällt
Das macht uns allen Spaß:
"Herr Ober, noch ein Glas!"

Am 30. Mai ist der Weltuntergang
Wir leben nicht mehr lang …

Doch keiner weiß, in welchem Jahr
Und das ist wunderbar
Wir sind vielleicht noch lange hier
Und darauf trinken wir!

Am 30. Mai ist der Weltuntergang
Wir leben nicht mehr lang …

Der Wirt "Zur blauen Schnecke"
ist wirklich sehr auf Draht

Da steht in einer Ecke:
"Pass auf, dein Ende naht
Jedoch bei Bier und Wein
Da schläfst du selig ein!"

Am 30. Mai ist der Weltuntergang
Wir leben nicht mehr lang …

Doch keiner weiß, in welchem Jahr
Und das ist wunderbar
Wir sind vielleicht noch lange hier
Und darauf trinken wir! Prost!

 

Der Anlass für das Lied "Am 30. Mai ist der Weltuntergang" war die erste Flächenbombardierung der Stadt Köln im 2. Weltkrieg. Sie richtete sich nicht gegen militärische Ziele, sondern gegen die Zivilbevölkerung. In der Nacht vom 30. Mai auf den 31. Mai 1942 wurde von der britischen Luftwaffe der "1.000-Bomber-Angriff" auf Köln geflogen - als Vergeltung für die Angriffe der Hitlerarmee auf London und Coventry. Das Lied mit der Melodie von Will Glahé und dem Text von Karl Golgowsky war in den 50iger Jahren ein "Gassenhauer" und ist bis heute im musikalischen Gedächtnis der KölnerInnen präsent.

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von Ingo Nöhr

„Ich habe die MACHT!“

Ingo Nöhr zum 1.Mai 2022

Die bestehende Weltordnung zeigt immer mehr Risse. Steht die angebliche „Zeitenwende“ wirklich schon vor der Tür, viel drastischer als sich unser Bundeskanzler das kürzlich vorgestellt hat? Zwei große Weltkrisen haben plötzlich unerwarteten Zulauf bekommen. Während die 26 Millionen Bewohner von Shanghai seit Wochen abgeriegelt im Omikron- Lockdown hungern und bei einer Infektion sofort in Lager eingesperrt werden, droht in Südafrika bei einer Verfünffachung der Infektionszahlen schon die fünfte Welle mit den neuen Omikron-Varianten BA.4 und BA.5. Noch erleben wir in Deutschland zu 96% den BA.2 Virus, aber BA.5 wurde Ende April schon in jeder tausendsten Infektion nachgewiesen. Die Klimakatastrophe schlägt in Indien gerade mit einer Extremhitze von 50°C zu und verursacht beim zweitgrößten Weizenproduzent der Welt massive Ernteausfälle.

Und Möchtegernzar Putin zündelt neuerdings auch auf dem Balkan in Bosnien und Herzegowina, um dort seine Landsleute vor den angeblichen Nazis zu retten. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung fürchtet sich aktuell vor dem Ausbruch eines Atomkrieges.

Währenddessen stellen die hiesigen Autofirmen Audi, BMW und Mercedes ungerührt neue Automodelle vor: Kolossale SUVs mit drei Tonnen Gewicht, die von 544 PS und 100 kWh Akkus angetrieben werden und mit ihren Ausmaßen kaum noch in herkömmliche Garagen passen.

Kurzum: in geruhsamen Deutschland-Hotel ist gerade das „Do not disturb“-Schildchen von der Tür abgefallen und wir Schlafmützen werden unvorbereitet mit der brutalen Realität konfrontiert.

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 Hallo Ingo. Die letzten Jahre habe ich dich mit deinem Gerede vom Phönix aus der Asche nach dem drohenden Zusammenbruch der alten Ordnung nie richtig ernstgenommen. Aber jetzt erlebe ich es hautnah: Respekt, Freundlichkeit und Zeit gibt es nicht mehr in der westlichen Welt. Viel schlimmer noch: der UN-Generalsekretär Guterres fliegt nach seinem Gespräch mit dem Kreml nach Kiew und Putin schickt ihm als Gruß aus Moskau fünf Raketen mit Bomben hinterher. Ich würde das als Mordversuch eines Psychopathen deuten. Meine vertraute Welt löst sich buchstäblich in Trümmern auf und verschwindet in Bombentrichtern. Diese unfassbaren Gräuel in der Ukraine – die Meldungen sind für mich nicht mehr auszuhalten.

  • Mein lieber Jupp, ich muss dir leider sagen, dass dahinter seit einem Jahrhundert eine grausame Strategie steckt. Im Sommer 1917 schrieb Lenin in seinem Vorwort zum Klassiker „Staat und Revolution“ den folgenden Satz: „Die unerhörten Gräuel und Unbilden des sich in die Länge ziehenden Krieges machen die Lage der Massen unerträglich und steigern ihre Empörung.“ Diese Wut kann man nutzen. Putin hat seit seinem Aufstieg zum Ministerpräsidenten 1999 konsequent alles unternommen, um die gefährliche Idee der Demokratie zu vernichten. Er hat Menschen nie ernstgenommen, sie waren für ihn immer nur Figuren auf dem Schachbrett und wurden eliminiert, wenn sie von Anfang an seinem Ziel im Wege standen – nämlich das russische Großreich wieder auferstehen zu lassen.

 „Menschen werden eliminiert“, … sag mal Ingo, wie kannst du da noch ruhig bleiben angesichts der täglichen Horrormeldungen? Da kannst du doch nirgendwo mehr ein Fünkchen für deinen Optimismus finden. Zieht dich die Nachrichtenlage nicht auch immer tiefer runter? Da hantiert doch ein Irrer permanent mit dem roten Knopf für einen Atomkrieg.

  • Genau diese Horrormeldungen verursachen dein Problem der Schlaflosigkeit, Jupp. Du verfolgst permanent in den Medien die militärischen Nachrichten, die vielfach mit Kriegspropaganda vermischt sind. Es sind nicht immer objektive Tatsachen, was die Reporter berichten, sondern sie reissen dich mit ihren Emotionen mit. Du siehst es doch täglich in den Gesellschaften: die russischen Putin-Fans, bei uns die Querdenker-Szene. Timothy Snyder hat in seinem Buch „Über Tyrannei“ eine exzellente Analyse verfasst: „Tatsachen aufzugeben bedeutet, die Freiheit aufzugeben. Wenn nichts wahr ist, dann ist alles Spektakel.“

Ich weiß es ja, Ingo. Alles was in den Medien die Quote bringt, sind Eindrücke, Emotionen und Mythen – die alternativen Realitäten. Gute Nachrichten sind nicht interessant genug. Ich bin total überinformiert, leide aber immer mehr an meiner Handlungsunfähigkeit und bin dem Geschehen so hilflos ausgeliefert. Ich finde keine ruhige Minute mehr.

  • Ja, die Ruhe fehlt. Kannst du denn ein Buch in Ruhe noch zu Ende lesen? Wie groß ist momentan noch deine Aufmerksamkeitsspanne? Eine Twitter-Meldung weit? Snyder beschreibt präzise diese Methoden der Tyrannei: „Vor mehr als einem halben Jahrhundert warnten die klassischen Romane des Totalitarismus vor der Herrschaft der Bildschirme, der Unterdrückung von Büchern, der Beschränkung des Wortschatzes und den damit verbundenen Schwierigkeiten des Denkens. In Ray Bradburys Fahrenheit 451, veröffentlicht 1953, spüren Feuerwehrleute Bücher auf und verbrennen sie, während die meisten Bürger interaktives Fernsehen schauen. In George Orwells 1984, veröffentlicht 1949, werden Bücher verboten und das Fernsehen ist nicht nur ein Empfänger, sondern erlaubt es der Regierung, die Bürger die ganze Zeit über zu beobachten.
    In 1984 ist die Sprache der visuellen Medien in hohem Maße eingeschränkt, um der Öffentlichkeit die Begriffe zu entziehen, die man braucht, um über die Gegenwart nachzudenken, sich an die Vergangenheit zu erinnern und Überlegungen hinsichtlich der Zukunft anzustellen. Eines der Projekte des Regimes besteht darin, die Sprache noch weiter auszudünnen, indem man aus jeder neuen Ausgabe des offiziellen Wörterbuchs wieder unzählige Wörter streicht.
    Auf Bildschirme zu starren ist unvermeidlich; doch die zweidimensionale Welt ist wenig sinnvoll, wenn wir nicht über ein geistiges Rüstzeug verfügen, das wir anderswo entwickelt haben. Wenn wir die gleichen Wörter und Phrasen wiederholen, die in den täglichen Medien auftauchen, akzeptieren wir das Fehlen eines größeren Rahmens.“

Ich habe noch das Buch von Neil Postman von 1985 zuhause: „Wir amüsieren uns zu Tode“. Fernsehen wurde nicht für Idioten geschaffen – es erzeugt sie! Das schlug damals knallhart ein. Und was schlägt dein Snyder nun vor, was wir tun sollten?

  • Wie gesagt, lesen, mein lieber Jupp. Ich zitiere einfach weiter: „Um aber über einen solchen Rahmen zu verfügen, brauchen wir mehr Begriffe, und um über mehr Begriffe zu verfügen, müssen wir lesen. Also verbanne die Bildschirme aus deinem Zimmer und umgib dich mit Büchern. Die Protagonisten in den Romanen von Orwell und Bradbury konnten das nicht tun, aber wir können es – noch.
    Was soll man lesen? Jeder gute Roman belebt unsere Fähigkeit, über widersprüchliche Situationen nachzudenken und die Absichten von anderen zu beurteilen.“ Soweit Timothy Snyder. Ich befasse mich gerade mit Hannah Ahrendts Hauptwerk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, das Standardwerk der Totalitarismus-Forschung mit über 1000 Seiten. Sie untersucht darin die historische Entstehung und die gemeinsamen politischen Merkmale des Nationalsozialismusund des Stalinismus.   

 Also Lesen statt Glotze gucken. Das lenkt sicherlich von der momentanen Weltlage etwas ab. Anstatt solcher wissenschaftlichen Wälzer bevorzuge ich aber lieber ein paar klassische Krimis oder gute Science-Fiction, wobei ich da die dystopischen Romane nicht mehr anfassen werde.

  • Ja, auch nicht verkehrt. Es ist aber wichtig, beim Lesen zu erkennen, was sich im Hintergrund der Geschehnisse abspielt. Hannah Ahrendt hat zur Zeit der Studentenbewegung Ende der 1960-Jahre auch ein Buch über „Macht und Gewalt“ geschrieben. Ich lernte daraus, dass das Menschsein ein ewiger Kampf um die Macht ist.

Na klar, der uralte Darwin’sche Kampf des Stärkeren, also des Mächtigeren: der Ehemann demütigt seine Frau, der Vater ohrfeigt das Kind, der Chef belästigt seine weiblichen Untergebenen, Lehrer und Priester missbrauchen ihre anvertrauten Kinder. Staatsmänner werfen Oppositionelle in Gefängnisse. Gib einem Underdog eine Waffe in die Hand, und er kann nun ohne ein Risiko mit stolzgewellter Brust den Stärkeren erschießen. 

  • Ein Machtgefühl kann sich aber auch ohne Gewalt einstellen. Schau dir mal die positive Seite von Machtausübung an: Popstars füllen mit ihrer Musik riesige Arenen. Der Papst versammelt in Manila zwei Millionen Gläubige zu einer Messe. Fußballstars begeistern mit ihrer Ballkunst, Sportler gelangen mit Höchstleistungen an ihre körperlichen Grenzen.

Ja schön, Ingo. Aber der kleine Mann kann auch mit seinem Machtgefühl nerven: der Ordnungshüter, der mit Knöllchen gegen Falschparker vorgeht und der Beamte, der einen Antragsteller genüsslich warten und wie einen Bittsteller aussehen lässt. Presseredakteure zerstören politische oder persönliche Karrieren, Medienmanager entscheiden über den Aufstieg von C-Prominenten. Und die traurige Krönung im Gesundheitswesen stellt sicherlich der Krankenpfleger Niels Högel dar, der sechs Jahre lang auf der Intensivstation hunderte von Patienten umbrachte. Er entschied täglich wie ein absoluter Tyrann über Leben und Tod.

  • Aber du siehst in unserer Zeit, dass der Mächtige auch mit heftiger Gegenwehr rechnen muss. Die Unzufriedenen haben Mittel und Wege für eine Gegenmacht entwickelt: die Pegida gegen die Flüchtlingspolitik, die AfD gegen den Euro, die Querdenker gegen den Masken- und Impfzwang. Die Reichsdeutschen ignorieren die deutsche Staatsmacht und kämpfen gegen eine obskure BRD GmbH.

Die Reichsbürger lassen sich vom verhassten Staat aber gerne die Rente auszahlen, so wie die Querdenker gut von Hartz 4 leben, nur mal angemerkt, Ingo. Apropos Gegenmacht: nicht zu vergessen die Viren, die unserer etablierten Gesellschaft schwer zu schaffen machen: der Corona-Virus stürzt die Menschheit in ein Chaos und unsichtbare Computerviren erreichen dasselbe Ziel bei Institutionen aller Art. Gegen diese Gewalt ist kaum ein Kraut gewachsen.

  • Man darf auch nicht die Macht des geschriebenen Wortes unterschätzen. Emile Zola hat 1898 wegen eines Machtmissbrauchs einen offenen Brief an den Staatspräsidenten geschrieben, tituliert mit „J’accuse“. Er hat damit einen großen politischen Skandal ausgelöst und der Dreyfus-Affäre eine entscheidende Wendung gegeben. Und heutzutage hat Greta Thunberg durch einen simplen Sitzstreik an ihrer Schule die weltweite Bewegung „Fridays for Future“ gegründet.

Ja, ein einzelner Mensch kann tatsächlich viel bewegen, im Guten wie im Schlechten. Zivilcourage gegen Machtmissbrauch hätte ich mir aber bei den Teilnehmern an diesem berühmten Milgram-Experiment gewünscht. In der ersten Versuchsreihe waren damals zwei Drittel der Probanden bereit, einen angeblichen Schüler für falsche Antworten mit schweren Elektroschocks zu bestrafen, nur aufgrund des Machteinflusses des Versuchsleiters.

  • Richtig, Jupp. Es gab danach noch eine Steigerung: das Stanford-Prison Experiment. Einfache Menschen übernahmen Rollen als Wärter und Gefangene in einem fiktiven Gefängnis. Nach drei Tagen geriet das Experiment außer Kontrolle, weil einige Wärter sadistische Tendenzen zeigten und musste abgebrochen werden. Unter Druck werden normale Menschen zu Folterknechten. Diese menschlichen Verhaltensmuster zur exzessiven Ausübung von Macht sind möglicherweise auch die Ursache für die Grausamkeiten von Soldaten im Krieg. Der Lack der Zivilisation ist sehr dünn und bei Belastung wird er schnell brüchig. 

Ich habe gerade ein Interview mit dem britischen Historiker Simon Sebag Montefiore gelesen. Beim Ukraine-Krieg kommt seiner Ansicht nach erschwerend hinzu, dass die geschichtlichen Vorbilder von Putin auch grausame Herrscher waren. Und dadurch sehr erfolgreich. Das dreihundertjährige Reich der Romanow-Zaren umfasste 1890 unter Nikolaus II. ein Sechstel der Erdoberfläche. Seit fünfhundert Jahren führten fast alle Zaren ein brutales Regime, welches Stalin dann im 20. Jahrhundert genauso menschenverachtend fortsetzte.  Putin will nun das Drehbuch der Romanows weiterführen und nach dem beschämenden Zusammenbruch der Sowjetunion „Ruhm und Ehre Russlands“ wieder herstellen. Und er ist ja in den Jahren seiner Regentschaft dank der Behäbigkeit des Westens immer wieder erfolgreich gewesen: Tschetschenien, Georgien, Syrien, Krim. Putins Lieblingszitat stammt von Zar Alexander III, der die erste Geheimpolizei einführte: „Ich brauche bloß zwei Verbündete: die Armee und meine Marine.“

  • Damit landen wir wieder bei Darwin und dem Recht des Stärkeren. „Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen“ fand schon damals Mao Tse-Tung. Eine derartige Staatsräson führt zu unvorstellbaren Leiden, wenn sie unerbittlich durchgesetzt wird. In den zwölf Jahren, als Hitler und Stalin gleichzeitig an der Macht waren, wurden in den sogenannten Bloodlands, das sind Polen, Belarus, Ukraine, das Baltikum und Westrussland, vierzehn Millionen unbewaffnete Zivilisten ermordet, zusätzlich zu den Millionen Soldaten, die auf den Schlachtfeldern starben. Friedrich Dürrenmatt forderte folgerichtig: „Die Herrschenden müssen bewacht werden, nicht die Beherrschten.“

Aber Ingo, was können denn die heutigen Politiker einem solchen Regime entgegensetzen? Wir wollten die Minimierung von Kriegsrisiken mit der Strategie „Wandel durch Handel“ erreichen, getreu der Einsicht, dass sich jeweils gutverdienende Handelspartner nicht gegenseitig an die Gurgel gehen und ihr lukratives Business zerstören.

  • Ich glaube, unsere Politikerkaste hat viele Jahre lang mit dem hungrigen Blick auf die günstigen Öl- und Gaslieferungen aus Russland die permanenten Warnzeichen vor dem Putinschen Imperalismus ignoriert. Die Regierungen waren in dem guten Glauben, nach dem Herunterfahren der Atom- und Kohlekraftwerke mit Gas und Öl die Klimakrise meistern zu können. Deswegen übertrafen sie sich gegenseitig mit dem Werben um Putins Wohlwollen, geradezu blindlings. Der Klappentext zum Tyrannei-Buch von Timothy Snyder lautet: „Leiste keinen vorauseilenden Gehorsam! So lautet die erste von zwanzig Lektionen für den Widerstand, mit denen Timothy Snyder die Bürger der Vereinigten Staaten auf das vorbereitet, was gestern noch unvorstellbar zu sein schien: einen Präsidenten, der das Gesicht der Demokratie verstümmelt und eine rechtsradikale Tyrannei errichtet.“ Es war gerade die Zeit, als Trump die Wahl gewann.

Putin war ja auch das Gegenbeispiel zum verhassten Donald Trump. „Ein lupenreiner Demokrat“ definierte ihn einst unser Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Dabei hatte Putin mit seinen fünften Kolonnen überall die Finger drin: 2008 beim Bankencrash, beim Brexit, im Syrienkrieg, bei der Trumpwahl, bei dem Widerstand der Querdenker – überall sät er im Untergrund systematisch ein Misstrauen in die Stärke der Demokratie und ihrer Institutionen. Aber wie kann man Putin nun wirksam stoppen? Die mittlerweile fünfte Phase der EU-Sanktionen hat die Verehrung des neuen Zaren in der russischen Bevölkerung anscheinend nur verstärkt.

  • Möglicherweise liefert Charles Baron de Montesquieu dazu eine Antwort: „Es ist eine ewige Erfahrung, dass jeder Mensch, der Macht in Händen hat, geneigt ist, sie zu missbrauchen. Er geht soweit, bis er Schranken findet.“ Die Drangsalierung des russischen Volkes beeindruckt Putin in keiner Weise, er sitzt mit seiner Kreml-Truppe ja gut versorgt in den Palästen und beobachtet amüsiert die finanziellen Krisen in Europa und den USA. Es braucht also ein überzeugendes Zeichen, dass es eine stärkere Macht als ihn gibt. 

Aber welche denn? Die Großmächte USA und EU haben ihn bislang nicht sehr beeindruckt. Zudem hat er sich auf der letzten Olympiade mit der kommenden Weltmacht China verbündet und fühlt sich nun stark genug, das kommunistische System zum Sieg über den dekadenten Westen zu führen.

  • Na ja, die amerikanische Militärhilfe hat der Ukraine bislang das Überleben ermöglicht. Und die Europäer liefern nun schwere Waffen. Nein, ich meine den Cyber-War. Die Idee basiert darauf, dass Russland am Aufbau eines eigenen Internetsystems arbeitet, dem RuNet, um gezielt die „propaganda-schädlichen“ Einflüsse der westlichen Nachrichten und Social Media abzuschalten. Allerdings ist die russische Wirtschaft weiterhin auf die Teilnahme am weltweiten Internet angewiesen. Eine Empfehlung lautet, dass man als Warnung nur für wenige Stunden einmal das gesamte Land radikal vom Internet abschneidet – technisch ohne weiteres machbar. Für Putins Wirtschaft wäre das ein Super-GAU und die Abschaltung über eine längere Zeit würde zu einem völligen Kollaps aller systemrelevanten Geschäftstätigkeiten führen. Beispiel Nord-Korea. Die wirtschaftliche Schwäche Russlands ist die größte Gefahr für das Putin-Regime. 

Ach, Ingo. Ein riesiges Nordkorea als unsere nächsten Nachbarn? Grauenhaft. Lass uns bitte dieses Thema beenden. Ich denke gerade daran, wie wir den größten Teil unserer beiden Leben ohne irgendein Internet und Handy ausgekommen sind. In ihrer Kolumne beim SPIEGEL empfiehlt die Redakteurin Sibylle Berg Kühe melken gegen die Dauerpanik: „Tiere machen guten Laune (wenn man sie nicht schlachtet).“  Sicherlich bringt statt der Milch von glücklichen Kühen jetzt ein gepflegtes Bier unser Fühlen und Denken wieder in eine bessere Balance.

  • Also Jupp, das hört sich tatsächlich nach einer guten Idee an. Lass uns das gleich in die Praxis umsetzen. Auf dass der Phönix-Vogel möglichst bald und glückverheißend aus seiner Asche aufsteigen kann. Prost.

# # # 

Ich fühlte eine tiefe Erleichterung. Endlich hatte ich die Macht über das Ganze und konnte Befehle geben. Ich hatte das Gefühl, mit dem Schicksal zu wandeln.

Mein ganzes vergangenes Leben schien mir jetzt nichts als eine Vorbereitung gewesen zu sein, eine Vorbereitung auf diese Stunde.

(Sir Winston Churchill)

 

Krieg ist zuerst die Hoffnung, dass es einem besser gehen wird,

hierauf die Erwartung, dass es dem anderen schlechter gehen wird,

dann die Genugtuung, dass es dem anderen auch nicht besser geht,

und hernach die Überraschung, dass es beiden schlechter geht.

(Karl Kraus)

 

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von Ingo Nöhr

Ich pflanze noch ein Apfelbäumchen

Ingo Nöhr zum 1. April

Angesichts der täglichen Grausamkeit im ukrainischen Kriegsgebiet ist den beiden Freunden Ingo und Jupp der Spaß an einem Aprilscherz vergangen. Kaum vorstellbar, wie dort unter diesen Umständen noch eine medizinische Versorgung der vielen Verwundeten möglich ist. Das bisher meist einvernehmlich regulierte Weltgeschehen schlägt schlagartig in eine brutale Machtpolitik um. Die neue Wirklichkeit hat den Koalitionsvertrag der drei Ampel-Parteien ignoriert und die Regierung arbeitet nun fieberhaft an einem Neustart aller strategischen Ziele in der Verteidigungs-, Energie-, Haushalts- und Sozialpolitik. Die Klimapolitik und die Pandemiebekämpfung müssen jetzt erstmal warten. Fraglich ist, wie lange die Umwelt und das Corona-Virus sich das noch gefallen lassen.

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Hallo, Ingo, jetzt steht ja dein damals prophezeiter Weltumbruch kurz bevor. Siehst du irgendwo schon den Phönix aus der Asche steigen? Sollte der durchgeknallte Putin tatsächlich auf seinen roten Atomknopf drücken, würde sich dein Vogel eine Menge Radioaktivität einfangen.

  • Ja, Jupp, ich kann deine Stimmung gut nachvollziehen, schließlich befinden wir uns nun schon seit zwei Jahren im permanenten Krisenmodus. Und auf keinem Gebiet zeichnet sich eine nachhaltige Lösung ab, weder bei der Pandemie, dem Klimawandel noch im kriegerischen Expansionswillen von Despoten. Und am Horizont läuft sich schon Donald Trump für eine neue Amtszeit warm.

Als was wird diese Periode wohl später in die Geschichtsbücher eingehen? Die drei großen Imperien USA, China und Russland befinden sich im finalen Machtkampf und mittendrin ein meist zerstrittenes und chaotisches Europa. Erleben wir gerade live den Zerfall der alten Machtblöcke wie beim Untergang der Sowjetunion und dem britischen Empire? Wer wird der Nachfolger, etwa China?

  • Das wird dir heute noch keiner sagen können, Jupp. Schließlich handelt es sich um ein hochkomplexes dynamisches System, wo schon kleine Änderungen unabsehbare Folgen auslösen können. Vergiss nicht die einfachen Menschen an der Basis. Sie haben durch ihren Protest gegen die Machthaber letztendlich Trump abgewählt, die Berliner Mauer eingerissen, die Wiedervereinigung Deutschlands erreicht und die sowjetischen Bruderstaaten in die EU eingebracht. Du erkennst die schlummernde Energie der Bürger in der unbeschreiblichen Solidarität und Hilfeleistung mit den fliehenden Ukrainern. In diesem zutiefst menschlichen Selbstverständnis sehe ich den unzerstörbaren Kern der Freiheitsliebe und die Quelle des Widerstandes gegen Despoten aller Art.

Da magst du als unverbesserlicher Optimist vielleicht Recht haben, aber aktuell sollten wir uns schleunigst mal nach einem atombombensicheren Bunker umschauen. Schließlich hat der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gedroht, dass Russland nicht zögern würde, Atomwaffen bei „existenzieller Bedrohung“ einzusetzen. Unser Zivil- und Katastrophenschutz ist doch kaputtgespart worden. Die Alarmsysteme sind größtenteils festgerostet oder demontiert. Wahrscheinlich müssen uns im Ernstfall die Kirchenglocken alarmieren, wie im Mittelalter. Von den 2000 Bunkern des Kalten Krieges sind nur noch 600 übriggeblieben. Sogar der Regierungsbunker in der Eifel ist mit Millionen Kosten wieder abgebaut worden, weil es hieß: „Die Regierung kümmert sich ja um den Frieden und daher braucht sie keinen Zufluchtsort vor dem Krieg.“

  • Aber zu deiner Beruhigung, Jupp: wir werden nicht gleich verhungern. An 150 geheimen Orten werden noch heute Nahrungsmittel-Notrationen von Weizen, Roggen, Hafer, Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch gelagert – insgesamt rund 130.000 Tonnen. Und das Technische Hilfswerk kann rund 400.000 Menschen mit Trinkwasser versorgen. Über die Biervorräte konnte ich allerdings nichts in Erfahrung bringen.

Also, sehr beruhigend zu wissen. Wir können die ersten Wochen nach dem Atomschlag noch überleben. Hoffentlich fällt er in den Sommer, sonst müssen wir nämlich frieren. 2015 gab der deutsche Energieversorger Wintershall alle deutschen Erdgasspeicher in die russischen Hände der Gasprom-Tochter Astora.

  • Jupp, wir sind ja selber verantwortlich: wir lebten auf einer Insel der Seligen. Deutschland hat seine Sicherheit in die Vereinigten Staaten, seinen Energiebedarf nach Russland und sein vom Export getragenes Wirtschaftswachstum nach China ausgelagert. Daher konnte man unsere Bundeswehr als kostengünstige Friedensarmee ohne funktionierende Waffen führen, billiges Öl verprassen und in weltverseuchendes Mikroplastik verwandeln. Für den täglichen Konsum von chinesischer Billigware war Amazon zuständig. Jetzt ist die Zeit im Schlaraffenland wohl vorbei und die harte Wirklichkeit holt uns ein. Wie immer, sind wir nicht gerade angemessen darauf vorbereitet.

Also gilt wieder einmal: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner. Vielleicht noch der nette Nachbar. Die Ahrweiler können ja ein Lied davon singen. Unser tolles Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt jedem Bürger, eine Reserve anzulegen, sodass ein Haushalt ohne Einkaufen und Wasserzufuhr zehn Tage überleben könnte. Also denk bitte daran, lieber Ingo, genügend Klopapier und Sonnenblumenöl einzulagern. Und für zehn Euro kannst du dir das Buch „Kochen ohne Strom“ mit vielen Rezepten kaufen.

  • Aber Jupp, die Ausgabe für das Buch werden wir uns doch locker leisten können, wenn jetzt im Sommer unsere Renten so stark steigen wie lange nicht. Eigentlich erstaunlich. Schließlich hat unser Finanzminister Christian Lindner noch im Wahlkampf und sogar im Koalitionsvertrag absolute Sparsamkeit verkündet: „Die Grundwerte von Freiheit und Selbstbestimmung sind für uns nicht verhandelbar. Einer Regierung könnten wir deshalb nicht beitreten, die Steuern erhöht und die Schuldenbremse missachtet.“ Jetzt unterschreibt er einen Scheck nach dem anderen: 100 Milliarden für das Militär, Dutzende Milliarden für das Klima, und weitere für den beschleunigten Ausbau des Sozialstaates, aktuell neues Geld für die Flüchtlinge. Vermutlich steht auch bald eine Diätenerhöhung für die Politiker an.

Ja, erstaunlich, Ingo, wo das Geld plötzlich herkommt – alles für superteure Reparaturen der Altlasten früherer Regierungen. Mir kommt da ein Spruch in den Sinn: „Ich kann jetzt nicht den Weidezaun reparieren, denn ich muss ständig die entlaufenen Kühe wieder einfangen!“ Durch dieses Verhalten hat sich unsere Staatsschuld in den letzten 15 Jahren auf 2.300 Milliarden Euro verdoppelt, das macht fast 30.000 Euro pro Kopf. Da werden unsere Urenkel beim Zurückzahlen aber heftig auf uns fluchen.

  • Vielleicht bekommen unsere Urenkel die Rechnung gar nicht mehr auf den Tisch. Ich hatte da gerade eine Vision, als ich an die kommenden Innovationen der Rüstungsindustrie dachte. Die Kampfdrohnen und anderen Lenkwaffen sollen doch autonom von Künstlicher Intelligenz gesteuert werden. Was wäre, wenn die KI plötzlich Super-Intelligenz entwickelt und sich entscheidet, einfach zum Abschussort zurückzufliegen, um dort den Angreifer in die Luft zu jagen. Wenn das alle intelligenten Waffensysteme machen würden, müssten wir wieder Mann gegen Mann mit Keulen und Speeren kämpfen.

Da würden sich die Menschen aber reichlich dumm vorkommen. Eine Maschine ist schlauer als sie - das kratzt bestimmt mächtig am Selbstbewusstsein. Ich habe gerade eine andere Idee, die mir als Pessimisten näher liegt. Nimm mal folgendes Szenario an: ein großer Asteroid ist auf den Weg zur Erde, der Aufprall in wenigen Wochen ist unvermeidlich. Plötzlich ist die gesamte Menschheit von der Vernichtung bedroht. – Jaaa Ingo, ich gebe zu: die Story habe ich von den letzten Katastrophenfilmen geklaut. Aber lass uns trotzdem mal spekulieren. Wie würden sich die Menschen vor der drohenden Apokalypse verhalten?

  • Ich denke mal, sehr unterschiedlich, je nach Mentalität und Kultur. Die Religiösen würden ihr Heil in den Gebeten suchen, die Buddhisten bereiten sich mit guten Taten auf die Reinkarnation vor. Die esoterischen Gurus würden den Asteroiden als Raumschiff einer fremden Rasse begrüßen. Die Kapitalisten könnten extrem verteuerte Bunkerplätze verkaufen. Putin würde sicherlich mit Militärgewalt noch schnell ein paar ehemalige Ostblockländer in sein Reich heimholen. Die Oligarchen steuern mit ihren Super-Yachten die Antarktis an. Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson machen ihre Raketen und Raumschiffe für den Mond oder den Mars klar. Und was machst du, mein lieber Jupp? Als Pessimist wärest du ja eigentlich gut auf ein solches Szenario vorbereitet.

Gute Frage. Ich würde mein ganzes Geld zusammenkratzen, alle meine Freunde einladen und bis zum Knall eine rauschende Party veranstalten - in dem schönen Gefühl, dass in Kürze alle meine Sorgen und Ängste ein Ende finden werden. Und jetzt will ich aber wissen, wie du dich verhalten würdest, Ingo.

  • Ich würde mich an den Vorschlag von Martin Luther halten: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Und dazu lese ich das passende Buch von Hoimar von Ditfurth mit dem Titel „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen – es ist so weit“. Schon im Jahre 1985 hat er die bevorstehende Endzeit beschrieben: Atomkrieg, Umweltzerstörung, Bevölkerungsexplosion und die Unfähigkeit der menschlichen Gesellschaft, darauf angemessen zu reagieren. Immerhin haben wir noch 37 Jahre lang durchgehalten. Und natürlich, als unverbesserlicher Optimist hoffe ich darauf, dass der Asteroid die Erde nur am Rande streifen wird, wie ein flacher Stein auf dem Wasser abprallen und wieder ins Weltall entschwinden wird. So what?

Wow, Ingo. Ich habe den Eindruck, wir beide könnten der Katastrophe gefasst ins Auge schauen. Dann lass uns mal auf eine hoffnungsfrohere Zukunft mit einem gepflegten Bier anstoßen. Wie gut, dass der Hopfen nicht aus der Ukraine kommt. Oh, das ist schon wieder unser Stichwort. Dazu sollten wir jetzt mal ein paar Gedenkminuten für die Menschen einlegen, die in der Realität gerade die menschgemachte Hölle auf Erden erleben.

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„Alle die fahlen Rosse der Apokalypse sind durch mein Leben gestürmt, Revolution und Hungersnot, Geldentwertung und Terror, Epidemien und Emigration; ich habe die großen Massenideologien unter meinen Augen wachsen und sich ausbreiten sehen, den Faschismus in Italien, den Nationalsozialismus in Deutschland, den Bolschewismus in Russland und vor allem jene Erzpest, den Nationalismus, der die Blüte unserer europäischen Kultur vergiftet hat.“ 
(Stefan Zweig, Die Welt von Gestern: Erinnerungen eines Europäers, 1942)

„Selbst wenn also eine Zombie-Apokalypse stattfinden sollte, werden Sie dank des Tesla-Supercharging-Systems immer noch imstande sein, zu reisen.“  
(Elon Musk, US-amerikanischer Unternehmer)

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von Ingo Nöhr

Zeitenwende

Ingo Nöhr zum 1. März 2022

Unglaubliches ist geschehen. Plötzlich wird in Europa ein Land überfallen. Ein „lupenreiner Demokrat“ hat sich überraschend als machtbesessener Kriegsverbrecher geoutet. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich wegen „ukrainischen Säbelrasselns“ endgültig in eine tragische Gestalt gewandelt. Gerade haben sein langjähriger Büroleiter und drei weitere Mitarbeiter gekündigt, Kreisverbände fordern wegen parteischädigendem Verhalten seinen Ausschluss aus der SPD.  Seine bisherigen Rednerhonorare von 50.000 bis 75.000 Euro dürften nun mangels Nachfrage drastisch sinken. Und wie lange der Steuerzahler sein Alt-Kanzlerbüro noch mit jährlich 407.000 Euro finanzieren muss, steht auch in den Sternen. Aber das ist momentan wohl das kleinste Problem.

„Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf.“
Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede vor dem Bundestag am 27. Februar 2022

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Mensch Ingo, was für eine Woche! Wir erleben eine Zeitenwende! Live! Und wir sind mittendrin! Weltgeschichte. Wie damals am 11. September 2001, als die USA angegriffen wurde. Diesmal wird die bestehende Weltordnung mit ihrer „Friedensdividende“ angegriffen.

  • Ja, Jupp. Es macht mich sprachlos. So drastisch hatte ich mir disruptive Politik nie vorgestellt. Nur erleben wir diesmal keinen Sprung vorwärts, sondern einen Rückfall in den Kalten Krieg, nein, sogar bis in die steinzeitliche Welt: „Gib mir dein Essen und deine Frauen, denn ich habe die größere Keule!“.

Angeblich ist Putin ja ein gläubiger Mensch, aber da hat er wohl das Alte Testament nicht sorgfältig gelesen und gelernt, wie damals der Kampf zwischen David und Goliath ausgegangen ist.

  • Der Vergleich passt gut. So wie die Bibel den damaligen Krieg weltweit berühmt gemacht hat, so verfolgt nun auch der größte Teil der Menschheit mit großer Anteilnahme den verzweifelten Überlebenskampf der Ukrainer. Diesmal aber in Echtzeit und nicht nur als Zuschauer. Und in oft ohnmächtiger Wut und schlechtem Gewissen werden nun alle verfügbaren Mittel eingesetzt, um den rasenden Despoten zu isolieren.

Ja, Ingo, hat es schon jemals so eine Solidaritätswelle auf der Erde gegeben? Putin ist bis auf ein paar andere getreue Despoten weltweit von allen modernen Medien abgeschnitten: Flugverkehr, Facebook, Handel und Banken, Kulturveranstaltungen, sogar alle Sportereignisse – alles macht nun einen großen Bogen um Russland.

  • Wobei die Leidtragenden bei den Diktatoren immer die Bevölkerung ist, die bei Widerspruch mit ihrem Protest von den Schergen der Regierung brutal niedergeknüppelt und weggesperrt wird. Kasachstan, Belarus, Türkei, China, Myanmar, - die Liste ist noch lange fortzusetzen. Langfristig, das zeigt durch unsere eigene Geschichte mit der DDR, lässt sich ein Volk nicht ruhigstellen. Es brodelt unter der Oberfläche als schwelende Zeitbombe und letztendlich zersetzt Unterdrückung und Korruption einen Staat unwiderruflich von innen. Nichts ist ausdauernder als der Wunsch nach Freiheit. Gegen diesen Drang kann keine Regierung langfristig bestehen, ebenso wenig ein Tyrann mit seiner Armee.

Nelson Mandela hat es mal so ausgedrückt: „Nicht die Gewehrkugeln und Generäle machen Geschichte, sondern die Massen.“ Die Masse, also das regierte Volk ist nicht mehr so leicht ruhigzustellen. Es begehrt auf, trotz brutaler Unterdrückung wie in Kasachstan, in der Türkei, in Moskau und in Weißrussland. Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten. Und Abraham Lincoln hat schon damals festgestellt: „Kein Mensch ist gut genug, einen anderen Menschen ohne dessen Zustimmung zu regieren.“

  • Ja, Jupp, das sieht aber ein psychotischer Despot etwas anders. Interessant, dass du gerade Abraham Lincoln zitierst. Leider hatte diese Mahnung auf Donald Trump keinen Eindruck gemacht. Solche Herrscher haben doch längst die Bodenhaftung verloren und sich mit einem Heer von Hofschranzen umgeben, nachdem sie alle Störer und Kritiker eliminiert haben, inklusive der Opposition im Parlament und im Volk. Putin sitzt isoliert von allen Korrektiven im Machtzentrum, bisher getragen von den milliardenschweren Oligarchen, die mit ihm das Land ausgeplündert haben.

Bei den Oligarchen wäre ich mir aktuell nicht mehr sicher. In den letzten Tagen wurde eine Massenflucht von Privatjets und Luxusjachten aus dem Einflussbereich der EU beobachtet. Die Sperrung ihrer Konten und Abschaltung des SWIFT hat sie schwer verunsichert. Vielleicht verstehen sie jetzt die Warnung von Thomas Jefferson besser, dass nämlich Banken gefährlicher sind als stehende Armeen.

  • Eigentlich fing es nach Putins Darstellung doch ganz harmlos an: eine begrenzte Spezialoperation in der nunmehr unabhängigen Donezk- und Luhansk-Region, die ihn zu Hilfe gerufen hatte, um den angeblichen Genozid an der russischen Bevölkerung zu beenden. Kurz danach musste zur Entmilitarisierung das unterdrückte Ukraine-Volk von den Neonazis und Drogenbanden in ihrer Regierung befreit werden. Der kleine russische Bruder hätte die Befreier jubelnd begrüßen sollen und der eventuelle Widerstand der vom Westen verblendeten Nationalisten wäre schnell beendet worden.

Ja, dann passierte aber leider eine unverzeihliche Panne bei den russischen Staatsmedien. Die längst vorbereitete Siegesrede von Putin wurde schon am Samstag vorschnell veröffentlicht. Titel: „Der Aufbruch Russlands und der neuen Welt.“ Die Militäroperation habe nun eine neue Ära eingeleitet. Die drei Nachfolgestaaten der historischen Kiewer Rus, nämlich Russland, Belarus und die Ukraine, sind nun wiedervereint. Wladimir Putin habe eine historische Verantwortung auf sich genommen, indem er beschlossen habe, die Lösung der ukrainischen Frage nicht künftigen Generationen zu überlassen. Und jetzt kommt die wahre Mission ans Tageslicht: nicht nur die Einheit Russlands wieder herzustellen, sondern die Tragödie von 1991, den Zerfall der Sowjetunion, rückgängig zu machen. Das war für ihn „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“.

  • Es sollte ja ein schneller Enthauptungsschlag werden, ein Blitzkrieg, der in 48 Stunden vorbei sein müsste. Kurz mit einem gezielten Angriff die Luftverteidigung ausschalten, ins wehrlose Kiew einmarschieren, eine russlandfreundliche Regierung einsetzen, so, wie es oft schon geklappt hat, und fertig wäre die erste Stufe seines Plans. Wenn der Westen mit Einmischung stören sollte, genügt ein Wink mit der erhöhten Einsatzbereitschaft der Atomstreitkräfte.

Wenn solche Machthaber auch noch einen Finger auf dem Startknopf für Atomraketen legen können, dann wird es für die Welt höchstgefährlich. Und gerade die ukrainische Bevölkerung ist durch den katastrophalen Reaktorunfall in Tschernobyl alarmiert. Aber mit Nuklearschlägen haben sich bereits Donald Trump und Kim Jong-un bedroht. Solche Geisteskranke sollten bereits lange vor ihrer politischen Karriere bei einem Psychologietest durchfallen und aus dem öffentlichen Verkehr gezogen werden können.

  • Es ist ja nicht nur „Putin der Große“, der von seiner historischen Aufgabe der Neugeburt des alten russischen Reiches besessen ist. Erdogan träumt vom osmanischen Reich und China will sich Taiwan wieder einverleiben. Trump wollte sein Amerika der Weißen Männer wieder groß machen. Stell dir mal vor, ein Bernd Höcke von der AfD mit einer Regierung aus Rechtsradikalen übernimmt die Macht und will mit starker Hand das Dritte Reich in den alten Grenzen wieder herstellen. Das ist ja gerade das Gefährliche, was Konfuzius schon vor 2500 Jahren erkannt hat: „Der Anführer eines großen Heeres kann besiegt werden. Aber den festen Entschluss eines Einzigen kannst du nicht wankend machen.“ Putins Entschluss reifte schon vor 20 Jahren: erst die Donbass-Region, dann ganz Ukraine und schließlich alle Russen vereinen. Die neue Welt Russlands bricht an. Und letztendlich die glorreiche Sowjetunion in ihren alten Grenzen.

Konfuzius trifft auch auf den neuen Nationalhelden Präsident Selenskyj zu, den wohl die stärkste denkbare Motivation eines einzelnen Menschen antreibt, nämlich das Überleben seiner Person und seiner Heimat. In Krisen zeigt sich die echte Größe und der wahre Charakter eines Menschen, im Guten wie im Schlechten. Selenskyjs Präsenz in den Internetmedien hat eine weltweite Lawine an Solidarität losgetreten, dem kaum eine Regierung etwas entgegensetzen kann.

  • Sein Gegenspieler Putin wurde kürzlich von der Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, als „einer der größten Einiger der NATO in der modernen Geschichte“ bezeichnet. „Was Sie hier sehen, ist ein geeinigtes Europa, ein geeinter Westen, eine geeinte NATO, die sich gegen die von Präsident Putin angeführte Aggression und Invasion wehren.“ Und so gesehen, hat er auch in Deutschland Unglaubliches bewegt: Seit letztem Monat hat unsere Regierung und die CDU/CSU jahrzehntelang einzementierte Grundsätze umgestoßen.

Nun ja, wir hatten solche Überraschungen schon öfter. Die SPD hat den Sozialstaat zerschlagen, die CDU hat die Atomkraftwerke abgeschaltet, die Grünen wollen sie womöglich wieder anschalten.  Die SPD und Grüne beschließen ein gewaltiges Rüstungsprogramm und freunden sich mit dem Einsatz von Fracking-Gas an.

  • Auch auf Druck von der Basis. Wir haben schließlich wieder ein starkes Wahljahr. Hunderttausende gehen in Solidarität mit der Ukraine auf die Straße oder widmen den traditionellen Rosenmontagsumzug in eine gigantische Friedenskundgebung um. Gegen diese Bilder hat Putin nicht viel gegenüberzustellen, seine Propagandalügen verfangen in der aufgeklärten Welt nicht mehr. 

Dabei wollte er von Anfang an mit seinen berüchtigten Hackerteams auch den Informationskrieg gewinnen und die Kommunikation über die Pressemedien und das Internet steuern. Der Cyberkrieg war anfangs wirkungsvoll und nebenbei waren 6.000 Windräder nicht mehr per Satellitenfunk zu steuern. Der große Cyberwar blieb allerdings noch aus.

  • Allerdings hatte Putin nicht mit der globalen Hackergruppe Anonymus gerechnet. In den Staatsmedien wie Russia Today erschienen plötzlich Solidaritätsmeldungen zur Ukraine, Webseiten des Kremls, der Duma und des Verteidigungsministeriums wurden durch Botnetz-Attacken lahmgelegt, die ukrainische Nationalhymne ertönt wider Erwarten zu russischen Sendungen, unterlegt mit verstörenden Bildern von der Situation im Kriegsgebiet. Der mutmaßliche Anführer der russischen Ransomware-Gruppe Conti fand plötzlich seine gesamten internen Chats des vergangenen Jahres öffentlich im Internet wieder, sehr zur Freude der internationalen Strafbehörden.

Aber Ingo, wie konnte es denn passieren, dass sich ein Profi wie Putin so mit seiner Strategie verschätzen konnte. Mag er sein militärisches Ziel der Eroberung der Ukraine auch militärisch erreichen, so ist er doch in politischer und finanzieller Hinsicht grandios gescheitert, und zwar für die nächsten Jahrzehnte.

  • Da ist die vorherige Risikoabschätzung gründlich in vielerlei Hinsicht schiefgelaufen. Zunächst einmal ist er kein erfahrener Krieger, denn er hat immer nur „special operations“ gegen kleinere und schwächere Gegner wie in Tschetschenien, Georgien und der Krim geführt. Die Reaktion der Weltgemeinde war abschätzbar und erträglich, der militärische Widerstand vernachlässigbar. Die Ukrainer haben 2014 gelernt, dass sie sich auf den nächsten Krieg vorbereiten müssen und sich mit modernen Waffen versorgt. Hunderttausende Soldaten erhielten durch Rotation in Kämpfen mit den Donbass-Russen wertvolle echte Kriegserfahrung. Nach der widerstandslosen Einnahme der Krim hat Putin die Leistungsfähigkeit und Kampfmoral der ukrainischen Armee entscheidend unterschätzt. Besonders überraschend für ihn ist wohl, dass Präsident Selenskyj als Kriegsheld an vorderster Front aushält, anstatt dass er schnell gefangen genommen oder vorher mit einem dicken Geldkoffer in die USA ausgeflogen worden wäre.

Gut Ingo, die Soldaten der russischen Armee scheinen bei weitem nicht so gut ausgebildet und motiviert zu sein. Einige Gefangene wähnten sich immer noch in einem Manöver. Aber glaubst du wirklich, dass die Ukrainer in ihren großen Städten angesichts der gewaltigen Übermacht noch lange den Widerstand aufrechterhalten können?

  • Nein Jupp, da haben sie militärisch wohl keine Chance. Aber politisch könnte sich plötzlich etwas bewegen, wenn die entscheidenden Kreise im Kreml mal endlich eine realistische Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen würden. Sie haben die Entschlossenheit des Westens komplett falsch eingeschätzt. Die EU war durch das Ende der Merkel-Ära geschwächt, die neue Bundesregierung musste sich erst finden und in Frankreich kämpft Macron im April um seine Wiederwahl. Biden hat innenpolitisch mit der gespaltenen US-Gesellschaft schwer zu kämpfen und will sicherlich keine amerikanischen Soldaten einsetzen. Ansonsten ist die Welt mit dem Klimawandel und der Corona-Pandemie weiterhin abgelenkt und sollte wohl nicht weiter die Kreise Putins stören.

Ich verstehe, Ingo. Wer hätte bei uns gedacht, dass sich der Westen angesichts der Invasion schlagartig zusammenschließt und beispiellose Sanktionen beschließt? Mit Maßnahmen, die unserer Wirtschaft auch sehr wehtun. Und zu einer SWIFT-Blockade führt, die schlagartig die Hälfte der 640 Milliarden Dollar Zentralbankdevisen einfriert. Für seine Kriegskasse kann Putin nur noch auf zusätzliche 90 in China gebunkerte Devisen-Milliarden zugreifen. Der wirtschaftliche Schaden durch die Kriegs- und Folgekosten ist noch unabsehbar, die geopolitischen Auswirkungen für Russland kaum vorstellbar.

  • Eigentlich ist es eine klassische Erfahrung, die sich einstellt, wenn man in einem komplex-dynamischen System an einem Punkt gezielt eingreift, um einen geplanten Effekt zu erzielen, ohne dass man die vielfältigen Vernetzungen und Reaktionen mit einem Risikomanagementsystem überschauen kann. Und in der Chaostheorie kennen wir den Katastrophenpunkt, der mit dem Schlag eines Schmetterlingsflügels anderswo einen Orkan auslösen kann. Putin hat kontinuierlich auf fast folgenlose Reizungen der westlichen Welt gesetzt, bis unerwartet ein Umkehrpunkt erreicht wurde, der einen kompletten Trendabbruch einleitete. In einem Lawineneffekt kollabierte das bislang tragende Gerüst der Bräsigkeit und schuf eine völlig neuartige Lage, für die kein Plan B existierte.

Ingo, bei mir schleicht sich gerade eine tiefe Besorgnis ein, wenn ich den neuen Bericht des Weltklimarats lese. Die Hälfte der Weltbevölkerung ist bedroht, wenn wir die globale Erwärmung nicht bei 1,5 Grad stoppen. Das Zeitfenster schließt sich immer schneller. Und wir verplempern unsere wertvollste Ressource mit durchgeknallten Despoten.

„Noch sind wir zwar keine gefährdete Art, aber es ist nicht so, dass wir nicht oft genug versucht hätten, eine zu werden.“ Das hat Douglas Adams mal geschrieben. 

Ingo, jetzt benötige ich mehr denn je deinen Optimismus.

  • Ich auch, mein lieber Jupp.

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Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben.

Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.

(Dwight D. Eisenhower, 1890 - 1969)

 

Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.

(Albert Einstein, 1879 - 1955)

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von Ingo Nöhr

Das Streitgespräch

Ingo Nöhr zum 1. Februar 2022

Der Jahresanfang 2022 hat es auch wieder in sich. Das neue Jahr wird seinen Vorgänger doch hoffentlich nicht mit noch krasseren Ereignissen übertreffen wollen. Zumindest sorgte es gleich zu Beginn mit nie erlebten Infektionszahlen, sodass selbst die Labore vor den Unmengen an angefragten PCR-Tests kapitulieren mussten. 5,6 Millionen Coronatote weltweit erreichen langsam die Marke der 2019 an Antibiotika-Resistenzen gestorbenen Menschen: 1,2 Millionen unmittelbar plus 5 Millionen Tote mit indirekter Beteiligung. Die Menschheit bereitet sich in den Augen der Apokalyptiker genüsslich auf ihre Auslöschung vor: ein Unterwasservulkan bricht aus, Hurrikane und Orkane überziehen die nördliche Hemisphäre, Überschwemmungen an vielen Orten.

Das urzeitliche Neandertaler-Gehabe durchbricht erneut die dünne Zivilisationsschicht: An der waffenstarrenden Ukraine droht ein Krieg auszubrechen. Die NATO schickt keine Soldaten, die Deutschen keine Waffen, dafür aber 5000 Helme. Den Atomkraftwerken soll nun, auch wegen der rasant steigenden Energiepreise und Klimaschäden, der Ehrenpokal der grünen Nachhaltigkeit verliehen werden. Der anfallende Atommüll wird ja für die nächsten zehntausend Generationen irgendwo in der Erde verbuddelt. Und der alte Papst Benedikt sieht sich angesichts des weltweiten systematischen Kindesmissbrauchs seiner Kirche eines heftigen Shitstorms ausgesetzt.

Nach uns die Sintflut? Die beiden Diskutanten Ingo und Jupp versuchen angesichts der aktuellen Weltlage, ihre Fassung zu bewahren und fokussieren sich bei ihrem Stammtischgespräch erstmal auf ein naheliegendes Problem: den Verlust ihres Impfstatus.

# # #

  • Guten Morgen Ingo, genießt du auch deine letzten Tage als Geimpfter? Bald zählst du wieder zu den Ungeimpften, wenn du dich nicht schleunigst zum vierten Boostertermin anstellst.

Hallo Jupp, ja, wer hätte das gedacht. Statt nach sechs Monaten ist die Genesung der Deutschen schon nach dreien vorbei. Allerdings nicht im übrigen Europa, da gilt noch das halbe Jahr. Die Schweizer sind noch robuster: da hält der Genesenenstatus künftig neun Monate an. Aber ein Tipp für dich, Jupp: wärst du jetzt Mitglied im Deutschen Bundestag, dann gelten für die erlauchten Politiker weiterhin sechs Monate nach der Genesung.

  • Ja, erstaunlich, Ingo. Der Begriff „Abgeordneten-Immunität“ erhält dadurch eine ganz konkrete Bedeutung. Augenscheinlich hat die Politik auch die neun Millionen Kinder unter zwölf Jahren schon zur Durchseuchung freigegeben. Mindestens 2000 Kinder werden dann wohl am Pims-Syndrom erkranken, mehr als die Hälfte wird auf der Intensivstation landen. Von den Long Covid Folgen ganz zu schweigen. Ingo, erinnerst du dich noch an die Anfänge der AstraZeneca-Impfungen? Als einer von 100.000 Geimpften eine Sinusvenenthrombose bekommen hat, wurden sofort alle Impfungen gestoppt.

Aber zur Beruhigung der Bevölkerung wird nun eine Impfpflicht für das gesamte Pflegepersonal eingeführt. Menschen, die jetzt zwei Jahre lang bis zum Umfallen gegen den Covid-19-Tod angekämpft haben, stehen nun im Fokus. Aber nicht wegen ihrer erbärmlichen Gehälter, sondern weil sie angeblich eine Gefahr für die Patienten darstellen. Wenn nur fünf Prozent der Pflegekräfte ab dem 15. März nicht mehr zum Dienst erscheinen, bricht die Versorgung zusammen und die Bundeswehr muss wieder einspringen.

  • Du siehst, Ingo, die Maßstäbe im Pandemie-Management haben sich rasend schnell verändert. Wir haben in Deutschland 20 Millionen Ungeimpfte, die noch gegen kein Gesetz verstoßen haben. Wenn nun der harte Kern von geschätzten fünf Millionen konsequent die allgemeine Impfpflicht verweigert, … wie will man dieser großen Gruppe mit Bußgeldern und eventuell noch Beugehaft beikommen? Die Impfpassfälscher sehen goldene Zeiten auf sich zukommen. In Großbritannien, Spanien, Portugal und Österreich werden dagegen trotz vierstelliger Inzidenzzahlen schon alle Restriktionen aufgehoben. Israel, das Vorbild der Welt mit harten Lockdowns und straffen Impfkampagnen, will Corona in Zukunft wie eine Grippe zu behandeln, trotz Inzidenzen von über 4000 und einer Impfquote von nur 65 Prozent.

Irgendwie verständlich oder Jupp? Wir können ja nicht ganz Deutschland unter Quarantäne stellen. Weißt du, wie bei uns die Realität aussieht? Der Berliner Schriftsteller Wladimir Kaminer erzählte kürzlich eine Begebenheit seiner Therapeutin. Sie hatte in der Gemüseabteilung eines Supermarktes plötzlich eine Patientin getroffen, die sie zwei Tage vorher in ihrer Praxis positiv auf Covid-19 getestet hatte. Die sollte eigentlich eine Woche zu Hause ihre Quarantäne absitzen. Um sie nicht öffentlich zurechtzuweisen, ging sie zum Infopoint und bat die dortige Mitarbeiterin um folgende Ansage per Lautsprecher: Diejenige Person, die gerade in Quarantäne ist, soll sich unverzüglich am Infopoint einfinden, sonst muss das gesamte Kaufhaus auf ihre Kosten evakuiert werden. Zwei Minuten später standen 25 Menschen vor dem Infopoint und schauten einander misstrauisch an. Ihre Patientin war nicht dabei. Die Therapeutin machte sich dann kopfschüttelnd schnell vom Acker.

  • Ach Ingo, das kann ich verstehen. Ich habe letztes Wochenende ein stundenlanges Streitgespräch mit meinem Nachbarn geführt, der jetzt endgültig Deutschland verlassen will. Für und wider Corona. Ich bin nirgendwo mit meinen Argumenten durchgedrungen. Zu chaotisch stellt sich mittlerweile die Pandemiesituation in Deutschland dar.

Interessant, Jupp. Ich habe eine Idee. Lass uns dieses Gespräch mal mit verteilten Rollen wiederholen. Ich versuche dich von dem Nutzen der Impfung zu überzeugen und du übernimmst die Argumente deines Nachbarn. Aber bitte mit ausreichendem Niveau.

  • Gut, das können wir machen. Ich kenne seine Antworten schon auswendig. Dann leg mal los.

Also, wir leiden ja seit zwei Jahren an diesem Covid-19 Virus und wollen da nicht ewig in der Pandemiephase stecken bleiben. Es gibt nur einen einzigen richtigen Weg aus der Pandemie, nämlich impfen. Und zwar möglichst jeden.

  • Die Gefährlichkeit des Virus ist eine Erfindung, denn Coronaviren gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Regierung schürt nur unnötig die Panik, um mithilfe von Bill Gates den Weg in eine Coronadiktatur zu ebnen.

Das ist doch Unsinn, eine absurde Verschwörungstheorie. Klar, wir tun alles, um auch die letzten Impfmuffel zu erreichen. Und weil gutes Zureden nicht nutzt, gibt es die 2G-Regelung, um die Geimpften vor den Nichtgeimpften zu schützen.

  • Wegfall der Lohnfortzahlung im Quarantänefall, Ausgrenzung gesellschaftlicher Teilhabe, zeitweilig die Abschaffung kostenloser Schnelltests, 2G plus – das ist doch die „schwarze Pädagogik“ der CDU/CSU; Zucht- und Erziehungsmaßnahmen aus dem vorletzten Jahrhundert, aber so sieht doch keine effektive Pandemiebekämpfung aus.

Aber es ist gut gemeint und die Pflicht des Staates. Wir wollen auch die Ungeimpften vor der Ansteckung schützen, vor der Einweisung auf die Intensivstation.

  • So so. Habt Ihr uns denn vorher mal gefragt, ob wir diesen Schutz überhaupt haben wollen? Ihr greift massiv in unsere Grundrechte ein.

Aber Ihr dagegen nehmt den Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems billigend in Kauf. Somit seid Ihr Impfverweigerer unsolidarische Egoisten!

  • Die Geimpften geben doch auch das Virus weiter und leisten damit ihren Beitrag zum Kollaps des Gesundheitssystems. Der Unterschied ist: sie tun es mit Genehmigung der Regierung.

Aber die Geimpften landen nicht so oft in den Intensivbetten wie Ihr und erkranken nicht schwer.

  • Also, für die Gesamtlage ist das wesentlich unerheblich. Die Leute, die uns jetzt erzählen, dass wir unser marodes Gesundheitssystem vor dem Kollaps schützen müssen, sind die dieselben Leute, die vorher in der Regierung dafür gesorgt haben, dass unser Gesundheitssystem überhaupt marode ist.

Es hilft ja nichts, ob marode oder nicht. Bei den exponentiell wachsenden Fallzahlen stößt auch das beste Gesundheitssystem irgendwann an seine Grenzen.

  • Unser Gesundheitssystem stand zu keinem Zeitpunkt vor dem Zusammenbruch, weil exponentiell wachsende Fallzahlen in einer Region eben irgendwann von selber an ihre Grenzen stoßen.

Das Ausbleiben des Zusammenbruches geschah aber nicht von selber, sondern nur aufgrund der Einschränkungsmaßnahmen und Impfkampagnen. Du siehst doch auch jeden Tag die Zahl der Geimpften. Wir haben eine gefährliche Impflücke.

  • Weißt du denn, wofür das zweite „G“ in 2G eigentlich steht? Wann wird man denn auch mal täglich die Zahl der Genesenen veröffentlichen? Schließlich sind schon acht Millionen Deutsche genesen.

Ja, aber jetzt musste man bei den Genesenen das Intervall für eine erneute Impfung von sechs auf drei Monate verkürzen, weil der Immunschutz nicht so lange anhält.

  • Warum dürfen mündige Bürger, die nachweislich eine Infektion gut überstanden haben, nicht selbst entscheiden, ob sie diesen Vorgang wiederholen wollen?

Um die schweren Erkrankungen zu verhindern ist die Lösung einzig und allein und ausschließlich nur die allgemeine Impfpflicht.

  • Nein, die Lösung ist einzig und allein und ausschließlich nur eine allgemeine Versorgung mit dem neuen Medikament „Paxlovid“, das 90% der schweren Fälle erfolgreich verhindert.

Aber eine allgemeine Impfpflicht verhindert schwere Fälle von vornherein noch erfolgreicher.

  • Schau mal in die Statistik; 65% der Coronatoten in Deutschland sind über 80 Jahre, und weitere 20% über 70 Jahre alt. Wenn überhaupt, sollte eine Impfpflicht ausschließlich auf die Altersgruppe der über 67-jährigen beschränkt werden.

Eine Beschränkung der Impflicht auf diese Gruppe ist doch klar als Altersdiskriminierung anzusehen.

  • Ha, was für ein tolles Argument! Das Aufsetzen eines Sturzhelmes beim Fahrradfahren ist gegenüber den anderen Körperteilen doch auch nicht kopfdiskriminierend.

Lieber Jupp, lass es gut sein. Diesen Disput können wir ja noch endlos weiterführen. Ich nehme an, dass die Gründe für eine Verweigerung der Impfung viel komplexer sein können, als es auf dem ersten Blick aussieht. Angst von Nebenwirkungen, Misstrauen gegenüber den Obrigkeiten, Widerstand gegen Zwangsmaßnahmen, Verwirrung durch Uneinigkeit von Regierenden und Fachleuten, oder einfach nur Uninformiertheit. Es ist wahrlich keine Lösung, ein ganzes Viertel der deutschen Bevölkerung in die Nähe von Rechtsradikalen und Chaoten zur drängen. Wir sollten auf jeden Fall eine Spaltung der Gesellschaft durch Kommunikationsverweigerung vermeiden. Wir sehen ja konkret die aktuellen Auswirkungen in den Vereinigten Staaten.

  • Das ist natürlich auch meine Meinung, mein lieber Ingo. Wenn wir auch oft unterschiedliche Ansichten haben, so reden wir doch miteinander und trinken anschließend ein kühles Bier.

So soll es wieder sein, lieber Jupp. Das Leben ist zu kurz, als dass wir es mit Streitereien vergeuden sollten. Prost, auf den freundschaftlichen Disput.

(Anmerkung des Chronisten: das obige fiktive Streitgespräch über die Impfung wurde in Teilen dem ausgezeichneten Kabarettletter Januar 2021 von H.G.Butzko (www.hgbutzko.de) entnommen.)

# # #

Freiheit beginnt im Kopf: Wir müssen die Pandemie hinter uns lassen
Der Tag, an dem Corona nur eine normale Infektion der Atemwege ist, rückt näher. Noch dreht sich alles um die Pandemie. Doch am Ende ist Covid eine Krankheit unter vielen. Es gilt, die Risiken vernünftig abzuwägen.
Corona am Morgen, Corona am Mittag und am Abend. Das Thema kann niemand mehr hören, und doch kommt die Politik nicht so einfach davon los. Die immergleichen Stichworte werden wiederholt: der Kollaps des Gesundheitswesens, die Überlastung der kritischen Infrastruktur, auch die Impfpflicht darf nicht fehlen. Es fühlt sich an wie eine einzige, nervtötende Endlosschleife.
Zugleich hat sich die Gesellschaft mit den Einschränkungen arrangiert. Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier. Irgendwann wirkt das Unvorstellbare normal, selbst die Pandemie wird zur Routine. Es braucht daher eine bewusste Anstrengung, bis sich wieder ein Denken durchsetzt, das nicht vom Ausnahmezustand bestimmt wird. Freiheit beginnt im Kopf.

(Eric Gujer, Neue Zürcher Zeitung vom 21.01.2022)

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von Ingo Nöhr

Über Truthähne, schwarze Schwäne und unerwartete Überraschungen

Ingo Nöhr zum 1. Januar 2022

Über Truthähne, schwarze Schwäne und unerwartete Überraschungen

Zum zehnten Mal beginnen die beiden Pensionäre Jupp und Ingo ein neues Jahr mit einem kritischen Gespräch am traditionellen Stammtisch. Die Welt hat sich seither drastisch gewandelt und mit ihr auch die beiden Diskutanten. Ingos optimistische Sichtweise wird vom skeptischen Jupp stark auf die Probe gestellt, besonders in der vierten Pandemie-Welle und den apokalyptischen Meldungen zur neuen Omikron-Variante. Aber Ingo lässt sich in seiner Zuversicht auf eine bessere Welt nicht beirren, gemäß dem Motto von Victor Hugo: „Die Zukunft hat viele Namen: für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

Guten Morgen, Jupp, alles Gute in 2022. Ich nehme an, du hast dein Katastrophenjahr mit einem lauten Fluch abgeschlossen. Daher wünsche ich dir einen optimistischeren Einstieg ins neue Jahr.

  • Hallo Ingo, dankeschön. Ich wünsche dir auch ein weiteres Jahr mit deinem Glauben an das Gute im Menschen und deiner unverbesserlichen Zuversicht an die Vernunft der menschlichen Rasse.

Vielen Dank Jupp, ich werde das weiterhin beherzigen. Du siehst aber reichlich verkatert aus. Hast du die Silvesternacht zu lang durchgefeiert?

  • Nein, das kann ich nicht gerade sagen. Ich hatte mich schon auf eine ruhige Mitternacht gefreut, nachdem alle Böller und Raketen ja verboten waren. Aber hat unser Gesetzgeber hat in seiner unergründlichen Weisheit den Verkauf von Signalmunition aus der Regelung herausgenommen. Unser hiesiger Waffenladen hat ganz legal riesige Bestände verkauft, die in meiner Nachbarschaft während der gesamten Nachtstunden abgefeuert wurden.

Du hast mein Mitgefühl, Jupp. Dein neues Jahr startete also mit einem großen Knallkonzert wie unser verflossenes Jahr. Über beeindruckende Knalleffekte können wir uns nicht gerade beklagen.

  • Wie im letzten Jahr? Das verstehe ich nicht ganz, Ingo. Soweit ich mich erinnern kann, waren Böller und Raketen auch letztes Jahr verboten und wir haben uns vielmehr Gedanken zur Stille gemacht.

Mit dem Knalleffekt meine ich den misslungenen Putschversuch von Donald Trump-Fans am 6. Januar auf das Kapitol. Zwei Wochen später wurde Joe Biden als neuer Präsident vereidigt. Aber wie ich höre, hat Trump in drei Jahren schon wieder reelle Chancen auf eine Wiederwahl. Zumindest besetzt er jetzt schon alle wichtigen Wahlämter mit seinen Gefolgsleuten. Und seine Republikaner stehen stramm hinter ihm. Die Russen und Chinesen wird diese Aussicht freuen.

  • Ja richtig, Ingo. Und der große Knalleffekt in der Natur kam dann Mitte Juli, als eine Flutwelle das Ahrtal zerstörte und 180 Menschen getötet wurden. Ende Juni war doch die große Hitzewelle in Nordamerika mit Rekordwerten von 49,6 Grad Celsius. Im Juli hatten wir die riesigen Waldbrände in Kalifornien und sogar bei uns in Südeuropa und der Türkei. September: der Vulkanausbruch auf der kanarischen Insel La Palma! Dezember: die schwersten Tornados in den Vereinigten Staaten. Da hat die Natur dem Menschen mal konkret gezeigt, wo der Hammer hängt.

Jupp, und warum? Diese Ereignisse sind wunderbare Beispiele für den Truthahn von Nassim Taleb, über den wir im Mai 2020 gesprochen haben. Erinnerst du dich noch?

  • Nassim Taleb? Sagt mir nichts. Da haben wir über einen schwarzen Schwan gesprochen, an den Truthahn kann ich mich nicht erinnern.

Also Jupp, du musst auch schon die Zitate am Ende unserer Aufzeichnungen lesen. Der Truthahn von Taleb war fast das ganze Jahr davon überzeugt, dass er das beste Leben auf der Welt führt, denn er wurde jeden Tag großzügig gefüttert und verhätschelt. Bis plötzlich am Thanksgiving Day brutal sein Luxusleben endete, weil er geschlachtet wurde.

  • Aha, jetzt verstehe ich. Du meinst, wir waren auch zu lange der Überzeugung, dass die Natur uns alle Annehmlichkeiten zur kostenlosen Verwertung bereitstellt, bis zu uns unerwartet alles in Rechnung stellt. So auch in Afghanistan, wo wir zwanzig Jahre lang naiv geglaubt haben, wir könnten mit viel Geld das Land modernisieren und die Demokratie einführen. Und dann übernehmen plötzlich im August die Taliban ohne irgendeine Gegenwehr die Regierung.

Gut verstanden, Jupp. Aber warum soweit in die Ferne schweifen? Wir haben es bei der Bundeswahl doch selbst gespürt. Nach sechzehn Jahren Angela Merkel sitzt plötzlich Olaf Scholz und Annalena Baerbock im Kanzleramt und die CDU findet sich seit Menschengedenken total perplex auf den Oppositionsbänken wieder – und dann noch in direkter Nachbarschaft zur AFD. Das dürfte für sie ein ähnliches Gefühl sein, wie der Truthahn in seinen letzten Sekunden erlebt hat.

  • So ein Truthahn-Erlebnis dürften die Briten nun ein Jahr nach dem vollendeten Brexit erleben. Was hatte ihnen Boris Johnson doch für eine himmlische Zukunft in Freiheit versprochen. Dumm nur, dass sie mit dem EU-Austritt auch 150.000 Arbeitskräfte verloren haben, die ihre Wirtschaft am Leben erhalten hatten.

Truthähne überall, Jupp. Jahrzehntelang hat die Politik den Pflegenotstand ignoriert. Dann sorgte Corona mit vollen Betten auf der Intensivstation. Alle haben für die Intensivpfleger geklatscht, es gab ein kleines Bußgeld in Form einer einmaligen Prämie. Das sind alles Idealisten, die dürfen jeden Tag Leben retten, das sollte ausreichend motivieren, dachte man sich im Gesundheitsministerium. Jetzt ist die Luft raus, nach anderthalb Jahren im Notbetrieb ist das Personal völlig ausgebrannt. 5000 Intensivbetten können wegen Personalmangel nicht belegt werden. Und zum Erstaunen der übrigen Welt müssen wir nun schwerstkranke Patienten per Flugzeug in andere Bundesländer evakuieren. Wer zu spät kommt …

  • Ich sehe schon Ingo, überall lauern die vollgefressenen Truthähne: in unserer Verwaltung und Justiz, die die Digitalisierung verschlafen haben. Bei den Auto-Herstellern, die anfangs Elon Musk verlachten. Bei unserem Gesetzgeber und den Finanzverwaltungen, die in den letzten Generationen eine nicht mehr beherrschbare Regelflut produziert haben. 2003 hatte der frischgebackene CDU-Vorsitzende Friedrich Merz eine Steuererklärung auf einem Bierdeckel versprochen. Wäre doch schön, wenn unser neuer Finanzminister Lindner diese Idee mal aufgreifen würde.

Das wäre schon das Erscheinen eines schwarzen Schwans: „die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“. Das beschreibt unser Nassim Taleb in seinem Bestseller. Wir unterschätzen permanent die extremen Einflüsse von überraschenden Wendungen. Taleb führt diesen Mangel auf drei Missverständnisse zurück:  die Illusion, gegenwärtige Ereignisse zu verstehen, die retrospektive Verzerrung historischen Geschehens und die Überbewertung von Sachinformation kombiniert mit der Überbewertung der intellektuellen Eliten.

  • Hört sich ja interessant an, Ingo. Aber erklär mir erst mal, was das mit einem schwarzen Schwan zu tun hat.

Ganz einfach: bis ins 18. Jahrhundert waren alle bekannten Schwäne weiß. Man konnte sich einfach keine andere Farbe für einen Schwan vorstellen. Dann aber entdeckte ein gewisser John Latham 1790 in Westaustralien einen Trauerschwan. Er war vollkommen schwarz. Und eindeutig der Gattung Schwäne zugehörig. Heute spricht man von schwarzen Schwänen, wenn sämtliche bekannten Faktoren keinen Rückschluss auf ein zukünftiges Risiko zulassen und den Akteuren nicht bewusst ist, dass es Unerwartetes geben könnte. Als sich im März bei starkem Wind das Containerschiff im Suezkanal plötzlich quer stellte und sechs Tage lang den gesamten Kanal für 370 Schiffe blockierte. Der tägliche Transportausfall von wichtigen Ladungsgütern im Wert von 9 Milliarden US-Dollar ließ viele weltweite Lieferketten zusammenbrechen, Halbleiter und viele Rohstoffe wurden knapp.

  • Ja, da waren wir alle ganz baff. Plötzlich konnte Amazon vieles nicht liefern, weil seine Pakete im Kanal festhingen. Demnach waren viele Finanzkrisen wohl auf schwarze Schwäne zurückzuführen: die Auswirkungen der Lehman-Brothers Pleite, die Bankenkrise mit den faulen Krediten, die Verschiebung der Olympiade durch die Corona-Pandemie, die Spiele in den leeren Stadien. Nur die vierte Pandemie-Welle nicht, die wurde schließlich monatelang vorher angekündigt.

Und die Flüchtlingskrise zählt auch nicht dazu. Kriege vor unserer Haustür und umwälzende Klimaveränderungen kamen schließlich nicht über Nacht. Wir werden noch mehr Völkerwanderungen in unser europäisches Paradies erleben. Allein letztes Jahr hat die Weltbevölkerung trotz der globalen Pandemie mit 5,5 Millionen Toten um fast 100 Millionen Menschen zugenommen. Alle wollen essen, trinken, wohnen und vom großen Kuchen der Reichen naschen. Erschwerend kommt hinzu: 3,6 Milliarden Benutzer von Smartphones erhalten täglich Meldungen über unseren Wohlstand.

  • Ingo, leider oft über Facebook. Die ehemalige Facebook-Managerin Frances Haugen hat vor kurzem im amerikanischen Kongress über deren asoziales Business-Modell berichtet: von Algorithmen bevorzugte Triggerpunkte wie Hass, Wut und extreme Ansichten fördern enorm die Reichweite und damit den Profit von Mark Zuckerberg. Diese Fütterung von Filterblasen und Echokammern verstärkt die Radikalität von Republikanern, Verschwörungstheoretikern, Impfverweigerern und Rechtsextremen. Und der Staat scheint machtlos zuzuschauen: Too big to fail. Geld regiert die Welt. Allein in den G20-Ländern pumpten die Notenbanken 2020 knapp 9000 Milliarden Dollar in den Wirtschaftskreislauf. Die weltweite Staatsverschuldung erreicht mittlerweile 226 Billionen US-Dollar. Gedrucktes Papier, getragen von Hoffnung und Glauben.

Apropos Facebook: Mark Zuckerberg hat gerade seinen Konzern umbenannt: Facebook, Instagram, Whatsapp und Oculus VR sind nun bei Meta Platforms Inc. untergekommen.  Und er hat große Visionen: das Metaverse, der dreidimensionale Nachfolger des Internets. Bisher war der Internetnutzer nur Zuschauer und konnte Texte, Fotos und Videos austauschen. Bald soll er Mitbewohner eines virtuellen Universums werden: aus dem Home-Office wandert er als Avatar zur täglichen Arbeit zu seinen Kollegen in einen virtuellen Konferenzraum und kann dort mit Partnern und Kunden in aller Welt kommunizieren.

  • Ich spinne es mal weiter, Ingo: Kinder haben in ihrer virtuellen Schulklasse automatisch Zugang zu allen Freunden, aber auch Bildern, Karten, Texten und Filmen der Menschheit. Konzerte müssen nicht mehr persönlich besucht werden, sondern man sitzt auf dem Sofa mithilfe einer VR-Brille mittendrin. Sich mühselig eine passende Lebenspartnerin zu suchen, würde auch überflüssig. Vielmehr sucht man sich im Katalog eine knackige Avatarin aus, schlüpft in einen Sexanzug und durchlebt heiße Dates in der Virtual Reality.

Ich bezweifele, ob man künftig noch so einen Sexanzug benötigt. Schließlich hat einen Tag vor Heiligabend ein australischer ALS-Patient den weltweit ersten Tweet abgesetzt, der ausschließlich mit Hilfe seines Gehirns über eine neuartige Hirn-Computer-Schnittstelle verfasst worden war: „Ich brauche keine Tastenanschläge oder Spracheingabe. Ich habe diesen Tweet nur mit meinen Gedanken verfasst.“ Was sagst du dazu?

  • Und das findest du gut, Ingo? Da vereinsamen die Menschen ja noch mehr als in den Lockdowns der Corona-Pandemie. Ernest Hemingway sagte einmal: „Das Merkwürdige an der Zukunft ist die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal die gute alte Zeit nennen wird.“ Hast du noch mehr dieser Horrorvorstellungen von unserer Zukunft?

Ach Jupp, die Aufzählung würde unser heutiges Treffen sprengen und dich nur noch tiefer in die Depression stürzen. Wir dürfen aber nicht die Augen vor der neuen Welt verschließen. Schließlich geht es um sehr viel Geld. Das Metaverse soll in absehbarer Zeit 10 bis 20 Prozent der Weltwirtschaft ausmachen. Jeff Bezos hat mit der Gründung von Amazon 1994 gezeigt, wohin eine Vision führen kann.

  • Ja und? Was können wir noch dagegen tun? Wie du schon sagtest: too big to fail. Wo bleibt da deine optimistische Seite, Ingo?

Gemach, mein Lieber Jupp. Das Metaverse erinnert mich an Platons Höhlengleichnis. Eine Gruppe von Menschen sind in einer Höhle angekettet. Sie betrachten Schatten an der Wand und glauben, dass diese die einzige Realität sei. In unserer Gesellschaft gibt es immer noch genügend Leute, die nach draußen gehen und sich der echten Wirklichkeit stellen wollen. Erinnere dich an die überwältigende Hilfsbereitschaft wildfremder Mitbürger, als eine Million Flüchtlinge in Deutschland eintrafen; als die Flutkatastrophe über das Ahrtal hereinbrach. An die übergroße Mehrheit von ehrenamtlichen Helfern, Impfwilligen, Nichtrassisten, Umweltbewussten in unserer Bevölkerung. Sie befolgen den platonischen Ratschlag: „Die Suche nach dem Guten in unseren Mitmenschen wird uns dabei helfen, das Gute in uns selbst zu finden.“

  • Okay, du meinst also, wir sollten uns nicht verrückt machen lassen. Weniger Fernsehen gucken, Zeitungen lesen, Internet surfen, die Realität mit eigenen Augen in der Welt erleben. Und uns mit den Guten zusammentun und gemeinsam den digitalen Verlockungen widerstehen. So wie wir das nun schon im zehnten Jahr mit unserem Stammtisch praktizieren. Wahrscheinlich ein hilfreicher Vorschlag. Dann lass uns mit einem nichtdigitalen Bier anstoßen, Ingo.

Ich sehe, Jupp, du hast nun erkannt, woher ich meinen Optimismus beziehe. Auf die alternative Zukunft. Prost neues Jahr.

# # #

Seneca war der Meinung, der kluge Stoiker solle sein Engagement für das öffentliche Wohl einstellen, wenn man nicht auf ihn hört und das Staatswesen unwiderruflich korrumpiert ist. Es zeugt von größerer Weisheit zuzuwarten, bis es sich selbst zerstört.
(aus Nassim Taleb: Kleines Handbuch für den Umgang mit Unwissen.)

Die Menschen gehen lieber zugrunde, als dass sie ihre Gewohnheiten ändern.“
(Leo Tolstoi)

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.
(Mahatma Gandhi)

„Man sollte nie daran zweifeln, dass eine kleine Gruppe kluger, engagierter Bürger die Welt verändern kann. In der Tat ist das der einzige Weg, der jemals Erfolg hatte.“
(Margaret Mead)

Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.“
(Antoine de Saint-Exupery)

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von Ingo Nöhr

Adieu, du schnöde Welt! Ein neuer Versuch?

Ingo Nöhr zum 1. Dezember 2021

Adieu, du schnöde Welt! Ein neuer Versuch?

Kurz nach dem 1.  Advent trifft Ingo Nöhr bei seinem monatlichen Stammtischgespräch auf einen wütenden Jupp. Ausgestattet mit der dritten Covid-19 Impfung hatte er sich gerade auf eine Normalisierung der Lage in Deutschland gefreut, da wird er zum vierten Mal von explodierenden Infektionszahlen, einer ratlosen Regierungsmannschaft und einer neuen Viren-Variante im Anmarsch überrascht. Ingo hat kaum eine Chance, seinen rabiaten Freund noch mit guten Nachrichten zu besänftigen. In diesen Tagen ist das Leben eines Optimisten inmitten der Katastrophenmeldungen nicht zu beneiden.

Ingo, du unverbesserlicher Schönredner, was sagst du jetzt zu den neuesten Nachrichten? Seit über fünf Jahren lebst du als Meister Pangloss in der „Besten aller möglichen Welten“ und willst mir als dein Schüler Candide erzählen, dass sich alles zum Guten wandelt. Hast du Voltaires Geschichte nicht zu Ende gelesen, wo beide vor den Trümmern ihres Weltbildes stehen?

  • Erinnerst du dich noch an meine Antwort, mein lieber Jupp? Ich sagte damals: Der berühmte Clown Charlie Rivel hat eine Lebensweisheit praktiziert: "Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher."

Ja, ich erinnere mich. Und kennst du noch meine Entgegnung? „‚So ist das Leben,‘ sagte der Clown, und malte sich mit Tränen in den Augen ein strahlendes Lächeln ins Gesicht.“

  • Genau, und damit brachte er andere Menschen zum Lachen. Aber vergleiche uns beide mal! Ich jedenfalls will wieder fröhlicher in die Welt schauen können. Ein Optimist ist ein Mensch, der alles halb so schlimm oder doppelt so gut findet. Das erhöht doch die Lebensfreude. Deshalb habe ich mir vorgenommen, in allem Schlechten das Körnchen Gute zu finden.

So so, das Körnchen Gute. Du bist also nach Theodor Fontane der Mensch, der sich ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können. Dann möchte ich jetzt diese Körnchen in meinen schlechten Nachrichten wiederfinden, damit ich endlich solch ein Lebenskünstler wie du werden kann.

  • Okay Jupp, ich sehe schon, ich kann dich in deinem Frust nicht bremsen, also dann lass mal jetzt deinen Dampf aus dem Kessel, bevor er noch platzt.

Vielen Dank für deine Großzügigkeit. Ich will gleich dein Lachen auf dem Gesicht sehen. Also was sagst du dazu: 50.000 Fußballfans im Kölner Stadion ohne Masken, die sich gegenseitig anbrüllen. NRW-Ministerpräsident fand die Vollauslastung des Stadions „eine angemessene Entscheidung“.  Was denken da wohl die Kinder und Erzieher in den Kitas bei diesen Bildern? Was wird er wohl dazu sagen, dass die Intensivstationen seiner Kliniken die neuen Corona-Erkrankten wegen „Vollauslastung“ mit der Luftwaffe in andere Länder ausfliegen müssen? Er sitzt mit seinen Politikern in mit Luftreinigern vollgestopften Düsseldorfer Landtag, während die Schüler im Unterricht bei offenen Fenstern im kalten Zugwind frieren müssen.

  • Okay Jupp, da verstehe ich dein Unverständnis. Geht mir auch so. Mach weiter, was läuft noch alles schief?

Was noch alles schief läuft? Ingo, da werde ich mit meiner Aufzählung heute nicht fertig. Wir haben in der größten Krise seit Wochen keine handlungsfähige Regierung. Die Kanzlerin ist auf Abschiedstournee im Ausland, der Gesundheitsminister fühlt sich nicht mehr zuständig, die Bundesländer werkeln da unkoordiniert vor sich hin. Wo bleibt jetzt ein Macher wie Helmut Schmidt, der auf den Dienstweg pfeift und beherzt die Initiative übernimmt? Wenn der Klimawandel uns die nächste Flutkatastrophe in Hamburg beschert, wird erstmal elendig lang über Zuständigkeiten gestritten und Verantwortung auf andere abgewälzt. Es werden Krisenstäbe, Einsatzkomitees, Arbeitsgruppen und Infrastrukturen mit Telefax und reitenden Boten eingerichtet, während eine junge Twitter- oder Instagram-Gruppe vielleicht in Vor-Ort-Einsätzen Leben rettet.

  • Es bewegt sich aber viel in den Köpfen der Politiker, die sich ihre Entscheidungen nicht leicht gemacht haben und kürzlich vom Bundesgerichtshof bei den Grundgesetzeinschränkungen freigesprochen wurden. Außerdem hat gerade gestern eine Videokonferenz der alten mit der neuen Regierung stattgefunden, die sich unter dem Druck der Ereignisse zu bahnbrechenden Empfehlungen durchgerungen hat: allgemeine Impfpflicht entgegen allen vollmundigen Versprechungen der Vergangenheit. Trotz des jahrzehntelang erbittert verteidigten Standesrecht der Ärzte sollen nun auch die Apotheker impfen dürfen. Zudem, lieber Jupp, ich darf mal leise auf den neuen Corona-Krisenstab hinweisen, der von einem Bundeswehrgeneral geleitet wird.

Aha, die Bundeswehr soll es richten! Etwa so, wie sie die deutschen Helfer aus Afghanistan evakuiert haben? Dieser bemitleidenswerte Laden mit der maroden Schrott-Ausrüstungl?

  • Immerhin hat die Marine jetzt wieder ein funktionsfähiges Segelschulschiff zur Verfügung: die Gorch Fock, mit 135 Millionen Euro in sechs Jahren restauriert. Bald braucht das Heer auch keine Fußsoldaten mehr, denn dann übernehmen die bewaffneten Drohnen deren Aufgaben. Das Denken übernimmt dann im Katastrophen-Warnsystem Prometheus die Künstliche Intelligenz. Bereits im Juli 2021 wurde die Erprobungsphase erfolgreich abgeschlossen.

Beim Einsatz der KI in der Politik wäre ich extrem vorsichtig, Ingo. Sie würde uns Menschen wegen unserer unstillbaren Zerstörungswut zu einer ewigen Quarantäne wegsperren. Aber wenigstens wäre eine KI-Regierung unbestechlich. Die beiden CSU-Abgeordneten, die dem Gesundheitsminister zu millionenschweren Provisionen überteuerte Masken angedreht haben, können gerichtlich nicht belangt werden, weil das Gesetz gegen Abgeordnetenkorruption zu löchrig formuliert worden ist.

  • Bezüglich Bestechung im Corona-Geschehen habe ich hier eine Meldung, die dir gefallen wird, lieber Jupp. In Griechenland haben Impfverweigerer einige Ärzte mit bis zu 400 Euro bestochen, damit sie ihnen eine Spritze mit reiner Kochsalzlösung verabreichen und danach aber ein gültiges Impfzertifikat ausstellen. Die Mediziner haben das Geld kassiert, aber heimlich der Injektion den Impfstoff beigemischt.

Das kann man in Deutschland doch viel billiger haben. Als ein Trainer von Werder Bremen mit einem gefälschten Impfpass aufgefallen war, bestellten zwei Reporter in einem Telegram-Forum zwei Impfpässe für jeweils 20 Euro und bezahlten mit einem Amazon-Gutschein. Wenige Tage erhielten sie zwei gelbe Impfpässe ohne Namensangaben mit jeweils zwei eingetragenen Impfungen und den Aufklebern mit den Chargennummern, einen Stempel des Impfzentrums Kassel und eine unleserliche Unterschrift. Damit kamen sie ungeschoren durch alle Kontrollen.

  • Die Story geht ja noch weiter, Jupp. In einem Online-Forum konnte man beim Anbieter Covidpass Meister für 90 Euro einen gelben Impfpass erhalten, der in Apotheken in einen digitalen Pass umgewandelt werden konnte. Als die Masche durch die Kontroll-App CovPassCheck auffiel, bot er für 450 Euro einen echten QR-Code an, den er sich nachts bei einer betrügerischen Apotheke in München besorgte. Nachdem die über 1.000 Zertifikate gesperrt wurden, änderte er seinen Lieferanten und stellte französische Impfpässe aus. Die sind in Deutschland zwar formal gültig, die Fälschungen werden aber nicht entdeckt, weil die Schwarze Liste in der EU-Datenbank nicht aktualisiert wird. Derzeit werden Fälschungen nur national gesperrt.

Ja, da siehst du es mal wieder, unser Deutschland ist immer noch tiefste Provinz in der Digitalisierung. Erinnerst du dich noch an den irrwitzigen Aufwand des Gesundheitsministers, als er 34 Millionen Bundesbürger mit fälschungssicheren Gutscheinen für kostenlose Masken beglücken wollte. Das kostete über 35 Millionen Euro allein für das Drucken und den Postversand. Die Apotheker erhielten für jede Maske im Wert von einem Euro das Sechsfache erstattet und machten damit drei Milliarden Euro mehr Umsatz. Aber mal den gelben Impfpass mit einem fälschungssicheren Covid-Aufkleber auszustatten, dazu hat es dann nicht mehr gereicht.

  • Bestellungen im Internet können immer nach hinten losgehen. In Moskau und Umgebung blühte das Geschäft mit gefälschten Impfzertifikaten und PCR-Tests. Hacker knackten daraufhin die Datenbank. Die personenbezogenen Daten von 500.000 Kunden werden jetzt im Darknet und auf Telegram-Kanälen zum Kauf angeboten. Die Datensätze beinhalten Ausweisdaten, Sozialversicherungsnummern, Telefonnummern und Adresse. In Russland droht für den Erwerb gefälschter Impfzertifikate Gefängnis bis zu einem Jahr.

Das wirft doch ein ganz neues Licht auf die Statistiken der sogenannten Impfdurchbrüche. Wieviel der angeblichen Impfungen waren denn überhaupt echt? Wem kannst du noch vertrauen, wenn schon Fußballtrainer ihre Fans betrügen?

  • Es gibt aber einen Lerneffekt, mein lieber Jupp. Bei uns werden von der Polizei immer mehr Fälscherwerkstätten ausgehoben. Leider kann der Fälscher der Ausweise bisher nur schwer belangt werden, weil ihm die Absicht der Täuschung nachgewiesen werden muss. Das bedeutet: Erst wenn er sie ausfüllt, verkauft und damit beispielsweise versucht wird, in ein 2G-Lokal zu gelangen, wird der Fall zum Delikt. Jetzt will die neue Regierung ein Gesetz mit Strafen von bis zu zwei Jahren Haft verabschieden.

Ich bin eher ein Freund von saftigen Geldstrafen und einer Gewinnabschöpfung bei den Kriminellen. Insbesondere bei der Wirtschaftskriminalität dürften dadurch enorme Summen zusammenkommen, ich erwähne nur den Cum-Ex-Skandal und den Wirecard-Betrug. Schließlich müssen wir irgendwie die noch unüberschaubaren Kosten der Wunschliste unserer Ampelkoalition und der Beseitigung der Klimaschäden finanzieren. Mittlerweile müssen für die heutige Staatsverschuldung von 2,2 Billionen Euro schon unsere Urenkel aufkommen.

  • Jupp, ich glaube, überflüssiges Geld ist noch reichlich in einigen Ministerien versteckt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im November 2020 für den Erwerb von 38 neuen Eurofightern 5,5 Milliarden Euro freigegeben. Durch erhöhte Militärausgaben möchte Deutschland dem NATO-Ziel von 2,0 % des BIP nahekommen und US-Präsident Biden ruhigstellen.
    Mein Vorschlag lautet: Bei mittlerweile über 100.000 Coronatoten könnten wir die Mittel für den Erhalt der Verteidigungsbereitschaft einfach umwidmen: Wir erhöhen jedem der ca. 50.000 Fachpflegekräfte auf den Intensivstationen das Gehalt um monatlich 1.000 Euro – zehn Jahre lang. Dann wäre das Geld für die 38 Jagdflieger alle. Im Jahre 2018 waren von den noch irgendwo herumstehenden 128 Eurofightern sowieso nur vier einsatzbereit. Wie hieß doch der schöne Ausdruck von Angela Merkel für die Bankenrettung? „Systemrelevant“, und das auch noch „alternativlos“

Ingo, du hast es irgendwie geschafft. Ich bin sprachlos. Meine Wut hat sich gerade irgendwohin verflüchtigt. Dabei hast du eigentlich nichts Relevantes zu meiner Beruhigung beigetragen.

  • Jupp, es kommt auf deinen Blickwinkel an. Schau über den Tellerrand. Schlechtes ist insofern nicht immer grundsätzlich schlecht, weil es ja die Möglichkeit zum Guten bietet, das eben noch nicht ist. Du schreibst die Situation der Gegenwart einfach in die Zukunft weiter, ohne zu berücksichtigen, dass wir es mit lernenden Menschen und sich verändernden Umwelten zu tun haben. Du lebst im Hier und Jetzt, siehst aber nicht die gewaltigen Fortschritte in der Technologie und der Gesellschaft seit der Vergangenheit.

Aber deine guten Nachrichten gehen doch alle unter im Chaos der Welt.

  • Nein, Jupp, sie gehen nicht unter. Sie sind da, du erkennst sie nur nicht. Du siehst nicht die Wunder und Schätze der Natur, die Kräfte und Energie der Tiere und Pflanzen, die Liebe und Hilfsbereitschaft der Menschen, die kulturellen und technologischen Errungenschaften unserer Gesellschaft. Unser Leben ist doch viel zu kurz, um die wertvolle Zeit mit Ärger und Wut zu vergeuden. Finde die Edelsteine in deiner Umwelt und bewundere ihre Schönheit und Beständigkeit.

Oh, mein lieber Ingo, jetzt bist du aber vollends zum Philosophen mutiert. Augenscheinlich hast du deine Hippiezeit noch nicht überwunden. Es wird wohl Zeit, dass bald mein Alzheimer einsetzt, dann kann auch ich ohne Sorgen vor mich hinträumen. 

  • Interessanter Gedanke, Jupp. Lass uns bei einem kühlen Getränk die Zweisamkeit genießen, solange wir es noch können und damit den Beginn unserer Demenz hinauszögern.

 Ja Ingo, jetzt nennst du wahrlich ein gutes Korn im Schlechten. Herr Wirt, bitte zwei Bier für einen Prost auf die Zukunft.

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Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden.
Dinge wurden geschaffen, um benutzt zu werden.
Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet, ist,
weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden.

(Dalai Lama)

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von Ingo Nöhr

Komm mit in meine Neue Welt!

Ingo Nöhr zum 1. November 2021

Es geht auf den Winter zu, die Stimmung sinkt, auch angesichts der anhaltenden schlechten Nachrichten. Die vierte Corona-Welle wird erwartet, die Intensivstationen füllen sich zunehmend mit Ungeimpften. Beim ausgebrannten Medizinpersonal zeichnet sich eine Massenflucht aus dem Job ab. Der nachlassende Impfschutz scheint zur großen Freude der Pharmaindustrie eine dritte Impfrunde einzuläuten, die dann vielleicht in eine jährliche Auffrischungsimpfung ausartet.

Unberechenbare Staatsregenten stürzen ihr Volk in die Verzweiflung: Erdogan ruiniert die türkische Wirtschaft mit seiner eigenwilligen Zinspolitik, ein brasilianischer Untersuchungsausschuss fordert strafrechtliche Konsequenzen für Regierungschef Bolsonaro und weiter 79 Verantwortliche für die 600.000 Corona-Toten. Aber dieser erhält Rückenwind von einem guten Freund: „Bolsonaro kämpfe hart für die Bevölkerung, ebenso wie Trump selbst für die Menschen in den USA.“ Polen soll jetzt täglich eine Million Euro Bußgeld wegen der gesetzlichen Abschaffung des unabhängigen Richtertums zahlen. Und Belarus-Präsident Lukaschenko hat bei den professionellen Schlepperbanden abgekupfert und transportiert tausende Migranten an die polnische EU-Grenze, die dort nun mit ihren Familien in den sumpfigen Wäldern hausen müssen.

Der aktuelle Bericht des Weltklimarates zerstört mit seinen deprimierenden Fakten die Hoffnung auf bessere Neuigkeiten in den nächsten beiden Teilberichten für Februar und März 2022. Kurzum: eine schwere Zeit für den unverbesserlichen Optimisten Ingo Nöhr.

 

Ich muss dir ausnahmsweise mal Recht geben, mein lieber Ingo. Schwere Zeiten, aber wir jammern als rüstige Rentner auf höchstem Niveau. Reichskanzler Bismarck führte 1889 die Altersrente mit einem Anspruch ab dem 70. Lebensjahr ein. Das war damals finanziell kein großes Wagnis, denn die mittlere Lebenserwartung betrug gerade mal 40 Jahre. Heute beginnt der Renteneinstieg im Durchschnitt mit 62 Jahren, allerdings bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren. Da haben wir beide noch Glück gehabt. In den nächsten Jahren erreichen rund 20 Millionen Babyboomer den Ruhestand und möchten möglichst schnell ihre Rente beziehen. Wenn du dir aber die Bevölkerungspyramide anschaust, stellt sich die Frage, wo das Geld denn herkommen soll.

  • Bleib cool, Jupp, jetzt wird doch alles besser mit der neuen Regierung. Alle reden vom Umbruch, den gewaltigen Reformen und dem Klimawandel. Der neue Bundestag hat wieder frisches Blut bekommen, ein Drittel der Abgeordneten ist jünger als 40 Jahre, das Durchschnittsalter ist um zwei Jahre gesunken.

Ingo, das ist doch nicht das Problem. Ein Viertel des Bundestages ist von Juristen besetzt, dazu kommen noch 13% Lehrer, 11% Wirtschaftsleute und 8% Kaufleute. Juristen, Lehrer!  Die Hälfte der Volksvertreter ohne realitätsnahe Lebenserfahrung! Was mir fehlt, sind die abgehärteten Kämpfer von der Front: 17 Handwerker und 11 Ärzte gehen in der schieren Masse von 736 Entscheidern einfach unter.

  • Jupp, jetzt haben wir aber mehr Frauen bei den Entscheidern, und die kämpfen wahrhaftig an der Front. Bei dir bricht mal wieder der Pessimist durch, kein Wunder bei diesem stürmischen Herbstwetter. Erinnerst du dich noch an den indonesischen Flüchtling, den wir in unserem Krankenhaus als Techniker eingestellt hatten. Er kam im Sommer erstmals nach Deutschland und kannte bislang nur seine tropische Heimat. Als im Herbst die Blätter von den Bäumen fielen und der erste Frost kam, traf ihn eine tiefe Depression angesichts des angeblichen Sterbens der Natur. Wir haben ihn mit vereinten Kräften bis zum Frühjahr vor dem Suizid bewahrt. Dann kam das große Staunen über die knospenden Pflanzen und sein Lebensmut kam zurück.

Ich verstehe, Ingo. Wir hatten uns ja vor ein paar Wochen über die Kondratjew-Zyklen unterhalten, dieses Auf und Ab der Entwicklungs- und Umbruchphasen. Du glaubst also wieder einmal, wir befinden uns gerade in der Talsohle und in Kürze kommt der Phönix aus der Asche und alles wird wieder gut? Daher schaust du dir in Ruhe an, wie unsere Welt vor die Hunde geht. Da finde ich die Reaktion meines Nachbarn aber besser. Er verkauft gerade sein Haus und schafft sich dafür ein Wohnmobil an. Er will ins gesegnete Schweden auswandern und sich die Übernahme Deutschlands durch die Illuminaten und andere Reptiloiden von der Ferne aus ansehen. Wenn der Klimawandel doch wider Erwarten doch kommen sollte, kann er ja im Norden Wein anbauen.

  • Das ist doch eine gute Nachricht. Dann bist du den lästigen Querdenker endlich los, oder hat er dich etwa auch schon infiltriert? Aber in Schweden ist er ja der bösartigen EU nicht entronnen. Wäre er da nicht besser in Großbritannien aufgehoben? Die suchen gerade deutsche LKW-Fahrer, oder aktuell sogar Busfahrer, seit diese in großer Anzahl zu den besser bezahlenden Transportfirmen übergelaufen sind. Aber Spaß beiseite. Denk doch mal an den Schwarzen Schwan oder an Talebs Truthahn, über den wir im Mai letzten Jahres gesprochen haben. Du machst den Fehler, dass du den gewärtigen Zustand einfach linear in die Zukunft extrapolierst, ohne daran zu denken, dass ein einziges unvorhergesehenes Ereignis die Situation radikal verändern kann. Hast du den 9/11 Anschlag auf dem Schirm gehabt, die weltweite Corona-Pandemie, die Übernahme Afghanistans durch die Taliban, den Absturz der Volksparteien bei der letzten Wahl?

Natürlich nicht, genauso wenig wie du. Aber Ingo, du lebst augenscheinlich nach dem Motto: Niemals aufgeben. Heute ist hart, morgen wird es schlimmer. Aber übermorgen wird die Sonne scheinen.

  • Das mag so aussehen, Jupp, aber du fokussierst du dich nur auf das Morgen. Deine schlechte Nachricht lautet: Nichts hält ewig. Irgendwann geht alles vorbei. Aber das ist doch gleichzeitig auch die gute Nachricht. Du fühlst dich wie damals ein gutverdienender Besitzer einer Pferdekutsche. Wenn dich Henry Ford vor 120 Jahren gefragt hätte, was du von ihm erwartest, hättest du schnellere Pferde gefordert.

Wenn er mir gefolgt wäre, hätten wir vielleicht heute eine bessere Welt: ohne Umweltverschmutzung, Rohstoffengpässe und Kriege um Erdölregionen. Saubere Luft in den Städten und keine Parkplatzprobleme. Heutzutage gibt es kaum noch erfreuliche Meldungen.

  • Aber du wärest sicherlich in den Pferdeäppeln auf der Straße versunken. Kaum gute Nachrichten? Dies könnte aber auch dein Wahrnehmungsproblem sein. Unsere Medien bevorzugen eben negative Meldungen, sie steigern den Umsatz und die Reichweite. Es unterstützt wohl auch den psychologischen Effekt des Wohlfühlens angesichts der Schicksale anderer: die armen Menschen da - gut, dass ich noch im Warmen sitze.

Aber Ingo, Fakt ist doch, dass immer mehr Menschen nicht mehr angenehm im Warmen sitzen, sondern plötzlich ihre Autos in einer Flutwelle davonschwimmen sehen oder ein Tornado ihre Dächer davonsegeln lässt. Wir essen feingemahlenen Plastikmüll in unserem Fischfilet und schwächen unsere Abwehrkräfte durch antibiotikabelastetes Fleisch und glyphosatgedüngtes Gemüse. Unsere noch schutzbietende Insel schmilzt dahin und wird zunehmend von verzweifelten Flüchtlingen geentert.

  • Dein Nest wird bedroht. Die Futurologin Faith Popcorn hat 1991 in ihrem Popcorn-Report einen Trend namens Cocooning beschrieben: „Als wir diese Bezeichnung wählten, verstanden wir darunter das Bedürfnis, nach innen zu gehen, wenn draußen alles zu rauh und erschreckend wird. Sich mit einer Schutzhülle zu umgeben, damit man nicht einer schlechten, unberechenbaren Welt ausgesetzt ist – jenen Widrigkeiten und Angriffen, die von unhöflichen Kellnern, Lärmbelästigung und Luftverschmutzung bis hin zu Drogenkriminalität, Wirtschaftsrezession und Aids reichen. Das Kokon-Dasein bedeutet Isolierung und Vermeidung, Friede und Schutz, Geborgenheit und Kontrolle – eine Art überdimensionaler Nestbau.“

Vor dreißig Jahren hat sie das geschrieben? Wow, diese Szenerie ist ja beängstigend aktuell. Vermutlich flüchten wir Deutsche deshalb in Pauschalurlaube mit Animationen und Touren auf Kreuzfahrtschiffen in die noch bestehenden Traumländer, um für ein paar Tage genügend Abstand von unserer vermüllten Umwelt zu gewinnen.

  • Das ist denkbar, Jupp, allerdings schrumpft die Menge der noch bestehenden Traumländer und man muss immer mehr auf isolierte Touristenghettos mit Folkloretänzen und Disney-World Trips mit ihren simulierten Kulturen ausweichen. Warst du nicht auch öfter mal in Mallorca zu finden, bei deinen deutschsprachigen Kellnern und Inselführern? Im 17. Bundesland, wo noch die Sonne scheint und der Sangria fließt?

Also Ingo, nun werde mal nicht persönlich, sonst reden wir auch mal über deine Studienreisen in ferne Länder.  Aber ich denke, Jeff Bezos, das ist dieser arme Kerl, der kürzlich von Elon Musk von seinem Thron als reichster Mensch der Welt heruntergestoßen wurde; also Jeffs Unternehmen Blue Origin plant die absolute Steigerung bis 2030: ein Fünf-Sterne-Hotel für Milliardäre in seiner Raumstation Orbital Reef. Ein Riff, das als blühendes Ökosystem das Leben im All möglich macht. Von da oben sieht man den selbstproduzierten Dreck nicht mehr. In seinem Prospekt wird er allerdings verschweigen müssen, dass seine Gäste aufbereitetes Wasser aus ihrem Urin und Schweiß trinken müssen - aber mit feinstem Whiskey verdünnt, merkt das keiner mehr.

  • Das ist interessant, Jupp. Als wenn die Ratten schon das sinkende Schiff verlassen wollen. Elon Musk will mit seiner Monsterrakete Starship den Planeten Mars besiedeln. Aber dort stelle ich mir das Leben in seinen Kolonien nicht so komfortabel vor. Nach einem Monat Sandburgenbauen und Dünensurfen dürfte sich bei den Gästen langsam die Langeweile einstellen.

Na ja, Ingo, auf zum Mars! Das dürfte mit unserer Reisebuchung noch etwas dauern. Wir werden es wohl nicht mehr erleben. Nachdem die Raumstation ISS in die Jahre gekommen ist und die gegenwärtigen Insassen die Beschwerdeliste immer weiter anschwellen lassen, bauen die Chinesen und Russen schon die Nachfolger im Weltraum. Natürlich auch mit einem lukrativen Hintergedanken: als ultimativer Erlebnistrip für betuchte Gäste.

  • Aber kommen wir zurück zum individuellen Cocooning, lieber Jupp, das dürfte etwas erschwinglicher für dich sein. Der dritte Superreiche im Bunde, Mark Zuckerberg bastelt am Facebook-Nachfolger, dem Mammutprojekt Metaverse, welches das mobile Internet mit seinen lästigen staatlichen Zensureingriffen künftig ersetzen soll. Metaverse ist eine Vision einer privat betriebenen Cyberwelt, in der physische und virtuelle Realitäten miteinander verschmelzen sollen. Der Science-Fiction Autor Neal Stephenson hatte 1992 in seinem Roman Snow Crash solch eine digitale Ersatzwelt mit Avataren beschrieben, in die sich Bürger vom distopischen Los Angeles mittels Virtual Reality in die Traumwelt eines Metaversums flüchten. Interessanterweise hat Stephenson auch ein paar Jahre Jeff Bezos beraten, dem war aber die Cyberwelt wohl noch zu erdverbunden.

Ingo, du hast mir so etwas schon früher einmal prophezeit.  Nach meinen Unterlagen wolltest du mir im August 2015 folgende Vision schmackhaft machen: „… im fortgeschrittenen Alter liegt er dann berauscht in seiner Virtual Reality Kapsel, betreut von Pflegerobotern und überwacht von telemetrischen Sensoren. Der fällt dem Gesundheitswesen nur noch minimal zur Last.“ Sind wir jetzt bald soweit? Und wo bleibst du denn? Schaust du mir dann von der Raumstation Tiangong beim digitalen Rausch zu? Ein schöner Freund bist du. Das kostet dich jetzt aber eine Runde Bier.

  • Na gut, Jupp, also, wenn dir der Alkoholrausch besser gefällt, dann warten wir eben für unsere privaten Fluchten auf die Cannabis-Freigabe durch die neue Regierung. Bis dahin halte Dich besser von negativen Menschen fern. Sie haben ein Problem für jede Lösung. Das meinte schon vorausblickend Albert Einstein. Also Prost auf die bedauernswerten Schwarzseher der Welt.

Gut Ingo, warte du mal bekifft in deinem Kokon aus das Erscheinen des Phönix-Vogels und glaube weiterhin an das Gute im Menschen.

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Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen.

Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat was gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht´s mir wirklich. 

Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer".

Paul Watzlawick (1921-2007), Zitat aus: Anleitung zum Unglücklich sein (1983)

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Die Anmaßung der Menschen, Verantwortung für die lebende Erde zu übernehmen, erscheint mir lächerlich – es ist die Rhetorik der Machtlosen. Unser Planet sorgt für uns, nicht wir für ihn. Unser aufgeblasenes moralisches Gebot, eine widerspenstige Erde zu zähmen oder unseren kranken Planeten zu heilen, zeigt nur unsere maßlose Fähigkeit zur Selbsttäuschung.

In Wirklichkeit müssen wir uns vor uns selbst schützen. Wir müssen ehrlich sein. Wir müssen uns von unserer artspezifischen Arroganz befreien. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass wir jene einzigartige, auserwählte Spezies sind, für die alle anderen gemacht wurden. Und wir sind auch nicht die wichtigste Spezies, nur weil wir so mächtig, zahlreich und gefährlich sind. Unsere hartnäckige Illusion einer besonderen göttlichen Fügung steht im völligen Widerspruch zu unserer wahren Stellung als aufrecht gehende, kümmerliche Säugetiere.

Lynn Margulis (1938–2012), Zitat aus: Symbiotic Planet – A New Look At Evolution (1999)

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von Ingo Nöhr

Unsere Krisen - Kommt jetzt der Anfang vom Ende oder das Ende vom Anfang?

Ingo Nöhr zum 1. Oktober 2021

Das tägliche Leben hält für den deutschen Bürger wieder permanente Aufreger bereit. Afghanistan-Debakel, historischer Regierungswechsel, Tornado in Kiel, Vulkanausbruch auf La Palma, neuer James Bond Film. Die Briten haben aus Brexit-bedingtem Mangel an LKW-Fahrern das geplante Ende der Diesel- / Benzin- Ära anscheinend von 2030 auf heute vorverlegt.

Die Corona-Lage entspannt sich gerade – trotz Warnungen vor einer vierten Welle im kommenden Winter. Die Covid-19 Zertifikate gelten für Geimpfte 12 Monate, für Genesene unerklärlicherweise aber nur 6 Monate. Macht aber im Notfall nichts, im Internet gibt es schließlich gefälschte Impfpässe zu kaufen. In NRW fahndet man jetzt mit hohem Aufwand nach den Fälschern von Hunderten von Impfpässen. Nach der Einführung der 2G-Regel haben ungeimpfte Kinder unter 12 Jahren keinen Zutritt in Geschäfte und Gaststätten. In Berlin wollen 56% der Wähler, die dazu oft mehrere Stunden im Wahlchaos warten mussten, die großen Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen. Dummerweise würde der Rückkauf von 220.000 Wohnungen etwa 30-40 Milliarden Euro kosten und damit das gesamte Berliner Haushaltsvolumen des Jahres 2021 übersteigen.

Unsere beiden Krankenhausrecken sind noch total benommen vom spannenden Wahlabend und seinen Ergebnissen.

Hallo Ingo, wir sind jetzt mit der Rekordzahl an geballter Kompetenz von 735 Abgeordneten ausgestattet. Damit leisten wir uns das zweitgrößte Parlament der Welt. Zugegeben, hier müssen wir noch etwas aufstocken, um den Weltmeister China mit fast 3.000 Abgeordneten zu entthronen. Übrigens: hast du das Instagram-Selfie vom jugendlichen Verhandlungsteam der FDP und Grünen gesehen? Ihre Botschaft lautet: Wer unter uns Kanzler werden will, muss jetzt unsere Bedingungen erfüllen.

  • Jupp, wer hätte sich dieses Szenario vor kurzem noch vorstellen können: die ehemaligen Volksparteien müssen jetzt bei den vorher belächelten Miniparteien FDP und Grüne um Ministerposten betteln, weil diese bei der Wahl mehr Stimmen als Union und SPD geholt haben. FDP-Generalsekretär Volker Wissing beschreibt das Dilemma der Politik in wenigen Worten: Die Menschen wollen nicht, dass der Klimaschutz unseren Wohlstand zugrunde richtet. Sie wollen aber auch nicht, dass unser Wohlstand unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Diese zwei Perspektiven, die beide ihre Berechtigung und ihre Bedeutung haben, müssen zu einem guten Regierungsprogramm zusammengeführt werden.“
    Du siehst, wir leben zunehmend in disruptiven Zeiten: Brexit-Chaos, Corona-Pandemie, Ahrtalfluten, Afghanistan, Wahlausgang und vieles mehr.

Ingo, ich muss leidvoll zugeben: du hattest 2018 recht. Ich darf mal aus unserem damaligen Gespräch zitieren: „Die Statuen unserer Mächtigen stehen auf sehr wackeligem Boden, wenn schon eine kleine Erschütterung das Fundament ins Wanken bringen kann. Daher sollte man besser auf dem Höhepunkt seines Ruhms noch rechtzeitig abtreten, um als Lichtgestalt in die Geschichte eingehen zu können. Aber kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht. Helmut Kohl und Angela Merkel haben den passenden Absprungspunkt verpasst.“ Vor exakt drei Jahren hast du mit mir über disruptive Politik gesprochen. Jetzt erleben wir sie live.

  • Jupp, die disruptive Entwicklung war schon viel früher abzusehen. Schau mal in unseren Aufzeichnungen vom Juli 2016, als wir die sogenannten Pfadabhängigkeiten betrachtet haben. Du erinnerst dich vielleicht an meine Behauptung, dass die Maße des Spaceshuttles von einem römischen Pferdehintern bestimmt wurden – eine 2000 Jahre alte Abhängigkeit eines Weges. Meine Prognose lautete vor fünf Jahren: „Die nunmehr durch ihre Größe stabil etablierten und gut vernetzten Institutionen schotten sich aus Machtgier und Gewinnsucht der Führungselite zunehmend von der normalen Bevölkerung ab. Sie produzieren dadurch immer mehr Unzufriedenheit, zum Beispiel durch eine überbordende Bürokratie, steigende Kundenferne und sinkende Leistungsbereitschaft.“

Ingo, was hat das Letzte jetzt mit der Pfadabhängigkeit zu tun?

  • Jupp, hier spielen die Verlierer der Pfadabhängigkeit die entscheidende Rolle. Die bislang kaum organisierten Frustrierten finden plötzlich ein gemeinsames Sprachrohr: Donald Trump in den USA, Marie Le Pen in Frankreich, Boris Johnson in Großbritannien, die AFD in Deutschland. Ein Auslöser für die PEGIDA-Bewegung war die unterschwellige Fremdenangst vieler Bürger, die sich durch die Sozialleistungen für Migranten benachteiligt sahen. Es sind die Ergebnisse von erfolgreichen Attacken der Verlierer gegen die Pfadabhängigkeit der Politik. Die großen Banken, Industrie- und Medienkonzerne sind durch Vernetzungen und Globalisierungen so mächtig geworden, dass gegen sie nicht mehr regiert werden kann.

Stimmt, das haben wir schon damals festgestellt. Die ehemaligen Volksparteien haben die Bodenhaftung verloren und damit Vertrauen in die Volksvertretung zerstört. Es wächst das Heer der bislang nichtaktiven Unzufriedenen und Wahlverweigerer, bis es plötzlich eine kritische Masse erreicht und sich durch einen charismatischen Sprecher koordiniert zu einer Opposition zusammenfindet. Dann wird nur noch emotional und nicht mehr rational entschieden, wie der Brexit deutlich gezeigt hat. Und nun ist die Opposition plötzlich größer als die regierende Macht geworden und die behäbigen Kanzlermacher reiben sich verwundert die Augen.

  • Unser Starphilosoph Prof. Peter Sloterdijk sagte kürzlich in einem Interview mit dem Podcaster Gabor Steingart: „Politik braucht bühnenfähige Charaktere. Ich bin in der peinlichen Lage als Rechthaber auftreten zu dürfen. Schon vor zwei Jahren habe ich darauf hingewiesen, dass es mit Laschet nicht funktionieren kann, weil hier ein Formatfehler vorliegt, der in politischen Angelegenheiten sehr schwer wiegt: die völlige Abwesenheit von Charisma und Ausstrahlung. Christian Lindner ist der Prototyp eines lernenden Politikers: Jemand, der im ständigen Stoffwechsel mit seiner Umgebung steht.“

Das hat aber bei unserer grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nicht so durchschlagend funktioniert. Sie ist ja in den Umfragewerten kontinuierlich abgesackt.

  • Für die plötzliche Übergabe ihrer Machtposition an Robert Habeck hat er eine schonungslose Erklärung: „Wir haben eine Politikergeneration, die ausnahmslos Selbsterfinder sind. Das gilt natürlich vor allem für eine Person wie Annalena Baerbock, bei der man das Gefühl hat, dass der Übergang von einer Schülersprecherin zu einer Kanzlerkandidatin doch ein bisschen zu abrupt erfolgte.“

Ich erinnere mich daran, dass du seit etlichen Jahren das politische Versagen des Systems vorhergesagt hast. Permanent hast du mich mit dem bevorstehenden Knall und dem Aufstieg des Phönix aus der Asche genervt. Ist es nun so weit? Haben wir den kritischen Punkt erreicht?

  • Jupp, ich bin es langsam leid, Apokalyptiker zu sein, weil es langsam zu einer Modewelle ausartet. Max Frisch sagte mal: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Ja, ich glaube schon, dass wir kurz vor dem Wendepunkt stehen, auch wenn es keinen kompletten Zusammenbruch der Systeme geben wird. Bei der Corona-Pandemie und den Klimawandelfolgen haben wir nun auch die disruptiven Schläge am eigenen Leib erfahren. Nebenbei, wir jammern auf einem extrem hohen Niveau. Für viele auf der Erde ist die Apokalypse längst tägliche Realität: Eine Milliarde Menschen hungern, drei Milliarden leben von weniger als zwei Dollar am Tag.

Ingo, der geplante Qualitätsaufschwung des globalen Millenium-Porgramms hat leider nicht vollständig geklappt. Wir beide haben dann 2013 erkannt, dass wir uns nunmehr auf das Risikomanagement konzentrieren müssen, nachdem wir festgestellt hatten, dass wir das perfekte Qualitätsmanagement nicht finanzieren können. Die nächste Modewelle würde dann wohl das Krisenmanagement darstellen, welches schluss­endlich vom Management der Katastrophen abgelöst werden muss.

  • Jupp, du fandest damals in ein passendes Zitat dazu: „Ich habe einfach keine Zeit, den Zaun zu reparieren, denn ich muss ständig die entlaufenen Kühe einfangen.“

Ingo, ja, das ist die ständige Ausrede für die Vernachlässigung unserer Infrastruktur in Deutschland. Dazu passt gerade die aktuelle Meldung über einen Umrüstungsauftrag der Funktechnik bei der Bundeswehr. Dort ist ein Digitalisierungsprojekt für 90.000 IP-fähige Funkgeräte nach zehn Jahren Entwicklung krachend gescheitert. Nun soll der französische Rüstungskonzern Thales für 600 Millionen Euro 30.000 neue Geräte bis 2035 liefern. Aber nicht etwa mit digitaler Technik! Nein, die Firma soll die uralten Funkgeräte aus den 1980ern identisch nachbauen, weil es für diese kaum noch Ersatzteile gibt. Damit soll die weitere Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleistet werden. Für die nächsten zehn Jahre mit 40 Jahre alter Technik.

  • Unfassbar, aber für mich nachvollziehbar. Weil man die Digitalisierung komplett verschlafen hat, ist keine Zeit mehr, den Schritt zur echten Problemlösung zu wagen. So auch im Bildungswesen, im Justizwesen und im Gesundheitswesen. Überall muss man hektisch Provisorien installieren. Dabei hätten die Verantwortlichen anfangs die Sinnhaftigkeit von Corona-Schutzmaßnahmen intelligenter und ohne widerstandserzeugende Drohgebärden kommunizieren können.  

Ingo, die Anschnallpflicht im Auto wurde damals auch nur durch Bußgelder wirksam umgesetzt. Für die Impfunwilligen wird es ab diesem Monat auch richtig teuer, wenn die Kostenpflicht von Schnelltest flächendeckend umgesetzt wird. In den USA geht es mit der Impfpflicht drastischer zu. Bei den United Airlines droht 600 Impfverweigerern die Entlassung.

  • Es sollte die Querdenker langsam nachdenklich machen, dass auf den Intensivstationen fast nur noch Ungeimpfte liegen. Überhaupt würde ich heutzutage einen möglichst großen Bogen um Krankenhäuser machen, nachdem ich kürzlich eine Oxford-Studie über die Situation in Londoner Krankenhäusern gelesen habe. Das Team von Jie Zhou hat während des Covid-19 Peaks im April 2020 untersucht, was in den neu aufgestellten Luftfiltern hängengeblieben ist: neben Covid-19 Viren auch Pilze, Fäkalienkeime, Staphylokokken aller Art, Herpes, Grippe und ein Dutzend anderer Erreger. Nach dem Abschalten der Filter waren sie alle wieder da und schwebten in der Atemluft.

Das ist ja ekelhaft, Ingo. Also als Patient, Besucher oder Mitarbeiter solltest du dich in deiner Klinik besser nur noch mit einer FFP2-Maske aufhalten.

  • Wie ist es denn überhaupt soweit gekommen? Im einem SPIEGEL-Interview vergleicht der Politikwissenschaftler Christoph Meyer das Pandemie-Management in Deutschland und Großbritannien. Krisen sind disruptiv und erfordern ein Ausbrechen aus alten Mustern. In der Pandemie-Krise haben Angela Merkel und ihre Ministerpräsidenten einen Konsens mit der Wirtschaft, ihren Parteien und ihren Wählern gesucht, anstatt mutig ins Risiko gehen und die exponentielle Coronadynamik mit schmerzhaften Einschränkungen wirksam einzudämmen. An Beratern herrschte ein heilloser Wildwuchs, der sich in 21 Corona-Expertengremien in deutschen Landen austobte. Die Politiker konnten auswählen, wem sie zuhören und bestellten sich für ihre geplanten Maßnahmen das passende Expertenwissen. Zu Wort kamen meist nur die ausgesuchten Leute mit einer hohen Talkshow-Eloquenz, die störenden Kritiker hat man in den offiziellen Gremien ausgesondert.

Okay, Ingo. Die Politikberatung zur Krisenbewältigung war absolut unprofessionell organisiert. Wie wäre Meyer denn vorgegangen?

  • Er hätte das erfolgreiche Konzept der Briten kopiert: die Scientific Advisory Group for Emergencies, kurz SAGE genannt. Das ist ein kurzfristiger Zusammenschluss der besten und unabhängigen Wissenschaftler des Landes mit einem gemeinsamen Sekretariat. Sie beraten die Regierung je nach Notfall in Fachkomitees, zum Beispiel bei Flutkatastrophen, Nuklearunfällen, Aschewolken und eben Pandemien. Die Zusammensetzung ist völlig transparent und die Ergebnisse werden zeitnah und ohne politische Zensur gemeinsam als britische Expertenmeinung veröffentlicht.

Aber im letzten Herbst hat die Regierung von Boris Johnson die Ratschläge augenscheinlich nicht befolgt. Er wollte mit einem lockeren Shutdown die Pandemie kontrollieren und die Wirtschaft nicht belasten.

  • Für diesen Irrtum hat die britische Bevölkerung auch einen hohen Preis an vermeidbaren Coronatoten bezahlt. Und der totale Lockdown war später unausweichlich. Jetzt wird die SAGE-Expertise in der Person des Sprechers und Chefmediziners Chris Whitty so ernst genommen, dass er schon als „De-Facto-Primeminister“ bezeichnet wurde. Dafür zieht er mit seinem Kollegen, dem Chief Scientific Adviser Patrick Vallance bei unpopulären Maßnahmen alle Wut auf sich und beschützt dadurch die SAGE-Wissenschaftler vor persönlichen Angriffen.

Ingo, wir haben doch auch das Robert-Koch-Institut als Regierungsberater. Warum sollte man noch ein Expertengremium installieren?

  • Das RKI ist dem Bundesgesundheitsminister unterstellt und damit politischen Weisungen unterworfen. Erinnerst du dich nicht an den Konflikt des RKI mit der STIKO, der Ständigen Impfkommission, über die Covid-19 Impfung der Kinder unter 12 Jahren. Trotz des enormen politischen Druckes wollten die unabhängigen Wissenschaftler keine entsprechende Empfehlung aussprechen, weil in Deutschland bis heute noch kein Kind unter 17 Jahren ausschließlich an einer Covid-19 Erkrankung gestorben ist.

Und die Leopoldina-Akademie? Die ist doch unabhängig und interdisziplinär aufgestellt.

  • Das ist richtig, sie spielt auch eine wichtige Rolle in der Debatte, ist aber kein Ersatz für eine wirklich durchdachte, gut strukturierte Politikberatung auf Bundesebene. Wir sind in Deutschland hinsichtlich Krisenvorsorge und Prävention nicht gut aufgestellt, sondern benötigen dringend eine Art nationalen Sicherheitsrat auf Kabinettsebene. Die nächsten Naturkatastrophen, Cyberangriffe und Finanzkrisen kommen mit Sicherheit. Wir sollten vorausschauend planen und bei einer plötzlichen Krise nicht hektisch und unkoordiniert nach parteipolitischen Prämissen in 16 Bundesländern reagieren.

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Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.

(Winston Churchill, 1874 – 1965)

 

Die Partei muss laufen lernen, sie muss sich zutrauen, in Zukunft ohne ihr altes Schlachtross, wie Helmut Kohl sich oft selbst gerne genannt hat, den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen.

(CDU-Generalsekretärin Angela Merkel im Dezember 1999 im Zuge der Spendenaffäre)

 

In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen.

(Loriot)

 

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von Ingo Nöhr

Die Qual der Wahl – wer wird uns retten?

Ingo Nöhr zum 1. September 2021

Covid-19 bestimmt weiterhin das Leben der beiden Klinikpensionäre. Die dritte Impfung zeigt sich schon am Horizont und erzeugt neues Futter für die Querdenker-Szene. Hätten die beiden vor einem Jahr eine Biontech-Aktie für 60 US-Dollar gekauft, wäre sie im August 440 Dollar wert gewesen. 

Noch lukrativer hätte sich eine Investition in Aktien der Rüstungsindustrie gelohnt. Schließlich hat die deutsche Bundesregierung insgesamt 419 Millionen Euro Rüstungsgüter allein für ihr zwanzigjähriges Afghanistan-Abenteuer exportiert. Weltweit wurden 2020 trotz Pandemie fast 2.000 Milliarden Dollar für den Rüstungswahn ausgegeben - ganz vorn die USA und China.

Ein weiteres kostspieliges Investment hatte sich dagegen nicht gelohnt. Für die Olympischen Spiele vor leeren Stadien gaben die Japaner die absolute Höchstmarke von 26 Milliarden Dollar aus. Zum Vergleich: 1972 beliefen sich die Kosten für die Münchener Olympiade auf gerade mal 1 Milliarde Dollar.

Und begleitend zu diesen gigantischen Geldverschwendungen zeigt die Natur ihrem aggressivsten Parasiten mit drastischen Auswirkungen, „wo der Hammer hängt“: Hurrikans, Erdbeben, Waldbrände, Überschwemmungen und Dürrekatastrophen mit neuen Rekordwerten und einem hohen Blutzoll. Im letzten Sommer gab es mehr Hitzetote als durch Covid-19 Verstorbene.

Ein umfangreicher Themenkatalog also für das monatliche Stammtischgespräch von Ingo und Jupp. 

  • Jupp, ich nehme an, du hast das erste Triell mit Baerbock, Scholz und Laschet im Fernsehen verfolgt. Weißt du nun, wo du am 26. September dein Kreuzchen machen musst?

 Ingo, das waren gerade mal drei Parteien. Auf meinem Wahlzettel werden aber 47 stehen. Am liebsten würde ich den langen Zettel komplett durchstreichen und den 48. Eintrag mit dem Namen „Nichtwähler“ ankreuzen. 2009 hat diese Nichtpartei fast 30% erreicht und wäre damit am stärksten im Bundestag vertreten gewesen. Das hätte den Politikern mal den wahren Volkswillen und ihre zweifelhafte Angehörigkeit zu einer sogenannten Volkspartei demonstriert.

  • Jupp, schau mal. Die Partei #20 auf dem Wahlzettel hört sich doch gut an: „Menschliche Welt – für das Wohl und Glücklichsein aller“. Der Parteivorsitzende heißt Dada Madhuvidyananda, mit bürgerlichem Namen Michael Moritz. Mit dem Wahlprogramm kann ich gut leben, allerdings bekam die Partei seit 2016 bei allen Wahlen weniger als 1% der Stimmen. Aber angesichts deiner Wut auf die Politik denke ich mal, wirst du die #45 Graue Panther ankreuzen, damals von Trude mit dem passenden Nachnamen Unruh gegründet.  

Also Ingo, jetzt mal im Ernst. Hast du beim Triell irgendetwas über unsere Renten, über die Digitalisierung, das Bildungswesen oder überhaupt über unsere demographische Entwicklung gehört? In den nächsten Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Landen sie gleich in der Altersarmut?

  • Lieber Jupp, ich darf mal als Antwort dazu Gabor Steingart aus seinem Morning Briefing zitieren: „Der Blick um die nächste Biegung fehlte gestern abend. Das Moderatoren-Pärchen war der journalistischen Augenblicksgier verfallen. Dabei haben wir es nach 16 Jahren Merkel mit einem veritablen Reformstau zu tun. Hinterm Horizont geht es so nicht weiter. Die Staatlichkeit ist verstaubt; die demografischen Probleme schieben sich wie eine Endmoräne ins Tal der Zukünftigen, das geostrategische Denken scheint ausgestorben und über alledem thront eine Kanzlerin, so starr und so wächsern als hätte Madame Tussauds sich ihrer zu Lebzeiten schon angenommen.“

Ingo, beim geostrategischen Denken haben die abendländischen Regierungen gerade komplett versagt und das Vertrauen in ihre moralische Überlegenheit auf Jahre hinaus ruiniert. Das Ziel des Afghanistan-Feldzuges wäre schon vor zehn Jahren mit der Tötung von Osama Bin Laden erreicht gewesen. Aber dann gefiel dem Westen das Schlagwort „Nation-Building“ und wollte mit zwei Billionen Euro ein Drogenemirat in eine liberale Demokratie verwandeln. Das Ergebnis nach weiteren zehn Jahren: Das Nation-Building wird nun von den islamischen Fundamentalisten fortgeführt, aber ohne westliche Werte. Rußland und China füllen das Vakuum sofort auf. Afghanistan ist wieder Weltmarktführer beim Export von Opiaten.

  • Jupp, das war schon lange vorauszusehen. Im Februar 2020 übergab Donald Trump in Doha ohne weitere Bedingungen den Haustürschlüssel an die Taliban, nur gegen freies Geleit für die Soldaten der Allianz. Nebenbei erbten diese die dortige Militärausrüstung im Wert von 85 Milliarden Dollar, darunter 200 Flugzeuge, 75.000 Fahrzeuge und 600.000 Handfeuerwaffen. Potenziell tödlich für viele Menschen vor Ort ist zudem ihr Zugang zu den biometrischen Geräten, welche die Fingerabdrücke, Augen-Scans und biographischen Angaben der afghanischen Soldaten und Ortskräfte der letzten 20 Jahre beinhalten.

Zutiefst beschämend, wie dilettantisch die versuchte Evakuierung dieser Menschen abgelaufen ist. Gerade mal 100 Ortskräfte mit ihren Familien konnten von der Bundeswehr unter höchster Gefahr ausgeflogen werden. Weitere 300 Deutsche und 10.000 Afghanen warten noch unter unbeschreiblichen Umständen auf ihre Ausreise nach Deutschland. Aber ein britischer Ex-Soldat schaffte es nach massiven Interventionen, 170 Hunde und Katzen aus seinem privaten Tierheim nach London zu bringen, seine 70 afghanischen Helfer mussten allerdings zurückbleiben.

  • Jupp, wenn er ein gläubiger Mensch ist, kann er zumindest darauf hoffen, dass die Tiere beim Jüngsten Gericht ein gutes Wort für ihn einlegen. Ich glaube, bei der endzeitlichen Abrechnung werden wir alle gute Fürsprecher brauchen, wenn wir uns vor der himmlischen Jury für den hinterlassenen Zustand der Natur rechtfertigen müssen.

Ingo, richtig. Aber die Natur wehrt sich mit Macht. Der letzte Hurrikan Ida lies in New Orleans den Mississipi für drei Stunden stromaufwärts fließen. Immer mehr Tote und ungeheure Kosten durch zunehmende Umweltkatastrophen. Der Mensch zerstört sein eigenes Haus und seinen Wald drumherum.

  • Ach Jupp, die Toten waren für uns immer weit weg. Die Deutschen wachten erst auf, als im Ahrtal ihre Autos weggespült wurden. Allein mit den dortigen Aufräumkosten könnten wir einen afrikanischen Staat komplett klimaneutral machen. Die Natur hat den gefrässigen Konsumenten in der westlichen Welt eine pädagogische Lektion erteilt, die schon lange in unserem Land überfällig war.

 ngo, vor fünfzig Jahren warnte der Club of Rome, dass die Uhr für die menschliche Existenz auf fünf vor Zwölf steht. Jetzt ist es fünf nach Zwölf und etliche Kipppunkte sind erreicht, die wir nicht mehr rückgängig machen können. Der Regenwald im Amazonas-Becken produziert schon mehr CO2 als er verbraucht, die Permafrostböden in Rußland und die Eisfelder in Grönland tauen auf. Wie kannst du da noch deinen Optimismus pflegen?

  • Jupp, so langsam begreifen die Menschen in den reichen Ländern, dass sie sich nicht getrennt von der Natur definieren können. Wir erleben doch zunehmend heftigere Diskussionen in der Bevölkerung darüber, ob uns das kapitalistische Prinzip des permanenten Wachstums nicht langsam umbringt. Wir beobachten beunruhigt den ökologischen Fußabdruck. Für die Erfüllung unserer Bedürfnisse stellt die Erde 1,7 Hektar pro Person bereit. In Deutschland belegen wir aber schon 5,5 Hektar, in den USA 8,6 Hektar. Ich erwarte keine Revolution, wie sie die Querdenker und grünen Fundamentalisten anstreben. Aber relevante Änderungen im Innern des Kapitalismus werden kommen, zum Beispiel durch reale Preise, welche auch die Umweltzerstörung mit einpreisen. Der CO2-Preis müsste von derzeit 25 Euro realistisch auf 200 Euro pro Tonne angehoben werden.

Ingo, da sind wir aber noch weit entfernt. Momentan subventionieren wir Deutschen noch das Flugbenzin, lassen jährlich eine Million SUV-Autos zu und blasen durch die Kohleverstromung pro Jahr fünf Tonnen Quecksilber in die Luft. Das erinnert ich mich an meine Schulzeit, als im Physikunterricht ein Quecksilberthermometer zerbrochen wurde. Wochenlang war der Saal zur Renovierung und Lüftung geschlossen. Geh doch mal mehr an die frische Luft, sagen die Mediziner. 2020 generierte unsere schlechte Luftqualität in den autoüberfüllten Städten 70.000 vorzeitige Todesfälle, mehr als das Covid-19 Virus geschafft hat. 

  • Jupp, du ignorierst die Zeichen der Zeit, die einen gewissen Optimismus rechtfertigen. Fridays for Future hat viele Ableger bekommen, den Scientists for Future gehören nun 26.000 Wissenschaftlicher im deutschsprachigen Raum an. Der höchstalarmierende 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates hat eine politische Schockwelle produziert. Mit der Bundestagswahl am 26. September wird auch über die Klimapolitik entschieden, die nun alle Parteien außer der AfD für sich entdeckt hat. Die Bevölkerung erkennt zunehmend, dass unser vorherrschendes Wertesystem „höher, schneller, weiter“ in den Abgrund führt. Trotz des materiellen Wohlstands leiden die Menschen in den Industriestaaten an Krankheiten wie Depressionen, Burnouts, Adipositas, Drogenabhängigkeiten und dergleichen mehr.

Ingo, zugegeben, sogar die Kirchen haben mühsam in der Klima-Allianz ihre Verantwortung zur Klimaneutralität entdeckt. Doch die Kirchenvertreter sitzen in allen wichtigen Gremien der Gesellschaft, aber man hört nichts von ihnen. 

  • Jupp, vielleicht sollten sie bundesweit ihre Kirchendächer und all ihre Immobilien mit Solarpanels bepflastern und ihre Türme mit Windrädern krönen, um die Sensibilität der Bevölkerung für erneuerbare Energien zu fördern. Die Abtreibungsgegner in den USA erobern immer mehr republikanische Hochburgen und stoßen schärfste Gesetze zur Abschaffung der Abtreibung an. Stell dir mal vor, die deutsche Bischofskonferenz erkennt der CDU/ CSU die Lizenz für das C im Logo ab und droht mit Exkommunizierung, wenn nicht endlich die göttliche Schöpfung vor dem weiterem Untergang bewahrt wird.

Ingo, das wird wohl nicht passieren, denn die Christenparteien könnten sich auf das industriefreundliche Bibelzitat „Macht euch die Erde untertan“ berufen. Da sind die Religionen der Naturvölker sehr viel fortschrittlicher. Sie setzen den Gott nicht in den Himmel, sondern finden ihn im ewigen Kreislauf der Natur.

  • Mit kommt da gerade ein Gedanke, Jupp. Wir sollten einen indianischen Schamanen als Umweltminister einsetzen. Ein Computer mit Künstlicher Intelligenz in der Bundesregierung wäre nämlich viel gefährlicher. Das RKI hat gerade vor neun Monaten den Grundstein für ein KI-Zentrum in der Public Health Forschung gelegt. Bei erster Inbetriebnahme würde es möglicherweise beschließen, dass alle Corona-Maßnahmen sofort einzustellen und die Menschen als tödliche Parasiten von der Erde zu eliminieren sind. In den Äonen der Entwicklungsgeschichte der Natur stellen wir Menschenvolk sowieso nur eine kurzzeitige Infektion ohne nachhaltige Wirkung dar. Die Natur lässt sich von uns nicht zerstören, sie hat schon schlimmere Katastrophen erlebt. 

Ingo, dass nennst du also eine optimistische Weltsicht? Ich vermute langsam, dein Weltbild fokussiert sich auf die Natur und nicht auf den Menschen. Du nimmst unseren Untergang in Kauf, um der Natur wieder zum Atemholen zu verhelfen. Nach dieser Erkenntnis muss ich erst mal ein kühles Bier trinken. Zumindest dieses Produkt verbindet perfekt den menschlichen Leib mit den natürlichen Ressourcen. 

  • Gut gesprochen, Jupp. Herr Wirt, zwei Bier bitte. Zum Anstossen auf die erfolgreiche Symbiose von Mensch und Natur.

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„Vor 10.000 Jahren verteilte sich die Biomasse der Erde wir folgt: 1% Menschen und 99% Wildtiere. Und heute haben wir 1% Wildtiere, 1/3 Menschen und 2/3 Nutztiere. Wir pupsen und kacken den Planeten platt.“   

(Eckhart von Hirschhausen  auf der 2. Utopie-Konferenz der Leuphana Universität, 2021)

 

Apropos Querdenker: schade um die Verhunzung des einst positiv besetzten Begriffes. Kurt Biedenkopf war nach der deutschen Wiedervereinigung für zwölf Jahre der erste Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und sagte 2007 in einer Rede:

„Wenn Sie nicht querdenken, dann sind sie kein erfolgreicher Forscher, dann sind sie kein erfolgreicher Lehrer, dann sind sie kein erfolgreicher Innovator. Denn querdenken heißt gegen das Fell bürsten. Das heißt also, die Fragestellungen, die en vogue sind, nicht zu akzeptieren, andere Fragen aufzuwerfen. Querdenker sind unverzichtbar.“

Laut einer Umfrage möchten nur noch 45% der Deutschen ihre freie Meinung öffentlich äußern.

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von Ingo Nöhr

Kommt jetzt der sechste Kondratjew-Zyklus?

 

Was für ein hektischer Monat! Die Aufregungen überschlugen sich regelrecht: Die Pegasus-Ausspähung der Smartphones, neue Delta-Virus-Ausbrüche, die große Impfverweigerung in vielen Ländern, Chemie-Explosion in Leverkusen, Flutkatastrophen, aber auch extreme Hitzewellen in manchen Regionen. Ungerührt davon baut China gerade seine eigene Raumstation.

Wie immer betrachten Ingo und Jupp beim monatlichen Stammtischgespräch das aktuelle Weltgeschehen mit ihren unterschiedlichen Brillen. 

Also Ingo, wenn du angesichts der katastrophalen Meldungen im vergangenen Monat immer noch ein Optimist bleiben kannst, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.

  • Jupp, ich habe damit kein Problem. Der ungarische Physiker und Atombombenbauer Edward Teller hat einmal gesagt: "Der Unterschied zwischen einem Optimisten und einem Pessimisten besteht heute darin, dass der Optimist glaubt, die Zukunft sei ungewiss." Du machst den Denkfehler, dass du den gegenwärtig maroden Zustand der Welt einfach in die Zukunft extrapolierst. Ich als Optimist habe zwar nicht weniger oft unrecht als du als Pessimist, aber ich lebe froher, weil ich an die Lernfähigkeit der Menschen glaube.

Ingo, dass stimmt nicht ganz: Ein Pessimist zu sein hat den Vorteil, dass man entweder ständig recht behält oder angenehme Überraschungen erlebt, nämlich, wenn der schlimmste Fall nicht eintritt. Du dagegen musst doch aufgrund der Dummheit der Menschen permanent Enttäuschungen erleben, weil dein bestes Szenario nicht passiert.

  • Lieber Jupp, meine Enttäuschungen halten sich sehr in Grenzen, denn „Ein Pessimist sieht das Problem, das in jeder Chance steckt, ein Optimist sieht die Chance, die in jedem Problem steckt." Das ist von Winston Churchill. Also erzähle mal: wo siehst du aktuell die Probleme. Ich verrate dir dann auch, welche Chancen ich erkenne.

 Ach Ingo, ich weiß ja gar nicht, wo ich anfangen soll. Aktuell ist mein nächstgelegener Problemfall mein Nachbar. Du weißt schon, der Q-Anon-Anhänger und Querdenker. Er lauert mir regelrecht auf, wenn ich mal vor die Tür trete. Dabei meint er es angeblich nur gut mit mir. Er will mich retten und über die wahren Hintergründe aufklären. Dafür soll ich unbedingt mit ihm am 1. August zur großen Querdenkerdemo nach Berlin fahren. Dort trifft sich die Million der Erleuchteten, um gegen die Verdummung und Versklavung der Bevölkerung durch die geheime Weltregierung und das Großkapital zu kämpfen. Wo siehst du nun die Chancen, bitte schön?

  • Zunächst einmal möchte ich die Querdenkerbewegung nicht einfach als Versammlung von Verrückten abqualifizieren. Sie hat eine sehr heterogene Zusammensetzung und ich bin sicher, dass ich dort auch viele ernsthaft besorgte Menschen treffen würde, die sich gut informiert haben. Sie haben eine Gegenöffentlichkeit zu den Mainstream-Medien aufgebaut und stellen zuweilen sehr kritische Fragen. Die Masken- und Impfverweigerer beklagen doch nicht ganz zu Unrecht die offizielle Unterdrückung von Informationen, „welche die Bevölkerung beunruhigen könnten“. In dieser ernstzunehmenden Untergruppe der Skeptiker sehe ich ein wichtiges Regulativ in der politisch beeinflussten Meinungsbildung.

Also Ingo, glaubst du jetzt wirklich, dass Bill Gates uns mit seinem mikrochip-einpflanzenden Test- und Impfkampagnen zu willenlosen Untertanen einer Weltregierung umformen will? Dass die Eliten der Welt mit dem Blut entführter Kinder in satanischen Ritualen versuchen, sich das Leben zu verlängern? Mein Nachbar ist sich neuerdings sicher, dass die ersten beiden Corona-Impfungen die Menschen süchtig machen werden und sie wie Drogenabhängige jeden Monat mehr Impfstoff haben wollen.

  • Danke, Jupp, dass du mir ein solches Gedankengut zutraust, aber glaube mir, ich wurde noch nicht von den Verschwörungstheorien infiziert. Mich macht nur nachdenklich, mit welcher Intensität man die Andersdenkenden zur Ruhe zwingen will. Der Philosoph Peter Sloterdijk sieht in einigen Gruppierungen der Querdenkerszene „sektenähnliche Meinungsgenossenschaften mit Figuren wie aus dem Spätmittelalter, die den Weg in die Moderne und damit zu naturwissenschaftlicher Evidenz und zum Staatsbürgertum innerlich nicht mitgegangen sind. Das hat im Verwechseln der eigenen Wünsche mit der Welt etwas Kleinkindliches.“ Und was macht die Zugehörigkeit so attraktiv? „Man macht miteinander euphorische Erfahrungen in der Annahme des gemeinsamen privilegierten Zugangs zur Wahrheit. Es gibt für den Selbstgenuss nichts Schöneres als solche Räusche des Irrsinns.“ Er plädiert für Aussteigerprogramme aus der Szene, um ihnen bei der Abkehr von ihren Positionen ohne Gesichtsverlust zu helfen.

Interessant, Ingo. Du meinst also, sie genießen das Glück, einer verschworenen Glaubensgemeinschaft anzugehören, die sich im Besitz der alternativen Wahrheit zu sein glaubt. Das hat ja direkt etwas Religiöses. Man fühlt sich geborgen in einer Sekte, die von Ungläubigen umzingelt und bekämpft wird. Mich erinnert dies an die fanatischen Republikaner der USA, die trotz aller negativen Meldungen in Donald Trump ihren Heilsbringer sehen. Die Feinde wollen ihnen die Waffen rauben, damit sie wehrlos sind und ihre verfassungsmäßige Freiheit verlieren. Aber woher kommt denn der Druck, sich solch einer Sekte anzuschließen?

  • Sloterdijk zitiert dazu den österreichischen Schriftsteller Hermann Broch. Er hatte in 1930er-Jahren seine »Massenwahntheorie« formuliert, als er die aufgepeitschten Massen der NS-Zeit erlebte. seine Faschismustheorie ist bis heute aktuell geblieben. „Seiner Auffassung nach sind moderne Gesellschaften großformatige Ensembles in präpanischer Erregung, die unter dem Eindruck von Krisenstress plötzlich in akute Panikzustände versetzt werden können. Demnach wäre Panik der Stoff, aus dem die irrationalen Masseneffekte sind. Kollektivpaniken manifestieren sich in Massenflucht durch enge Ausgänge oder in der Zuflucht zu einem Retter. Der trägt das Mandat, das Volk wieder groß zu machen, indem er die befreiende Katastrophe herbeiführt.“

Da finden wir also unseren Donald Trump wieder. Demnach sind diese erregten Querdenker-Demos auch eine Folge der Corona-Krisen, verstärkt durch die vermurkste Bewältigung des Klimawandels.  Gerade passend dazu erlebten wir am 29. Juli fast einen Monat früher als 2020 den diesjährigen Earth Overshoot Day. In Deutschland fiel der Erdüberlastungstag schon auf den 5. Mai. Hatten wir nicht eine ähnliche Panik in den 1960er Jahren, als zu Zeiten des Kalten Krieges die Amerikaner in Erwartung eines russischen Nuklearangriffs massenhaft Atombunker in ihren Gärten und Städten bauten?

  • Na ja, vielleicht aus gutem Grund, schließlich stand unser Globus bei der Kubakrise im Oktober 1962 kurz vor dem Ausbruch des Dritten Weltkrieges. Unsere Medien greifen immer wieder panikerzeugende Meldungen auf und multiplizieren durch ihren Fokus die Horrorängste. Das war bei Corona-Ausbruch in Bergamo so und bei den vielen Lockdowns, als ratlose Regierungen hektische Alibiaktionen in Gang setzten.

Nicht zu vergessen, Ingo, die großen Flutkatastrophen in NRW und Bayern kürzlich. Und gleich darauf die Explosion im Leverkusener Chemiebetrieb, die mich in ihren Folgen an Tschernobyl erinnerte, als wir wegen der Giftwolke Kinderspielplätze nicht benutzen und unser Gemüse und Obst im Garten nicht essen durften. Jedes Mal erlebten wir die Hilflosigkeit unserer Behörden, die auf ihre verbeamtete Schönwetter-Bürokratie angewiesen waren.

  • Jetzt kommt aber der positive Aspekt zum Tragen, Jupp: die gewaltige Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, besonders sichtbar bei den zerstörten Dörfern in der Eifel. Heerscharen von freiwilligen Helfern machten sich auf den Weg und schufteten bis zum Umfallen bei wildfremden Menschen. Die vergleichbare rettende Hilfe durch die Bürger haben wir schon vor fünf Jahren erlebt, als sich eine Million Flüchtlinge auf Einladung von Angela Merkel auf den Weg ins paradiesische Deutschland machten. Die Menschen haben mittlerweile kapiert, dass sie sich in Notsituationen selbst helfen müssen und ihre Illusion verloren, dass der Staat mit seinem angeblichen Rundum-Fürsorgepaket alles im Griff hat. Für ein effektives Krisenmanagement ist unsere staatliche Konstruktion mit der unüberschaubaren Verteilung von Verantwortungen auf Bund, Länder und Kommunen denkbar schlecht gerüstet.

Jedes Mal wird gestritten, wer im Notfall die gesamte Verantwortung und Krisenleitung übernehmen soll. Es fehlt ein durchsetzungsstarker Helmut Schmidt, der als Senator 1962 in Hamburg die Sturmflut gemanagt hat. Wir haben zwar seit 2004 ein Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit einer eigenen Akademie. Angesichts des jüngsten Hochwassers mit 150 Toten erklärte der BBK-Präsident, dass seine Behörde für den Verteidigungsfall im Krieg zuständig sei, aber nicht im Katastrophenfall.

  • Da hat man sich wohl in der Namensnennung vertan, Jupp. Übrigens möchte ich auch mal den Begriff Verteidigungsministerium infrage stellen. Minister Struck erklärte im Dezember 2002: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt". Und wie steht es jetzt mit unserer Sicherheit? Die Bundeswehr zieht sich nach 20 Jahren verlustreich mit über 50 toten Soldaten aus dem gescheiterten Afghanistan-Einsatz zurück und überlässt ihre lokalen Hilfskräfte der Rache der Talibans. Da konnten die 800 Milliarden US-Dollar der Amerikaner auch nichts bewirken. Dafür hatten sie 3.600 tote Soldaten und das zehnfache an Opfern bei der Zivilbevölkerung zu beklagen.

Und wo finde ich angesichts dieser Situation jetzt deinen Optimismus wieder, mein lieber Ingo?

  • Wie ich schon sagte, Jupp, ich konzentriere mich auf die Chancen. Die grundlegende Herausforderung ist doch, dass man ein derart komplexes und dynamisches System von Problemen mit seinen unzähligen Verknüpfungen und multiplen Ursachenketten nicht mit den historisch gewachsenen Konzepten beherrschen kann. Die Kanzlerkandidaten einiger Parteien geben eine grausame Vorstellung ihrer Kompetenz ab. Die Bevölkerung erkennt zunehmend, dass unser gegenwärtiges politisches System zur Bewältigung der heraufziehenden Krisen in der Demografie, Digitalisierung und dem Umweltschutz nicht geeignet ist. Das Resultat ist ein Vertrauensverlust in die Allmacht des Staates, seine Untertanen ausreichend vor den Folgen zu schützen. Ein neues Klimabewusstsein entsteht, ein langsames Umdenken hinsichtlich der unkritischen Fortsetzung unserer bisherigen Arbeits-, Produktions- und Bildungsstrukturen findet statt. Kurzum: die Zeit für ein neues Denken ist reif. So kann es nicht weitergehen. Wir haben diese Umbrüche doch schon mehrmals erlebt: Industrialisierung, Elektrifizierung, Digitalisierung, Globalisierung – alles schon vergessen? Wir stehen kurz vor einer neuen Phase.

Du meinst, wir erleben jetzt den sechsten Kondratjew-Zyklus, der auf den der Informationstechnik folgt? Der sich dann vor allem mit dem Überlebenskampf in unserer ruinierten Natur befasst?

  • Ja, diese Anzeichen sehe ich überall. Ich zitiere mal eine Meldung der Deutschen Welle vom 28. Juli: „Mehr als 14.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus rund 150 Ländern haben sofortige Veränderungen im Hinblick auf die Klimakrise gefordert. Diese Veränderungen seien dringlicher denn je, um das Leben auf der Erde zu schützen, heißt es in einem im Fachjournal BioScience veröffentlichten Artikel. Gefordert wird unter anderem ein absehbarer Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe sowie ein besserer Schutz der Artenvielfalt.“

 

Also Ingo, angesichts dieser Aussichten bleibt uns nur der Griff nach unserem beständigen und innovationsgeschützten Lebensmittel. Herr Wirt, bitte zwei Bier für ein Prosit auf unser aller Zukunft.

 

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Die Kondratjew-Zyklen beschreiben den Kern einer von dem sowjetischen Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew entwickelten Theorie zur zyklischen Wirtschaftsentwicklung, die Theorie der Langen Wellen. Ausgangspunkt für die Langen Wellen sind Paradigmenwechsel und die damit verbundenen innovationsinduzierten Investitionen: Es wird massenhaft in neue Techniken investiert und damit ein Aufschwung hervorgerufen.

  1. Periode (ca. 1780–1840): Frühmechanisierung; Beginn der Industrialisierung in Deutschland; Dampfmaschinen-Kondratjew. Es gibt Vermutungen, dass es in England schon einen früheren Zyklus gab.
  2. Periode (ca. 1840–1890): Zweite industrielle Revolution Eisenbahn-Kondratjew (Bessemerstahl und Dampfschiffe). In Mitteleuropa Gründerzeit
  3. Periode (ca. 1890–1940): Elektrotechnik- und Schwermaschinen-Kondratjew (auch Chemie)
  4. Periode (ca. 1940–1990): Einzweck-Automatisierungs-Kondratjew (Basisinnovationen: Integrierter Schaltkreis, Kernenergie, Transistor, Computer und das Automobil)
  5. Periode (ab 1990): Informations- und Kommunikations-Technik-Kondratjew (globale wirtschaftliche Entwicklung)

(aus Wikipedia)

 

Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. –

Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist. 

(Douglas Adams, Autor von „Per Anhalter durch die Galaxis“)

 

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von Ingo Nöhr

Die Post-Corona-Gesellschaft

 

Nachdem sich an der Corona-Front etwas Entspannung andeutet und die Deutschen wieder in ihren traditionellen Urlaubsrausch verfallen, dringen andere, beunruhigende Meldungen ins kollektive Bewusstsein. Ein schwerer Tornado zerstört ganze Dörfer in Czechien, die USA und Kanada erleben eine unvorstellbare Hitzewelle, in Sibirien taut der Permafrostboden auf und die Bundesregierung hat nach der schallenden Ohrfeige vom Bundesverfassungsgericht einen verbesserten Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz vorgelegt. Nun übertreffen sich die Parteien mit wohlklingenden Bekenntnissen zum radikalen Schutz von Umwelt und Klima. Die beiden Pensionäre Ingo und Jupp sind aber nicht so recht überzeugt. Was bringt wohl die Nach-Corona-Zeit?

Hallo Ingo, jetzt geht es dem Klimawandel aber ordentlich an den Kragen, was? Alle Politiker geloben Besserung. Höchste Zeit, wo der deutsche Wald zunehmend dahinsiecht - da versteht der Bundesbürger keinen Spaß mehr. Nur noch jeder fünfte Baum verfügt über eine intakte Baumkrone.

  • Lass mich raten, Jupp. Dein überraschend positives Statement soll wahrscheinlich nur überdecken, dass du als unverbesserlicher Pessimist mit der nächsten Katastrophe rechnest, deren Krisenmanagement unser Staat wieder gründlich vermasseln wird.

Ist das so verwunderlich, Ingo? Die jahrelangen Versäumnisse in der Digitalisierung, im Bildungswesen und im Gesundheitswesen haben wohl mehr Schaden angerichtet als die Pandemie selbst. Es ist doch jedem Bürger in den letzten anderthalb Jahren deutlich geworden, dass unsere Schönwetter-Bürokratie und das föderale System derartigen Krisen nicht gewachsen sind. Vor allem, wenn wegen Wählerstimmen und Wirtschaftslobbyisten die wissenschaftlichen Warnungen ignoriert werden. Glaubst du daran, dass unser deutsches Staatsgebilde mit den weit größeren Herausforderungen des Klimawandels klar kommen wird?

  • Na ja, Jupp, verglichen mit einigen Nachbarländern haben wir die Corona-Krise noch relativ gut gemeistert. Wenn auch mit unglaublich hohen Kosten, deren Rückzahlung uns noch generationenlang belasten wird.

Ingo, genauso wird es wohl weitergehen – jeder bedeutende Meckerer wird als Entschädigung mit einem erklecklichen Sümmchen aus dem Steuertopf ruhiggestellt. Die weniger lauten Betroffenen, sprich das namenlose Stimmvieh, werden wohl wie üblich in die Röhre gucken und letztendlich mit ihren Steuern die Wohltaten bezahlen müssen.

  • Ich weiß nicht so recht, Jupp, ob das bisherige System weiterhin so funktionieren wird. Im Volk hat sich eine gewaltige Wut auf die Entscheidungsträger und Politiker angestaut, die sich nicht nur am Wahlabend im September entladen könnte. Das Vertrauen in Vater Staat und Mutti Merkel ist schwer angekratzt. Der alte Henry Kissinger schrieb im April 2020 im Wall Street Journal: „Der Zusammenhalt und wirtschaftliche Erfolg von Ländern basiert auf dem Glauben, dass ihre Institutionen Katastrophen vorhersehen, ihre Auswirkungen stoppen und die Stabilität wiederherstellen können. Wenn die Covid-19- Pandemie vorbei ist, werden die Institutionen vieler Länder als gescheitert gebrandmarkt sein.“ Vergiss nicht, dass die Pandemie in ärmeren Ländern die Armut, Ungleichheit und Korruption dramatisch verschärft hat. Es hat eine massive Umverteilung von Reichtum an wenige Profiteure stattgefunden.

Ja, Ingo - das sehe ich auch so. Die rebellische Jugend, die Querdenker und ihre Verschwörungsgläubigen lassen sich nicht mehr mundtot machen, sondern verbreiten sich unzensiert immer stärker im Internet und im Büchermarkt, oft kaum beachtet von den öffentlichen Medien. Demonstrationsverbote und rigorose Polizeieinsätze verschärfen nur den Widerstand und schaffen Märtyrer. Vielleicht sind die USA mit ihren Trump-hörigen Republikanern wieder mal die Vorreiter einer gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland.

  • Ich glaube, wir müssen bei der Analyse der Ursachen etwas tiefer hinschauen, Jupp, denn das Covid-19 Virus hat als Verstärker langjährig ignorierte Probleme aus strukturellen Defiziten der Gesellschaft offengelegt. Der bislang praktizierte Neoliberalismus hat immer das Wirtschaftswachstum über soziales Wohlergehen gestellt. Die wichtigsten Vertreter dieses Wirtschaftskonzeptes, die USA und Großbritannien, hatten in der Pandemie die meisten Opfer zu beklagen. Während die Arbeiter an vorderster Front arbeiteten, um im Gesundheitswesen Menschenleben und in der Produktion beziehungsweise im Handel die Wirtschaft zu retten, konnte die Mittel- und Oberschicht bequem und gut versorgt zu Hause arbeiten. Im Bundesstaat Michigan zum Beispiel leben weniger als 15% schwarze Einwohner. Sie machten aber 40% aller Corona-Todesfälle aus.

Es ist doch kaum zu fassen, Ingo, dass gerade die Personen, welche die Gesellschaft am meisten braucht, die also wirklich „systemrelevant“ sind, wirtschaftlich am schlechtesten entlohnt werden. Die Pflegekräfte lassen sich nicht mehr länger mit einem Applaus vom Balkon abspeisen. Im Gegenzug protzen dann die Hedgefonds-Manager mit ihren Jahreseinkommen in Millionenhöhe, ohne dass sie überhaupt einen Beitrag zum sozialen Wohlergehen leisten. Es gibt zahllose Studien und Artikel, die darauf hinweisen, dass Menschen ohne Arbeit und Einkommen und ohne Aussichten auf ein besseres Leben häufig zu Gewalt neigen. Aber der Lerneffekt daraus ist gleich Null.

  • Richtig, Jupp. Die Zahl der Unruhen und Proteste von Regierungsgegnern hat in den letzten zwei Jahren stark zugenommen. Kein Wunder. Etwa 30% der US-Amerikaner haben keinerlei Besitz oder sind verschuldet. Viele Familien haben Kredite aufgenommen, um sich ärztlich behandeln zu lassen. Das sind soziale Zeitbomben. Die „Black Lives Matter“ - Bewegung hat sich rasch weltweit ausgedehnt, sie war ein Funke, der das Feuer der sozialen Unruhen entfachte. In manchen Ländern führte der wachsende Unmut schon zu Wahlsiegen populistischer und extremistischer Parteien.

Jetzt staune ich aber, Ingo. Das sind doch letztendlich erschreckende Aussichten, die du da von dir gibst. Wo ist jetzt dein optimistischer Blick auf das Geschehen abgeblieben?

  • Da ist ein Blick in die Geschichte hilfreich, mein lieber Jupp. Krisen haben in den letzten Jahrhunderten immer zu einer Stärkung der Staatsmacht beigetragen. Die rein marktbezogenen Lösungen haben nie zur Bewältigung von Krisen beigetragen. Aktuell wurde es doch in unserem Gesundheitswesen deutlich, wo, vornehm ausgedrückt: „die Übertragung von wichtigen Bereichen auf kommerzielle Marktteilnehmer nicht die sozialen Interessen der Gesellschaft berücksichtigt hat“. Oder wie es der Intensivpfleger Ricardo Lange in einer Talkshow mit Markus Lanz treffender ausdrückte: "Kliniken sind momentan eher Fabriken, wo die Ware Mensch hineinkommt und da wird Geld generiert bis zum letzten Atemzug. Da wird halt immer am Mensch gespart, am Personal gespart."

Die Folgen der Globalisierung und deren Abhängigkeit von weltweiten Lieferketten haben wir ja auch bei der Beschaffung von Masken und Impfstoffen schmerzlich erleben müssen. Und du meinst jetzt, dass der Staat nach der Pandemie wieder sein soziales Gewissen entdecken wird und sich der Absicherung der verarmten Bevölkerung stärker annimmt. Nun ja, zugegeben, er hat ja zur Beruhigung schon gewaltige Mengen an Helikoptergeld ausgeschüttet. Aber hat dieser Geldsegen auch eine nachhaltige Wirkung?

  • Es geht nicht nur um Geld, Stichwort Grundrente und Kurzarbeit, sondern auch um eine neue Machtverteilung und Machtkontrolle in der Gesellschaft. Der Raubtierkapitalismus muss dringend gezähmt werden, gerade im Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz. Ich nenne dir mal zwei Beispiele: die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieg resultierten in fast ganz Europa in der Einführung eines umfassenden staatlichen Sozialsystems. Im Kalten Krieg wetteiferten die Politiker in den kapitalistischen Ländern mit der kommunistischen Alternative im Osten. Deswegen verwalteten bei uns staatliche Bürokraten große Teile der Wirtschaft im Verkehrswesen und der Energieversorgung. Und schon zu Beginn der Pandemie starteten die Regierungen der ganzen Welt riesige Konjunkturprogramme.

Was erwartest du denn genau in der Nach-Corona-Ära, Ingo? Können die Ausnahmezustände erst dann wieder zurückgefahren werden, wenn die digitale Überwachung der Gesellschaft ausreichend etabliert worden ist? Ich erinnere nur an China, wo das Social Credit System die oppositionelle Bevölkerung immer mehr im Griff hat und jeder Bürger permanent überwacht wird. Werden uns unzählige KI-Programme und Kontaktverfolge-Apps bald auch zu gläsernen Bürgern machen?

  • Das will ich nicht ausschließen, Jupp, aber insgesamt hat das Bewusstsein und der Anspruch auf persönliche Freiheiten aufgrund der massiven Beschränkungen durch die Pandemie-Maßnahmen deutlich zugenommen. Große Teile der Gesellschaft sind sensibilisiert und lassen sich nicht so einfach mehr überwachen und wie unmündige Kinder gängeln, vor allem die jüngere Generation nicht. Die Pandemie hat ihr Leben auf den Kopf gestellt und sie dauerhaft gezeichnet. Die Bewegung „Fridays for Future“ ist nur der Beginn eines wachsenden Selbstbewusstseins mit klaren Forderungen an die Machthaber. Sie haben mit der Nutzung ihrer Smartphones längst das Contact Tracking und Tracing akzeptiert, lassen sich aber trotzdem nicht den Mund verbieten und stehen jeglicher Obrigkeit kritisch gegenüber, insbesondere verstärkt durch ihre digitalen Netzwerke. Sie werden den sozialen Wandel entschlossen vorantreiben, denn es geht um ihre eigene Zukunft. Im September 2019 demonstrierten vier Millionen junge Menschen gleichzeitig in 150 Ländern für dringende Maßnahmen gegen den Klimawandel.

Tja, lieber Ingo, ich habe langsam das Gefühl, dass deine schon jahrelang vorher beschriebenen Ahnungen vom disruptiven Wandel unserer Gesellschaftsform allmählich konkret werden. Lass uns auf die Post-Corona-Zeit anstoßen, auf dass wir alten Knacker dabei nicht vergessen werden.

  • Gut gesprochen, Jupp. Ein Prost auf unser aller Zukunft.

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„Die historische Herausforderung für Führungspersönlichkeiten besteht darin, die Krise zu bewältigen und gleichzeitig die Zukunft zu gestalten. Ein Scheitern könnte die Welt in Brand setzen.“
(Henry Kissinger im Wall Street Journal vom 3. April 2020)

„Wie wird diese Generation reagieren? Durch den Vorschlag radikaler Lösungen (und häufig radikaler Handlungen) als Versuch, die nächste Katastrophe abzuwenden, egal ob Klimawandel oder soziale Ungleichheiten. Sie wird höchstwahrscheinlich eine radikale Alternative zum derzeitigen Gang der Dinge fordern, weil ihre Mitglieder frustriert und von dem quälenden Glauben verfolgt werden, dass das aktuelle System irreparabel beschädigt ist.“
(Klaus Schwab, Weltwirtschaftsforum 2020: Covid-19: Der große Umbruch)

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von Ingo Nöhr

Kommt der große Umbruch?

 

Kommt der große Umbruch?

Es gibt weiterhin viel Bewegung in der Weltgeschichte. Donald Trump hat seine Republikaner noch weitgehend im Griff, muss sich aber nun zunehmend mit etlichen Strafermittlungen beschäftigen. Unser Gesundheitsminister hat den augenscheinlich unerschöpflichen Goldesel des Steuerzahlers nach den Maskenbeschaffern nun auch den Anbietern von Schnelltests bereitgestellt. Die dritte Corona-Welle ebbt langsam ab und die Impfraten steigen zuversichtlich – freilich in Deutschland und nicht in der Dritten Welt. Urlaubsreisen in fremde Länder werden wieder möglich, allerdings ist zuweilen mit unerwarteten Flugzeugentführungen zu rechnen. Möglicherweise ist der unentwegt hustende Sitznachbar mit einem selbstausgefüllten Impfpass von Telegram an Bord gelangt. Bei der Benutzung von Seilbahnen sollte man vorher einen Blick auf die Seilbremse werfen, ob sie vom Betreiber nicht aus Gründen der Kostenersparnis durch einen simplen Bügel ausgeschaltet wurde. Das Risiko eines Absturzes ist aber relativ vernachlässigbar klein gegenüber der Wahrscheinlichkeit, in der Ferne mit einer noch unbekannten, aber wesentlich aggressiveren Mutation des Corona-Virus engere Bekanntschaft zu machen.

Nichtsdestotrotz – auch für Unterhaltung ist gesorgt: Bill Gates lässt sich nach 27 Jahren scheiden. In einigen Gesellschaftskreisen erwartet man pikante Enthüllungen. Dies ist aber beileibe nicht das Thema der Rentner Ingo und Jupp bei ihrem monatlichen Treffen, nach langer Zeit erstmalig live in einem Biergarten.

  • Grüß dich, Jupp. Schön, dass wir uns mal wieder in 3D begegnen. Du hast gewichtsmäßig etwas zugelegt, wie mir scheint. Wie wäre es mit einem Wanderurlaub in den Bergen oder am Meer zum Abspecken?

Also Ingo, bei meiner nächsten Urlaubsreise werde ich mir vorher genau anschauen, über welche Länder meine Flugroute führt und wer mit mir in der Maschine drinsitzt. Lukaschenkows dreistes Kidnapping erinnert mich an frühere Zeiten, als harmlose Reisende sich plötzlich in Kuba oder in der arabischen Wüste wiederfanden. Nur sitzen die Luftpiraten diesmal nicht in der Maschine, sondern der Staatspräsident selbst schickt dir eine MIG-29 zur unmissverständlichen Landebegleitung in Minsk vorbei. Stell dir mal vor, wenn ein solches Verhalten Schule macht! Der Begriff des Abenteuer-Reisens bekommt da eine ganz neue Bedeutung.

  • „Wenn das Schule macht“? Du hast wohl ein kurzes Gedächtnis, Jupp. Lukaschenko hat doch einfach die amerikanische Vorgehensweise vom Juli 2013 kopiert. Damals wurde die Präsidentenmaschine von Evo Morales bei seinem Rückflug von Moskau nach Bolivien zu einer unfreiwilligen Landung in Wien gezwungen. Bei der Durchsuchung des Flugzeuges konnte man leider den Whistleblower Edward Snowdon nicht auffinden, da er unerwarteterweise in Russland geblieben war. Erst nach zwölf Stunden Zwangsaufenthalt durfte der bolivianische Präsident mit seinem Verteidigungsminister wieder weiterfliegen. Ich kann mich nicht erinnern, dass die EU daraufhin massive Strafmaßnahmen gegen die USA angekündigt hatte. Vielmehr hatte sie vorher gehorsam, aber rechtswidrig, den europäischen Luftraum für den Weiterflug nach Bolivien sperren lassen.

Ja Ingo, war das nicht immer so? In dem einen Land sind Oppositionelle Terroristen und bei uns mutige Widerstandskämpfer. Vergleiche mal die Haftbedingungen von Alexej Nawalny in Moskau und Julien Assange in London. Und bedenke: 20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 befinden sich noch rund 40 Häftlinge in dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba – immer noch ohne Anklage. Aber lieber Ingo, lass uns das Thema wechseln und über deinen Optimismus sprechen. Schließlich siehst du ja in jeder Krise immer die Chancen, im Gegensatz zu mir.

  • Jupp, das ist die richtige Einstellung. Schau dir die unzähligen Pannen an und lass uns analysieren, was sie positiv bewirkt haben. Vergiss nicht diesen unglaublichen Aufschwung in der Digitalisierung: Home-Offices, Home-Schooling, Online-Shopping – und jetzt kommt sogar ein europaweiter digitaler Impfpass. Ohne Pandemie würden wir noch Jahrzehnte darauf warten. Covid-19 hat den verantwortlichen Entscheidern einen gewaltigen Tritt in den Hintern verpasst.

Na ja, Ingo – du schwebst bei deinem Blick in die Zukunft immer etwas über den Wolken, jetzt komm doch mal auf den Boden der Tatsachen. Home-Offices mit ihren weit offenen Eingangstoren sind ein Paradies vor die Cyberkriminellen. Home-Schooling hat die Kluft der Bildungschancen in der Gesellschaft noch weiter vertieft. Fälle von Kindesmisshandlungen haben über zehn Prozent zugenommen. Das Online-Shopping werden wir mit einer gewaltigen Konkurswelle des Einzelhandels bezahlen. Dafür hat Amazon im ersten Quartal 2021 über 108 Mrd. Dollar Umsatz gemacht und seinen Nettogewinn verdreifacht. Und der Impfpass hat wieder mal den Dilettantismus unseres Gesundheitsministeriums entlarvt. Während wir mit einem irrsinnigen Aufwand für 30 Millionen FFP2-Masken fälschungssichere Gutscheine an unsere Senioren verschickt haben, war es augenscheinlich nicht möglich, die simplen Aufkleber in unserem gelben Impfpass vor Fälschern zu schützen, etwa mit einem Hologramm auf speziellem Papier mit UV-Licht-Kennzeichen. 

  • Jupp, du jammerst ja schon wieder über vergangene Versäumnisse und siehst nicht, dass wir daraus lernen können und müssen. Vergiss nicht, mit einem Mal ist genug Geld da. Niemand redet mehr von der schwarzen Null. Plötzlich ist die Bevölkerung „systemrelevant“ geworden. Allein in Deutschland steigen unsere Schulden um 8740 Euro pro Sekunde, aber für die 2,2 Billionen Euro zahlt der Staat ja keine Zinsen mehr, vielmehr verdient er sogar noch an den Negativzinsen. Wer hätte das gedacht?

Aber Ingo, systemrelevant sind wir wahrscheinlich nur in diesem Super-Wahljahr. Hast du dir schon mal Gedanken gemacht, wer letztendlich für die ganzen Schulden haftet, wer sie später mal zurückzahlen soll? Da werden unsere Urenkel noch dran zu knabbern haben.

  • Ich gebe zu, Jupp, da sprichst du ein brisantes Thema an. Wie wurde ein Staat sonst seine Schulden los? Durch eine galoppierende Inflation und einen Währungsschnitt. Werden unsere Urenkel überhaupt noch einen Euro oder Dollar kennen? Oder wird bereits der chinesische Renminbi die neue Weltleitwährung darstellen? Was wird aus den digitalen Währungen wie der Bitcoin, die ohne Banken auskommen? Ich weiß es nicht, aber die Weltgeschichte hat schon Hunderte von Staatsbankrotten erlebt. Zuletzt ging Puerto Rico 2017 in die Insolvenz.

Okay, Ingo. Ich habe zuhause für alle Fälle noch eine Menge an D-Mark aufbewahrt. Zudem liegen in Deutschland immer noch 12 Milliarden D-Mark in Privathaushalten herum. Eigentlich hat mich der hohe Kupferanteil der Münzen als künftige Geldanlage animiert, denn der Kupferpreis steigt seit vielen Jahren. Vielleicht wird die D-Mark mal eine Ersatzwährung, wenn der schwache Euro seinen Geist aufgibt. Aber beschäftigen wir uns doch mal mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Bist du da angesichts der drohenden Insolvenzwelle noch optimistisch?

  • Vielleicht kommt diese Welle nur verzögert und schleichend. Zumindest können unsere ehemaligen Volksparteien derart schlechte Nachrichten vor dem 26. September überhaupt nicht gebrauchen. Sie werden sich was einfallen lassen. Fragen wir doch mal Klaus Schwab, den Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos. Er schreibt in seinem Buch COVID -19: Der große Umbruch: „Die globale Wirtschaftskatastrophe, mit der wir jetzt konfrontiert sind, ist die größte seit 1945; in puncto Geschwindigkeit ist sie beispiellos in der Geschichte.“ Er erwartet signifikante Nachwirkungen, die noch bis zu 40 Jahre dauern können. Die Wucht der Rezession hängt von drei Faktoren ab: 1) der Dauer und dem Schweregrad der Pandemie, 2) dem Erfolg der einzelnen Länder bei der Pandemiebekämpfung und 3) vom Zusammenhalt der Gesellschaften im Lockdown und danach. Und weiter schreibt er: „Was die Geschichte früherer Epidemien immer wieder zeigt, ist, wie Pandemien Handelswege und den Interessenkonflikt zwischen öffentlicher Gesundheit und Wirtschaft zu ihrem Vorteil nutzen.“ Die Debatte „Leben retten gegen Wirtschaft retten“ haben wir ja aktuell erlebt. Das hört sich also nicht gut an.

Es wurde ja mit zweierlei Maß gehandelt: die produzierende Industrie hat relativ wenig Einschränkungen erlitten: Die Verfügbarkeit von Masken und Schnelltests für die Arbeiter musste oft mit massivem Druck von staatlicher Seite durchgesetzt werden. Dagegen hat es den Dienstleistungssektor im Tourismus, Gastgewerbe, Einzelhandel oder Sport und Veranstaltungen brutal erwischt. Sie waren gleich dreifach vom Pech betroffen: 1) weniger Kunden, weil risikoscheuer, 2) die weniger ausgeben, um zu sparen und 3) die steigenden Investitionskosten für die Schutzmaßnahmen zur Bedienung eines Kunden. Die OECD-Experten haben eine Faustregel: Mit jedem Monat, in dem große Teile einer Volkswirtschaft geschlossen bleiben, sinkt das jährliche Wachstum möglicherweise um weitere 2 Prozentpunkte. In den G7-Ländern erwarten sie einen BIP-Einbruch von 20% - 30%. Wo finde ich nun deine optimistische Sichtweise, lieber Ingo?

  • Genau hier, Jupp. Es findet ein Nachdenken über den künftigen Wert eines BIP-Wachstums statt. Ist es nicht sinnlos, einer immer höheren Steigerung des Bruttoinlandsprodukts hinterherzulaufen, ohne die zukünftige Verfügbarkeit unserer natürlichen und sozialen Ressourcen zu berücksichtigen? Seit Jahren wird im World Happiness Report deutlich, dass ein höheres BIP keine Verbesserung des Lebensstandards und des sozialen Wohlergehens garantiert. Die ungleiche Verteilung der Gewinne, Einkommen und Vermögen macht den Indikator des Pro-Kopf-BIP zunehmend unbrauchbar. Wir brauchen ein Umdenken zur Verbesserung des sozialen Zusammenhalts und der ökologischen Nachhaltigkeit.

Das beruhigt mich, Ingo. Ich hatte immer schon das Gefühl, dass man die starke Vernetzung der Wirtschaft mit der Gesellschaft und Umwelt nicht ausreichend im Blickfeld hat. Was bringt den einzelnen Menschen eine brummende Wirtschaft, wenn sie soziale Instabilität und Umweltkatastrophen produziert. Sie sollte uns ein angenehmes Leben garantieren, aber diesen unangemessenen Konsum auf Kosten der Natur abschaffen. Die Tyrannei des BIP-Wachstums sollte endlich durch eine grüne Wirtschaft mit anderen Zielen und Schwerpunkten abgelöst werden. Die Wegwerfgesellschaft muss gestoppt werden, wir brauchen wieder mehr reparierbare Produkte mit längerer Lebensdauer und Plattformen für den Handel mit gebrauchten Produkten.

  • Die Wachstumskritik wurde ja spätestens mit dem Bericht des Club of Rome von 1972 salonfähig. Vierzig Jahre später wurde 2012 von 30 Wissenschaftlern erneut ein Blick in die Zukunft unseres Planeten bis 2052 geworfen. Der Report sieht die globale Entwicklung pessimistisch, aber nicht katastrophal. Die reichen Industriestaaten werden demnach kein ausreichend schnelles Wachstum mehr schaffen, um Arbeitslosigkeit und Ungerechtigkeit zu beseitigen. China wird die Amerikaner als Weltmarktführer ablösen. Der sich selbst verstärkende Klimawandel wird einen Großteil der Weltbevölkerung schwer treffen und sie noch stärker in die Armut stürzen. Die Erfahrungen von 50 Jahren Entwicklungshilfe haben gezeigt, dass gegen die Armut keine Lösung von außen hilft. Vielmehr muss die Lösung von den Menschen vor Ort selbst kommen – insbesondere durch stabile staatliche Einrichtungen und Bildung für alle, insbesondere für Frauen.

Du schilderst also doch ein negatives Szenario, Ingo. Eins ist doch klar geworden, dass die bisherige Globalisierung der Märkte eine ungeheure Verschiebung der Macht und des Reichtums verursacht hat. Das bisherige Wirtschaftsmodell des Neokapitalismus ist für die Bewältigung des Klimawandels nicht geeignet. Die Umstrukturierung einer Volkswirtschaft muss durch enorme Investitionen und gesetzliche Regelungen durch die Politik vorgegeben werden. Elon Musk versucht gerade mit kalifornischem Unternehmergeist in Rekordzeit in Grünheide eine Gigafabrik aufzubauen. Im August sollten schon die ersten Tesla Model Y vom Band laufen. Es fehlen ihm aber noch unzählige Stellungnahmen von Behörden und Sachverständigen zur finalen Genehmigung. Momentan wird geprüft, ob ein Hubschraubereinsatz auch den Lärmschutzvorgaben in dem Seen- und Waldgebiet entspricht. Er lernt gerade, dass das deutsche Baurecht rund 20.000 Vorschriften enthält.

  • Jupp, du magst mir fehlenden Optimismus vorwerfen, aber letztendlich ist bei der Projektion des neuen Club of Rome doch beruhigend, dass die Menschheit die nächsten 50 Jahre noch überleben kann. Aber kommen wir auf unsere aktuellen Erkenntnisse zurück, du hast es ja an einem Beispiel gerade vorgestellt. Die deutsche Bürokratie verursacht nicht nur gigantische Kosten. In der Pandemiebekämpfung haben die öffentlichen Institutionen notorisch versagt und durch Verzögerungen viele Menschenleben gekostet. Mit den Strukturen von gestern lassen sich die Herausforderungen der Digitalisierung, des Klimawandels und von Pandemien nicht mehr bewältigen. Mit jeder Legislaturperiode wächst die Bürokratie weiter, fast wie ein Naturgesetz. Gerade jetzt ist die Zeit reif für eine Verwaltungsreform, für eine grundlegende Modernisierung des Staates auf allen Ebenen. Drei Gesetze zur Bürokratieentlastung seit 2014 hatten nur kosmetische Auswirkungen. Es fehlt ein John F. Kennedy, der 1961 das Ziel eines Mondfluges bis zum Ende der Dekade ausgerufen hatte.

Also Ingo, du hast deine Erwartungen als Optimist ja drastisch heruntergeschraubt. Jetzt bist du schon glücklich, wenn wir die nächsten Jahrzehnte überhaupt überleben können. Immerhin versauern wir nicht mehr länger in unseren Zimmern vor dem Bildschirm, sondern dürfen endlich wieder ein gepflegtes Bier in einer Gaststätte einnehmen. Es ist doch beruhigend, dass das fünfhundert Jahre alte Reinheitsgebot bis heute überleben konnte. Das nenne ich eine gelungene und praxisgerechte Gesetzgebung. Also Prost auf den großen Umbruch. Und auf den nächsten Kennedy-Weckruf.

***

Konzentriere nicht all deine ganze Kraft auf das Bekämpfen des Alten,
sondern darauf, das Neue zu formen.
(Sokrates)

Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren.
Die nächstbeste Zeit ist - jetzt.
(Sprichwort aus Uganda)

Fürchte nicht das Chaos, denn im Chaos wird das Neue geboren.
(Carl Gustav Jung)

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von Ingo Nöhr

Das komplex-dynamische Covid-19 Virus

Ingo Nöhr zum 1. Mai 2021

Das komplex-dynamische Covid-19 Virus

In Deutschland rumort es gerade gewaltig. Dritte Corona-Welle, Bundes-Notbremse mit Ausgangssperren, widerspenstige Bürger, Bundesländer und Kommunen, mittendrin die Parteien im stellenweisen skurrilen Wahlkampf. Aber auch Massensterben in Indien gegenüber Herdenimmunität in einigen Ländern, Hundert Tage Joe Biden mit überraschenden Erfolgsbilanzen – Extreme der Zeitgeschichte treffen täglich in den Nachrichten aufeinander. Eine spannende, aber auch schwierige Zeit für die beiden Klinikhaudegen Ingo und Jupp, die aber in Kürze mit ihren Impfterminen rechnen können.

Hallo Ingo, wie läufts bei dir? Ich bin ja ein gutmütiger Mensch und mir liegt viel an einer guten Nachbarschaft. Aber in letzter Zeit nervt mein Nachbar gewaltig.

  • Es grüßt dich vom Bildschirm dein virtueller Nachbar, Jupp, den du beim Nerven einfach abschalten kannst. Meinst du jetzt den Q-Anon-Fan, von dem du schon mal erzählt hast?

Genau der, Ingo. Jetzt war ich für ihn beim Baumarkt Schrauben einkaufen. Er darf ja nicht rein, weil er keinen Schnelltest vorweisen kann.

  • Verstehe ich nicht, diese Tests erhält man doch mittlerweile kostenlos an vielen Stellen in der Stadt.

Sein Problem ist nicht der Schnelltest an sich, sondern diese Stocherei mit den Stäbchen in der Nase. Zuerst hatte er Angst, dass damit ein Loch ins Gehirn gebohrt wird, weil alle ihm erzählt haben, dass diese brutal bis zum Anschlag eingeführt werden. Damit werden heimlich die Mikrochips von Bill Gates ins Gehirn eingepflanzt. Ich habe mir daraufhin ein paar versiegelte Stäbchen von der Schnellteststation besorgt. Unter Lupe haben wir dann gemeinsam die Wattebausche seziert. Faser für Faser – kein verdammter Chip zu finden.

  • Es gibt doch jetzt schon die verbesserte Version, die nur vorne im Rachenraum Sekret aufnehmen. Da braucht man nicht mehr bohren.

Ja richtig, habe ich ihm auch erzählt. Aber zwei Tage später bringt er mir einen Internetausdruck vorbei: Achtung: Die Stäbchen werden in Ethylenoxid getränkt, um sie steril zu halten! Dazu knallt er mir einen Haufen Kopien auf den Tisch: darunter die Ethylenoxid-Verordnung sowie eine Gefährdungsbeurteilung des Bundesinstituts für Risikobeurteilung. Darin dick mit Rotstift unterstrichen: „gentoxisches Kanzerogen ohne Schwellenwert“. Wütend schreit er mich an: „Ich wusste es gleich, das ist ein extremes Krebsgift. Der Verbrecherstaat will uns alle vergiften!“

  • Du hast ihm natürlich gleich erklärt, dass Ethylenoxid ein Gas ist, dessen Anwendung vom TÜV zertifiziert wird und dessen Konzentration in den Stäbchen nach dem Ausgasen nicht mehr messbar sein dürfte.

Natürlich, ich habe mich schließlich in unserer Klinik jahrelang mit Sterilisationsverfahren herumgeschlagen. Aber das hat ihn gar nicht interessiert. Er hat dann von Chemtrails und vergifteten Lebensmitteln geschwafelt, die schon seit langem die Bevölkerung dezimieren. Und jetzt kommen noch die massenhaften Corona-Impfungen, die Hirnthrombosen und in Zukunft willenlose Zombies erzeugen.

  • Du hättest ihn fragen können, warum ein Staat seine Steuerzahler umbringen sollte, die bringen ihm doch jeden Monat Geld ein. Die Abgeordneten werden nicht gerne auf ihre dicken Diäten verzichten.

Ingo, so ähnlich habe ich ihn auch nach dem Sinn des Ganzen gefragt. Und daraufhin hat er mich in ein streng gehütetes Geheimnis der Querdenker eingeweiht – die alternativen Zehn Gebote der Georgia Guidestones in den USA. Dort ist die Agenda für eine neue Welt eingemeißelt: in zehn Richtlinien in zwölf Sprachen.

  • Jupp, das habe ich jetzt gerade gegoogelt. Tatsächlich, sie werden auch das amerikanische Stonehenge genannt. Sind allerdings nur 40 Jahre alt und nicht 4000 wie das englische Original. Und von einem Privatmann errichtet. Was ist daran jetzt besonders?

Ingo, lies die erste Richtlinie: „Maintain Humanity under 500.000.000 in Perpetual Balance with Nature“. Die geheime Weltregierung will die Bevölkerung von acht Milliarden Menschen auf eine halbe reduzieren. Für die natürliche Balance. Dafür ist denen kein Mittel zu schade. Die Corona-Pandemie haben sie insgeheim ein Jahr vor dem Ausbruch in einer Simulation geprobt. Mein Nachbar hat mich nun zu einem Eingeweihten gemacht. Der ist für Argumente überhaupt nicht mehr zugänglich. Wie peinlich – jetzt bin ich ein Auserwählter. Ingo, du musst mich retten.

  • Ich verneige mich vor dir, du Gesalbter. Mir fällt gerade die Richtlinie 7 ins Auge: „Vermeide belanglose Gesetze und unnütze Beamte.“ Die kann ich direkt unterschreiben. Hat dir dein Nachbar auch verraten, wer hinter dieser geheimen Regierung steckt?

Nur unter strengster Vertraulichkeit: die Illuminati. Das haben die Q-Anons rausgefunden, als sie deren geheimes Erkennungszeichen entdeckt haben - das SGD-Wheel. Das ist ein kleiner Anstecker in Regenbogenfarben, offen getragen vom WHO-Chef Tedros, Boris Johnson, Emanuel Macron, Renate Künast. Die meisten haben sich aber noch nicht geoutet. Sie treffen sich jedes Jahr in Davos und bei den Bilderberger-Meetings, allen voran auf Einladung von Klaus Schwab. Und in seinem Umkreis findet man dann Warren Buffett, George Soros, David Rockefeller und natürlich Bill Gates.

  • Das SDG-Rad symbolisiert doch die 17 Sustainable Development Goals mit der Agenda 2030, dem Nachfolger der Millennium Development Goals. Ende März 2020 hat doch die UN einen Bericht zu den Nachhaltigkeitszielen veröffentlicht, um aus der Covid-19 Pandemie zu lernen und die Agenda 2030 konsequenter und schneller als bisher umzusetzen. Da sind doch hehre Ziele formuliert. Ich zitiere mal: "Diese menschliche Krise erfordert von den führenden Volkswirtschaften der Welt koordinierte, entschlossene, integrative und innovative politische Maßnahmen - und maximale finanzielle und technische Unterstützung für die ärmsten und am stärksten gefährdeten Menschen und Länder. Denken wir daran, dass wir nur so stark sind wie das schwächste Gesundheitssystem in unserer vernetzten Welt.

Lieber Ingo, der UN-Generalsekretär hat aber auch verkündet: "Mit den richtigen Maßnahmen kann die COVID-19-Pandemie den Beginn einer neuen Art globaler und gesellschaftlicher Zusammenarbeit markieren." Das ist natürlich Wasser auf den Mühlen der Verschwörungstheoretiker – die Ankündigung der Neuen Welt.

  • Also Jupp, über die alternative Welt der Verschwörer könnten wir uns köstlich amüsieren, wenn sie nicht so ernsthafte Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hätte. Die radikalen Republikaner in den USA sind doch für jeden ein abschreckendes Beispiel.

Da hat natürlich das Internet mit Twitter, Facebook und Fox News entscheidend dazu beigetragen. Die permanenten Fake News haben gegenüber der Wahrheit dominiert und sich allmählich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Große Gruppen haben sich in ihrer Meinungsblase eingerichtet und fühlen sich täglich aufs Neue bestätigt.

  • Nicht nur, Jupp. Viele US-Bürger halten ihre Regierung der schlimmsten Verbrechen für fähig, siehe Pearl Harbour, Mondlandung, 11. September Anschlag. Und in Deutschland? Durch das dilettantische Krisenmanagement der staatlichen Echokammern ist in weiten Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in die Fürsorge des Staates zerstört worden.

Kein Wunder, Ingo. Länder und Kommunen gehorchen nicht mehr den Vorgaben des Bundes, Gerichte kippen serienmäßig Verbote und Anordnungen, Warnungen der Wissenschaftler werden vorsätzlich ignoriert, führende Politiker und andere Prominente ruinieren durch Inkompetenz ihre Reputation. Wie soll da noch ein Vertrauen bestehen bleiben?

  • Wir haben ein Wiederaufleben des Reaktanz-Effektes – die heftige Abwehr einer vermeintlich unverständlichen Anordnung durch Obrigkeiten. Wir hatten diesen Effekt in den 1970er Jahren, als die Sicherheitsgurte bei Autos eingeführt wurden. Millionen Menschen wehrten sich hysterisch gegen die Anschnallpflicht und bestanden wütend auf die Freiheit ihrer Entscheidung.

Ich erinnere mich daran, Ingo. Erst als 1984 ein heftiges Bußgeld für Gurtmuffel eingeführt wurde, schnallten sich die Autofahrer an. Ähnliches haben wir doch auch bei den Rauchverboten erlebt. Raucher empfanden dies als Einschränkung ihrer Persönlichkeitsrechte.

  • Für das Missmanagement sind noch drei weitere Defizite im menschlichen Empfinden verantwortlich. Angela Merkel wurde Ende September 2020 für ihre Weihnachtsprognose ausgelacht: fast 20.000 Neuinfektionen angesichts der 1200 aktuell Infizierten waren unvorstellbar. Dabei hatte sie den Trend nur exponentiell hochgerechnet. Bereits am 5. November überschritt die tatsächliche Anzahl ihre Prognose.

Dabei gibt es ein anschauliches Beispiel für exponentielles Wachstum: auf einem Teich setzt man eine Seerose, die sich jede Woche verdoppelt. Nach einem Jahr ist der halbe See bedeckt. Und schon am nächsten Tag ist vom Wasser nichts mehr zusehen.

  • Das zweite Problem des Menschen ist die verzerrte Risikowahrnehmung. 2017 gaben 71% der Deutschen die Angst vor terroristischen Anschlägen an erster Stelle an. Das Risiko, an einer Herzattacke zu sterben, ist 17.600-mal höher. Pro Tag beklagen wir 3,5 Drogentote, aber 203 Tote durch Alkoholkonsum und 301 durch das Rauchen. Das Risiko, durch eine Corona-Impfung an Hirnthrombose zu sterben, beträgt unter 10 zu 1 Million. Ohne Impfung steigt es auf 1000 in Deutschland und 2000 in Großbritannien. Die Antibabypille führt bei etwa 1000 von 1 Million Fällen zu Beinthrombosen. Die Versicherungswirtschaft hat dafür die Einheit Mikromort entwickelt. Um das individuelle Sterberisiko um ein Millionstel zu erhöhen, muss man 370 km mit dem Auto fahren oder 1,4 Zigaretten rauchen.

Also Ingo, wenn ich dich so höre, haben wir unser Sterberisiko in den letzten Monaten bestimmt um einige Mikromorts verringert, weil wir uns nicht mehr so viel aus dem Haus trauen und dem gefährlichen Treiben da draußen aussetzen. Leben ist eben lebensgefährlich.

  • Könnte man so sehen, aber deine Mikromort-Rechnung wird gleich komplexer, wenn du die Tatsache einbeziehst, dass du nicht mehr so oft zum Arzt läufst. Dort könnte er frühzeitig eine unbekannte Krankheit entdecken oder aber er überweist dich an einen Facharzt, der unnötigerweise eine risikoreichere Therapie in einem Krankenhaus veranlasst. Dafür dürfte durch die konsequenten Hygienemaßnahmen in der Klinik das Risiko geringer sein, sich mit einem multiresistenten Krankenhauskeim zu infizieren.

Vielleicht will ich die Berechnung meiner Risiken nicht mehr so genau wissen, Ingo. Reden wir mal über das dritte Defizit. Welches ist es denn?

  • Eine uralte Herausforderung des Menschen ist das Managen von komplex-dynamischen Systemen. Wir sind umgeben davon, nicht nur in der Technik. Schau in den Körper des Menschen, in die Gesellschaft, der Natur und das Klimageschehen. Überall wirken kompliziert vernetzte Systeme, die auf äußere Eingriffe unvorhersehbar reagieren. Unsere staatlichen Regelsetzer versuchen sich regelmäßig mit linearen Eingriffen in die Steuerung der Wirtschafts-, Finanz-, Bildungs- oder Gesundheitspolitik und scheitern an den unberechenbaren Reaktionen der Netzwerke.

Ingo, du meinst also, die Corona-Pandemie spielt sich auch in einem solchen komplexen System ab?

  • Klar, die Ministerpräsidenten haben in ihrer Echokammer nur einen begrenzten Einblick in das Geschehen gehabt. Sie hätten wegen der Komplexität viel öfter zusätzliche Fachleute aus den medizinischen Disziplinen, Psychologen, Pädagogen, Soziologen, Mathematiker und neutrale Wirtschaftsexperten einbeziehen müssen und vor allem auf unbequeme Kritiker hören sollen. Die Dynamik, die durch neue Erkenntnisse der Virologie und Epidemiologie, aber auch durch permanente Mutationen des Virus gestaltet wird, kann mit den langen Entscheidungswegen, den Kommunikationsdefiziten und der extrem langsam reagierenden Bürokratie nicht aufgefangen werden. Andere Länder wie Taiwan, Israel und zuletzt auch Portugal haben die dynamische Entwicklung einfach durch radikale Quarantäneregeln eingefroren. In China haben die Behörden sogar Fenster und Türen von Wohnhäusern zugenagelt. Nach wenigen Wochen totalen Stillstand war das Virus regelrecht ausgehungert.

Also Ingo: jetzt graut mir immer mehr vor der kommenden Klimakatastrophe. Sie ist doch viel komplexer und dynamischer als alles bisher Dagewesene. Damit werden doch alle staatlichen Strukturen und Prozesse überfordert. Was hast du als unverbesserlicher Optimist da noch an Hoffnung zu bieten?

  • Tja mein lieber Freund Jupp, vielleicht kann ich deine Angst etwas reduzieren. Du spürst doch auch die zunehmende Unruhe in der Bevölkerung. Ein Umdenken der Werte beginnt. Die historisch gewachsenen Strukturen in Politik und Gesellschaft wackeln. Große Teile der Gesellschaft glauben nicht mehr daran, dass das neoliberale Wirtschaftssystem die gegenwärtigen Herausforderungen bewältigen kann. Vielleicht bekommen wir im September eine Kanzlerin, die mit neuem Denken die Probleme angeht. Denn allen ist doch heute schon klar: ein Weiterso kann es nicht mehr geben.

Also Ingo, glauben wir an deine Erwartung, dass Krisen immer auch neue Chancen bieten. Beispiele in der Geschichte gibt es ja reichlich. Trinken wir auf die Zukunft. Salut. 

 

Ein Experte ist ein Mann, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.
Winston Churchill

Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst du im Heute von Neuem beginnen.
Buddha

Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Albert Einstein

 

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von Ingo Nöhr

Der große Regierungswechsel

Ingo Nöhr zum 1. April 2021

Gerade erhielt Ingo Nöhr einen aufgeregten Anruf von seinem Kumpel Jupp. Der rühmte sich exzellenter Kontakte zu ungewöhnlich gut unterrichteten Kreisen der Regierung. Das ist für mich nicht weiter erstaunlich, denn seit Jahren kann ich in einem besonders großen Boulevardblatt und zwei konkurrierenden Nachrichtenmagazinen regelmäßig Wortprotokolle von streng vertraulichen Regierungstreffen lesen. Augenscheinlich waren die verbeamteten Whistleblower angesichts der alarmierenden Ergebnisse aus den beiden Landtagswahlen letzten Monats wieder besonders aktiv. Eine gewisse Nervosität hat die Berliner Regierungsmannschaft gepackt. "Das Regieren in einer Demokratie wäre wesentlich leichter, wenn man nicht immer wieder Wahlen gewinnen müsste." stellte schon vor über einhundert Jahren der französische Politiker Georges Clemenceau fest.

Hallo Ingo, das hast du bestimmt noch nicht gehört! In Deutschland gibt es gerade sensationelle Entwicklungen. Die Information habe ich heute aus erster Hand erhalten. Stell dir vor: die gegenwärtige Regierungsmannschaft plant schon ihren endgültigen Abgang. Robert Habeck bereitet sich nach den Wahlerfolgen der Grünen jetzt intensiv auf das Kanzleramt vor.

  • Das ist ja nichts Neues, Jupp. Du musst mehr lesen. Deswegen hat er doch extra ein neues Buch geschrieben. Schon die Titel seiner letzten Werke verweisen klar auf seine Zukunft: ‚Wer wagt, gewinnt‘ oder ‚Wer wir sein könnten‘ und jetzt ‚Von hier an anders‘. Noch deutlicher kann er seine Ambitionen doch gar nicht schildern. Aber sag mal, was wird denn aus Annalena Baerbock?

Annalena? Die soll Vize-Kanzlerin werden. Aber als Ministerin ohne Geschäftsbereich. Das Finanzministerium traut Habeck ihr nicht zu. Er will ja eigenhändig dem „hyperglobalisierten Kapitalismus neue Regeln geben“, wie er in seinem Buch schreibt. Da will er schon selbst ran.

  • Aber mal langsam mit den Pferden, Jupp. Habeck ist ja nicht alleine. Man darf das Standing von Markus Söder nicht unterschätzen. Ein großer Teil der Bevölkerung wünscht ihn zum Bundeskanzler.

Das mag ja sein, Ingo, aber Söder hat ein Problem. Er will sein geliebtes Bayernland auf keinen Fall verlassen, ist aber politikmüde, nach dem die ganzen CSU-Amigos auffliegen. Er sucht eine ganz neue Herausforderung. Natürlich in der Industrie. Ein ewiges Auffangbecken für suchende Ex-Politiker. Leider ist der hochdotierte Aufsichtsratsvorsitz bei BMW in den nächsten vier Jahren nicht frei.

  • Also Jupp, das ist vielleicht besser für ihn. Wer weiß denn, wie es den deutschen Autokonzernen künftig bei der Elon-Musk-Offensive ergehen wird. Das wird sicherlich kein Zuckerschlecken, die fünf Jahre Entwicklungsvorsprung des Tesla aufzuholen. Wie in der DDR: Überholen ohne einzuholen!

Das hat Söder dann auch wohl bedacht. Vor allem, seitdem jetzt die hohen Automanager vor Gericht stehen. Er hatte sich aber durch seine guten Drähte zu Papst Benedikt gute Chancen als Außenpolitiker bei der päpstlichen Kurie ausgerechnet. Du erinnerst dich, Ingo? Er wollte ja 2018 in allen Dienstgebäuden Bayerns zwangsweise das Kreuz aufhängen. Das kam damals beim Papst gut an. Aber dann stellte sich heraus, dass er als fränkischer Protestant erst zum katholischen Glauben konvertieren müsste. Letztendlich möchte er doch lieber Präsident von FC Bayern München werden. Da kann er bequem die Erfolge kassieren und die anderen für sich ackern lassen.

  • Söder steigt aus? Das ist aber ganz schlecht für Pannenminister Scheuer, wenn sein Mentor ausfällt. Gibt es für ihn schon eine neue Verwendung nach der Wahl?

Na klar, die bewährte Günther-Oettinger-Lösung. Ab nach Brüssel – als EU-Kommissar für Verkehr. Hat doch auch gerade bei Ursula von der Leyen bestens funktioniert.

  • Dort in Brüssel hätte ich aber Angela Merkel auf ihrem neuen Posten erwartet: Präsidentin der EU-Kommission wäre doch die nächste Sprosse auf ihrer Karriereleiter gewesen.

Oh, Ingo, das hörte sich anfangs ganz gut an, aber dann haben ihr wohlmeinende Menschen dringend davon abgeraten. Die Corona-Blamage und dann noch diesen ewigen Ärger mit Polen und Ungarn sollte sie sich nicht antun. Danach hatte sie einen vielversprechenden Posten in Genf entdeckt. Bei der dortigen Zentrale der Weltgesundheitsorganisation gab es in der Geschichte bislang nur zwei Frauen als Generaldirektorinnen. Das wäre für sie auch ein gutes Sprungbrett zum UN-Generalsekretär gewesen.

  • Aber ich habe aus Pharmakreisen läuten gehört, dass bei der WHO längst Jens Spahn als neuer Generaldirektor vorgesehen ist.

Ja, das war dumm, Ingo, da ist Angela Merkel einfach zu spät gekommen. Aber das Stichwort Genf hat sie aufhorchen lassen. Als altgediente Physikerin wollte sie alternativ den Vorsitz im Kernforschungszentrum CERN übernehmen. Das ging aber schief: ihre letzte Forschungstätigkeit liegt schon 30 Jahre zurück. Da konnte sie auch nicht mehr punkten.

  • Ja, was macht sie jetzt? Da bleiben für sie nicht mehr viele Top-Jobs in der Welt übrig. IOK-Präsidentin? Chefin des Weltwährungsfonds?

Auch zu spät: Da hat sich schon Olaf Scholz heimlich eingenistet. Merkel ist halt nicht die Schnellste. Wie die meisten Spitzenpolitiker wird sie erstmal ein Buch schreiben und dann auf Lesetournee gehen. Vermutlich wird ihr Leben auch von RTL verfilmt. Danach stehen ihr noch viele Wege in der Medienwelt offen – als elder states woman in unzähligen Talkshows zum Beispiel.

  • Also Jupp, ich sehe schon, die Deutschen erobern wieder mal die Welt. Aber kommen wir mal auf ein näherliegendes Thema bei uns zurück. Was wird denn in der Nach-Spahn-Ära aus unserem Gesundheitswesen werden? Hat deine obskure Quelle da auch schon etwas über die Pläne erfahren?

Ingo, das kann man bereits alles nachlesen, denn da gibt das grüne Parteiprogramm schon Auskunft. Ich zitiere: „Gesundheitsförderung und Prävention sollen einen größeren Stellenwert bekommen“. Also der Gedanke dahinter ist eigentlich ganz simpel: man soll einfach nicht mehr krank werden. Vermeidung von Feinstaub, Dieselabgase, Elektrosmog, giftigen Chemikalien und Stress bei der Arbeit minimiert das Krankheitsrisiko. Weniger Patienten im Krankenhaus senken die Kosten. Ächtung des Autoverkehrs reduziert die Zahl der Unfallverletzten, Radfahren fördert die Kondition, gesundes Essen das Immunsystem, - und das Tollste: die Freigabe von Cannabis erzeugt gute Laune und stärkt die Leidenskraft. Jonathan Swift hat schon damals gesagt: „Die besten Ärzte der Welt sind: Dr. Diät, Dr. Ruhe und Dr. Fröhlich.“ Das ist doch eine tolle Sache, nicht wahr, Ingo?

  • Jupp, das ist ja grauenhaft! Die Grünen meinen tatsächlich, es soll also viel mehr Gesunde als Kranke geben? Ist denen denn nicht klar, dass sie damit die deutsche Wirtschaft ruinieren? Wenn die meisten unserer Patienten plötzlich gesund oder gar nicht erst krank werden – das wäre eine einzige Katastrophe für Deutschland, Jupp. Sind dir denn die Konsequenzen nicht bewusst?

Welche Konsequenzen denn, Ingo? Es ist doch Ziel jeder Gesundheitspolitik, die Menschen möglichst lange arbeitsfähig zu erhalten. Und das bedeutet eben eine stabile Sicherung der Gesundheit.

  • Also Jupp, das mag ja sein, aber überleg mal: sie bedrohen damit eine Branche mit einer Bruttowertschöpfung von 350 Milliarden Euro. Laut BMWi arbeiten 7,5 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen, das ist jeder sechste Arbeitsplatz. Die Hälfte in der Krankenbranche wird überflüssig, die Arbeitslosenrate steigt in unerreichte Höhen. das Bruttoinlandsprodukt sinkt drastisch, die sozialen Systeme werden durch massiven Leerlauf belastet, Apotheken und Arztpraxen gehen reihenweise in Konkurs. Die Kliniken und Sanatorien müssen schließen oder auf Wellness umsteigen, die Steuereinnahmen fehlen hinten und vorne. Und sag mir mal: wie sollen wir überhaupt die ganzen Neu-Gesunden beschäftigen? Die drehen ja durch.

Ja, meine Güte. So habe ich das überhaupt noch nicht gesehen. Du hast tatsächlich recht, Ingo. Die Gesundheitswirtschaft ist ein gewaltiger Jobmotor, na klar. Deswegen brauchen wir auch über 100 Krankenkassen, allein nur im gesetzlichen Bereich.

  • Never change a running system, Jupp! Im Gegenteil sogar: wir brauchen stetiges Wachstum im Gesundheitssystem. Und am stabilsten lässt sich das mit immer mehr Kranken herstellen. Notfalls muss man unseren Bürgern durch eindringliche Pressemeldungen Krankheiten einreden oder gleich ganz neue Krankheitsbilder erzeugen. Krank durch Burnout, Depression, Mobbing, Chemie in der Nahrung oder auch immer wirksam: Nebenwirkungen von Medikamenten oder Impfstoffen. Nach WHO-Definition ist selten einer wirklich gesund, denn Gesundheit ist ja der Zustand vollständigen Wohlergehens in jeder Hinsicht, materiell, seelisch, körperlich. Solche Gesunde musst du mit der Lupe suchen. Und so sollte es auch bleiben, wenn wir keinen Wirtschaftskollaps riskieren wollen.

Danke für die Info, Ingo. Da muss ich sofort mit meiner Quelle telefonieren. Das hat ja keiner voraussehen können. Hoffentlich können die das Programm noch rechtzeitig aufhalten.

  • Jupp, nur mal so nebenbei: von wann sind denn deine Informationen?

Na, die sind brandneu! Von heute Morgen, den 1. April. 

„Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert,
dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen."
(George Bernard Shaw,
irischer Schriftsteller und Bühnenautor, 1856-1950)

"Wenn die Demokratie arbeitsfähig sein soll, muss die Bevölkerung
so weit wie möglich frei von Hass und Zerstörungslust und
ebenso von Furcht und Unterwürfigkeit sein."  
(Bertrand Russell, britischer Mathematiker, Philosoph und Schriftsteller, 1872 – 1970)

 

 

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von Ingo Nöhr

Der kranke Staat

Ingo Nöhr 1. März 2021

Die ständigen Lockdowns zerren an den Nerven der beiden Pensionäre Ingo und Jupp. Seit einem Jahr müssen sie auf ihren traditionellen Plausch in der Eckkneipe verzichten. Der Wirt hat mittlerweile aufgegeben und ist nach Schweden geflüchtet. Auch sonst verzweifeln die Krankenhausmanager am Verstand der verantwortlichen Behörden. In Brüssel hatte sich die ausgebildete Dolmetscherin Sandra Gallina als zuständige EU-Einkäuferin für Impfstoffe von den Profis der Pharmaindustrie gnadenlos über den Tisch ziehen lassen. Zwar günstigere Preise ausgehandelt, aber Lieferung „nach besten Bemühungen“? Professionelle Beschaffung sieht schon bei jedem Einzelhändler etwas anders aus.

Hallo Jupp, wie geht es dir heute? Worüber wollen wir heute mal nicht reden? Hast du schon deine FFP2- Masken von der Apotheke abgeholt?

  • Also Ingo, danke der Nachfrage. Ich will heute nichts vom Ausland hören. Ich bin so schon mächtig geladen, angesichts der Heerscharen von Dumpfbacken um mich herum. Wer hätte das jemals gedacht? Deutschland war mal das Land der Findigen, Macher und Tüftler. Weltweit bewundert wegen unserer perfekten Arbeitsorganisation. Und jetzt: der totale Zusammenbruch der Professionalität. Tägliche Blamage durch planloses Herumwursteln einer ratlosen Regierung. Wir Deutschen sind in den letzten Jahren sehr leidensfähig geworden angesichts der gigantischen Geldverschwendungen durch Inkompetenz: Nimm nur die Hamburger Elbphilharmonie – Kostenüberschreitung um 1.100 Prozent. Aber das ist nichts, verglichen mit dem bislang unübertroffenen Pleiteprojekt der nächsten Jahre: der BER-Flughafen. Und jetzt ist Stuttgart-21 noch besser geworden.

Wie Jupp, Stuttgart-21? Habe ich etwas verpasst? Dort war es doch verdächtig ruhig in letzter Zeit.

  • Klar, beim heutigen Geldverbrennen spielt es noch in der unteren Liga. Der unsinnige Bahnhofumbau hat gerade mit 8,2 Milliarden Euro Ausgaben den BER-Flughafen um eine Milliarde überrundet. Stuttgart 21 wird frühestens vier Jahre später fertig, falls sie überhaupt mit dem schwammigen Untergrund klarkommen. Zur Umsetzung des geplanten Deutschlandtaktes sind - überraschenderweise - weitere vier Tunnelbauten plus ein unterirdischer Zusatzbahnhof erforderlich. Aber immerhin: das Stuttgart-21-Tunnellabyrinth kommt damit auf 105 Kilometer Länge – das könnte ein Weltrekord werden. Man rechnet mit Gesamtkosten bis zu 20 Milliarden Euro, das Fünffache der ursprünglichen Planung bei Baubeginn.

Lass mich raten, Jupp: Beim Deutschlandtakt hat doch sicherlich unser Superminister Scheuer seine Finger im Spiel. Bei ihm spielt Geld längst keine Rolle mehr: das Maut-Desaster, jetzt die Autobahn-GmbH. Arbeitet der überhaupt noch selbst? Oder seine 1245 Mitarbeiter? 2019 hat er 49 Millionen Euro für externe Berater ausgegeben. Fällt aber nicht weiter auf, denn im Jahr 2020 haben die gesamten Beraterkosten der Regierung fast eine halbe Milliarde Euro erreicht.

  • Mit Sicherheit werden die Berater ihre Honorare zeitnah, wenn nicht schon im Voraus, kassiert haben. Aber wir kleinen Leute haben uns daran gewöhnt, überlebensnotwendige Novemberhilfen im Februar zu erhalten. Mein lieber e-Scooter-Scheuer: in der Zwischenzeit schickte ein Privatmann sein Elektro-Auto mit einer eigenen Rakete in Richtung Mars. So geht modernes Transportmanagement. Schade, dass du nicht dringesessen hast. Wir hätten eine Menge Geld gespart.

Jupp, ich kann deine Wut gut nachvollziehen, wenn ich an die verkackte Digitalisierung Deutschlands denke. Der Bund investiert für den Straßenausbau in Deutschland jährlich 10,5 Milliarden Euro, während er für Datenautobahnen nur 0,39 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Aber das Fiasko kann man dem Scheuer nicht allein anlasten. Die Gründe liegen schon vier Jahrzehnte zurück, wie der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann vor kurzem recherchierte. Helmut Kohl habe 1982 seinem Kumpel Leo Kirch zuliebe auf Kupferkabel gesetzt, um das Privatfernsehen zu fördern. Obwohl sein Vorgänger Helmut Schmidt schon Monate vorher die Installation eines flächendeckenden Glasfasernetzes geplant hatte.

  • Ja Ingo, das ist wohl der Grund, warum Deutschlands Behörden bei der Digitalisierung im EU-Vergleich auf Platz 21 von 28 landeten. Und unsere Schulen liegen im digitalen Lernen noch hinter Moldawien, auf Platz 76 von 78 Teilnehmern. Aber warum haben wir denn heutzutage immer noch kein leistungsfähiges Glasfasernetz? Die Industrie macht doch seit vielen Jahren gewaltigen Druck.

Es sind die Altlasten, Jupp. Im November 1996 ist die Telekom an die Börse gegangen. Als privatisiertes Unternehmen musste sie schnell und einfach Gewinne machen. Es war kein Geld mehr da für die milliardenschwere Investition in teure Glasfaserkabel. Und die teilweise achtzig Jahre alten Kupferkabel konnte man mit einem technischen Trick namens Vectoring etwas schneller machen.

  • Das erklärt aber nicht das Datenchaos bei den archaischen Meldewegen der Gesundheitsämter an das Robert Koch-Institut, mit den Softwareproblemen, verspätet eingehenden oder vergessenen Meldungen. Daraus bastelt das RKI mit mehr als 1000 Mitarbeitern die offiziellen Infektionskennzahlen wie die 7-Tage- Inzidenz oder die Reproduktionszahl R, auf denen letztendlich die brutalen Lockdown-Entscheidungen der Politiker basieren.

Genau diese Zahlen sind doch der Grund, warum die Landesminister regelmäßig nach der „einvernehmlichen“ Ministerpräsidentenrunde bei Merkel das gewohnte Durcheinander anrichten, kaum dass sie Berlin verlassen haben. Sie vertrauen den offiziellen Zahlen selber nicht mehr.

  • Aber Ingo, jetzt wird alles besser werden. Das Robert Koch-Institut (RKI) bekommt demnächst in Wildau ein Zentrum Künstliche Intelligenz in der Public-Health-Forschung mit 100 Mitarbeitern. Mit den KI-Technologien sollen künftig komplexe Datenquellen nutzbar gemacht werden, um etwa Epidemien besser zu analysieren und Frühwarnsysteme weiterzuentwickeln. Die KI soll uns wieder mal retten. Vermutlich kann sie dann auch mit gefaxten Daten umgehen.

Das RKI sollte besser James Daniell kontaktieren. In Eigeninitiative hat der Katastrophenforscher ein eigenes Corona-Dashboard namens Risklayer entwickelt. Jeden Tag sammelt er die Fallzahlen der 401 Kreise und kreisfreien Städte direkt von deren Websites ein und vermittelt somit ein genaueres und schnelleres Bild der Lage. Risklayer liefert seit fast einem Jahr aktuellere Corona-Zahlen, unter anderem an das ZDF. 

  • Ja klar Ingo, altes Prinzip: eine Lösung kann so simpel sein – mit etwas Grips und gesundem Menschenverstand. Du musst mal zu unseren Nachbarn rüber schauen – nach Holland, Belgien, Österreich und der Schweiz. Dort gibt es ein alternatives Alarmsystem, das schnell, billig und anonym funktioniert: Proben aus der Kanalisation. Das Abwasser spiegelt wie bei einer Massentestung direkt das Infektionsgeschehen wider, denn die Virenpartikel lassen sich im Labor nachweisen. In Darmstadt könnte man einen neuen Infektionsherd stadtteilgenau mit Proben aus dem Kanalnetz vor Ort lokalisieren. Aber man wartet auf die Anschlussfinanzierung, ebenso wie Forschungsgruppen in Leipzig, Frankfurt, Berchtesgaden und Oldenburg. Die Politik trödelt leider vor sich hin.

Versteh doch, Jupp. Abwasser ist nicht gerade ein spannendes Thema. Außerdem könnte man dabei versehentlich das peinliche Thema des lokalen Kokainkonsums aufdecken.

  • Das mag ja der Grund sein, Ingo. Aber jetzt ist meine Geduld am Ende. Um auf deine erste Frage zurückzukommen - Ja, ich habe meine sechs Masken abgeholt. Dafür musste ich dreimal zur Apotheke fahren. Beim ersten Mal haben sie mich nach einem Berechtigungsschein gefragt. Da war mein Ausweis nicht genug. Irgendwann erhielt ich Post von der Bundesregierung. Drin waren zwei Scheine, schön gedruckt mit dem Bundesadler. Beim zweiten Besuch waren die sechs „Schutzmasken mit hoher Schutzwirkung“ schon vergriffen. Erst beim dritten Versuch hat es dann geklappt, nachdem ich eine Viertelstunde draußen warten musste. Dafür bin ich im tiefen Winter insgesamt zwanzig Kilometer mit dem Auto gefahren.

Jupp, du weißt anscheinend den großen Aufwand nicht zu würdigen. Man hätte dir die Masken auch einfach mit der Post schicken können. Aber was sollen die zuständigen Beamten in dieser Zeit machen? Däumchen drehen? Nein, das Projekt wurde mit deutscher Perfektion organisiert. Die Krankenkassen mussten 34 Millionen Adressen heraussuchen, die Bundesdruckerei für jeden fälschungssichere Coupons drucken – Kosten: 9,3 Millionen Euro. Jetzt die Coupons an die Berechtigten schicken – Kosten 27 Millionen Euro für das Porto. Damit läuft dann jeder aus der Risikogruppe bei Wind und Wetter zur Apotheke, stellt sich in die Warteschlange und zahlt dann 2 Euro Schutzgebühr. Beim Supermarkt kosten diese Masken unter einem Euro pro Stück. Der Apotheker erhält aber für jede ausgegebene Maske 6 Euro. Ein wahrer Geldsegen – macht 3 Milliarden Euro mehr Umsatz für die deutschen Apotheker. Dankeschön, Herr Spahn. 

  • Warte, Ingo! Jetzt kommt ja noch ein Sahnehäubchen des Irrsinns obendrauf. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC äußert öffentlich Zweifel am Zusatznutzen von FFP2-Masken im Alltag. Der erwartete Mehrwert der universellen Verwendung von FFP2 in der Gemeinschaft sei sehr gering. Kosten und mögliche Nachteile sprächen gegen eine Empfehlung. Der Virologe Hendrik Streeck sieht ebenfalls keinen entscheidenden Faktor im Kampf gegen die Corona-Pandemie und rät generell von der Nutzung der FFP2-Maske ab. Viele Menschen würden die Maske nicht korrekt tragen. Im Arbeitsleben gibt es noch eine weitere Einschränkung. Die Arbeitsschutzvorschriften lassen es nicht zu, dass Arbeitnehmer die Maske länger als 75 Minuten am Stück nutzen. Da das Atmen unter der Maske deutlich schwerer falle, muss der Träger eine mindestens 30-minütige Pause einlegen.

Für mich kommt noch ein anderer Aspekt hinzu, Jupp, den die Maskenverweigerer wohl hocherfreut aufgreifen werden. Mit den Marken tragen wir einen Chemiecocktail vor Nase und Mund, der nie auf seine Giftigkeit und auf etwaige Langzeitwirkungen untersucht wurde. Im Vlies der meisten FFP2- Masken sind neben Polypropylen auch Klebstoffe, Bindemittel, Antioxidantien und UV-Stabilisatoren in großen Mengen zu finden. Manchmal fand man bei Labortests auch zu hohe Konzentrationen an Formaldehyd oder Anilin sowie zusätzlich künstliche Duftstoffe, die den unangenehmen Chemiegeruch überlagern sollen.
Das Blau der OP-Masken enthält meistens Cobalt als Farbstoff. Dazu atmen wir auch noch Mikroplastikfasern aus dem Vliesstoff ein, die genau die richtige Größe haben, um sich in unserer Lunge festzusetzen oder von dort aus weiter durch den Körper zu wandern. Diese Inhaltsstoffe der Masken sind von der CE-Zulassung nicht betroffen, denn es wird nur die Funktionsfähigkeit getestet. Wenn die Maske eine ausreichende Filterwirkung zeigt, wird sie zertifiziert, allerdings ausdrücklich als Einmalartikel wohlgemerkt, wegen des Abriebs bei mehrmaligem Gebrauch. Der Bund spendiert dir aber nur sechs Masken für volle zwei Monate.

  • Ich fasse es nicht, Ingo. Dabei ist bei uns alles bis ins kleinste Detail genormt, aber an die Giftstoffe hat keiner gedacht? Dabei können wir kaum noch eine knackige Bratwurst vom Holzkohlengrill essen, weil man dort krebserregende Stoffe gemessen hat. Wenn wir endlich alle geimpft wären, könnten wir hoffentlich alle Masken vergessen und wieder freiatmend durch die Gegend laufen. Aber seit Wochen wähle ich mir die Finger wund, um überhaupt einen Impftermin zu bekommen. Und wenn ich Pech habe und endlich drankommen könnte, schnappt mir irgendein Politiker oder Verwaltungsfuzzi mit seiner ganzen Familie den Impfstoff vor der Nase weg.

Jupp, du lebst leider im deutschen Staat. In anderen Ländern fährst du einfach an einem Impfstützpunkt vorbei, gibst kurz deine Daten an, machst deinen Oberarm frei, erhältst die Spritze, - und fährst geimpft weiter.

  • In Brasilien solltest du aber darauf achten, ob wirklich der Kolben heruntergedrückt wurde. Denn es könnte sein, dass der kostbare Impfstoff vorher schon anderswo verhökert wurde.

Ja, Jupp der Kampf um den lebensrettenden Impfstoff hat weltweit begonnen. Nur mal zum Nachdenken: Uno-Generalsekretär António Guterres beklagte vor kurzem ein moralisches Versagen der Reichen: 75 Prozent der weltweit vorhandenen Impfstoffe wurden von nur zehn Ländern aufgekauft. Mehr als 130 Länder haben noch nicht eine einzige Dosis erhalten. Dort werden nun die Chinesen und Russen als rettende Lieferanten auftauchen und mehr Einfluss gewinnen. Dabei würden die vom Westen eingekauften 11,3 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff für die gesamte Menschheit ausreichen. Aber so bestellte Großbritannien fast sieben Dosen je Einwohner und Kanada gleich neun Dosen pro jeden. Das ist allerdings sehr kurzsichtig gedacht, denn die mutierten Viren halten sich leider nicht an Ländergrenzen und kommen demnächst aus den Elendsregionen zu uns zu Besuch. Oder wir besuchen sie freiwillig im nächsten Urlaub.

  • Ingo, was schließen wir daraus? Wo man hinschaut in Deutschland – ein komplettes Staatsversagen. Nicht nur im Gesundheitswesen, wo Minister Spahn morgens im ZDF verkündet: „Wir wissen vor allem, wo es die Hauptansteckungspunkte gibt. Nämlich beim Feiern, beim Geselligsein, zu Hause privat oder eben in der Veranstaltung, auf der Party im Klub.“ Abends geht er dann zu einem Dinner mit einem Dutzend Gästen und wird am nächsten Tag positiv auf Corona getestet.

Die Menschen verlieren nach den vielen gebrochenen Versprechungen und einem Jahr Krisenzustand zunehmend das Vertrauen in einen fürsorglichen und kompetenten Staat, vor allem was den Schutz der Kinder, Ältesten und Schwächsten angeht.

  • Aber der Staat versagt doch nicht nur beim Thema Corona, Ingo. Schau dir nur unser Justizwesen an: ein verzweifelter Oberstaatsanwalt erklärt öffentlich, dass die Politik in Berlin die Verbrechensbekämpfung ruiniert habe. Mit zuwenig Personal und veralteter Technik in maroden Büros schafft er immer seltener eine Anklage und zu viele Kriminelle kommen ungestraft davon. 2019 betrug seine Aufklärungsquote 44,7% gegenüber 57,5% in Deutschland.

Oder unser Bildungswesen: Der Präsident des Lehrerverbandes hat auch gerade die Schnauze voll: jahrzehntelang gescheiterte Reformen und jetzt ein katastrophales Krisenmanagement. Sein Schlachtruf: Entmachtet die Kultusministerkonferenz!

  • Die Beispiele können wir unendlich fortsetzen. Wo der Staat seine Finger drin hat, wird es schlimmer. Wie wollen wir die drohende Klimakatastrophe überstehen? Gerade gerät der Golfstrom ins Stottern. Was ist nur mit unserer Regierung passiert? Angela Merkel ist Physikerin, sie hat doch über viele Jahre eine vernünftige Politik betrieben. Wo ist ihr Geschick zur objektiven Analyse und angemessenen Therapie abgeblieben?

Jupp, vielleicht liegt genau da die Ursache: in ihrer Ausbildung. Unbelebte Objekte nach physikalischen Naturgesetzen beobachten und deren Wechselwirkungen beurteilen ist ihre Fachdisziplin. In der Krisenzeit hat sie es aber mit störrischen Menschen zu tun, die sich nicht mehr nach von oben verordneten Grundregeln verhalten, weil ihnen die Sinnhaftigkeit nicht erkennbar ist. Die Gegenströmungen der Querdenker und Widerständler organisieren sich stärker und erreichen immer mehr Verlierer. Die genervten Normalbürger lassen sich nicht mehr ruhigstellen und finden in den alternativen Medien ein machtvolles Sprachrohr.

  • Donald Trump hat die Macht der social media perfekt genutzt und seine wütenden Fans hinter sich versammelt. Ja, Ingo, ich muss zugeben, du hast es schon im Oktober 2018 prophezeit. Die Tage der Obrigkeit sind langsam gezählt. Für viele hart arbeitende Menschen geht es plötzlich um die Existenz und die Hilfe von Vater Staat bleibt aus. Der Respekt wird versagt, das Misstrauen wächst – und mit ihm die Wut.

Der Anfang vom Ende ist da, wenn man seine Kritiker ignoriert. Der Kölner Professor Matthias Schrappe hat als Infektiologe und stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit über viele Jahre die Bundesregierung beraten und argumentiert seit einem Jahr gegen den Lockdown als einzige Corona-Bremse. Er sagte kürzlich in einem Interview: „Ich würde die Kanzlerin natürlich gern beraten, wenn sie eine andere Stimme hören wollte. Aber ich rechne nicht damit, dass sie anruft. Frau Merkel hat sich in einen Tunnel vergraben. In der Risikoforschung nennt man das Kuba-Syndrom, wenn sich eine Führungsgruppe nur mit Menschen umgibt, die alle der gleichen Meinung sind. Dann gibt es nur die dauerhafte Fortsetzung von Fehlern.“

  • Ich fürchte, Ingo, Corona wird unsere Gesellschaft nachhaltig verändern. Wir werden eine wachsende Entfremdung zwischen Bevölkerung und Politik erleben. Und die Quittung wird uns schon bald präsentiert werden: eine Bundestagswahl, fünf Landtags- und drei Kommunalwahlen in diesem Jahr und weitere vier Landtagswahlen in 2022. Möglicherweise wird die politische Landschaft danach ganz anders aussehen.

Kopf hoch, Jupp. Krisen sind auch immer mit Chancen verbunden. Konzentriere deinen Blick auch auf die positiven Nachrichten der Hilfsbereitschaft, Aufbruchstimmung und Kreativität. Wir können aus unseren Fehlern auch lernen und mit der zunehmend aufmüpfigeren Jugend das verkrustete System renovieren. Denke an die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, als von der Jugend der „Muff von Tausend Jahren aus den Talaren“ weggeblasen wurde. In diesem Sinne lass uns auf die Zukunft anstoßen, die meistens nicht so kommt, wie wir sie uns vorstellen. Prost.

 

Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Einen Schutzmauern, die Anderen bauen Windmühlen.
(Chinesische Weisheit)

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.
(Mahatma Gandhi)

Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird;
aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
(Georg Christoph Lichtenberg)

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von Ingo Nöhr

Über das liebe Geld

Der vergangene Monat Januar war vollgestopft mit aufregenden Neuigkeiten. Der Sturm auf das US-Kapitol, die Ablösung des Trump -Regimes, die hektischen Corona-Aktionen der Regierenden in Bund und Länder, das Impf-Chaos, der erneute Lockdown – die Ereignisse hätten für ein ganzes Jahr gereicht. Kein Wunder, dass unsere beiden Klinik-Rentner sich etwas genervt von dem Medienrummel abwenden und nun eher grundsätzlichen Themen zuwenden.

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von Ingo Nöhr

Der Homunkulus in der Echokammer

Nach einer Pause im Dezember treffen sich die beiden Klinikpensionäre Jupp und Ingo wieder im virtuellen Raum des Internets zu ihrem traditionellen Stammtischgespräch. Gemäß ihrer Mentalität haben sie die Zeit mit unterschiedlichen Aktivitäten verbracht. Während der optimistische Denker Ingo sich in fast mönchischer Klausur in seinen Sabatmonat zurückgezogen hat, wurde der handwerklich besser begabte Jupp in seinem Haus und Garten in kreativer Weise tätig.

Während die beiden vor einem Jahr eine Rückschau der letzten zehn Jahre mit einem optimistischen Blick in die Zukunft getätigt hatten, gerät die Erinnerung an die letzten zwölf Monate zu einer gänzlich anderen Betrachtung. Der damalige Rat von Wilhelm von Humboldt erfüllte sich auf unerwartete Weise: „Man muss die Zukunft abwarten und die Gegenwart genießen oder ertragen.“

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von Ingo Nöhr

Der Absturz

Ingo Nöhr zum 1. November 2020

Eine redaktionelle Anmerkung zum Anfang: dies ist die einhundertste Episode der monatlichen Gespräche zwischen Ingo Nöhr und seinem Kumpel Jupp. Seit über acht Jahren, genaugenommen seit dem August 2012 protokolliere ich die Ideen, Beobachtungen, Streitereien und Interpretationen der beiden Rentner. Seitdem hat sich eine kleine Fangemeinde eingefunden, die wohl angesichts der Zugriffsdaten noch nicht die Lust an den manchmal skurrilen, oft philosophischen und nicht immer politisch korrekten, aber in der Regel tagesaktuellen Betrachtungen verloren hat. 

Es stehen einschneidende Veränderungen an, sowohl in Deutschland, Europa, in den USA, aber auch auf dem gesamten Globus, die anscheinend nichts Gutes verheißen. Wie soll es nun weitergehen? Möchten Sie weiterhin den Disput zwischen dem Optimisten Ingo und seinem pessimistischen Freund Jupp im Blog verfolgen?

Dann habe ich eine Bitte: Nutzen Sie die Kommentarzeile am Ende des Blogs, um mir kurz Ihre Antwort mitzuteilen. Ein „Ja, weiter so“ oder „Nein, es reicht“ würden mir schon genügen. Natürlich bin ich auch für Kritiken aller Art und Verbesserungsvorschläge dankbar.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinem Webadmin bedanken, der es trotz Feiertage, Urlaub oder anderer Widrigkeiten immer wieder geschafft hat, jede aktuelle Folge pünktlich zum 1. des Monats ins Netz zu stellen, obwohl ich ihm das Manuskript oft nur wenige Stunden vor Ablauf des Monatsletzten übermittelt habe. Und natürlich bin ich Medi-Learn.de dankbar, dass ich die Rippenspreizer-Cartoons nutzen durfte.

Bleibt gesund. Ich melde mich bei genügendem Interesse (!) am 1. Januar 2021 wieder.

Euer Chronist.

 

Der Absturz

Da sitzen die beiden Krankenhaus-Strategen Ingo und Jupp wieder einmal in ihren Kämmerchen und trauen sich nicht mehr außer Haus. Vor allem Jupp schäumt vor Wut. Ihm fehlt das monatliche Treffen in seiner Stammkneipe. Besonders betroffen macht ihn die Mitteilung des Wirtes, dass er die Gaststätte wohl endgültig schließen muss. Es stehen wieder harte Zeiten bevor – oder immer noch?

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von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Das verlorene Vertrauen

Etwas übernächtigt treffen sich Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp morgens in der Eckkneipe zum traditionellen Stammtischgespräch. Beide hatten sich die Live-Übertragung der ersten Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden angeschaut. Etwas ratlos verfolgten sie das Chaos der ständigen Unterbrechungen, Unterstellungen und Beleidigungen sowie das hilflose Unterfangen des Moderators Chris Wallace, beim testosteron-gesteuerten Präsidenten und seinem Kontrahenten etwas Ordnung in die Debatte einzubringen: „The Great American Shitshow“ wie das Onlinemedium Buzzfeed urteilte. Als Trump an eine rechtsextreme Gruppe appellierte: "Proud Boys, stand back and stand by (haltet euch zurück und haltet euch bereit)", wurde den beiden plötzlich bewusst, dass die kommende Präsidentenwahl einen beunruhigenden Ausgang nehmen könnte.

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von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
Vielen Dank MEDI-LEARN.de!

Die Zukunftsvision

In den aktuellen Nachrichten spiegelt sich eine immer verrücktere Welt. Viele Amerikaner sorgen sich schon um einen Putschversuch ihres Präsidenten, sollte er die Wahl verlieren. Einen kleinen Eindruck über die Reaktion von betrogenen Wählern gibt die Situation in Belarus, wo nun auch Tausende von Frauen gegen Lukaschenko demonstrieren. Elon Musk stellt seinen Gehirn-Chip vor, mit dessen Hilfe demnächst die Tauben hören und die Lahmen gehen sollen. Nebenbei träumt er schon von bemannten Weltraummissionen zum Mars. Sicherlich wird seine dortige Kolonie dann argwöhnisch von der Marssonde Hope beobachtet, die von den Vereinigten Emiraten kürzlich gestartet wurde.

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von Ingo Nöhr

Wir danken dem Verlag MEDI-LEARN.net GbR für die freundliche Erlaubnis, Cartoons von Rippenspreizer verwenden zu dürfen. Mehr Cartoons sind unter http://www.medi-learn.de/cartoons/ zu finden.
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Wo bleibt die Künstliche Intelligenz?

Die Corona-Pandemie wird wohl wie die alljährliche Grippe-Epidemie auf längere Zeit das Leben der Menschen bestimmen. Während die USA gerade traurige Rekorde mit 1.500 Coronatoten pro Tag erreicht hat, kann sich Deutschland bei etwa 10 Todesfällen pro Woche entspannen. Davon sind laut Robert-Koch-Institut 86% älter als 70 Jahre. Natürlich ein Grund für die beiden Pensionäre Ingo und Jupp, sich in ihrer Eckkneipe weiterhin Gedanken über die Coronakrise zu machen, insbesondere über die Situation in einigen besonders betroffenen Ländern.

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von Ingo Nöhr

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Corona als Wahrheitsdroge

Die Menschen stehen erstaunt vor den Enthüllungen der letzten Monate, hervorgerufen durch ein widerspenstiges Kleinstlebewesen namens Corona. Unzählige Defizite in der Politik, im Gesundheitswesen, im Bildungssektor, im Ernährungsbereich und im menschlichen Verhalten wurden plötzlich aufgedeckt. Die meisten Erkenntnisse waren uns schon vorher bekannt, aber wir haben sie lieber ignoriert, verschwiegen oder darüber hinweggesehen. Der Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose, die Medikamente aus der Apotheke, das Fischstäbchen aus der Tiefkühltheke und das superbillige Steak aus dem Supermarkt. Wie alles dorthin gekommen ist, wollten wir lieber nicht wissen. Lediglich das zunehmend verrücktspielende Wetter stört uns bisweilen – und zunehmend auch die beiden Krankenhausstrategen Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp bei ihrem monatlichen Stammtisch.

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von Ingo Nöhr

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Corononomics – Die Welt neu denken

Nach den langen Wochen der Quarantäne gewinnt das öffentliche Leben wieder an Fahrt. Obwohl die Deutschen in den letzten Wochen das Fahrrad entdeckt haben, stürzen sie sich zu Pfingsten mit alter Begeisterung in die Verkehrsstaus. Erstmals nach zwei Monaten treffen sich Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp wieder zu ihrem beliebten Stammtischgespräch in der Eckkneipe. Ihr Wirt hat die Krise überlebt, indem er erfolgreich auf Außerhaus-Lieferungen umgestellt hat.

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Der Schwarze Schwan – das neue Wappen der Weltwirtschaft

Den beiden Rentnern Ingo und Jupp ist in ihrer Isolation deutlich bewusst geworden, dass die Covid-19 Pandemie mindestens ebenso wuchtig und nachhaltig den Verlauf der Weltgeschichte ändern wird wie der Fall der Mauer oder die Terrorattacken am 11. September 2001. In etlichen Ländern werden jetzt die Kontaktbeschränkungen gelockert, Donald Trump verkündet schon lauthals das Ende der Pandemie, hat aber vorsichtshalber noch schnell 100.000 Leichensäcke bestellt. Nachvollziehbar, denn ein Drittel der infizierten Weltbevölkerung wurde mittlerweile in den USA registriert. Zukunftsbewusst sinnieren die beiden Krankenhausprofis per Videoleitung gemeinsam über die Frage, wie denn die Zeit nach Corona aussehen könnte.

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von Ingo Nöhr

Der Absturz in eine andere Welt

Vor einem Monat war die Welt für Ingo und Jupp noch vergleichsweise in Ordnung. Ein winziger Feind hat sie und ihre Umwelt in eine noch unfassbare Situation katapultiert. Alles ist anders geworden, bedrohlicher, ja sogar lebensgefährlicher. Ein Horrorszenario, wie es nur nach einem Meteoriteneinschlag oder einem Atomkrieg denkbar wäre. Die beiden sitzen nun zu Hause in ihrer aufgezwungenen Quarantäne, zwar noch ohne Symptome, aber vielleicht könnte schon ein Mückenstich das Unheil von außen hereinbrechen lassen.

Ein Stammtischtreffen in der gemütlichen Eckkneipe ist natürlich nicht mehr möglich. Aber immerhin hat ihr Wirt auf Hauslieferung umgestellt und den beiden einen Kasten Bier vor der Haustür abgestellt. So findet der monatliche Gedankenaustausch nun per Internet statt.

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Don’t panic!

Panik ist - laut Duden - die "durch eine plötzliche Bedrohung, Gefahr hervorgerufene übermächtige Angst, die das Denken lähmt und zu kopflosen Reaktionen führt“. In einer Paniksituation verliert der Akteur die Selbstbeherrschung und damit die Beherrschung einer Situation.

Die neueste Geißel der Menschheit ist das Corona-Virus, welches Millionenstädte, Kreuzfahrtschiffe und Urlaubshotel unter wochenlange Quarantäne stellt, den Welthandel durch blockierte Containerschiffe und ausgefallene Fabrikarbeiter bedroht und hysterische Aktivitäten auslöst. Kein Wunder – das ist das Hauptthema beim aktuellen Stammtischgespräch von Ingo und Jupp.

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von Ingo Nöhr

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Unsere tägliche Krise gib uns heute

Am 1. Februar verliert die EU mit dem Brexit 67 Millionen Einwohner und schrumpft flächenmäßig um 5,6%. Die Abstimmungsgewichte im EU-Parlament und EU-Ministerrat verschieben sich deutlich. Und Deutschland wird etwas mehr zur Kasse gebeten. Wir leben in krisengeschüttelten Zeiten: soziale Krise, politische Krise, Wirtschafts- und Handelskrise, Finanz- und Schuldenkrise, Bildungskrise, Energiekrise, demografische Krise, Flüchtlingskrise, Glaubwürdigkeitskrise, Kulturkrise, Glaubenskrise, ökologische Krise und jetzt auch noch die Virenepidemie.
Kein Wunder, dass dieser dauernde Beschuss von Katastrophenmeldungen bei unseren kampferprobten Krankenhausstrategen Ingo und Jupp eine besondere Wirkung zeigt. Bei ihrem monatlichen Stammtischgespräch widmen sich die beiden wieder einmal dem bevorstehenden Weltuntergang.

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Nach uns die Zukunft!

Jetzt ist das Jahr 2019 schon wieder so schnell vergangen. Sogar ein neues Jahrzehnt bricht an, obwohl wir eigentlich noch ein Jahr darauf warten müssten. Aber diesen Fakt haben wir ja schon bei der Jahrtausendwende einfach ignoriert. Ingo und Jupp treffen sich wieder in ihrer Eckkneipe zu einer kritischen Nachbetrachtung. Aber diesmal gerät sie zu einer Rückschau der letzten zehn Jahre. Unglaublich, wie sich die Welt seitdem verändert hat. Und was erwartet uns im kommenden Jahrzehnt? Die Ansichten der beiden gehen da etwas auseinander …

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Die Graswurzeln bewegen sich!

Vor genau sieben Jahren hat sich Jupp im Rahmen seiner Weihnachtseinkäufe mit dem Risikomanagement befasst und ist an der Herausforderung schier verzweifelt. Inwieweit die Risikobewertung für dieses Fest ausreichend war, wird sich erst im Januar zeigen, wenn die Schadensbetrachtung erfolgt ist. Im Dezember 2014 erging sich Ingo Nöhr in der gesellschaftlichen Betrachtung der Risikoursachen. Dies hatte Folgen. Ein Jahr später fasste Ingo angesichts der permanent schlechten Nachrichten zur Wahrung seines Seelenfriedens den Entschluss, sein Umfeld als die Beste aller möglichen Welten mit den Augen des Voltaire‘schen Professor Pangloss zu betrachten. Seitdem geht es ihm im Gegensatz zu seinem Kumpel viel besser.

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Holt endlich die KI in die Regierung!

Die negativen Ereignisse überschlagen sich in der Presse: Das Wahlergebnis in Thüringen zerstört die Mehrheitsfähigkeit einer Regierung; Donald Trump schaut nun wutentbrannt einem drohenden Impeachment-Prozess entgegen; der Brexit lässt weiterhin auf sich warten; die GroKo mit ihren ehemaligen Volksparteien kämpft ums Überleben bis zum Jahresende; Kaiser Franz Beckenbauer ist zutiefst in einem Korruptionsskandal verwickelt. Und nun verliert ausgerechnet Bayern München gegen Eintracht Frankfurt mit unglaublichen 1:5 Toren, nachdem sie fünf Wochen vorher den Champion-League Finalisten Tottenham Hotspur mit 7:2 besiegt hatten.
Mit diesen Nachrichten im Hinterkopf treffen sich Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp wieder zu ihrem monatlichen Stammtischgespräch.

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Unser Gesundheitssystem startet durch!?

Die Weltpolitik schlägt immer irrwitzigere Kapriolen: Donald Trump tobt wild um sich, seit ein CIA-Beamter eine Meldung korrekt auf den Dienstweg geschickt hat. Boris Johnson hat die Queen verärgert und sein Parlament gegen sich aufgebracht. Peking schickt Tausende von Soldaten nach Hongkong. Ein junges Mädchen beschimpft in New York die versammelten Staatsoberhäupter der Welt. Angela Merkel verschlägt mit ihrem Klimapaket den Grünen gerade die Sprache, während ihr Verkehrsminister noch mit seiner teuren Mautaffäre beschäftigt ist. Und VW muss sich vor Gericht mit fast einer halben Million klagewütiger Kunden herumstreiten. Eigentlich genügend Gesprächsstoff für die beiden Pensionäre Ingo und Jupp. Aber es kommt bei ihrem monatlichen Treff in der Eckkneipe ganz anders als erwartet.

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Achtung – die Populisten kommen!

Wieder mal aufregende Zeiten für die beiden Krankenhaus-Recken Ingo und Jupp. Die Weltpolitik schlägt immer absurdere Kapriolen, der Klimawandel macht sich durch Rekordtemperaturen und Super-Hurricanes bemerkbar. In Hongkong wehrt sich die Bevölkerung gegen chinesische Bevormundung. In Wacken treffen sich friedlich 85.000 Heavy-Metal-Freunde, in Cardiff endet die Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen, in Graz die Weltmeisterschaft im Unterwasser-Rugby. Und ängstlich beobachtet von ganz Deutschland schreiten die Sachsen und Brandenburger zur Landtagswahl.

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von Ingo Nöhr

Über Populisten und Klinik-Killer

Der extrem heiße Juli geht als Rekordmonat in die Geschichte der Meteorologie ein. Die Proteste gegen Hongkongs Regierung weiten sich aus und beschäftigen allmählich ganz China. Am Golf riecht es wieder nach Krieg. An den Bahnsteigen geht die Angst vor ausrastenden Psychopathen um. Ein japanischer Forscher darf Mischwesen aus Tier und Mensch erzeugen und bis zur Geburt als menschliches Ersatzteillager heranreifen lassen. Gerät die Zivilisation langsam aus den Fugen? Naht jetzt der Umbruch, den Ingo schon lange erwartet hat? Irritiert vom rasenden Wandel der Welt treffen sich die beiden Pensionäre zu Meinungsaustausch bei ihrem monatlichen Stammtisch.

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Prima Klima?

Junge Leute wie Rezo und Greta haben den politischen Betrieb aus dem Winterschlaf aufgeschreckt. Rechtzeitig vor dem ultraheißen Sommerloch finden weltweit hektische Aktionen statt: die G20-Staaten treffen sich in Japan zu überraschend freundlichen Gesprächen.  Bei der Fußball-Weltmeisterschaft machen die deutschen Frauen eine gute Figur. Politische Macht erleidet empfindliche Dämpfer: zur Rettung der SPD startet ein Dreier-Team, der neue Bürgermeister in Istanbul wird die einträglichen Geschäfte der Erdogan-Clique empfindlich stören, Verkehrsminister Scheuer verstösst mit seiner PKW-Maut gegen EU-Recht, Theresa May schmeißt hin und ihr Erzrivale Boris Johnson will nun den Brexit stemmen. Und die Sonne bringt die Thermometer zum Kochen.

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Die fünfte Gewalt im Staate

Einzelne Personen rütteln wütend an historisch gewachsenen Strukturen und stellen plötzlich fest, dass sich hinter ihnen eine gewaltige Gefolgschaft versammelt hat. So geschehen mit Donald Trump, der mit seiner Twitter-Politik die USA in zwei Hälften spaltete. Nigel Farage erreichte mit seiner nagelneuen Brexit-Partei nach nur vier Monaten ein Drittel aller Wähler und teilte Großbritannien ebenfalls in zwei verfeindete Lager.

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Nieten in Nadelstreifen und die verzockte Zukunft

Die verzockte Zukunft - wie wir das Potenzial der jungen Generation verspielen. So lautet der Titel eines neuen Buches des Mannheimer Hochschulprofessors Gerald Lembke, in dem er gnadenlos mit der Bildungspolitik abrechnet. Ein wichtiges Buch zur richtigen Zeit. Denn die Einschläge zum drohenden Abstieg Deutschlands ins Mittelmaß kommen immer näher. Und nicht nur bei uns. Der Mueller-Bericht konnte Donald Trump in seiner weltweiten Kahlschlagpolitik nicht stoppen, in den europäischen Regierungen machen sich immer mehr inkompetente Populisten breit und die anstehenden EU-Wahlen werden noch mehr Euroskeptiker ins EU-Parlament spülen. Der Brexit entwickelt sich zum Schrecken ohne Ende.
Auf staatliche Kontrollgremien und Aufsichtsstellen kann man sich immer weniger verlassen, wie die aktuellen Skandale von VW, Daimler und Boeing gezeigt haben. In Brasilien müssen sämtliche TÜV-zertifizierte Staudämme neu geprüft werden. Und dazu werden in Berlin jetzt die letzten 2500 Litfaßsäulen abgerissen, denen Erich Kästner mit seinem „Emil und die Detektive“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Kein Wunder, dass sich die Stimmung bei Ingo und Jupp langsam verdüstert und sie den alten Zeiten nachhängen.

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Klimawandel? Auf zum Mond!

Ingo Nöhr und Jupp finden mittlerweile stündlich bei den Inhalten der Nachrichten aufregende Steigerungen. Das britische Parlament kämpft immer noch mit einer Brexit-Entscheidung, indem erst vorsorglich alle möglichen Lösungen ablehnt. Das EU-Parlament hat mit der Urheberrecht-Richtlinie angeblich das Ende des kostenlosen Internets beschlossen und nebenbei dem Springer-Konzern 64% der voraussichtlichen Tantiemen beschert, während die Kleinverlage im Promillebereich der Ausschüttungen angesiedelt sind. Ein Viertel aller KI-Startups nutzt überhaupt keine künstliche Intelligenz. Auf dem Mount Everest schmilzt der Schnee und Boeing erwartet milliardenschwere Regressforderungen. Aber die Sensation ist doch (wieder mal) eine Twitternachricht vom GröPaZ Donald Trump. Aufgeregt treffen sich die beiden am 1. April wieder in ihrer beliebten Eckkneipe zu einem Stammtischgespräch.

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Spahn killt unsere Gesundheitswirtschaft!

Jupp und Ingo stoßen bei ihrem monatlichen Frühschoppen zeitlich immer öfter an ihre Kapazitätsgrenzen, zu sensationell sind die täglichen Neuigkeiten, die auf die beiden einprasseln. Der Brexit nimmt wunderliche Formen an und wir dürfen immer häufiger den britischen Parlamentssprecher John Bercow genießen. Trump stellt sich mit seinem Veto gegen die Notstandsabsage gegen seine eigenen Parteimitglieder, während ihn ein Dutzend Untersuchungsausschüsse akribisch unter die Lupe nehmen. Hunderttausende von Schülern demonstrieren während der Unterrichtszeit für eine lebenswerte Zukunft und ziehen der verschlafenen GroKo klimatechnisch die Hammelbeine lang.

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Über Freunde im Leben

Das heutige Treffen in der Stammkneipe steht bei unseren Freunden Ingo Nöhr und Jupp ganz im Zeichen vom jüngsten Ableben eines Modezaren. Seine Weisheiten im Vorfeld des bevorstehen­den Karnevals und aktuellen Politikrummels erhalten für die beiden eine tiefere Bedeu­tung und erklären das derzeitige Weltge­schehen.

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von Ingo Nöhr

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Der Große Bruder - über vertrauliche Daten und unzuverlässige KI

Das Jahr begann wieder mit vielen Schlagzeilen. Gesundheitsminister Jens Spahn wirft einen Versuchsballon nach dem anderen hoch und beobachtet die Reaktionen, um dann bei seinen Gesetzesentwürfen gezielter zuschlagen zu können. Die Dieselaffäre hat nun auch einen internen Streit unter den Pneumologen ausgelöst, sehr zur Freude von Verkehrsminister Scheuer, der nun die ungeliebte Diskussion über Fahrverbote und Tempolimits auf andere Schultern verteilen kann. Die Brexit-Debatte im britischen Parlament machte den Unterhaussprecher John Bercow mit seinen „ORDER!“ Rufen zum Fernsehstar. Über die deutsche Politik bestimmen immer mehr nichtgewählte Leute namens McKinsey und Roland Berger.

Nur Donald Trump sorgt mit seiner paranoiden Twitterpolitik weiterhin verlässlich für die Unterhaltung beziehungsweise Aufregung in der Welt. Dabei hat die Natur so langsam alles durch, was sie gegen die Klimawandelzweifel von Trump anbringen konnte: Flächenbrände, Erdbeben, Super-Hurricanes, Blizzards, antarktische Temperaturen ... aber Trump ist immer noch im Amt.

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Same procedure …? Diesmal nicht mehr!

Wieder einmal ist ein Jahr vergangen und es wird Zeit für eine kritische Nachschau. Nach alter Tradition treffen sich Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp zu ihrem monatlichen Stammtischgespräch über die Weltlage in ihrer alten Eckkneipe. Etwas verkatert und noch die letzten Feinstaubreste der Silvesterkracher aushustend beginnen die beiden mit ihrer Bestandsaufnahme.
Welche Überraschungen hat wohl das neue Jahr parat? Wird alles noch schlimmer, wie der pessimistische Jupp glaubt? Oder gibt es schon das Licht am Horizont, welches Ingo in seinem unerschütterlichen Optimismus erwartet?

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von Ingo Nöhr

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Das Vaginalnetz vom Obsthändler

Der Monat November war rappelvoll mit aufregenden Ereignissen im Gesundheitswesen: die Klagewelle der Krankenkassen wegen Abrechnungsbetrug, die Geburt von genmanipulierten Zwillingen in China, die MEDICA in Düsseldorf, die ImplantFiles. Diskussionsstoff genug für Ingo und Jupp bei ihrem monatlichen Stammtischtreffen in der Eckkneipe.

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Früher war alles (besser) anders!

Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp werden seit Wochen mit Meldungen überschüttet, dass etwas so noch nie vorher passiert sei: die Hitzewelle, die lange Dürreperiode, der Aufstand in der CDU bei der Fraktionssitzwahl, der Kashoggi-Mord in der Istanbuler Botschaft von Saudi-Arabien, die Fahrverbote für Dieselautos. Der Höhepunkt war aber sicherlich der Absturz der großen Parteien bei den Wahlen in Bayern und Hessen und der Rücktritt von Angela Merkel vom Parteivorsitz. Sollten dies schon die von Ingo angekündigten Anzeichen des großen Wandels sein?

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Die Arroganz der Macht – oder wenn die Ohnmächtigen nicht mehr folgen wollen

Nach der Sommerpause geht es wieder rund in der Politik. Nicht nur Jens Spahn findet durch seine unbedachten Äußerungen zielsicher neue Fettnäpfchen, auch unsere Regierungen erfreuen bzw. erschrecken uns mit zunehmend verrückteren Aktionen. Der Lack an den Denkmälern der Mächtigen in Politik, Wirtschaft und im Show-Business wird immer stärker verkratzt – aufmerksam beobachtet und kritisch registriert von unseren pensionierten Krankenhaus-Vertretern Ingo und Jupp während ihrer monatlichen Stammtischrunde.

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von Ingo Nöhr

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Über die heldenhaften Verteidiger unserer Daten – und vom Datenklau beim Friseur und anderen Gefährdern

Eigentlich wollten sich Ingo Nöhr und Jupp beim heutigen Stammtischtreffen über die üblichen Themen wie der Hitzewelle, der Sicherheit von Autobahnbrücken und dem Chaos in der Regierung unterhalten. Auch der neue Aufreger von Gesundheitsminister Jens Spahn, die elektronische Gesundheitskarte nicht mehr in einem geschlossenen System abzulegen, versprach viel Gesprächsstoff. Doch dann schlug sie unvermittelt zu: - die Datenschutz-Grundverordnung, kurz DSGVO.

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von Ingo Nöhr

DSGVO in der Arztpraxis

„Hey, Sie da dahinten rechts. Haben Sie die Nummer 37? Kommen Sie bitte mit!“
Wussten Sie schon, dass gemäß der Datenschutz-Grundverordnung die Arzthelferinnen Patienten im vollen Wartezimmer nicht mehr mit ihrem Klarnamen aufrufen dürfen? Der fällt nämlich unter Datenschutz, da sonst unbefugte Dritte die vertrauliche Information erhalten, wer sich hinter diesem Gesicht verbirgt. Das die DSGVO noch viel schlimmere Auswirkungen haben kann, zeigt die folgende Geschichte auf.

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von Ingo Nöhr

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Über Politiker, Manager und (andere) Psychopathen

Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp blicken in der Politik auf einen ereignisreichen Monat zurück. Ein einzelner Staatsmann lehrte den Europäern und der NATO das Fürchten, verstörte die englische Premierministerin sowie die Queen mit seinem Benehmen und fand in Helsinki zum Entsetzen seiner Landsleute einen neuen großartigen Freund – einen „lupenreinen Demokrat“ wie Gerhard Schröder schon einmal feststellte. Ein deutscher Heimatminister provozierte einen ordentlichen Ehekrach zwischen zwei Schwesterparteien und das Problem der Flüchtlingsströme bleibt weiterhin ungelöst. Nach den Bankern geht es nun auch den Managern in der Autoindustrie an den Kragen, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen den Kunden nicht ausreichend ernst genommen haben. Aber immerhin, schon 73% der Amerikaner haben aus eigener Erfahrung erkannt, dass die globale Erwärmung doch keine Erfindung der chinesischen Propaganda ist.

Stoff genug also für unsere schweißgebadeten Krankenhausstrategen, sich beim monatlichen Talk in der Eckkneipe wieder einmal Gedanken über den Zustand der Welt zu machen.

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Auf der Suche nach der richtigen Körpersprache

Kurz nach dem blamablen WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft treffen sich Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp wieder zu ihrem monatlichen Umtrunk in der Stammkneipe. Während der optimistische Ingo noch eine gute Stimmung vor sich her trägt, trifft er auf einen tiefdeprimierten Jupp. Der hatte sich für die 64 WM-Spiele in Erwartung des Finalspiels des deutschen Teams im Wohnzimmer eine fähnchen-geschmückte Videoecke mit Sofas, Großbildschirm, Stereosound und einer gutgefüllten Hausbar eingerichtet. Die Vorräte an Bier und Knabbereien hätten für die vier Wochen voll ausgereicht.

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Rettet uns vor den Datensammlern und Datenschützern!

Beim monatlichen Stammtischtreff von Ingo Nöhr und seinem Kumpel Jupp kann es diesmal nur ein Thema geben: die europäische Datenschutz-Grundverordnung, die nach zwei Jahren Übergangszeit uneingeschränkt auch ins deutsche Recht übergegangen ist. Aufgeregt verfolgen nun die beiden die Auswirkungen in der Praxis – erwartungsgemäß wieder ein Chaos mit vielen Missverständnissen und Desinformationen. Jetzt trifft es auch viele kleinere Unternehmer und sogar Privatleute. Eine doppelte Fragestellung: wer schützt uns vor den Datensammlern UND den Datenschützern?

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Konsultiere doch mal deinen Dr. Smartphone!

„Die Telefonie erlaubt es, andre zu erreichen, ohne auf sie zuzugehen“
(Dr. Ernst Reinhardt, Schweizer Aphoristiker, *1932)

Es gibt auch Lichtblicke in den zunehmend desolateren Lebenserfahrungen von Ingos Kumpel Jupp. Nachdem Donald Trump den Handelskrieg mit Europa und China auslösen will, um von seinen Problemen mit den Frauen, Parteifreunden und Russen abzulenken, Gesundheitsminister Jens Spahn trotz 210.000 Aufforderungen nicht mal einen Monat lang Hartz 4 ausprobieren möchte, die grausamen Kriege in Syrien und Jemen mit unvorstellbaren Leiden zum Wohle der deutschen Waffenindustrie weitergeführt werden; … - da kommt Jupp ganz stolz mit seiner neuesten Errungenschaft zum monatlichen Stammtischgespräch in die traditionelle Eckkneipe: einem neuen Smartphone.

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Die große Gesundheitsverschwörung

Ingo Nöhr ist entsetzt. Zu ihrem monatlichen Stammtisch erscheint am 1. April sein sichtlich geschwächter Kumpel Jupp schwer angeschlagen. „Mensch Jupp, was ist denn mit dir passiert? Du hast ja ein paar Pfund abgenommen. Hattest du eine Lebensmittelvergiftung?“ – „Quatsch! Die letzten zwei Wochen hat mich die Grippe flachgelegt. Trotz Impfung! Ich lag nur noch apathisch im Bett und habe mein Ende erwartet. Jetzt komme ich aber langsam wieder auf die Beine.“ Ingo zeigt sich mitfühlend. Er hatte die Grippewelle einfach verpasst. Es lag wohl an seiner Impfung mit dem teueren Vierfach-Grippeimpfstoff. Er beschließt, es besser nicht zu erwähnen, sonst regt sich Jupp nur wieder über die Zwei-Klassenmedizin auf.

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Lasst doch mal die KI-Roboter ran!

Kommt die große Koalition? Werden in Kürze alle Dieselautos verramscht? Können wir bald alle kostenlos Bus fahren? Was machen die Nordkoreaner nach der Olympiade? Werden die amerikanischen Schüler die NRA-Waffenlobby kleinkriegen? Warum kämpfen in Syrien nicht schon längst russische Kampfroboter gegen amerikanische Cybersoldaten? 

Wichtige Fragen, die sich erst in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden werden. Doch ein beständiger Aspekt zieht sich durch diese Unsicherheit – die Qualifikation der Akteure. Sollten nicht doch besser die KI-Roboter Entscheidungen treffen?

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Der Internationale Tag des Stammtisches

Jupp und Ingo haben den ersten Monat des neuen Jahres hinter sich gebracht. Es fing schon mit einem Paukenschlag an, als ein internationales Team von IT-Sicherheitsexperten bei einem Großteil der seit 20 Jahren produzierten Mikroprozessoren zwei gravierende Sicherheitslücken fanden. Der 39. Bayerische Filmpreis geht an einen Film namens „Die beste aller Welten“. Dagegen verweigert ein EU-Gericht dem Titel der Fack-Ju-Göte Filme den Markenschutz, weil – welch Überraschung – er „eine anstößige und vulgäre Beleidigung“ darstelle. Die zutiefst verfeindeten Staaten Nord- und Süd-Korea wollen gemeinsam auf der Olympiade auftreten. Und zudem zeigte sich die Natur reichlich stürmisch.

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The same procedure as every year?

Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben.
Macht euch nur von dieser Anschauung los, …  
und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
(Christian Morgenstern)

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Wozu brauchen wir eigentlich noch eine Regierung?

Traditionell treffen sich Ingo Nöhr und Jupp im Dezember zum alljährlichen Rückblick und wagen ein paar vorsichtige Prognosen für das kommende Jahr. Jeder auf seine Art – Jupp träumt von den guten alten Zeiten, wo noch die Welt in Ordnung war. Optimist Ingo dagegen erwartet eine abrupte Wende zum Besseren, nachdem die klassischen Instrumente des Regierens und der Problembehandlung zuneh­mend versagen. Er glaubt immer noch an das Gute im Menschen. Nostalgisch vertiefen sich die beiden in ihre Aufzeichnungen der letzten Jahre.

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Das Gewehr im ersten Akt

Ingo Nöhrs Kumpel Jupp kommt etwas angeschlagen zum monatlichen Treff in der Eckkneipe. Augenscheinlich hat ihm die Halloween-Nacht mächtig zugesetzt. Vermutlich leidet er gerade wieder an einer Überdosis von schlechten Nachrichten, wie sich schnell im Gespräch herausstellt.

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Die Verlierer an der Macht

Es ist das erste Treffen nach der bemerkenswerten Bundestagswahl. Wie vorauszusehen scheint unser Optimist Ingo Nöhr vom Wahlergebnis relativ unbekümmert zu sein, während sein Kumpel Jupp niedergeschlagen zum traditionellen Stammtisch in der Eckkneipe schleicht. Wie soll es in Deutschland in den nächsten Jahren weitergehen? Wird die neue Regierung endlich die brachliegenden Problemfelder energisch genug angehen? Oder werden sich die Politiker wieder in ihrem Klein-Klein verzetteln und nichts Innovatives voranbringen? Fragen, die unsere altergrauten Krankenhausstrategen natürlich besonders bewegen. So bringt der erste Kommentar die Debatte gleich auf den Punkt.

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von Ingo Nöhr

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Wir bauen uns eine künstliche Intelligenz!

Unsere menschlichen Experten Ingo und Jupp befassen sich angesichts der Weltlage mit der neuen Krone der Schöpfung, die schon am Horizont sichtbar wird: die künstliche Intelligenz. Sie soll die Welt besser machen und möglichst bald von der menschlichen Dummheit befreien. Klima­wandel, Kriegslüsternheit, Religions­fanatismus, Umweltzerstörung, … - nichts davon wird der menschliche Geist in abseh­barer Zeit in den Griff bekommen. Die ersten, hochwill­komme­nen Vorboten kümmern sich schon um profane Tätig­keiten wie Putzen, Rasenmähen und das Kommunizieren zu Hause. Sie übernehmen unsere motorisierte Fortbewegung, lernen unsere Vorlieben kennen und saugen unser Wissen ab. Lösen sie uns auch bei den ungeliebten Pflegetätigkeiten der alten, behinderten oder dementen Leute ab? Werden sie uns schließ­lich unter Vormundschaft nehmen, damit wir in der Welt nicht noch weiteren Schaden anrichten können?   

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Die Roboter-Invasion

Gratulation! Die pensionierten Krankenhausrecken Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp feiern ein Jubiläum. Seit fünf Jahren debattieren sie in nunmehr sechzig Stammtischrunden über die Merkwürdigkeiten in der Welt, meistens sehr kontrovers. Vor allem, seit sich Ingo aus lauter Verzweiflung über das Zeitgeschehen in einen strammen Optimisten gewandelt hat. Immer auf der Suche nach dem guten Kern in dem Schlamassel und dabei von einer passenden Karikatur von Rippenspreizer begleitet. In der heutigen Runde bemühen sie sich, mit der digitalen Gesellschaft klarzukommen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass beide die meiste Zeit ihres Berufslebens mit Wählscheibentelefonen verbracht haben.

Anmerkung: Ihre minutiös aufgezeichneten Gespräche haben mittlerweile einen größeren Leserkreis gefunden. Um Ihnen einen Überblick über die Vielfalt der angesprochenen Themen zu ermöglichen, stellen wir in Kürze eine Tabelle über alle bisherigen Folgen mit Schlagworten und Zitaten bereit. Auch die Suchfunktion dieses Portals leistet schnelle Hilfe zum Auffinden der entsprechenden Stammtischrunde. 

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Man gewöhnt sich an alles!

Die digitale Reizüberflutung zeigt auch bei unseren Kollegen Ingo Nöhr und Jupp ihre Wirkung. Was vor wenigen Jahren noch zu einer langanhaltenden Aufregung und Diskussionen geführt hätte, wird heutzutage schon am nächsten Tag von neuen Sensationen abgelöst. Eine gewisse Abgeklärtheit und wachsende Abstumpfung gegenüber den Herausforderungen ist die allgemeine Abwehrreaktion. Kapriolen der Natur wie Überschwemmungen, Orkane und Tornados in Deutschland nimmt man schon achselzuckend als Konsequenz des Klimawandels hin. Betrügereien und Abzockereien im großen Stil regen uns nicht mehr wie früher auf. Eine Weltsensation ist keine, wenn sie keiner zur Kenntnis nimmt. Kleine Meldungen können allerdings eine unabsehbare Wirkung erzielen, die auch den normalen Bürger genauer hinschauen lassen.

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Auf dem Weg zum Krankenhaus 5.0

Der Monat Mai hatte für unsere pensionierten Krankenhausexperten Ingo und Jupp wieder mal eine Fülle von aufregenden Ereignissen zu bieten: die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, der spannende Regierungswechsel in Frankreich, die Bombenattacke auf den BVB-Bus, der terroristische Anschlag in Manchester, die ereignisreiche Auslands-Tournee von Donald Trump, mit der er Abstand zu den FBI-Ermittlungen zur Russland-Connection gewinnen wollte, nachdem er den FBI-Direktor kurzerhand gefeuert hatte, … kurzum – genügend Stoff für mehrere Sitzungen in ihrem beliebten Stammlokal an der Ecke.
Aber ein Ereignis ragte trotzdem heraus und stellte alle bisherigen Themen in den Schatten.

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Lauf doch weiter, du Depp!

Jupp präsentiert wieder sein typisches Pessimistengesicht, als er sich zum monatlichen Stelldichein in der Eckkneipe einfindet. Pessimist zu sein hat den Vorteil, dass man entweder ständig recht behält oder später nur angenehme Überraschungen erlebt. Sein Freund Ingo Nöhr hat sich schon längst an sein deprimiertes Weltbild gewöhnt und kann sich denken, was Kumpel Jupp in den letzten vier Wochen an Läusen über die Leber gelaufen ist.

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Die Stechmücke im Schlafzimmer

Der langerwartete Beginn des Frühlings hat bei unseren beiden altgedienten Klinikrecken Jupp und Ingo Nöhr eine etwas nachdenkliche Stimmung ausgelöst, die angesichts der beunruhigenden Ereignissen in der Welt in philosophischen Betrachtungen über die menschlichen Ursachen mündet. Zuerst müssen sie sich aber noch mit dem Aprilscherz eines unbekannten Zeitgenossen auseinandersetzen, der die Eingangstür ihrer beliebten Eckkneipe mit einem rotweißen Absperrband und einem amtlich aussehenden Schild blockierte: „Heute nur Zugang für Anti-Alkoholiker und Milchtrinker - 1. April = Welt-Antidrogentag“.

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Disruptive Politik - oder wie man in kurzer Zeit die Welt neu gestaltet

Die absurden Bilder der Weltpolitik werden nur noch vom Höhepunkt des Karnevals übertroffen. Die pensionierten Krankenhausstrategen Ingo Nöhr und Jupp treffen sich in der närrischen Zeit wieder zum traditionellen Plausch am Stammtisch in ihrer Eckkneipe. Die aktuellen Meldungen im Gesundheitssektor über Grippewelle und Masernausbrüche werden überlagert von den Kapriolen einiger Staatsmänner. Haben diese die Macht, den Lauf der Weltgeschichte zu verändern? 

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Über Twitter-Präsidenten, Krisenchancen und Deutschland 4.0

Ingo Nöhr und sein Freund Jupp treffen sich wieder zum monatlichen Gedankenaustausch in ihrer Eckkneipe. Angesichts der rasanten Entwicklungen in den USA und deren weltweiten Auswirkungen müssten diese Treffen eigentlich wöchentlich oder noch öfter stattfinden. Der Schweizer Max Frisch sagte einmal: „Technik ist ein Kniff, die Welt als Widerstand aus der Welt zu schaffen, beispielsweise durch Tempo zu verdünnen, damit wir sie nicht erleben müssen.“ Sind dies schon die Anzeichen des bevorstehenden Zusammenbruchs von verkrusteten Systemen, die wegen der politischen Verfilzung und Korruption nicht mehr reformiert werden können? Steht uns in Europa und Deutschland bald ähnliches bevor? Gibt es noch wirksame Reparaturmechanismen, die den drohenden Kollaps auffangen können? 

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von Ingo Nöhr

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Das Jahr der Besten aller möglichen Welten

 „Es ist erwiesen,“ sagte Meister Pangloss, „dass die Dinge nicht anders sein können, denn da alles zu einem Zwecke erschaffen worden ist, geschah es notwendigerweise zu einem besten Zwecke.“ So begann für die beiden pensionierten Krankenhausstrategen Ingo Nöhr und sein Freund Jupp das Jahr 2016 mit einem Zitat aus Voltaires „Candide und die Beste aller möglichen Welten“. Es war die Geburtsstunde des Optimismus bei Ingo als Kontrast zum pessimistischen Jupp. Ingo wollte sich einfach nicht mehr über die Schlechtigkeit der Welt ärgern und machte sich auf die Suche nach dem Guten im Schlechten. Beide halten noch etwas verkatert in ihrer Stammkneipe eine Rückschau. 

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von Ingo Nöhr

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Die Welt im Umbruch? – ein Rückblick auf die Zukunft

Das Jahr 2016 ist fast vorüber und der Rückblick unserer beiden Freunde Ingo Nöhr und Jupp fällt erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Jupp wird durch die vielen Negativmeldungen der letzten Monate zunehmend deprimierter, während der optimistische Ingo hoffnungsfroh den Neubeginn aus der verfahrenen Weltsituation erwartet. Die beiden Sichtweisen prallen beim monatlichen Stammtisch in ihrer Eckkneipe wieder einmal aufeinander.

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Über die erwachende Macht der Verlierer

Da haben ein paar unbeugsame Wallonen der Wirtschaftswelt kürzlich gezeigt, dass sie sich nicht ungestraft dem Diktat der Mächtigen unterwerfen wollen. Wie weiland Asterix und Obelix im gallischen Dorf bestanden sie auf ihre Interessen, weil sie sich partout nicht von der Politik vertreten gefühlt haben. Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp analysieren diese Erscheinung bei ihrem monatlichen Stammtischabend und entdecken erstaunliche Parallelen.

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Neue (Männer) Ideen braucht das Land!

Natürlich interessiert mich die Zukunft. Ich will schließlich den Rest meines Lebens darin verbringen.“ Mark Twain


Bei ihrem monatlichen Stammtisch in der beliebten Eckkneipe halten Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp wieder eine Rückschau über die Ereignisse der letzten vier Wochen. Nach dem Sommerloch kommt die Politik wieder in Gang, geschockt durch die letzten Wahlergebnisse. Ans Regieren ist bis zum November 2017 eigentlich nicht mehr zu denken, permanenter Wahlkampf ist angesagt. Jetzt geht es darum, die massiven Zuströme der unzufriedenen Bürger von den ehemaligen Volksparteien zur AfD zu stoppen. Dabei könnte doch gerade dieser fast unaufhaltsame Trend der Wähler-Rebellion endlich mal dazu führen, die bisherigen Denkweisen und Strategien einer kritischen Revision zu unterziehen.

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Das Sommerloch

Wie jedes Jahr stellt das Sommerloch eine besondere Herausforderung für die Medienlandschaft dar. Worüber soll man berichten, wenn die halbe Bevölkerung Deutschlands auf Reisen ist und die Kapriolen unserer Politiker wegen der Sommerpause des Bundestages plötzlich ausbleiben. Aber immerhin hat die Europameisterschaft im Fußball und die Olympiade noch für genügend Gesprächsstoff gesorgt. Ingo Nöhr und sein Kumpel halten eine kurze Rückschau auf diese Periode und finden ein paar bemerkenswerte Ereignisse, über die sie beim monatlichen Stammtisch reden können.

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Simplify your life – oder die Verführung der einfachen Lösungen

Wir leben in aufregenden, in hohem Maße beunruhigenden Zeiten. Das belegen zumindest die Schlagzeilen der letzten Wochen. Grund genug für unsere beiden Diskutanten Ingo Nöhr und Jupp, sich beim monatlichen Stammtisch mit dieser Problematik zu beschäftigen. Ein Blick in ein uraltes Prinzip des Qualitätsmanagements könnte vielleicht den Blick auf Lösungen verbessern.

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Was hat der BREXIT mit einem römischen Pferdehintern zu tun?

Die Europa-Meisterschaft im Fußball und die zukünftige Gestaltung der Europäischen Union sind naturgemäß die Hauptthemen beim monatlichen Treffen der alten Klinikhaudegen Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp. Beim Bier in der Eckkneipe dreht es sich wieder um die unterschiedlichen Sichtweisen der Beiden hinsichtlich des aktuellen Weltgeschehens. Welches sind denn die eigentlichen Hintergründe und was kann man daraus für das Gesundheitswesen lernen?

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Vom Sterben der Dinosaurier

Nachdem Jupps PC in den letzten Jahren durch nicht-löschbare Windows 7-Update-Daten (Stichwort WinSxS) von Microsoft zugemüllt und dadurch immer langsamer wurde, ist er schweren Herzens auf Windows 10 umgestiegen. Was ihn aber begeistert, ist die neue Mini- PC-Generation. Dieser sichtbare Fortschritt löst beim aktuellen Stammtisch der beiden ein tiefsinniges Grübeln über den weiteren Lauf der Welt aus.

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Der einfache Weg zum Glück

Was wir bisher gelernt haben: Sobald ein Optimist ein Licht erblickt, das es gar nicht gibt, findet sich ein Pessimist, der es wieder ausbläst. Dabei hat der Optimist nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, er lebt aber fröhlicher. Der neue Konflikt zwischen Ingo Nöhr und seinem Kumpel Jupp hat sich im Laufe der Monate verfestigt. Jupp ist weiterhin der Meinung, dass Optimismus nur durch einen Mangel an Informationen erzeugt wird. So dreht sich das Gespräch beim traditionellen Stammtisch in der Eckkneipe wieder um das alte Thema: Ist der Pessimist etwa nur ein Optimist, der nachgedacht hat?

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Über Helikoptergeld – oder wie begeistert man sein Volk

Jupp war nur noch ein Schatten seiner selbst, wie er so verloren und verzweifelt am Stammtisch in unserer Eckkneipe saß, obwohl um ihn herum die Natur zu einer gewaltigen Wiedergeburt angesetzt hatte. Konnte ich ihn bei unseren letzten monatlichen Treffen noch mit dem Fünkchen Hoffnung im Chaos des gegenwärtigen Lebens aufmuntern, so hatte ihm wohl der Ausgang der drei Landtagswahlen endgültig den Rest gegeben. Der lang erwartete Abgrund hatte sich vor ihm aufgetan, die Gesellschaft, ja sogar die Zivilisation war am Ende. Müde hob er sein Haupt von der Tischkante und starrte mich mit einem Blick des Horrors an.

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Wo bleibt der Ruck? – Retten uns die Roboter?

Unser Freund Ingo Nöhr glaubt nun schon im dritten Monat an das Gute im Schlechten. Angesichts weiterer Horrormeldungen in den täglichen Nachrichten ist sein Kumpel Jupp gespannt, wie Ingo seine positive Lebenseinstellung noch durchhalten will. So kommt es beim monatlichen Stammtisch in der Eckkneipe wieder unvermeidlich zum Lieblingsthema der Deutschen: die Untergangsvision.

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Vom Guten des Schlechten

Letzten Monat hatte Ingo Nöhr nach der Lektüre von Voltaires Candide verkündet, dass er die Welt mit einer Rosa-Brille betrachten will. Er ist die ständigen Krisenmeldungen leid und er möchte endlich wieder optimistisch durchs Leben gehen. Heute trifft er auf einen wütenden Jupp, der zudem noch als überzeugter VW-Besitzer unter dem Abgasbetrug leidet. Der traditionelle Besuch in der Eckkneipe wird sich wohl zu einem Testfall für Ingos neue Philosophie entwickeln.

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von Ingo Nöhr

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Candide und die Beste aller möglichen Welten

»Es ist erwiesen,« sagte Meister Pangloss, »dass die Dinge nicht anders sein können, denn da alles zu einem Zwecke erschaffen worden ist, geschah es notwendigerweise zu einem besten Zwecke. Beachtet wohl, dass die Nasen zum Tragen von Brillen erschaffen wurden, und so haben wir denn auch Brillen! Beine sind offenbar zum Tragen von Stiefeln eingerichtet, und wir haben Stiefel! Die Steine sind so gebildet, dass man sie behauen und Schlösser daraus erbauen kann, und so hat der gnädige Herr denn auch ein sehr schönes Schloss, und zwar muss der größte Baron der Provinz am besten behaust sein! Da die Schweine zum Essen erschaffen wurden, so essen wir eben auch das ganze Jahr über Schwein. Aus allem diesen geht hervor, dass jene, so behauptet haben, alles sei gut, eine Dummheit sagten: sie hätten sagen müssen, alles sei zum Besten.«

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von Ingo Nöhr

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Über die Ohnmacht der Politiker, die neuen Grenzen und Krisen-Angela

Ingo Nöhr und sein Kumpel sitzen in nachdenklicher Stimmung bei ihrem obligatorischen Bier in ihrer traditionellen Eckkneipe, die bereits weihnachtlich ausgeschmückt ist. Gerade wurde Helmut Schmidt zu Grabe getragen. Eine deutsche Legende und weltweit geachteter Staatsmann. Als im Februar 1962 bei einer Sturmflut in Hamburg die Deiche brachen, setzte er als Innensenator alles, was nur irgendwie eine Uniform trug, zur Rettung seiner ertrinkenden Bürger ein. Bundeswehr, Nato-Truppen, Bundesgrenzschutz, Luftschutz – alles nicht in seiner Zuständigkeit und entgegen dem Grundgesetz. Als selbstdeklarierter Krisenmanager ignorierte er sämtliche zuständigen Senatoren und Beamten („Die hätten uns ja nur gestört!“) und erteilte als ehemaliger Bundeswehrhauptmann knallharte Befehle, die keine Widerrede duldeten. Alle hörten auf sein Kommando.Und wer im Krisenstab durch lange Redereien „den Laden aufhielt, dem habe ich einfach das Wort entzogen“. Dies brachte ihm den Spitznamen „Schmidt-Schnauze“ ein, aber damit rettete er Tausenden von Hamburgern das Leben.

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Wer schützt uns vor den Daten? – Ein Exkurs über Tante Emma, Oettinger, Obama und Platon

In den letzten Monaten sind Jupp und ich immer mehr in die digitale Welt eingedrungen. War sie vor einiger Zeit fern von unserem Lebensraum noch ein Tummelplatz von Freaks, so müssen wir nun erkennen, dass sie schon lange unseren Alltag beeinflusst. Täglich werden wir mit Nachrichten aus der Datenwelt bombardiert, und diese dienen nicht immer unserer Beruhigung. So ist es nur verständlich, dass auch bei diesem Treffen in unserer Eckkneipe das Thema Digitalisierung die Hauptrolle spielt. Natürlich sind es wieder die aktuellen Meldungen in den Medien, die für aufregenden Neuigkeiten sorgen: Vorratsdatenspeicherung, Netzneutralität, Safe Harbour-Urteil und die üblichen Datenschutz-Skandale.

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Der smarte Anzug

Seit dem letzten Treffen von Ingo und Jupp haben sich in den Medien die aufregenden Nachrichten regelrecht überschlagen. Besonders die datentechnischen Innovationen in den Dieselmodellen von VW haben beide beeindruckt. Jupp hat sofort ein paar Ideen für weitere Entwicklungen parat. Wie die beiden bei ihrem monatlichen Gedankenaustausch in ihrer Eckkneipe feststellen, rückt die digitale Revolution den Menschen immer näher „auf den Pelz“.

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Big Data oder Big Brother?

So stolz hatte ich Jupp schon lange nicht mehr bei unseren monatlichen Treffen in der Eckkneipe angetroffen. Er platzte fast vor Mitteilungsbedürfnis. Ich konnte mich also wieder auf einen interessanten Abend freuen.

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Der perfekte Patient

Jupp trifft heute mit einer sehr schlechten Laune zu unserem traditionellen Stammtisch ein. Er musste gerade stundenlang beim Hausarzt auf eine Tetanusspritze warten, weil er sich bei der Gartenarbeit leicht verletzt hatte. 

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Der neue Mensch 4.0

Wir leben in einer spannenden Zeit, einer Revolution. Der digitalen Revolution. Uns alten Hasen wird sie wohl nichts mehr anhaben können, wir schauen der Entwicklung staunend aus der zweiten Reihe zu. Aber plötzlich entsteht um uns herum eine gewaltige Unruhe. Höchste Zeit, dass Jupp und ich uns mal mit diesen neuen Phänomenen mit der magischen Zahl 4.0 befassen. Was kann dazu besser passen als unser monatlicher Stammtisch in unserer Eckkneipe. 

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Der zivile Ungehorsam

Zu unserem monatlichen Treff in der Stammkneipe kommt ein reichlich frustrierter Jupp herein. Er hat sich mal wieder über die Politiker geärgert. Jetzt auch noch die zu erwartenden Enthüllungen über die FIFA-Mafia. Er hat im letzten Monat wohl zu viel Negatives in den Zeitungen gelesen.

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Über die Tischkante geschaut ...

Nachdem allerorten heftig "über den Tellerrand" gelugt wird, unternehmen unsere beiden Krankenhausexperten Ingo Nöhr und Jupp den Versuch, mal etwas weiter bis über die Tischkante zu gucken. Jupp hat in letzter Zeit erstaunt die technologischen und politischen Umwälzungen verfolgt und so machen sich beide beim traditionellen Bierabend in der Eckkneipe ihre  Gedanken über die möglichen Konsequenzen.

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von Ingo Nöhr

Ingo Nöhr April 2015: Not-Aus oder weiter so?

Ingo Nöhr und sein Kumpel Jupp, der pensionierte Technikleiter treffen sich wieder zu ihrem monatlichen Stammtisch in der Eckkneipe. Allerdings ist die Stimmung angesichts des Absturzes des Germanwings-Flugzeuges und seiner schrecklichen Umstände sehr bedrückt. Die Stadt Haltern ist nicht weit entfernt und so ist das tragische Unglück nah. 

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Unsere schöne digitale Welt

Mein Kumpel Jupp erschien zu unserem monatlichen Stammtisch in der Eckkneipe mit denkbar schlechter Laune. Auf Befragen erfuhr ich, dass er mit seinem neuen Auto beim Rückwärtsparken einen Blumenkübel übersehen hatte und seitdem eine hässliche Beule in der rechten Seitentür spazierenfährt.

  • Jupp, gräm dich nicht. Dein nächster Wagen sollte ein digitales Selbstfahrer-Auto sein, da kannst Du beim Fahren lesen, Filme schauen oder schlafen. Ideal beim Einparken, bei langen Fahrten und Staus, die es dann eigentlich nicht mehr geben dürfte, weil die Verkehrsströme alle elektronisch gelenkt werden.

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Hurra! Mein Gesetzgeber wird wieder innovativ!

Hallo, Jupp. Ich habe rechtzeitig zu Weihnachten von unserer Regierung wieder ein nettes Geschenk erhalten: den Entwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz und das Eckpunktepapier der Bund-Länder AG zur Krankenhausreform 2015. Starke Lektüre. Das Krankenhaus der Zukunft!

  • Sag mal, Ingo. Das hast du alles gelesen? Kannst du nicht mal einen Krimi oder Thriller zur Hand nehmen und mir davon erzählen? Du willst mich doch nicht etwa mit diesem fürchterlichen Gesetzesquark langweilen. 

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von Ingo Nöhr

Wir danken dem Krankenhaus Kommunikations Centrum für die freundliche Erlaubnis, das Foto verwenden zu dürfen. Mehr Infos dazu sind unter http://www.kkc.info zu finden.
Vielen Dank, www.kkc.info!

Wer nur einen Hammer besitzt, …

  • Na, Jupp, was wünschst du dir denn vom neuen Jahr?

Jupp zog ein bekümmertes Gesicht, was nicht nur auf die durchzechte Silvesternacht zurückzuführen war.

Das endlich mal die Dummheit in der Welt abnimmt. Wo du hinschaust: Parteipolitiker, Staatslenker, Gesundheitsprofis, ja sogar bei den Sportlern - überall springt dir die Dummheit schmerzhaft in die Augen.  Konfuzius hat mal gesagt: „Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten“. Wir sind Heerscharen von Führern und Meinungsmachern mit beschränktem Horizont ausgeliefert, die partout nicht aus alten Fehlern lernen können oder wollen. Es ist unglaublich, was sie im letzten Jahr wieder für einen Schaden in der Gesellschaft angerichtet haben.

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Welches Risiko – meins oder deins?

Jupp, lass uns mal wieder über Risikomanagement reden. Eine große Klinik im Badischen lieferte gerade ein schönes Beispiel dafür.

  • Ach Ingo, für die kommt doch das Risikomanagement viel zu spät. Die brauchten ein Krisen- und Katastrophenmanagement viel nötiger. Die Hinrichtungen durch die Medien waren doch schon in vollem Gange.

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Upps – neu und riskant. Das Dilemma des Fortschritts

Hallo, Jupp, hast du mal einen Zehn-Euro-Schein dabei?

  • Ja, wieso? Bist du pleite und kannst dein Bier nicht bezahlen?

Nein, ich will dir mal die neueste Innovation zeigen. Hast du eine Ahnung, was für Völkerscharen von Bakterien und Viren auf deinem Schein siedeln? Vielleicht hat sich schon ein Ebola-Virus dort eingenistet. Oder du musst damit rechnen, dass von einem deiner Vorgänger noch ein paar Kokainpartikel übrig geblieben sind. Könnte Probleme bei einer Drogenkontrolle geben.

  • Glaube ich nicht. Die Kokainschnupfer nehmen dazu immer einen 100- oder 200er Euroschein, zumindest in den Filmen.

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von Ingo Nöhr

Innovation – über Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie nicht Ihren Politiker!

Hallo, Jupp, wie geht es Dir heute? Schon innovative Ideen produziert?

  • Ach Ingo, sei bloß still. Ich habe gerade eine Broschüre von der Schavan, du weißt doch: Ex-Doktorin und Ex-Forschungsministerin, gelesen. Der Titel „Wie wir morgen leben – zehn Zukunftsprojekte, die uns bewegen“ ist ja noch okay, aber dann kommt die Drohung: „Wir haben die Zukunft im Blick“. Ausgerechnet unsere Politiker! Wann haben sie jemals um unsere Zukunft gesorgt? Es geht doch immer nur um ihre eigene. Um unsere Zukunft kümmern sich schon ausreichend deren Lobbyisten im Bundestag. Leider ohne uns Bürger zu beteiligen.

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Über Whatsapp, Googlebrillen, Roboter und innovative Pillen

„Hallo, Herr Wirt, wir brauchen mal schnell zwei Bier, aber nicht eins von der innovativen Sorte,  Bitteschön.“

Mein Freund Jupp gibt bei unserem Treffen in der Eckkneipe gleich das Thema vor. Augenscheinlich hat er sich über eine Innovation geärgert. „Jupp, was ist los? Ist bei Euch in der Familie neuerdings auch das Innovationsmanagement angesagt?“  Ich erinnerte mich noch gut an die letzte Kampagne, als Jupp die ISO 9001 zu Hause einführen wollte.  Sie scheiterte kläglich an den unterschiedlichen Sichtweisen zur Qualitätspolitik und deren Zielsetzungen.

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Vom Fußball siegen lernen

Die Fußballweltmeisterschaft ist vorüber, die Welt hat angesichts der Ergebnisse Kopf gestanden. Ganze Länder sahen sich unvermittelt in nationale Identitätskrisen versetzt, die Schonzeit für viele Regierungen ist angesichts der im jeweiligen Lande ungelösten Probleme vorbei. Die Aufbereitung des sensationellen Halbfinales und Endspiels läuft publizistisch auf Hochtouren. Der SPIEGEL fragt sich im Titel „Wir sind wieder … wer?“ und stellt philosophische Betrachtungen über die Rolle Deutsch­lands in der Welt an. Die amerikanische Huffington Post titelt: "Champions of the World. Wir! Sind! Weltmeister!" (sogar auf deutsch zitiert – eindeutig eine Steigerung der damaligen BILD-Schlag­zeile „Wir sind Papst!“)

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von Ingo Nöhr

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Wir erfinden den innovativen Fußball

Innovationsmanagement ist jetzt gerade angesagt. Die Regierungen von Bund und Länder haben Hunderte von Millionen Euro Fördergelder für neue Ideen im Gesundheitswesen bereitgestellt. Eine Googlesuche mit dem Stichwort „Innovationsprogramm Gesundheit Deutschland“ liefert 105.000 Einträge.

Da wird es doch langsam Zeit, auch im Fußball ein paar Innovationen einzuführen. Bei dieser WM sind die klassischen Favoriten aus Europa wie Italien, Spanien und England beschämt nach Hause gefahren. Auch Brasilien hat sich anfangs nicht mit Ruhm bekleckert. Sie konnten den aufstreben­den Fußballzwergen wie Costa Rica, Algerien, Kroatien, Kolumbien und Nigeria keinen Ideen­fußball entgegensetzen.

Ingo und Jupp haben sich daher beim letzten Match Deutschland gegen USA innovative Gedanken gemacht, die allerdings jeden echten Fußballfan mit Grausen abwenden lassen.

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Der Digitale Fußball

„Hast du das gesehen, Ingo? So eine Sauerei!“ Jupp redet sich gerade in Rage, seit er sein neues Heimkino in Betrieb genommen hat, genau passend zum DFB-Pokalfinale zwischen FC Bayern München und Borussia Dortmund. „Dieses Kopfballtor von Mats Hummels in der 64. Minute ... – Mensch, der Ball war doch ganz klar hinter der Torlinie. Nicht anerkannt, weil der Linienrichter und der Schiri beide blind sind. Und das bei einem Endspiel.“  

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EU-Kommission regelt die Fussball-WM 2014!

Jupp hatte unsere letzte Kneipenrunde wegen „dringender Renovierungsarbeiten“ abgesagt. Da ich neugierig geworden bin, besuche ich ihn zu Hause. „Ab dem 12. Juni gibt es einen Monat lang Fussball-WM, du Sportbanause!“ empfängt er mich, inmitten von einem Kabelgewirr, welches eine 8-Kanal-Dolby-Surround Hifi-Anlage mit einem Dutzend Lautsprechern und einem riesigen Fernsehbildschirm verbindet. Diese Beleidigung lasse ich nicht auf mich sitzen und überrasche ihn mit folgenden Insider-Nachrichten.

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Quo vadis, Gesundheitswesen?

„Hallo, Jupp, hast du schon gehört? Mein Discounter bietet jetzt ambulante Schönheits-Operationen an. In der kleinen Kammer, wo bisher wohl der Ladendetektiv hinter dem halbdurchsichtigen Spiegel die Ladendiebe aufgespürt hat, sitzt jetzt ein Chirurg. Für einen Discountpreis kannst du dir jetzt Falten mit Botox wegspritzen und nebenbei die Warzen und Muttermale entfernen lassen. Die Damen an der Kasse erkennen ihre betagten Stammkunden beim Herausgehen nicht mehr wieder.“

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Ingo Nöhr – Eine Verkettung unglücklicher Umstände

„Hallo, Jupp, wie geht es dir heute? Du bist ja zu beneiden, wie ich dem großen Zeitungs­artikel letzte Woche entnehmen konnte. Deine Lebensqualität muss explosionsartig zugenommen haben, wenn ich den Pressemitteilungen des neuen Verkehrsreferenten glauben darf.“

In seiner Wohngegend war vor einem Jahr eine verkehrsberuhigte Zone mit Tempo 30 eingerichtet worden. Zudem hatte man in seinem Stadtteil eine Parkraumbewirtschaftung eingeführt, was sich in höheren Parkgebühren, kürzeren Parkzeiten und weniger Parkflächen bemerkbar machte.

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Über Risiken, Reichtum, Experten und andere unschöne Sachen

„Hallo, Jupp, wieder zurück von der Grünen Woche in Berlin. Ich zitiere: die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Letztes Jahr warst du voll beladen mit Prospekten und Leitfäden, weil du zu Hause für deine Familie die ISO 9001 einführen wolltest.“

Diese Frotzelei konnte ich bei unserem wöchentlichen Treff in der Eckkneipe gleich bei der Begrüßung nicht sein lassen. Amüsiert erinnerte ich mich an das gnadenlose Scheitern seiner Initiative vor einem Jahr, weil er die widersprüch­lichen Kundenerwartungen von Frau und Kindern nicht unter einen Hut bringen konnte.

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Auf ein Neues!

Unsere beliebte Eckkneipe hat sehr unter der Silvesterfeier gelitten. Vor dem Eingang wateten wir durch einen gefühlten Kubikmeter Kracherreste, drinnen klebte der Fußboden vom vergossenen Sekt und die Luft war noch von den Ausdünstungen der Partygäste alkoholgeschwängert. Am Neujahrstag hielten Jupp und ich Rückschau über das vergangene Jahr und versuchten den Kater mit einer ordentlichen Portion Rollmops zu verdrängen.

„Mann, Jupp, schon wieder ein Jahr rum! Vor zwölf Monaten hatten wir noch über das Qualitäts – und Risikomanagement im Gesundheitswesen gesprochen. Erinnerst du dich noch? Du hattest die Risiken der Weihnachtsfeierei analysiert und anschließend wolltest du als Selbsterfahrung die ISO 9001 bei dir zu Hause einführen. Jetzt steht uns eine neue Zertifizierungswelle im Gesundheitswesen bevor – die DIN EN 15224. Machst du wieder einen Selbstversuch mit der neuen Norm?“

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Dres. McCoy, Feelgood und Eisenbarth im Einsatz

„Booh, das hätten wir mal wieder geschafft. MEDICA in drei Tagen.“  Mit wundgelaufenen Füssen haben Jupp und ich uns wieder in unserer Eckkneipe eingefunden, um eine erste Rückschau zu halten.

„Hast du das gelesen, Ingo? Gigantisch, nicht wahr: 130.000 Besucher aus 120 Ländern. Wieviel Hallen hast du denn geschafft?“

„Na ja, so riesig ist die MEDICA eigentlich nicht, verglichen mit anderen Messen. Die IAA, die CeBit und die Frankfurter Buchmesse sind mindestens doppelt so groß. Und die Grüne Woche in Berlin lockt sogar dreimal soviel Besucher an. Aber ich gebe dir recht, die Hallen der MEDICA sind in drei Tagen nicht zu bewältigen. Bei den 4.600 Ausstellern hast du weniger als 20 Sekunden Zeit, um jeden Stand zu besuchen.“

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Mit der Kristallkugel in die Zukunft?

Der regnerische Novemberabend hatte bei  Jupp eine schwere Depression ausgelöst.  Mit Grabesstimme und trübseligem Blick empfing er mich zu unserer allwöchentlichen Sitzung in der Eckkneipe. „Mensch Jupp, was ist denn mit dir los?“ –

 „Ich glaube, wir Medizintechniker gehören einer aussterbenden Art an. Vorbei sind die seligen Zeiten, wo wir Medizingeräte noch selbst repariert oder verbessert haben. Damals konnten wir alle noch die physikalische Funktionsweise und den direkten Nutzen für den Patienten nachvollziehen. Und heute …?  Wer weiß,  wo das in zehn Jahren noch hinführen wird.“

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Statistik, die Wahrheit und die Zukunft

„Der Ball ist jetzt im Spielfeld!“ Jeder interviewte Politiker befand sich in der Wahlnacht wohl auf einem Fußballplatz, so oft wurde dieser Satz zitiert. „Nun ja, in den Tagen danach entpuppten sich die Bälle als Köpfe, die nun dahinrollen.“ Bei unserem traditionellen Bier in Jupps Eckkneipe analysieren wir mit gemischten Gefühlen den Ausgang der Bundestagswahl.

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Die große Vereinfachung

„Kannst du dir heute eine Stadt ohne Verkehrsschilder und Ampeln vorstellen?“ Jupp eröffnete unser aktuelles Treffen in seiner Lieblingskneipe wieder mit einer interessanten Frage. Aber so leicht ließ ich mich nicht irritieren: „Na klar, schau doch mal in Indien oder Afrika auf die großen Plätze. Da fährt alles durcheinander: Autos, Eselskarren, LKWs, Fahrräder, Busse, Mopeds und mittendrin die Fußgänger und Karrenschieber. Ohne Spurlinien, Vorfahrtsschilder, Ampeln oder irgendeine Verkehrsregelung.“

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Masters of Disasters

Beim letzten Treffen in unserer Eckkneipe zum regelmäßigen Erfahrungs- oder besser gesagt Frustrationsaustausch war Jupp wieder stimmungsmäßig aufgeladen. „Stell’ dir vor, Ingo. Gestern erhielt ich einen Anruf aus unserem Klinikum. Ich bin zwar pensioniert, aber für Not­fälle habe ich eine Geheimnummer hinterlegt.“

„Das ist aber sehr edel von dir. Und wie oft bist du schon angerufen worden?“ fragte ich zwischen zwei Bissen meines exzellenten Rindersteaks.

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Der moderne Hahnemann

„Ingo, ich brauche Deine Verstärkung im Kampf gegen die Scharlatane. Komm mal schnell vorbei!“

Diesem dringenden Notruf von Jupp auf meiner Handy-Mailbox konnte ich nur widerstrebend Folge leisten, da ich selbst gerade ein Gerät der Bioresonanztherapie zerlegte, um dem Geheimnis der sechsdimensionalen Hyperwellen auf die Spur zu kommen.  Dabei durfte ich auf keinem Fall den Elektronen-Plasma-Strömen in die Quere zu kommen, da sie bei einer falschen Handhabung die Umpolung meiner pathologischen Körperschwingungen in ein harmonisches Gesundheitsfeld hinfällig machen. Vielleicht hätte ich mir doch besser den Medea 7 Orgonstrahler vorgenommen, der ohne Akku und Netzkabel auskommt.

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Wachstum bis es knallt

In der Nacht klingelt mein Telefon. Am anderen Ende meldet sich ein total frustrierter Mensch mit den alkoholtypischen Artikulationsschwierigkeiten: „Nur Freunde, die man morgens um vier Uhr anrufen kann, die zählen!“ entnehme ich dem Genuschel. Da scheint ein Notfall vorzuliegen und angesichts dieser Einleitung bereite ich mich auf einen Besuch bei meinem Freund Jupp vor. Die alte Volksweisheit bestätigt sich mal wieder: Gute Freunde erkennt man daran, dass sie immer da sind, wenn sie uns brauchen.

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Der Clash of Civilisations

Einerseits war Jupps Vorstellung von der geplanten neuen EU-Regelung zu Medizin­produkten vollkommen überzogen, andererseits konnte ich seine Verärgerung nur zu gut verstehen. Auch wurde mir bewusst, dass ich mich nun auch selbst mit dem neuen Papierwust der EU-Kommission intensiver auseinan­der­setzen musste, um Jupps pauschalen Rundumschlägen mit sachlichen Argumen­ten Paroli bieten zu können. Zunächst aber mußte er sich auf dem Spaziergang wieder etwas beruhigen. Ich probierte es daher mit einem Ablenkungsthema, der interkulturellen Kommuni­kation. Wir schlenderten also in der abendlichen Frühlingsluft die kaum befahrene Straße entlang.

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Nehmt den EU-Bürokraten die Computer weg!

Jupp hat wieder einen Notruf abgesetzt. Ich solle unbedingt bei ihm vorbeikommen. Der verzweifelte Unterton in seinem Anruf verhieß nichts Gutes. Ich machte mich also auf den Weg. Sollte eine neue Runde Familienmanagement anstehen? Ich war auf alles gefaßt.

Jupp war hinter seinen auf dem Schreibtisch aufgebauten Ordnern kaum zu sehen. Ich las gut bekannte Titel: Sicherheitsvorschriften für Medizinprodukte, Medizinproduktegesetz – MPG, Handbuch Medizintechnik, usw. nebst etlichen Fachbüchern zum selben Thema. Allein anderthalb Meter an einschlägigen Loseblattwerken.  

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Deming, Feng Shui und die Sterne

Letzte Woche gab es also das historische ISO 9001-Spaghetti-Essen bei Jupp. Er wollte ja mit dieser Pilotaktion ein Qualitätsmanagementsystem in seiner Familie einführen. Getreu der PDCA-Regel von Deming hatte Jupp zunächst sein Pilotprojekt nach ISO 9001 geplant (PLAN), dann im Familienkreis umgesetzt (DO), und war nun bereit, das Feedback seiner Kundschaft entgegenzunehmen (CHECK). Danach wollte er in die Verbesserung seines Systems (ACT) ein­steigen.

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Spaghetti Napoletana alla ISO 9001

Wir erinnern uns, Jupp war auf der Grünen Woche. Er kam vollbepackt und ausgepumpt von seinem Besuch zurück. Was hat er da wohl gewollt?

„Na, mein lieber Freund, ich muß doch mein Qualitätsmanagementprojekt vorbe­reiten. Die ISO 9001 hält mich dazu ganz schön auf Trab.“

Jetzt wird es für mich interessant. Jupp will also tatsächlich zu Hause die ISO 9001 einführen. Sein Kundenkreis ist überschaubar: die eigene Familie, nämlich Jupp, seine Frau und drei Kinder. „Wie gehst du denn vor?“

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Das Amt für Nichtzuständigkeiten

Vor kurzem traf ich Jupp vor seiner Garageneinfahrt. Er schleppte schwere Plastik­taschen ins Haus. „Na, Großeinkauf gemacht.“ – „Nein, der steht mir noch bevor. Dies sind erst die Vorbereitungen“ keuchte er.

Neugierig geworden half ich ihm beim Tragen. Erst jetzt erkannte ich, dass er keine Lebensmittel, sondern nur Prospektmaterial in seine Tüten gepackt hatte.

„Mensch, Jupp, was hast du gemacht? Du bist ja komplett ausgepumpt!“ 

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Das qualitätsgemanagte Krankenhaus von morgen

Nachdem wir augenscheinlich alle den Weltuntergang vom 21. Dezember überlebt haben, wollen wir uns am Silvesterabend wieder zuversichtlich der Zukunft widmen: Wie sieht das Krankenhaus von morgen aus? Jupp hat da seine eigenen Visionen entwickelt. Zunächst fängt unser Gespräch ganz banal an.

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Wie überlebt man Weihnachten?

Weihnachten mit seinen besinnlichen Tagen danach steht vor der Tür. Jupp und ich haben unsere Leser nun seit Monaten mit den juristischen Diskussionen über das Medizin­produktegesetz malträtiert. Mit der Zeit haben wir uns einem grundsätzlicheren Thema ange­nähert, dem Qualitätsmanagement. Auch da werden wir voraussichtlich nicht stehen bleiben, denn böse Zungen behaupten ja, dass auf das Qualitätsmanagement das Risiko­management folgt, weil man die Qualität nicht einhalten kann und schlußendlich das Krisenmanagement gefragt ist, weil man die Risiken nicht beherrschen kann.

Folgen Sie uns also weiterhin auf dem Weg zum Qualitäts-Risiko-Krisenmanagement und staunen Sie mit mir über Jupps unübertroffene Art, diese Prinzipien auch im Alltagsleben anzuwenden. Zunächst müssen wir aber ein aktuelles Risikoproblem aufarbeiten, generell bekannt unter dem Stichwort „Weihnachten“.v

Über die Kommentarfunktion dieses Blogs können Sie sich natürlich direkt an unseren Diskussionen beteiligen.

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Wie halte ich mein Fachbuch MPG-gerecht instand?

Vor kurzem traf ich mal wieder meinen Freund Jupp. Nein, diesmal nicht in seinem Wohnzimmer. Es war an einer Informationstheke in einer großen Buchhandlung. Bemerkenswert war, daß die Verkäuferin mich geradezu flehentlich ansah, als ich Jupp begrüßte. Ja, sie schien sogar einem Nervenzusammenbruch nahe zu sein. Mir schwante etwas. Hatte Jupp etwa wieder eine seiner berüchtigten Diskussionen angefangen?

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Die akusto-medizinische Gerätekombination

Bei seinen Literaturstudien muß mein Freund Jupp wohl auf neue Erkenntnisse gestoßen sein. Telefonisch verlangte er vor kurzem mit vor Erregung zitternder Stimme dringend nach der letzten Fassung der Medizinprodukte-Verordnung. Ich faxte sie ihm durch und wartete noch zwei Tage, ohne dass ein weiteres Lebenszeichen von ihm kam.

Dann hielt ich es nicht mehr länger aus. Kurzentschlossen besuchte ich ihn. Ich fand ihn in seinem Wohnzimmer. Er saß vor einem Audioanlagenturm und schloß anscheinend neue Lautsprecherboxen an.

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Wer weist mich in mein quantenmagnetisches Kupferarmband ein?

Wieder einmal war es in den letzten Tagen verdächtig still geworden um meinen Freund Jupp. Etwas beunruhigt suchte ich ihn zu Hause auf. Tatsächlich, sein Wohnzimmer war eine einzige große Baustelle.

„Was gibt das denn, Jupp?“ fragte ich angesichts der vielen Sitzbänke, „willst du ein Bierzelt einrichten?“ – „Quatsch, das werden Schulungsräume für das Medizinproduktegesetz, genauer gesagt Betreiberverordnung. Schon mal was von Einweisungspflichten gehört, mein lieber Freund?“

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Hast Du heute schon Deine Betreibervorschriften erfüllt?

Als ich vor einigen Tagen wieder einmal meinen Freund Jupp besuchte, fand ich ihn in der Garage bei seinem Auto. „Hast Du Probleme mit Deinem Wagen, Jupp?" – „Ja, sicher. Die Dokumentation ist absolut unzureichend", grummelte er vor sich hin.

Das konnte ich gut nachvollziehen. „Mach Dir nichts daraus. Ich verstehe meine Gebrauchsanweisung auch immer erst dann, wenn ich weiß, wie das Gerät funktioniert." – 
„Quatsch, ich finde die Sicherheitstechnischen Kontrollen nicht definiert."

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